Pfau und Igel (Erzählstoff)
Pfau und Igel (Erzählstoff) | |
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Regest | Der eingebildete Pfau fragt den zur Kugel eingerollten Igel, warum ihm sein ausgebreitetes Rad nicht imponiere und erhält als Antwort eine Belehrung über Schein und Sein. (Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 538) |
Fassungen | Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. II, 21 Buch von der Weisheit, Nr. II, 21 Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. II, 21, Bl. 42v-43v Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), Nr. 48, Bl. 173v-176r |
Forschung (s.a. unter Fassungen) |
Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 538f.; Günthart, Romy (Hg.): Sebastian Münster, Spiegel der wyßheit, Band 2, S. 77-79 |
Deutsche Versionen
Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. II, 21 (um 1408/16, nach Druck Augsburg, 1490)
Das·xxi·Capitel
AIn pfaube[1] mit lindez gang und gar mit leysen tritten/ kaz zuo einem Igel· Und wolt vor dez seinen erwirdigen ruome in dye weyte außpraytten· Darumbe das er in mit seiner gebürneten haut moechtt schenden und auch loestern· Und da er für sein auge(n) kam allzeha(n)d erhuob er in großsem ruome seinen schwancze· Er schüttet das gefüder sein unnd trat in hoffertigem geferte auff und nider vor des Igels augen und schwanckte in seinen Purperischen und vergülten klaideren[2] hin und her/ das thaet er darumb das sich der Igel seins hochgepreyßten adels verwundt Nun waz der Igel in angeborner weißheit also geschicket an im selber das eyteler ruome seyn hercz nicht mocht besiczen· Darumb so verschmoge er sich und zohe das antlücz mitsampt den augen under seiner decke(n) obdache/ wann er macht sich zuo einer gescheypten kugeln so ga(n)cz un(d) gar daz er weder fuoß noch auge(n) weder mund noch nasen plecke(n) ließ· unnd zaiget dem schoen geschwanczten pfauben nichs anders dann ein wolgedürnete kugel· Do sich das also vergienge Do mercket der pfau das seyn übermuot gestraft wz/ Da begrif auch in ein scharpffer zorn und sprach dem Igel also zuo· Wz leret dich du wildes kunter deyn natürliche aygenschaft/ waistt du nicht daz die hoechst creature der mensch darzuo genaygett istt das er allezeit begert wundersdme ding die den augen lust pringend an zuosehen· So verpürgtestu nicht allein die auge(n) sunder du verschmaehest mich darmitt anzesehen· und ist doch mein gestalt so hoch geziert das sy pfaffen und layen in iren augen mit reychem lust erscheinendt· Nun seczt mich das in wunder dz du mich also unerest und mir nicht anders zaygest deines ganczen wesens dann ein scharpf gedürnete kugel dei(n)er lasterbaern haute/ was thuostu an dir selber· Do antwurt der Igel auß seinez gedürneten rosenstock un(d) sprach also· Es ist ein altes sprichwort Wer seiner aygenschaft niessunde sey der thuot niemandt weder unrecht noch überlaßt/ yedoch so bit ich dich und will auch des von dir gelert sein das du myr füderlich sagest weliches hoeher ze wegen sey· Sein/ oder gesehe(n) werden· Sprichest du Sein sey pesser fürwar so antwurtesttu gar recht· Ist dem also· wz wilt du meiner v(er)porgen auge(n)/ waen sehen dich die nymmer an dannocht so bistu ein weysen dz du da bist· Sprichestu aber du gesehen werden sey pesser· und begerest auch dz du gesehen werdest· So pist auch du ein schat der fruo erscheinet unnd nit lang weret· wann er schwindet als ein dinge das kein geleiches wesen hate· Also hast auch in deinem glancze kein leipliches wesen daru(m)b so begerst du das du werdest an gesehen/ waerest du weyß so bedaechtest das du des basilisch genaug toetetest· Auch waer dir guot zesagen das dem Affen etwa(s) gesaget ward/ wann der ersahe sich eins mals in einem lautteren Spiegel glas/ do freüet er sich in seinem herczen seyner affischen murren· Und mainet auch das auff erde nicht schoeners waer/ dez ward also czuo gesprochen Wes freüweßt du dich deiner gestalte· wilt da dich freüe so freü dich das du bist/ wann seyt du byst so bist auch du ein wesen (un)d warheit· Aber nach dem sehen pisttu nicht anderst dann ein schatt der eytelkeit der sich zuo plick erzayget und doch zuo hant verschwi(n)det· hast du nie gehoert wie das aller schnaellest thier Tigris seyne kinder verleütet/ wann waen[3] im seine kinder abgestrickt werde(n) als pald es des gejnnert wirte so eylet es dem jaeger mit So schnaelle(n) lauf nach daz kein pferde auf erden nie erfunden ward das in vor dez thier gefreye(n) mochtt/ oder es lief in jn so müßt er sterben· Der muoß soellicher lyßte pflegen das er auf dem weg nach dez er fleücht muoß klare spiegel glas auff die erden werffen/ wann wenn das thier sich in de(m) glas ersihet so waenet auch es es hab seyne kindlin funden/ Und mainet auch es zemuottern· Darmit ist es betroge(n)/ wann in der weyl so kommet jm der Jaeger/ der fleühet so verr für das es jm darnach nicht eingelauffen mage· Auch betreüget er es an maniger stat darmit daz er die spiegel von jm würffet· wann allsofft und es sich ersihet so waent es es hab ein kinlin gefunde(n)· damit verleürt es de(n) wildern mitsampt den kinden/ wann eytele gestalt die laßt es sich betrüge(n) Daru(m)b so sag mir du oeder pfau Wes geüssest du dich also auß i(n) übermuot mit deinem schoengezierten schwancz daz du allein ein ansehen un(d) nicht ein wesen für dich nymmest· Waist du nichtt als bald der rauch zerstreüet ist so ist auch er verschwunden· auch pringet das erdtriche nymer frucht es werd dann der saume ee in seiner jnnigkeyt nach pfluoges art heimlich darjnn verporgen· Das ist auch wol wisselich wo weysser farb der hauffe bey einander ist da wirt das gesichtt auff ein zeit geplendet und verschlagen· und wann die muselsichtikeit sich offenlich hin un(d) her in der haut außteylet so ist auch das gancz wesen jnwendigklychen verrucket· Darwider wol zuo mercken ist wie verporgene specerey sich gar heymlich erzeiget mit edlem suoßen riechen Un(d) der tugent verporgner schacze der pricht für warem liecht darjnn er sich laßt schauen· Od(er) waistu nit wie die koesten jren suessen keren under einer scharpffen rinden die außwendig nicht zierlyche ist gar taugenlich verpirgt Das geschihet fürwar darumb das man die suessigkeit des marckes in verporgner stille suoche/ und nit in außwendiger gestalte dye sich clarlich erzaiget· Nu(n) solt du hochgekroenter pfau vo(n) mir allhie das wyssen das mich der doren außwendiklich daru(m)b umbgeben hat das jch des wesens jnnwendiklich versicheret sey· Insoelicher maß ward dem heiligen moysi sein clares und wesenliches angesicht außwendigklich bedecket· und die hoechste(n) heyligkeit goetlicher ere (un)d alten ee ward allenthalb mit reycher zier umbhangen· Also byn auch jch außwendigkliche(n) nach meinem gefallen mit unlustige(n) dornen deine(n) gesichte· Aber mir selber wol czuo luste schoen umbgehangen· un(d) laß dich nach deynem luste zuo plicke den leütten prangen· Hast du gehoerett des weysen rat den dye ungestalte Amaysen dem wolgezierten cameleonten gab der da außwendigklichen unnd vergülten seyner farbe sich sellber ruomet und auch preyset/ dem gab sy soellichen rat· Thuo das aug zuo so würdest du in warem ruome bestaetet Wayst du nicht daz dz aug zwuo augenpra versperrent/ unnd so es aber sehen sol so thuot sich nu(n) die ein pra auf/ das beschihet darumb das es behuetet unnd verschlossen sey· Und sich nymmer auff thuo dann zuo rechten noetten wann es steet allso geschriben/ Wes man nicht begern sol das sol man auch nit sehen· Darmitt da verließ der verschmoge(n) igel den freyen phaben· unnd schied also vonn dannen· Dyse geleichnutz ist wyder dye die in ruome woellent gesehen werde(n) und sich des freüent un(d) seind doch nichssen an in selber·
Anmerkungen
- ↑ Dicke und Grubmüller sagen zum Pfau: "Der eingebildete Pfau fragt den zur Kugel eingerollten Igel, warum ihm sein ausgebreitetes Rad nicht imponiere und erhält als Antwort eine Belehrung über Schein und Sein." (Dicke; Grubmüller: Die Fabeln des Mittelalters und der frühen Neuzeit). Konrad Megenberg beschreibt den Pfau als einen schönen Vogel, der der Schönheit und der Anmut nahesteht (vgl. Megenberg, Konrad: Buch der Natur, S. 212).
- ↑ "Denn der König hatte Tarsisschiffe, die auf dem Meer zusammen mit den Schiffen Hirams fuhren. Diese kamen in drei Jahren einmal und brachten Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen." (1.Kön. 10,22 oder 2.Chr.9,21): An dieser Stelle lässt sich erkennen, dass der Pfau ein deutliches Statussymbol mit seiner Schönheit und dem goldenen Glanz abbildet. Er steht für den Reichtum des Königs Salomo, der in dieser Bibelstelle erwähnt wird. Neben dem Reichtum, der u.a. durch den Besitz von Pfauen verdeutlicht wird, ist König Salomo vor allem aufgrund seiner Weisheit bekannt (vgl. 1.Kön.3). Dementsprechend besitzt er sowohl Schönheit als auch den Schein.
- ↑ wenn?