Ochse und Schwein (Erzählstoff): Unterschied zwischen den Versionen
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| namen = Ochse und Schwein | | namen = Ochse und Schwein | ||
| regest = Der Ochse erklärt dem fragenden Schwein, warum er wiederkäut. ([[Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit]], S. 530) | | regest = Der Ochse erklärt dem fragenden Schwein, warum er wiederkäut. ([[Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit]], S. 530) | ||
| fassungen = [[Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)]], Nr. I, 11<br />[[Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster)]], Nr. I, 11, Bl. 9v-10v<br />[[Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann)]], | | fassungen = [[Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)]], Nr. I, 11<br />[[Buch von der Weisheit]], Nr. I, 11<br />[[Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster)]], Nr. I, 11, Bl. 9v-10v<br />[[Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann)]], 11 | ||
| forschung = [[Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit]], S. 530f. | | forschung = [[Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit]], S. 530f.; [[Günthart, Romy (Hg.): Sebastian Münster, Spiegel der wyßheit]], Band 2, S. 26f. | ||
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== Lateinische Version (Cyrillus, Nr. | == Lateinische Version (Cyrillus, Nr. I, 11), 1. Hälfte 14. Jhd. == | ||
Die deutsche Tradition baut auf einer lateinischen Quelle auf (Cyrillus, Nr. I, 11 ([https://archive.org/details/diebeidenltesten00grss Grässe, Johann Georg Theodor (Hg.): Die beiden ältesten lateinischen Fabelbücher des Mittelalters.] Tübingen 1880, S. 16-18)). | Die deutsche Tradition baut auf einer lateinischen Quelle auf (Cyrillus, Nr. I, 11 ([https://archive.org/details/diebeidenltesten00grss Grässe, Johann Georg Theodor (Hg.): Die beiden ältesten lateinischen Fabelbücher des Mittelalters.] Tübingen 1880, S. 16-18)). | ||
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==Deutsche Versionen== | ==Deutsche Versionen== | ||
===[[Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)]], Nr. I, 11 (um 1408/16, nach Druck Augsburg, 1490)=== | ===[[Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)]], Nr. I, 11 (um 1408/16, nach Druck Augsburg, 1490)=== | ||
Das ·xi· Capitel Bedenck alle ding mit wolgedewtem eintrucken ee und du sy thuost·<br />Das ·xi· Capitel<br />'''N'''Ach etwe vil dewung | |||
der empfange(n) speyß empfalhe ei(n) Ochß die selbe(n) speise dem guomen hyn wider sy baß zekeüen· Unnd da er siczender und ruowender eyntrucket das sahe ein schwein es lief zuo im un(d) sprach· Du gehürneter was ist das du thuost· Der ochß sprach· Ich eindrucke· Do sprach das schwein· Du unweiser ein kleine stund vor der zeyt hastu ein schwaeres joch vo(n) dyr geleget / waru(m)b ruoest du nu(n) nit Waer des nit genuog das du das [12vb] aynest gekewt hetest· Das verantwurt der ochs unnd sprach also· Des nymm dir nit wund(er) / mein pruoder / wenn waer daz du eindrucktest fürwar so verstuendest du auch mei(n) eindrucke(n) ich bit dich in freüntschaft sag mir wo und an wellicher stat der tiere ist der synn der speiß geseczt / Ist er nit in dem guomen· | |||
Daru(m)be seyt er in dez guome(n) ist so wir dann die speiß ye fleissigklicher kewen so wir ye mer geschmackes des dings das wir da keüen empfahen un(d) gewynnen / auch dester mer lustes in dem koste(n) | |||
Wiß fürwar das dye besichtige natur die winckel zaen mit de(n) dz kewen geschicht hat zwir allso grosse macht als die andern un(d) vodern zaen· Daru(m)b das dz keüe(n) dest bas geschehe· | |||
Auch hat die natur den costende(n) syn in de(n) mu(n)de geseczt / daru(m)b das wyr dye speiß dester lenger mit lust und(er) dem guomen hielten· Nun dewe ich mein speiß destbas· wenn sy wirt mit eindrucken mir zuo hilf wolgeleütert· | |||
Do sprach dz schwei(n)· wer hat dich gelert eintrucke(n)· Der frag gab der ochß antwurt unnd sprach· Des bis on zweifel die kunst hat mich geleret eindrucken in meinen leychnam die den weysen lert eintrucken in der sel· | |||
wann ain weiser [13ra] eindruckt alle ding die er redtt oder würckt mit sitigem bedencken / darumb so erdet<ref>Wohl ein Druckfehler, der auf die Vertauschung von r und e (wie bei einer r-Metathese) zurückgeht. erdet wäre zu redet zu verbessern.</ref> er wolgedeüte wort / un(d) würckt wolgeleüterte und rain geschwu(n)gen werck· | |||
Sag mir wardurch istt dem mensche(n) verlihen clarer rat und vernunft un(d) das aller klarest guot der bedaechtnuß zuo nichten anders fürwar dann das er die heilwertiklich nücz in seinen worten und wercken· | |||
Darumbe ist das kewüen der gedechtnuße in allen menschlichen worte(n) un(d) wercken allzeit für zuo seczen daz die beyde mit weißheit wol behuet seyen· Auch ist des nit genuoge ob ain ding aynest besichtigklich und bedaechtiklich wirt betracht / wenn des ist ein noturft das es behendiklich dick un(d) oft werd eingedruckt· | |||
wenn ein yeckliche speiß wirt vierfaltiklich gekocht ee und sy den gelidern warhaftiklich und wolgeleüteret empfolhen unnd geaigenot wirt· | |||
Nu(n) das du des gelert werdest so wyß das ayn yeckliche speiß mit der wir tier gespeißtt werden bedarf zuo noete(n) dz sy mit hicziger deüwung vierfeltiklychen geleütert sey ee und sy den lebentigen geysten gegebe(n) wirt unnd gaucz<ref>Ein Fehler im Druck, gaucz ist zu gancz zu verbessern.</ref> mit inen veraynet Wann des ersten kommet dye speiß in den magen· | |||
und in dem [13rb] wirt sy am erste(n) gedeüwet / darinn teylt sich das lauter von dez unlautern / und das daz unlautter ist wirt den natürlichen stuele(n) empfolhen mit dem nympte es seinen außgang / darnach wirtt das lauter das in dem mage(n) beleibt der lungen empfolhen Un(d) wirt darinnen verdeüet Unnd wirt da zuo pluot· | |||
da wirt aber dz lauter von dem unlautern geteilet / und das unlauter wirt mit dem haren außgelassen· Darnache wirt das lauter das in d(er) lungen beliben ist von den adern an sich gezogen· | |||
und wirt darinne(n) zuo dem driten mal gedeüet / Do wirt aber das lauter vo(n) dem unlautern geteilt· und das unlauter wirt verlassen mitt dem schwaiß und mit dez spaichel· darnach zuo dem vierden mal wirtt daz lauter das do überbelibe(n) ist in alle gelider geteylt / und wirdet darinnen gedeüet· Do wirtt auch daz lautter von dem unlautern geteylt· | |||
Und dasselbig das vil nahend sam als das lautter ist das wirt behalte(n) in den vaßsen das ist der nyeren natürlicher saum / und dasselbig dz wirt mit dem wercke der natur verlassen· | |||
Aber das aller leüterst dz daselbs ist überbeliben und sich in wesenlichs wesen und stand der gelyder verkeret und auch [13va] verwandlet hat / dz wirt zuo dez jüngsten den geysten des lebens zuo gefueget mit de(m) leben un(d) dz selbig ist des lebe(n)s wesenlichs wesen· | |||
Also merck dz kei(n) unlautrikeit ko(m)pt zuo der sel der tier es sej dan(n) ein jeckliche speiß ee zuo vier malen gereiniget un(d) geleütert· Sei d(az) aber du nit eintruckst daru(m)be so nymbstu ungeleüterte speiß i(n) d(er) du für rose(n) un(d) gilge(n) wuolest· un(d) naschest / daru(m)b pistu mit goetliche(m) urteil der alte(n) ee ein unrein tier geurteilt un(d) v(er)dampt· Do daz schwei(n) dz hort zohe es mit scha(n)den von der pan· | |||
==Miniaturen und gedruckte Bilder== | |||
===[[Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)]]=== | |||
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Datei:Ochse und Schwein (Cgm 254, 9v).png|200px|thumb|left|Ochse und Schwein (Cgm 254, 9v) | |||
Datei:Ochse und Schwein (Cgm 9602, 10v).jpg|200px|thumb|left|Ochse und Schwein (Cgm 9602, 10v) | |||
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Datei:Ochse und Schwein (Druck 1490, 12v).jpg|200px|thumb|left|Ochse und Schwein (Druck 1490, 12v) | |||
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===[[Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann)]]=== | |||
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Datei:Ochse und Schwein (Druck 1571, 45v).png|200px|thumb|left|Ochse und Schwein (Druck 1571, 45v) | |||
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== Anmerkungen == | == Anmerkungen == |
Aktuelle Version vom 28. Januar 2022, 15:50 Uhr
Ochse und Schwein (Erzählstoff) | |
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Regest | Der Ochse erklärt dem fragenden Schwein, warum er wiederkäut. (Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 530) |
Fassungen | Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 11 Buch von der Weisheit, Nr. I, 11 Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. I, 11, Bl. 9v-10v Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), 11 |
Forschung (s.a. unter Fassungen) |
Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 530f.; Günthart, Romy (Hg.): Sebastian Münster, Spiegel der wyßheit, Band 2, S. 26f. |
Lateinische Version (Cyrillus, Nr. I, 11), 1. Hälfte 14. Jhd.
Die deutsche Tradition baut auf einer lateinischen Quelle auf (Cyrillus, Nr. I, 11 (Grässe, Johann Georg Theodor (Hg.): Die beiden ältesten lateinischen Fabelbücher des Mittelalters. Tübingen 1880, S. 16-18)).
Cyrillus: Speculum Sapientiae[1] | Übersetzung[2] |
Diligentiori ruminatione omnia digeras, priusquam agas. Post aliquantulam sumpti digestionem edulii ipsum bos retribuens faucibus cum recubans ruminaret, porcus hoc adspiciens ad eum venit et dixit: "Quid est quod agis, cornute?" Cui ille: "Rumino." Tunc porcus: "Parum ante tam onerosum iugum deposuisti, ut quid modo non quiescis? Nonne semel satis est masticasse? Ad haec bos ita fertur dixisse: "Nimirum, frater, si ruminares, nullatenus ita sentires. Ubi quaeso situs est alimenti sensus? Nonne in faucibus? Et propter hoc quanto diligentius edulium masticamus, tanto amplius totius rei saporem percipimus et iudicialem gustum vehementius delectamus; revera molares dentes in duplo provida ob hoc natura composuit, ut masticatio maior adsit, et gustativus sensus providenter locatus est in ore, ut delectatione cibum diutius teneamus sub fauce. Quin et ruminans melius digero et alimentum in fine per amplius depuratum assumo." Tunc porcus his auditis adiunxit: "Quis ruminare te docuit?" Et ille: "Nimirum ars illa me hoc agere erudivit in corpore, quae sapientem edocuit ruminare in mente. Cuncta namque subtili medicamine ruminat prudens quae aut dicit aut facit, propterea quidem digesta loquitur et purgata similiter operatur. Ad quid enim communicatum est homini clarum rationis consilium, et tarn carissimum concessum est illi meditationis bonum? Nonne ut his salubriter in agendis utatur? Unde praemeditationis masticatio semper praeponenda est in cunctis humanis actibus, si sapientia gubernantur, ut universa digestiora et puriora consequantur. Nec semel satis est rem agendam videre, sed necesse est eam subtiliter pluries ruminare. Sicut quattuor digestionibus cibus praecoquitur, ut deinde membris purior atque veracior tribuatur, omnis cibus, autequam animae uniatur, quattuor purgetur digestionibus. Primo vadit ad stomachum et ibi digeritur et sequestratur purum ab impuro et quod impurum est, emittitur per secessum. Deinde purum derelictum ad hepar mittitur, et ibi digeritur et fit sanguis et sequestratur purum ab impuro et impurum emittitur per urinam. Deinde derelictum purum a venis attrahitur et ibi tertio digeritur et sequestratur purum ab impuro et impurum emittitur per sudorem et sputum. Deinde purum derelictum per membra spargitur et in membris quarto digeritur et sequestratur purum ab impuro et illud impurum, quod quasi purum est, servatur in vasis spermaticis et in generatione emittitur. Purissimum autem derelictum conversum in membrorum substantiam finaliter animae copulatur factum vivum et substantia vitae. Unde nulla cibalis impuritas accedit ad animam, nisi cum quater mundificatus sit omnis cibus. Tu quidem ergo, carissime, quia non ruminas, impurius suscipis alimentum, et ob hoc divina lege iudicaris immundus." Quibus auditis erubescens porcus recessit. |
Bevor du handelst, sollst du alles durch sorgfältiges Nachdenken abwägen Ein Schwein sah, wie ein Ochse nach kurzem Kauen der aufgenommenen Nahrung diese wieder seinem Maul zuführte und im Liegen wiederkäute; es ging näher zu ihm und sagte: "Was treibst du, Hornochse?" Jener sagte zu ihm: "Ich bin mit Wiederkäuen beschäftigt." Darauf meinte das Schwein: "Eben erst hast du das so beschwerliche Joch abgelegt, warum ruhst du jetzt nicht aus? Genügt es nicht, einmal gekaut zu haben?" Darauf soll der Ochse folgendes gesagt haben: "Aber nein, mein Bruder, wenn du ein Wiederkäuer wärest, würdest du keineswegs so denken. Ich frage dich, wo ist denn das Sinnesorgan für die Nahrung angesiedelt? Doch im Maul! Je sorgfältiger wir kauen, um so mehr nehmen wir folglich den Geschmack der ganzen Sache auf und um so eindringlicher erfreut sich der urteilende Geschmacksinn; die wirklich weitsichtige Natur hat deshalb die Backenzähne doppelt angelegt, damit ein kräftiges Kauen möglich ist, und der Geschmackssinn ist absichtlich im Mund angelegt, damit wir mit Freude die Speise länger darin festhalten. Ich verdaue sogar besser, wenn ich wiederkäue und nehme schließlich eine besser gereinigte Nahrung auf." Als das Schwein dieses gehört hatte, fügte es hinzu: "Wer hat dich das Wiederkäuen gelehrt?" Er gab zur Antwort: "Selbstverständlich hat jene Kunst mich dazu erzogen, dies in meinem Körper zu tun, die den Weisen lehrte, im Geist wiederzukäuen. Denn alles, was der Kluge sagt oder tut, kaut er mit einem feinen Wirkstoff nochmals durch. Deshalb spricht er nach reiflicher Überlegung und handelt in ähnlicher Weise lauter. Wozu ist nämlich dem Menschen das klare Planen des Verstandes gegeben und wozu ist ihm das so teure Gut des Nachdenkens gewährt worden? Doch dazu, daß er es heilsam bei seinem Tun und Handeln benutzt. Deshalb muß bei allen menschlichen Handlungen immer das 'Kauen' der Vorüberlegung vorangestellt werden, wenn sie von der Weisheit gelenkt werden, damit alles durchdachter und reiner nachfolgt. Und es genügt nicht, eine Sache, die man zu tun hat, nur einmal zu bedenken, sondern man muß sie mehrmals gründlich überdenken. So wird eine Speise durch vier Verdauungsvorgänge vorverdaut, daß sie dann den Gliedern reiner und echter zugeführt wird, und jede Speise soll durch einen vierfachen Verdauungsvorgang gereinigt werden, bevor sie in die Lebenskraft eingeht. Zuerst kommt sie in den Magen und wird dort zerkleinert, das Reine wird vom Unreinen getrennt und das Unreine wird abgeführt. Dann wird der gereinigte Rest zur Leber transportiert und dort zerkleinert, so daß Blut entsteht, das Reine vom Unreinen getrennt und das Unreine durch den Urin ausgeschieden wird. Der gereinigte Rest wird von den Blutadern aufgenommen und dort zum dritten Mal zerkleinert, das Reine vom Unreinen getrennt und das Unreine durch Schweiß und Speichel ausgeschieden. Dann aber verteilt sich der gereinigte Rest in den Gliedern und wird dort zum vierten Mal zerkleinert, das Reine vom Unreinen getrennt und jenes Unreine, das schon beinahe rein ist, in den Spermagefäßen aufbewahrt und bei der Zeugung ausgeschieden. Der völlig gereinigte Rest, der sich in die Substanz der Organe verwandelt hat, wird als kraftvolle Lebenssubstanz endlich in die Lebenskraft eingebunden. So gelangt kein unreines Essen in die Lebenskraft, da jede Speise viermal gereinigt wurde. Weil du aber, mein lieber Freund, kein Wiederkäuer bist, nimmst du unreine Nahrung zu dir und deswegen giltst du nach göttlichem Gesetz als unrein." Als das Schwein dieses gehört hatte, zog es sich beschämt zurück. |
Deutsche Versionen
Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 11 (um 1408/16, nach Druck Augsburg, 1490)
Das ·xi· Capitel Bedenck alle ding mit wolgedewtem eintrucken ee und du sy thuost·
Das ·xi· Capitel
NAch etwe vil dewung
der empfange(n) speyß empfalhe ei(n) Ochß die selbe(n) speise dem guomen hyn wider sy baß zekeüen· Unnd da er siczender und ruowender eyntrucket das sahe ein schwein es lief zuo im un(d) sprach· Du gehürneter was ist das du thuost· Der ochß sprach· Ich eindrucke· Do sprach das schwein· Du unweiser ein kleine stund vor der zeyt hastu ein schwaeres joch vo(n) dyr geleget / waru(m)b ruoest du nu(n) nit Waer des nit genuog das du das [12vb] aynest gekewt hetest· Das verantwurt der ochs unnd sprach also· Des nymm dir nit wund(er) / mein pruoder / wenn waer daz du eindrucktest fürwar so verstuendest du auch mei(n) eindrucke(n) ich bit dich in freüntschaft sag mir wo und an wellicher stat der tiere ist der synn der speiß geseczt / Ist er nit in dem guomen·
Daru(m)be seyt er in dez guome(n) ist so wir dann die speiß ye fleissigklicher kewen so wir ye mer geschmackes des dings das wir da keüen empfahen un(d) gewynnen / auch dester mer lustes in dem koste(n)
Wiß fürwar das dye besichtige natur die winckel zaen mit de(n) dz kewen geschicht hat zwir allso grosse macht als die andern un(d) vodern zaen· Daru(m)b das dz keüe(n) dest bas geschehe·
Auch hat die natur den costende(n) syn in de(n) mu(n)de geseczt / daru(m)b das wyr dye speiß dester lenger mit lust und(er) dem guomen hielten· Nun dewe ich mein speiß destbas· wenn sy wirt mit eindrucken mir zuo hilf wolgeleütert·
Do sprach dz schwei(n)· wer hat dich gelert eintrucke(n)· Der frag gab der ochß antwurt unnd sprach· Des bis on zweifel die kunst hat mich geleret eindrucken in meinen leychnam die den weysen lert eintrucken in der sel·
wann ain weiser [13ra] eindruckt alle ding die er redtt oder würckt mit sitigem bedencken / darumb so erdet[3] er wolgedeüte wort / un(d) würckt wolgeleüterte und rain geschwu(n)gen werck·
Sag mir wardurch istt dem mensche(n) verlihen clarer rat und vernunft un(d) das aller klarest guot der bedaechtnuß zuo nichten anders fürwar dann das er die heilwertiklich nücz in seinen worten und wercken·
Darumbe ist das kewüen der gedechtnuße in allen menschlichen worte(n) un(d) wercken allzeit für zuo seczen daz die beyde mit weißheit wol behuet seyen· Auch ist des nit genuoge ob ain ding aynest besichtigklich und bedaechtiklich wirt betracht / wenn des ist ein noturft das es behendiklich dick un(d) oft werd eingedruckt·
wenn ein yeckliche speiß wirt vierfaltiklich gekocht ee und sy den gelidern warhaftiklich und wolgeleüteret empfolhen unnd geaigenot wirt·
Nu(n) das du des gelert werdest so wyß das ayn yeckliche speiß mit der wir tier gespeißtt werden bedarf zuo noete(n) dz sy mit hicziger deüwung vierfeltiklychen geleütert sey ee und sy den lebentigen geysten gegebe(n) wirt unnd gaucz[4] mit inen veraynet Wann des ersten kommet dye speiß in den magen·
und in dem [13rb] wirt sy am erste(n) gedeüwet / darinn teylt sich das lauter von dez unlautern / und das daz unlautter ist wirt den natürlichen stuele(n) empfolhen mit dem nympte es seinen außgang / darnach wirtt das lauter das in dem mage(n) beleibt der lungen empfolhen Un(d) wirt darinnen verdeüet Unnd wirt da zuo pluot·
da wirt aber dz lauter von dem unlautern geteilet / und das unlauter wirt mit dem haren außgelassen· Darnache wirt das lauter das in d(er) lungen beliben ist von den adern an sich gezogen·
und wirt darinne(n) zuo dem driten mal gedeüet / Do wirt aber das lauter vo(n) dem unlautern geteilt· und das unlauter wirt verlassen mitt dem schwaiß und mit dez spaichel· darnach zuo dem vierden mal wirtt daz lauter das do überbelibe(n) ist in alle gelider geteylt / und wirdet darinnen gedeüet· Do wirtt auch daz lautter von dem unlautern geteylt·
Und dasselbig das vil nahend sam als das lautter ist das wirt behalte(n) in den vaßsen das ist der nyeren natürlicher saum / und dasselbig dz wirt mit dem wercke der natur verlassen·
Aber das aller leüterst dz daselbs ist überbeliben und sich in wesenlichs wesen und stand der gelyder verkeret und auch [13va] verwandlet hat / dz wirt zuo dez jüngsten den geysten des lebens zuo gefueget mit de(m) leben un(d) dz selbig ist des lebe(n)s wesenlichs wesen·
Also merck dz kei(n) unlautrikeit ko(m)pt zuo der sel der tier es sej dan(n) ein jeckliche speiß ee zuo vier malen gereiniget un(d) geleütert· Sei d(az) aber du nit eintruckst daru(m)be so nymbstu ungeleüterte speiß i(n) d(er) du für rose(n) un(d) gilge(n) wuolest· un(d) naschest / daru(m)b pistu mit goetliche(m) urteil der alte(n) ee ein unrein tier geurteilt un(d) v(er)dampt· Do daz schwei(n) dz hort zohe es mit scha(n)den von der pan·
Miniaturen und gedruckte Bilder
Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)
Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann)
Anmerkungen
- ↑ Zitiert nach Esser, Birgit/Blanke, Hans-Jürgen (Hg.): Speculum Sapientiae, S. 44-46.
- ↑ Zitiert nach Esser, Birgit/Blanke, Hans-Jürgen (Hg.): Speculum Sapientiae, S. 45-47.
- ↑ Wohl ein Druckfehler, der auf die Vertauschung von r und e (wie bei einer r-Metathese) zurückgeht. erdet wäre zu redet zu verbessern.
- ↑ Ein Fehler im Druck, gaucz ist zu gancz zu verbessern.