Geisterkirche (Erzählstoff): Unterschied zwischen den Versionen

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| namen              = Die Geisterkirche; Die Totenkirche
| namen              = Die Geisterkirche; Die Totenkirche
| regest            = '''Version 1:''' Eine Frau geht am Weihnachtsabend um Mitternacht in die Kirche, ohne sich der Uhrzeit bewusst zu sein. Ein fremder Pfarrer predigt, sie erkennt unter der Gemeinde kürzlich Verstorbene. Ihre verstorbene Gevatterin empfiehlt ihr, direkt bei der Wandlung zu fliehen. Sie verlässt die Kirche bei der Wandlung, hinter ihr prasselt es, und die Toten verfolgen sie und reißen ihre Kurse. Sie findet das Stadttor noch verschlossen und erkennt, dass ihr zuvor ein böser Geist durch das Tor geholfen hat. Sie findet am Morgen ihre Kurse zerrissen auf dem Friedhof: Auf jedem Grabstein liegt ein Fetzen.
| regest            = '''Version 1:''' Eine Frau geht am Weihnachtsabend um Mitternacht in die Kirche, ohne sich der Uhrzeit bewusst zu sein. Ein fremder Pfarrer predigt, sie erkennt unter der Gemeinde kürzlich Verstorbene. Ihre verstorbene Gevatterin empfiehlt ihr, direkt bei der Wandlung zu fliehen. Sie verlässt die Kirche bei der Wandlung, hinter ihr prasselt es, und die Toten verfolgen sie und reißen ihre Kurse. Sie findet das Stadttor noch verschlossen und erkennt, dass ihr zuvor ein böser Geist durch das Tor geholfen hat. Man findet am Morgen ihre Kurse zerrissen auf dem Friedhof: Auf jedem Grabstein liegt ein Fetzen.


'''Version 2:''' Ein Bürger bringt am Weihnachtsabend Weizen zur Mühle. Auf dem Heimweg kommt er bei einer Kirche vorbei, in der Mitternachtsmette gehalten werden soll. In ihr singen schon vor der Zeit Verstorbene "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott". Er setzt sich zu seinem vor kurzem verstorbenen Gevatter und singt mit. Der Gevatter gibt ihm einen Wink, und der Bürger verlässt die Kirche, die hinter ihm mit einem Knall verschwindet.
'''Version 2:''' Ein Bürger bringt am Weihnachtsabend Weizen zur Mühle. Auf dem Heimweg kommt er bei einer Kirche vorbei, in der Mitternachtsmette gehalten werden soll. In ihr singen schon vor der Zeit Verstorbene "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott". Er setzt sich zu seinem vor kurzem verstorbenen Gevatter und singt mit. Der Gevatter gibt ihm einen Wink, und der Bürger verlässt die Kirche, die hinter ihm mit einem Knall verschwindet.
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==Synopse der Fassungen der Version 1==
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| style="vertical-align:top;" |Die andere wunderbarliche, doch wahrhaftige Geschichte trug sich in der St. Lorenz-Kirche und auf dem Kirchhofe derselben zu. Eine andaechtige, alte, fromme Matrone wollte einstmals, ihrer Gewohnheit nach, frueh Morgens vor Tag hinaus gen St. Lorenz in die Engelmesse gehen. Als sie nun in der Meinung, es sei rechte Zeit, um Mitternacht vor das obere Thor kommt, findet sie dasselbe offen, und gehet also hinaus in die Kirche. Da siehet sie denn einen alten, unbekannten Pfaffen, der die Messe vor dem Altar verrichtet. Viele Leute, mehrentheils unbekannte, sitzen hin und wider in den Stuehlen zu beiden Seiten, ein Theil ohne Koepfe, auch unter denselben etliche, die ohnlaengst verstorben waren, und die sie in ihrem Leben wohl gekannt hatte. Die Matrone sezte sich mit großer Furcht und Schrecken in einen der Stuehle, und weil sie nichts denn verstorbene Leute, Bekannte und Unbekannte sah, und meinte, er waeren der Verstorbenen Seelen; auch nicht weiß, ob sie wieder aus der Kirche gehen, oder drinnen bleiben soll, weil sie viel zu frueh gekommen war, stiegen ihr Haut und Haar gen Berg. Endlich gehet eine aus dem Haufen, welche bei Leben (wie sie meinte) ihre Gevatterin gewesen, und vor drei Wochen gestorben war, - ohne Zweifel ein guter Engel Gottes - hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen, bietet ihr einen guten Morgen und spricht: ei liebe Gevatterin, behuet uns der allmaechtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt Acht darauf, wann der Priester wandelt; dann lauft, weil ihr laufen koennt, und sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben. Darauf, als der Priester wandeln will, eilte sie, so sehr sie konnte, aus der Kirche, und hat hinter ihr ein gewaltiges Prasseln, als wenn die ganze Kirche einfiele, gehoert. Alles Gespenst lief ihr aus der Kirche nach, erwischte sie noch auf dem Kirchhofe, und riß ihr die Kurse (wie die Weiber damals trugen) vom Halse, welche sie dann hinter sich gelassen, und also unversehrt davon kommen und entronnen ist. Als sie wiederum zum obern Thor kommt, und herein in die Stadt gehen will, findet sie das Thor noch verschlossen, da es etwa um ein Uhr nach Mitternacht gewesen. Sie muß deswegen wohl gegen drei Stunden in einem Hause verharren, bis das Thor geoeffnet wird, und kann hieraus vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen habe, und daß die Schweine (die sie Anfangs vor dem Thore gesehen und gehoert, als wenn es Zeit waere, das Vieh auszutreiben) nichts anders denn leidige Teufel gewesen. Doch weil sie ohnedem beherzt gewesen, und dem Unglueck entgangen war, hat sie sich der Sache so heftig nicht mehr angenommen, sondern ist nach Haus gegangen, und am Leben unbeschädigt geblieben. Des Schreckens wegen mußte sie aber zwei Tage im Bett liegen. An demselben Morgen aber, an dem ihr dieses zugestoßen, hat sie, als es Tag geworden, auf den Kirchhof hinausgeschickt, und nach ihrer Kursen suchen lassen. Da ist dieselbe, zu kleinen Stuecken zerrissen, gefunden worden; in der Art, daß auf jedem Grab ein kleines Flecklein lag. Darob wunderten sichd ie Leute, die Haufenweise derhalben hinaus auf den Kirchhof liefen, nicht wenig. Diese Geschichte ist unsern Aeltern sehr wohl bekannt gewesen, und man hat sie nicht allein in der Stadt, sondern auch auf dem Lande in den benachbarten Flecken und Doerfern gewußt.
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==Synopse der Fassungen der Version 2==
==Synopse der Fassungen der Version 2==

Version vom 30. Januar 2025, 22:33 Uhr

Die Geisterkirche; Die Totenkirche

(Erzählstoff)

Regest Version 1: Eine Frau geht am Weihnachtsabend um Mitternacht in die Kirche, ohne sich der Uhrzeit bewusst zu sein. Ein fremder Pfarrer predigt, sie erkennt unter der Gemeinde kürzlich Verstorbene. Ihre verstorbene Gevatterin empfiehlt ihr, direkt bei der Wandlung zu fliehen. Sie verlässt die Kirche bei der Wandlung, hinter ihr prasselt es, und die Toten verfolgen sie und reißen ihre Kurse. Sie findet das Stadttor noch verschlossen und erkennt, dass ihr zuvor ein böser Geist durch das Tor geholfen hat. Man findet am Morgen ihre Kurse zerrissen auf dem Friedhof: Auf jedem Grabstein liegt ein Fetzen.

Version 2: Ein Bürger bringt am Weihnachtsabend Weizen zur Mühle. Auf dem Heimweg kommt er bei einer Kirche vorbei, in der Mitternachtsmette gehalten werden soll. In ihr singen schon vor der Zeit Verstorbene "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott". Er setzt sich zu seinem vor kurzem verstorbenen Gevatter und singt mit. Der Gevatter gibt ihm einen Wink, und der Bürger verlässt die Kirche, die hinter ihm mit einem Knall verschwindet.

Fassungen Version 1:
  • Geisterkirche (Enoch Widmann). In: Ders.: Chronik der Stadt Hof (1596). Hg. v. Wirth, Heinrich. Hof 1843, S. 100-102
  • Geister-Kirche. In: Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Deutsche Sagen. Band 1. Berlin 1816, Nr. 175 (S. 254-257)
  • Das Bimmelglöckchen (Ludwig Bechstein). In: Ders.: Deutsches Sagenbuch. Leipzig 1853, Nr. 702 (S. 464)
  • Die Geisterkirche in Hof. In: Köhler, Ernst: Volksbrauch, Aberglaube, Sagen und andre alte Ueberlieferungen im Voigtlande, mit Berücksichtigung des Orlagan’s und des Pleißnerlandes. Leipzig 1867, Nr. 140 (S. 530f.)
  • Das Bimmelglöckchen. In: Gradl, Heinrich: Sagenbuch des Egergaues. Eger 1892, Nr. 89 (S. 45f.)
  • Die Weihnachtsmette der Toten zu Stollberg. In: Meiche, Alfred: Sagenbuch des Königreichs Sachsen. Leipzig 1903, Nr. 305 (S. 240)

Version 2:

  • Die Christmette in der Totenkirche zu Elsterberg. In: Köhler, Ernst: Volksbrauch, Aberglaube, Sagen und andre alte Ueberlieferungen im Voigtlande, mit Berücksichtigung des Orlagan’s und des Pleißnerlandes. Leipzig 1867, Nr. 139 (S. 530)
  • Der Todtengottesdienst in der Taucherkirche zu Bautzen. In: Grässe, Georg: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2, Dresden 1874, Nr. 736 (S. 121f.)
  • Die Christmette in der Todtenkirche zu Elsterberg. In: Grässe, Georg: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2, Dresden 1874, Nr. 625 (S. 29f.)
  • Der Totengottesdienst in der Taucherkirche zu Bautzen. In: Meiche, Alfred: Sagenbuch des Königreichs Sachsen. Leipzig 1903, Nr. 329 (S. 255)
  • Die Christmette in der Totenkirche zu Elsterberg. In: Meiche, Alfred: Sagenbuch des Königreichs Sachsen. Leipzig 1903, Nr. 301 (S. 238f.)
Forschung
(s.a. unter Fassungen)



Synopse der Fassungen der Version 1

Geisterkirche (Widmann) Geister-Kirche (Grimm) Das Bimmelglöckchen (Bechstein) Die Geisterkirche in Hof (Köhler) Das Bimmelglöckchen (Gradl) Die Weihnachtsmette der Toten zu Stollberg (Meiche)
Chronik der Stadt Hof, 1596 Deutsche Sagen, 1816 Deutsche Sagenbuch, 1853 Volksbrauch ... im Voigtlande, 1867 Sagenbuch des Egergaues, 1892 Sagenbuch des Königreichs Sachsen, 1903
Die andere wunderbarliche, doch wahrhaftige Geschichte trug sich in der St. Lorenz-Kirche und auf dem Kirchhofe derselben zu. Eine andaechtige, alte, fromme Matrone wollte einstmals, ihrer Gewohnheit nach, frueh Morgens vor Tag hinaus gen St. Lorenz in die Engelmesse gehen. Als sie nun in der Meinung, es sei rechte Zeit, um Mitternacht vor das obere Thor kommt, findet sie dasselbe offen, und gehet also hinaus in die Kirche. Da siehet sie denn einen alten, unbekannten Pfaffen, der die Messe vor dem Altar verrichtet. Viele Leute, mehrentheils unbekannte, sitzen hin und wider in den Stuehlen zu beiden Seiten, ein Theil ohne Koepfe, auch unter denselben etliche, die ohnlaengst verstorben waren, und die sie in ihrem Leben wohl gekannt hatte. Die Matrone sezte sich mit großer Furcht und Schrecken in einen der Stuehle, und weil sie nichts denn verstorbene Leute, Bekannte und Unbekannte sah, und meinte, er waeren der Verstorbenen Seelen; auch nicht weiß, ob sie wieder aus der Kirche gehen, oder drinnen bleiben soll, weil sie viel zu frueh gekommen war, stiegen ihr Haut und Haar gen Berg. Endlich gehet eine aus dem Haufen, welche bei Leben (wie sie meinte) ihre Gevatterin gewesen, und vor drei Wochen gestorben war, - ohne Zweifel ein guter Engel Gottes - hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen, bietet ihr einen guten Morgen und spricht: ei liebe Gevatterin, behuet uns der allmaechtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt Acht darauf, wann der Priester wandelt; dann lauft, weil ihr laufen koennt, und sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben. Darauf, als der Priester wandeln will, eilte sie, so sehr sie konnte, aus der Kirche, und hat hinter ihr ein gewaltiges Prasseln, als wenn die ganze Kirche einfiele, gehoert. Alles Gespenst lief ihr aus der Kirche nach, erwischte sie noch auf dem Kirchhofe, und riß ihr die Kurse (wie die Weiber damals trugen) vom Halse, welche sie dann hinter sich gelassen, und also unversehrt davon kommen und entronnen ist. Als sie wiederum zum obern Thor kommt, und herein in die Stadt gehen will, findet sie das Thor noch verschlossen, da es etwa um ein Uhr nach Mitternacht gewesen. Sie muß deswegen wohl gegen drei Stunden in einem Hause verharren, bis das Thor geoeffnet wird, und kann hieraus vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen habe, und daß die Schweine (die sie Anfangs vor dem Thore gesehen und gehoert, als wenn es Zeit waere, das Vieh auszutreiben) nichts anders denn leidige Teufel gewesen. Doch weil sie ohnedem beherzt gewesen, und dem Unglueck entgangen war, hat sie sich der Sache so heftig nicht mehr angenommen, sondern ist nach Haus gegangen, und am Leben unbeschädigt geblieben. Des Schreckens wegen mußte sie aber zwei Tage im Bett liegen. An demselben Morgen aber, an dem ihr dieses zugestoßen, hat sie, als es Tag geworden, auf den Kirchhof hinausgeschickt, und nach ihrer Kursen suchen lassen. Da ist dieselbe, zu kleinen Stuecken zerrissen, gefunden worden; in der Art, daß auf jedem Grab ein kleines Flecklein lag. Darob wunderten sichd ie Leute, die Haufenweise derhalben hinaus auf den Kirchhof liefen, nicht wenig. Diese Geschichte ist unsern Aeltern sehr wohl bekannt gewesen, und man hat sie nicht allein in der Stadt, sondern auch auf dem Lande in den benachbarten Flecken und Doerfern gewußt.

Synopse der Fassungen der Version 2

Die Christmette in der Totenkirche zu Elsterberg (Köhler) Der Todtengottesdienst in der Taucherkirche zu Bautzen (Grässe) Die Christmette in der Todtenkirche zu Elsterberg (Grässe) Der Totengottesdienst in der Taucherkirche zu Bautzen (Meiche) Die Christmette in der Totenkirche zu Elsterberg (Meiche)
Volksbrauch ... im Voigtlande, 1867 Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, 1874 Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, 1874 Sagenbuch des Königreichs Sachsen, 1903 Sagenbuch des Königreichs Sachsen, 1903