Der rote Mund (B1): Unterschied zwischen den Versionen

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==Inhalt==
==Inhalt==
===A Hyperbolischer Lobpreis und Dichtungsreflexion (1–153):===
===A Hyperbolischer Lobpreis und Dichtungsreflexion (1–153):===
Der Sprecher preist eine Frau, an deren Schönheit keine andere
Der Sprecher preist eine Frau von unvergleichlicher Schönheit und Tugend. Selbst der berühmte Dichter Wolfram von Eschenbach, bekannt für seine idealisierten Frauengestalten, müsste ihr den Vorrang geben wäre er noch am Leben. Da Wolfram nicht mehr sprechen kann, übernimmt der Sprecher selbst das Lob. Er betont, dass die Geliebte ihn veredelt und dass ihre Schönheit alles überstrahlt. Konventionelle Vergleiche mit Rosen oder Lilien lehnt er als unzureichend ab. Selbst eine idealisierte Super-Rose könne nicht mit dem Mund der Geliebten mithalten.
heranreichen könne. Alle Frauen, die er je sah, seien dagegen wie ein Schlag in einen Bach. Lebte Wolfram (6: ''der von Eschenbach'') noch, dessen Frauenlob niemand
übertroffen habe und übertreffen werde, müsste Wolfram ihm beipflichten. Obwohl
Wolfram alles, was er loben wollte sei es wahr oder unwahr (14: ''Von worheit oder
von nichten'') – aufs Beste und unerreichbar gut loben konnte, müsste er doch, wenn
er bei Verstand sei (charakteristischer Reim in 37f. : ''toben : loben''), die Dame des
Sprechers seinen eigenen exemplarischen Frauenfiguren vorziehen (genannt werden
Elspeten [Elsa aus dem Wolfram zugeschriebenen ›Lohengrin‹?], Beaflurs, Orgeluse, Kondwiramurs, Repanse de Schoye – 25: ''die deß grales pflack'' –, Sigune, Jeschute
und Kunneware). Da Wolfram aber tot sei und ihm nicht mehr helfen könne, müsse
er selbst zu einem Lob ansetzen. Dass die Dame innen und außen, an Tugenden
und Schönheit unübertroffen sei, werde jeder eingestehen. Da sie ihn ›veredle‹, lobe
er sie trotz eigener Unfähigkeit. Er verweist auf eine Bibelstelle, nach der die Sonne in der zukünftigen Welt siebenmal heller scheine als jetzt (Jes 30,26), und fragt
sich, was dann aus der Geliebten werde, die ja schon hier auf Erden heller scheine
als die Sonne. Bei ihrer Erschaffung habe Gott nichts vergessen. Dennoch wolle der
Sprecher nicht jedes ihrer Glieder einzeln loben (Verweis auf topische Schönheitsbeschreibung nach dem A capite ad calcem-Schema), weil dies die Rede verlängere,
die sowieso nur konventionell sei (92: ''Diß ist ein red als hundert''). Die Schönheit der
Geliebten dagegen überstrahle alles. Viele Menschen pilgerten nach Rom, um dort
eine Reliquie zu berühren, doch er mache sich nichts aus ›toten Knochen‹ (102).
Seine Not werde allein durch Berührung mit dem ihm heiligen Gesicht der Dame
gelindert, das –  anders als die tote Reliquie  – sprechen, hören, sehen und lachen
könne. Ausführlich kritisiert der Sprecher konventionelle Lobtopik: Ein Vergleich
der Dame mit Lilien und Rosen sei zu grob, überhaupt sei ein Bezug auf die Rose  
einfältig und einfallslos (119–121: ''Wann rosen ist der kind lop, | Oder der nit wegerß
vinden kan, | Man seczt ein rosen dort hin dan''). Stellte man sich vor, das Rot aller
Rosen der Welt zur Zeit ihrer schönsten Blüte auf eine (imaginäre) ›Überrose‹ zu
konzentrieren (deren Blüte, Stempel und Blätter dann vollkommen rot wären), und
vergliche diese sodann mit dem Mund der Geliebten, so würde der Mund dennoch
hervorstechen, die Rose dagegen fahl aussehen. Der Sprecher bekräftigt, nie etwas
Röteres als ihren Mund gesehen zu haben.


===B Wundererzählungen (154–244):===
===B Wundererzählungen (154–244):===
Der Sprecher kündigt den Bericht von einem großen Wunder an: Wer mit der Dame in der Kirche stehe und wen sie in ihr Gebet einschließe, auf dessen Mund übertrage sich die Röte ihres Mundes. Er bekräftigt, das
Der Sprecher berichtet von Wundern, die sich im Zusammenhang mit der Geliebten ereignen. Wenn sie in der Kirche betet, überträgt sich die Röte ihres Mundes auf andere. Einmal beobachtete er, wie sich beim Gebet sogar Buch, Pergament und Kirchenfenster rot verfärbten. Besonders ein Psalmvers ließ das Buch aufleuchten, was er als Zeichen der Heiligkeit ihres Mundes deutet. Alles, was mit ihr in Berührung kommt, wird veredelt.
selbst gesehen zu haben, überhaupt gehe er ständig in die Kirche, nur um sie sehen zu
 
können. Dann erzählt er von einem weiteren, noch größeren Wunder: Er habe sie beobachtet, wie sie, vor dem Altar kniend und in der Hand den Psalter, ihr Stundengebet gesprochen habe. Dabei hätten sich erst die schwarze Tinte der Noten, dann das
weiße Pergament, schließlich die Wand und Fenster des Kirchenraums rot verfärbt
(letztere hätten die Farbe behalten), sodass er sich gewundert habe, wie sie – Rot auf
Rot – lesen könne. Bei der Lesung des Verses Ps 50,17 (204: das lateinische Zitat:
''Domine labia mea aperies'' wird hier umgedeutet) sei das Buch noch röter erglüht,  
was ihn als zunächst ratlosen Beobachter zur Gewissheit geführt habe, dass der rote
Glanz von ihrem Munde verursacht werde. Auch nach Beendigung des Gebetes habe
der Psalter weiter rot ›gebrannt‹ und ein um ihn geschlagenes weißes Seidentuch
verbrannt (237–239: Vergleich mit ''zindal'' aus Tripolis und Ninive). Alles, was sich
der Dame zuwende, empfange Ehre und Würde – das könne ihr Mund, so könne sie
lesen. Der Sprecher bekräftigt, dass er lange schon ihr Diener sei.
===C Liebesklage (246–325):===
===C Liebesklage (246–325):===
Trotz unerfüllter Liebe will der Sprecher am Lob der Ge�liebten festhalten. Er beklagt aber die Missachtung durch die Dame (er wünscht
Trotz seiner tiefen Liebe bleibt diese unerwidert. Die Geliebte beachtet ihn nicht, selbst wenn er sich ihr direkt zeigt. Er bittet andere um Unterstützung für seine Werbung und betont, dass nur jene, die selbst lieben, seinen Schmerz verstehen können. Seine Liebe sei aufrichtig und tief.
sich, sie wäre ihm wenigstens so gewogen wie Dietrich dem Fasold): Sie grüße ihn  
 
nicht, selbst wenn er sich ihr in den Weg stelle; stehe er in der Menge, verwehre sie
allen den Gruß. Trostlos bittet er in direkter Anrede (278–284) alle Männer und  
Frauen, seiner Werbung Glück zu wünschen. Wer den Schmerz unerfüllter Liebe
aus eigener Erfahrung kenne, der wisse um die Berechtigung solcher Liebesklagen.
Anders als normale Wunden seien Minnewunden nicht durch den Arzt, sondern
nur durch ihre Ursache, d.h. die Frau zu heilen – so sei es auch in seinem Fall. Er bekräftigt die Unbedingtheit und Wahrhaftigkeit seiner Liebe (321: ''Es ist wor, summer
got!'') und verweist noch einmal darauf, dass nur der wisse, was die Liebe anrichte, der
selbst liebe.
===D Schluss (326–350):===
===D Schluss (326–350):===
Der Sprecher will schließen (326: ''Jch wil die red trummen abe''),  
Der Sprecher beendet seine Rede, da er fürchtet, das Publikum zu ermüden. Er äußert Hoffnung, dass sich die Liebe vielleicht doch noch erfüllt, und überlässt das Wort einem besseren Redner. Schließlich fordert er das Publikum zur Reaktion auf und nennt den Titel des Textes: „Der rot münd“.
da er fürchtet, sein Publikum (direkte Anrede) zu langweilen. Einer Offenbarung
 
gegenüber der Dame sieht er ambivalent entgegen, will aber kein offenes Rechten
über den Minnekasus, sondern hofft, dass sich die Liebe zu ihrer Zeit ergebe. Nach
einer weiteren Schlussformel (338: ''Hie mit wil ich gedagen'') bekennt er, ein schlechter
Redner zu sein, weshalb nun einer sprechen solle, der geeigneter und unterhaltsamer
sei als er. Er schließt mit einer direkten Apostrophe an das Publikum, in der er zur  
Anschlusskommunikation auffordert: ''Wer nü wol der heb an'' (351). In einer dritten
Schlussformel (352: ''Wann ich des myn erwinde'') nennt er den Titel des Textes (354:  
''Daß ist geheyßn der rot münd'') und empfiehlt ihn zur Lektüre.
===E Zusatz (359–361):===
===E Zusatz (359–361):===
Der Schreiber bittet um Gottes Beistand. Ihm sei Liebeserfüllung versagt gewesen (361: ''Der ist an dem roten münd blyben'').
Der Schreiber bittet um göttlichen Beistand und deutet an, dass ihm selbst Liebeserfüllung versagt geblieben sei.


([[Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden]], S. 2f.)
(ausführliche Inhaltszusammenfassung bei [[Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden]], S. 2f.)


[[Kategorie:Quelle Minnerede]]
[[Kategorie:Quelle Minnerede]]

Aktuelle Version vom 2. Mai 2025, 14:57 Uhr

Der rote Mund (B1)

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung ab 1430-35
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Karlsruhe, Landesbibliothek: Hs. K 408, 126rb-128vb
München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 714, 27r-63r
Ausgaben Dorobantu, Julia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): Minnereden, S. 27-41
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Der rote Mund; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 1-3

Inhalt

A Hyperbolischer Lobpreis und Dichtungsreflexion (1–153):

Der Sprecher preist eine Frau von unvergleichlicher Schönheit und Tugend. Selbst der berühmte Dichter Wolfram von Eschenbach, bekannt für seine idealisierten Frauengestalten, müsste ihr den Vorrang geben – wäre er noch am Leben. Da Wolfram nicht mehr sprechen kann, übernimmt der Sprecher selbst das Lob. Er betont, dass die Geliebte ihn veredelt und dass ihre Schönheit alles überstrahlt. Konventionelle Vergleiche mit Rosen oder Lilien lehnt er als unzureichend ab. Selbst eine idealisierte Super-Rose könne nicht mit dem Mund der Geliebten mithalten.

B Wundererzählungen (154–244):

Der Sprecher berichtet von Wundern, die sich im Zusammenhang mit der Geliebten ereignen. Wenn sie in der Kirche betet, überträgt sich die Röte ihres Mundes auf andere. Einmal beobachtete er, wie sich beim Gebet sogar Buch, Pergament und Kirchenfenster rot verfärbten. Besonders ein Psalmvers ließ das Buch aufleuchten, was er als Zeichen der Heiligkeit ihres Mundes deutet. Alles, was mit ihr in Berührung kommt, wird veredelt.

C Liebesklage (246–325):

Trotz seiner tiefen Liebe bleibt diese unerwidert. Die Geliebte beachtet ihn nicht, selbst wenn er sich ihr direkt zeigt. Er bittet andere um Unterstützung für seine Werbung und betont, dass nur jene, die selbst lieben, seinen Schmerz verstehen können. Seine Liebe sei aufrichtig und tief.

D Schluss (326–350):

Der Sprecher beendet seine Rede, da er fürchtet, das Publikum zu ermüden. Er äußert Hoffnung, dass sich die Liebe vielleicht doch noch erfüllt, und überlässt das Wort einem besseren Redner. Schließlich fordert er das Publikum zur Reaktion auf und nennt den Titel des Textes: „Der rot münd“.

E Zusatz (359–361):

Der Schreiber bittet um göttlichen Beistand und deutet an, dass ihm selbst Liebeserfüllung versagt geblieben sei.

(ausführliche Inhaltszusammenfassung bei Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 2f.)