Die Graserin (B23): Unterschied zwischen den Versionen

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==Inhalt==
===A Willkür der Minne (1–28):===
Der Sprecher beschreibt die Willkür der
Minne, die ohne Ansehen des Verdienstes dem einen Glück, dem anderen Unglück
bringe (Beschreibung von Gegensätzen in anaphorischer Reihe 6–14, z.B. 9f.: ''Sye
höhet vnd nidertt | Sie raubts vnd widertt''). Der Sprecher hat dafür Verständnis, da die
Minne sich herabwürdigen würde, wenn sie der Liebesbitte jedes Esels und Narren
nachkäme [...]. Auch er sei ein solcher Narr, jedoch klug
genug, um zu wissen, das ''hohe mynn | Gibt hohen muott vnd swerttes nott'' (21f.), wohingegen die ''Nidere mynn'' (23) dieser höfischen Freude entgegengesetzt sei. Er wolle
die Hohe Minne dennoch nicht betreiben, da er als Mann sein Streben auf eine Frau
ausrichte, die im etwas nütze.
===B Einleitung zum Preis der ›Niederen Minne‹ (29–37):===
Der Sprecher will seinen
Zuhörern (Publikumsapostrophe) nun von seiner Liebschaft berichten. Er preist
das Freudenleben, das ihm Gott ''zuo holtz zuo wisen vnd jnn den auwen'' (33) zuteil
werden lasse: im Sommer durch eine ''graserin'' (36) (siehe C), im Winter durch eine
''stubenhaytzerin'' (37) (siehe D).
===C Sommerfreuden (38–124):===
Im Sommer finde man sie beide weder in der Kemenate noch im Baumgarten, da er gerne der Aufforderung der Geliebten, mit ihr zum
Grasschneiden zu kommen, Folge leiste. Ritterliche Damen ''jn frouden schauwen''
(49) oder Reigentänze im Mai an den Quellen lasse er gerne aus; vielmehr eile er,
um Geheimhaltung bemüht, zum vereinbarten Treffpunkt. Dort empfange ihn die
Graserin, rasch komme es zur Umarmung im Schatten der Büsche. Ihr Körper sei
wettergegerbt, ihr Kleid zerrissen und unten vom Tau nass – dennoch ziehe er dieses einmütige Beilager zwölf Betten bzw. einem kaiserlichen Zelt vor (Kaisertopos).
Im Folgenden beschreibt er – bildhaft verhüllt (ritterliche Kampfmetaphorik) – den
Geschlechtsakt (Aufforderung der Frau dazu in direkter Rede 87: Sie spricht: ''Ruck her næher basz''): Nachdem sie sich rücklings auf einen Grasballen gelegt habe, steige er mit gerecktem Speer in den Sattel und dirigiere sein Rösslein; werde ihm der
Helm herunter gestochen, würden das zwei hinterher eilende Gesellen (die Hoden)
mit Paukenschlägen rächen, bis die Nachtigall sich singend auf ihren Busch setze.
Solcherlei Vergnügung sei denen, die der Hohen Minne nachgingen, verwehrt: Während diese in ihrer Rüstung schwitzten, liege er lieber den ganzen Sommer in den
Armen seiner Graserin und höre den Vögeln zu. Nach Damen und Hoher Minne
sehne er sich nicht: Als einzigen Lohn könne er dort erwarten, die Treppe hinabgeworfen zu werden.
===D Winterfreuden (125–178):===
Im Winter ergäben sich noch mehr Gelegenheiten zur
Freude; wenn die Nächte lang werden, streiche er vor dem Fenster der Geliebten
umher (Nachtgänge), bis ihn die Heizerin durch die Hintertür in den Kälber- oder
Schafstall lasse und dann, sobald der Bauer schlafe, in die warme Stube hole. Es folgt eine weitere Beschreibung eines Geschlechtsaktes: Sie spinne am Ofen den Flachs, er
wickle Garn, bis sie hintenüber falle und er ihr eine Spindel so tief in den Hals stoße, dass man diese nicht mehr sehen könne. Dies ginge den ganzen Winter so. Den
Wächterruf beachte er nicht, wie das die ''pfleger hoher mynne'' (161) täten, um noch in
der Dunkelheit fliehen zu können: Ihn würde jeden Morgen ganz sicher das Grunzen der Schweine aufwecken. Auf ›Hohe Minne‹ wolle er sich nicht ausrichten, da
hier der Ausgang zu ungewiss und die Mühe jährlich zunehmend sei.
===E Schluss (179–194):===
Der Sprecher gibt, unter Verwendung konventioneller Formeln (z.B. 181: ''meines hertzen wunn''), ein Treuebekenntnis zu seiner Graserin ab.
Er schließt mit einem Segenswunsch (Gott mehre ihre weibliche Ehre) und einem
Neujahrsgruß. Die Rede schließt mit Amen.




[[Kategorie:Quelle Minnerede]]
[[Kategorie:Quelle Minnerede]]

Aktuelle Version vom 13. August 2021, 18:40 Uhr

Die Graserin (B23)

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung nach 1415
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Heidelberg, Universitätsbibliothek: Cpg 4, 208v-210v
Dresden, Landesbibliothek: Mscr. Dred. M 65, 1ra-1vb
Ausgaben Dorobantu, Julia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): Minnereden, S. 492-501
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Die Graserin; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 30-32

Inhalt

A Willkür der Minne (1–28):

Der Sprecher beschreibt die Willkür der Minne, die ohne Ansehen des Verdienstes dem einen Glück, dem anderen Unglück bringe (Beschreibung von Gegensätzen in anaphorischer Reihe 6–14, z.B. 9f.: Sye höhet vnd nidertt | Sie raubts vnd widertt). Der Sprecher hat dafür Verständnis, da die Minne sich herabwürdigen würde, wenn sie der Liebesbitte jedes Esels und Narren nachkäme [...]. Auch er sei ein solcher Narr, jedoch klug genug, um zu wissen, das hohe mynn | Gibt hohen muott vnd swerttes nott (21f.), wohingegen die Nidere mynn (23) dieser höfischen Freude entgegengesetzt sei. Er wolle die Hohe Minne dennoch nicht betreiben, da er als Mann sein Streben auf eine Frau ausrichte, die im etwas nütze.

B Einleitung zum Preis der ›Niederen Minne‹ (29–37):

Der Sprecher will seinen Zuhörern (Publikumsapostrophe) nun von seiner Liebschaft berichten. Er preist das Freudenleben, das ihm Gott zuo holtz zuo wisen vnd jnn den auwen (33) zuteil werden lasse: im Sommer durch eine graserin (36) (siehe C), im Winter durch eine stubenhaytzerin (37) (siehe D).

C Sommerfreuden (38–124):

Im Sommer finde man sie beide weder in der Kemenate noch im Baumgarten, da er gerne der Aufforderung der Geliebten, mit ihr zum Grasschneiden zu kommen, Folge leiste. Ritterliche Damen jn frouden schauwen (49) oder Reigentänze im Mai an den Quellen lasse er gerne aus; vielmehr eile er, um Geheimhaltung bemüht, zum vereinbarten Treffpunkt. Dort empfange ihn die Graserin, rasch komme es zur Umarmung im Schatten der Büsche. Ihr Körper sei wettergegerbt, ihr Kleid zerrissen und unten vom Tau nass – dennoch ziehe er dieses einmütige Beilager zwölf Betten bzw. einem kaiserlichen Zelt vor (Kaisertopos). Im Folgenden beschreibt er – bildhaft verhüllt (ritterliche Kampfmetaphorik) – den Geschlechtsakt (Aufforderung der Frau dazu in direkter Rede 87: Sie spricht: Ruck her næher basz): Nachdem sie sich rücklings auf einen Grasballen gelegt habe, steige er mit gerecktem Speer in den Sattel und dirigiere sein Rösslein; werde ihm der Helm herunter gestochen, würden das zwei hinterher eilende Gesellen (die Hoden) mit Paukenschlägen rächen, bis die Nachtigall sich singend auf ihren Busch setze. Solcherlei Vergnügung sei denen, die der Hohen Minne nachgingen, verwehrt: Während diese in ihrer Rüstung schwitzten, liege er lieber den ganzen Sommer in den Armen seiner Graserin und höre den Vögeln zu. Nach Damen und Hoher Minne sehne er sich nicht: Als einzigen Lohn könne er dort erwarten, die Treppe hinabgeworfen zu werden.

D Winterfreuden (125–178):

Im Winter ergäben sich noch mehr Gelegenheiten zur Freude; wenn die Nächte lang werden, streiche er vor dem Fenster der Geliebten umher (Nachtgänge), bis ihn die Heizerin durch die Hintertür in den Kälber- oder Schafstall lasse und dann, sobald der Bauer schlafe, in die warme Stube hole. Es folgt eine weitere Beschreibung eines Geschlechtsaktes: Sie spinne am Ofen den Flachs, er wickle Garn, bis sie hintenüber falle und er ihr eine Spindel so tief in den Hals stoße, dass man diese nicht mehr sehen könne. Dies ginge den ganzen Winter so. Den Wächterruf beachte er nicht, wie das die pfleger hoher mynne (161) täten, um noch in der Dunkelheit fliehen zu können: Ihn würde jeden Morgen ganz sicher das Grunzen der Schweine aufwecken. Auf ›Hohe Minne‹ wolle er sich nicht ausrichten, da hier der Ausgang zu ungewiss und die Mühe jährlich zunehmend sei.

E Schluss (179–194):

Der Sprecher gibt, unter Verwendung konventioneller Formeln (z.B. 181: meines hertzen wunn), ein Treuebekenntnis zu seiner Graserin ab. Er schließt mit einem Segenswunsch (Gott mehre ihre weibliche Ehre) und einem Neujahrsgruß. Die Rede schließt mit Amen.