Ochse und Schwein (Erzählstoff): Unterschied zwischen den Versionen
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Daru(m)be seyt er in dez guome(n) ist so wir dann die speiß ye fleissigklicher kewen so wir ye mer geschmackes des dings das wir da keüen empfahen un(d) gewynnen / auch dester mer lustes in dem koste(n) | Daru(m)be seyt er in dez guome(n) ist so wir dann die speiß ye fleissigklicher kewen so wir ye mer geschmackes des dings das wir da keüen empfahen un(d) gewynnen / auch dester mer lustes in dem koste(n) | ||
Wiß fürwar das dye besichtige natur die winckel zaen mit de(n) dz kewen geschicht hat zwir allso grosse macht als die andern un(d) vodern zaen· Daru(m)b das dz keüe(n) dest bas geschehe· | |||
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Version vom 2. November 2021, 10:54 Uhr
Ochse und Schwein (Erzählstoff) | |
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Regest | Der Ochse erklärt dem fragenden Schwein, warum er wiederkäut. (Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 530) |
Fassungen | Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 11 Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. I, 11, Bl. 9v-10v Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), 11 |
Forschung (s.a. unter Fassungen) |
Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 530f.; Günthart, Romy (Hg.): Sebastian Münster, Spiegel der wyßheit, Band 2, S. 26f. |
Lateinische Version (Cyrillus, Nr. I, 11), 1. Hälfte 14. Jhd.
Die deutsche Tradition baut auf einer lateinischen Quelle auf (Cyrillus, Nr. I, 11 (Grässe, Johann Georg Theodor (Hg.): Die beiden ältesten lateinischen Fabelbücher des Mittelalters. Tübingen 1880, S. 16-18)).
Cyrillus: Speculum Sapientiae[1] | Übersetzung[2] |
Diligentiori ruminatione omnia digeras, priusquam agas. Post aliquantulam sumpti digestionem edulii ipsum bos retribuens faucibus cum recubans ruminaret, porcus hoc adspiciens ad eum venit et dixit: "Quid est quod agis, cornute?" Cui ille: "Rumino." Tunc porcus: "Parum ante tam onerosum iugum deposuisti, ut quid modo non quiescis? Nonne semel satis est masticasse? Ad haec bos ita fertur dixisse: "Nimirum, frater, si ruminares, nullatenus ita sentires. Ubi quaeso situs est alimenti sensus? Nonne in faucibus? Et propter hoc quanto diligentius edulium masticamus, tanto amplius totius rei saporem percipimus et iudicialem gustum vehementius delectamus; revera molares dentes in duplo provida ob hoc natura composuit, ut masticatio maior adsit, et gustativus sensus providenter locatus est in ore, ut delectatione cibum diutius teneamus sub fauce. Quin et ruminans melius digero et alimentum in fine per amplius depuratum assumo." Tunc porcus his auditis adiunxit: "Quis ruminare te docuit?" Et ille: "Nimirum ars illa me hoc agere erudivit in corpore, quae sapientem edocuit ruminare in mente. Cuncta namque subtili medicamine ruminat prudens quae aut dicit aut facit, propterea quidem digesta loquitur et purgata similiter operatur. Ad quid enim communicatum est homini clarum rationis consilium, et tarn carissimum concessum est illi meditationis bonum? Nonne ut his salubriter in agendis utatur? Unde praemeditationis masticatio semper praeponenda est in cunctis humanis actibus, si sapientia gubernantur, ut universa digestiora et puriora consequantur. Nec semel satis est rem agendam videre, sed necesse est eam subtiliter pluries ruminare. Sicut quattuor digestionibus cibus praecoquitur, ut deinde membris purior atque veracior tribuatur, omnis cibus, autequam animae uniatur, quattuor purgetur digestionibus. Primo vadit ad stomachum et ibi digeritur et sequestratur purum ab impuro et quod impurum est, emittitur per secessum. Deinde purum derelictum ad hepar mittitur, et ibi digeritur et fit sanguis et sequestratur purum ab impuro et impurum emittitur per urinam. Deinde derelictum purum a venis attrahitur et ibi tertio digeritur et sequestratur purum ab impuro et impurum emittitur per sudorem et sputum. Deinde purum derelictum per membra spargitur et in membris quarto digeritur et sequestratur purum ab impuro et illud impurum, quod quasi purum est, servatur in vasis spermaticis et in generatione emittitur. Purissimum autem derelictum conversum in membrorum substantiam finaliter animae copulatur factum vivum et substantia vitae. Unde nulla cibalis impuritas accedit ad animam, nisi cum quater mundificatus sit omnis cibus. Tu quidem ergo, carissime, quia non ruminas, impurius suscipis alimentum, et ob hoc divina lege iudicaris immundus." Quibus auditis erubescens porcus recessit. |
Bevor du handelst, sollst du alles durch sorgfältiges Nachdenken abwägen Ein Schwein sah, wie ein Ochse nach kurzem Kauen der aufgenommenen Nahrung diese wieder seinem Maul zuführte und im Liegen wiederkäute; es ging näher zu ihm und sagte: "Was treibst du, Hornochse?" Jener sagte zu ihm: "Ich bin mit Wiederkäuen beschäftigt." Darauf meinte das Schwein: "Eben erst hast du das so beschwerliche Joch abgelegt, warum ruhst du jetzt nicht aus? Genügt es nicht, einmal gekaut zu haben?" Darauf soll der Ochse folgendes gesagt haben: "Aber nein, mein Bruder, wenn du ein Wiederkäuer wärest, würdest du keineswegs so denken. Ich frage dich, wo ist denn das Sinnesorgan für die Nahrung angesiedelt? Doch im Maul! Je sorgfältiger wir kauen, um so mehr nehmen wir folglich den Geschmack der ganzen Sache auf und um so eindringlicher erfreut sich der urteilende Geschmacksinn; die wirklich weitsichtige Natur hat deshalb die Backenzähne doppelt angelegt, damit ein kräftiges Kauen möglich ist, und der Geschmackssinn ist absichtlich im Mund angelegt, damit wir mit Freude die Speise länger darin festhalten. Ich verdaue sogar besser, wenn ich wiederkäue und nehme schließlich eine besser gereinigte Nahrung auf." Als das Schwein dieses gehört hatte, fügte es hinzu: "Wer hat dich das Wiederkäuen gelehrt?" Er gab zur Antwort: "Selbstverständlich hat jene Kunst mich dazu erzogen, dies in meinem Körper zu tun, die den Weisen lehrte, im Geist wiederzukäuen. Denn alles, was der Kluge sagt oder tut, kaut er mit einem feinen Wirkstoff nochmals durch. Deshalb spricht er nach reiflicher Überlegung und handelt in ähnlicher Weise lauter. Wozu ist nämlich dem Menschen das klare Planen des Verstandes gegeben und wozu ist ihm das so teure Gut des Nachdenkens gewährt worden? Doch dazu, daß er es heilsam bei seinem Tun und Handeln benutzt. Deshalb muß bei allen menschlichen Handlungen immer das 'Kauen' der Vorüberlegung vorangestellt werden, wenn sie von der Weisheit gelenkt werden, damit alles durchdachter und reiner nachfolgt. Und es genügt nicht, eine Sache, die man zu tun hat, nur einmal zu bedenken, sondern man muß sie mehrmals gründlich überdenken. So wird eine Speise durch vier Verdauungsvorgänge vorverdaut, daß sie dann den Gliedern reiner und echter zugeführt wird, und jede Speise soll durch einen vierfachen Verdauungsvorgang gereinigt werden, bevor sie in die Lebenskraft eingeht. Zuerst kommt sie in den Magen und wird dort zerkleinert, das Reine wird vom Unreinen getrennt und das Unreine wird abgeführt. Dann wird der gereinigte Rest zur Leber transportiert und dort zerkleinert, so daß Blut entsteht, das Reine vom Unreinen getrennt und das Unreine durch den Urin ausgeschieden wird. Der gereinigte Rest wird von den Blutadern aufgenommen und dort zum dritten Mal zerkleinert, das Reine vom Unreinen getrennt und das Unreine durch Schweiß und Speichel ausgeschieden. Dann aber verteilt sich der gereinigte Rest in den Gliedern und wird dort zum vierten Mal zerkleinert, das Reine vom Unreinen getrennt und jenes Unreine, das schon beinahe rein ist, in den Spermagefäßen aufbewahrt und bei der Zeugung ausgeschieden. Der völlig gereinigte Rest, der sich in die Substanz der Organe verwandelt hat, wird als kraftvolle Lebenssubstanz endlich in die Lebenskraft eingebunden. So gelangt kein unreines Essen in die Lebenskraft, da jede Speise viermal gereinigt wurde. Weil du aber, mein lieber Freund, kein Wiederkäuer bist, nimmst du unreine Nahrung zu dir und deswegen giltst du nach göttlichem Gesetz als unrein." Als das Schwein dieses gehört hatte, zog es sich beschämt zurück. |
Deutsche Versionen
Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 11 (um 1408/16, nach Druck Augsburg, 1490)
Das ·XI· Capitel Bedenck alle ding mit wolgedewtem eintrucken ee und du sy thuost·
Das ·XI· Capitel
Nach etwe vil dewung
der empfange(n) speyß empfalhe ei(n) Ochß die selbe(n) speise dem guomen hyn wider sy baß zekeüen· Unnd da er siczender und ruowender eyntrucket das sahe ein schwein es lief zuo im un(d) sprach· Du gehürneter was ist das du thuost· Der ochß sprach· Ich eindrucke· Do sprach das schwein· Du unweiser ein kleine stund vor der zeyt hastu ein schwaeres joch vo(n) dyr geleget / waru(m)b ruoest du nu(n) nit Waer des nit genueg das du das aynest gekewt hetest· Das verantwurt der ochs unnd sprach also· Des nymm dir nit wund(er) / mein pruoder / wenn waer daz du eindrucktest fürwar so verstuendest du auch mei(n) eindrucke(n) ich bit dich in freüntschaft sag mir wo und an wellicher stat der tiere ist der synn der speiß geseczt / Ist er nit in dem guomen·
Daru(m)be seyt er in dez guome(n) ist so wir dann die speiß ye fleissigklicher kewen so wir ye mer geschmackes des dings das wir da keüen empfahen un(d) gewynnen / auch dester mer lustes in dem koste(n)
Wiß fürwar das dye besichtige natur die winckel zaen mit de(n) dz kewen geschicht hat zwir allso grosse macht als die andern un(d) vodern zaen· Daru(m)b das dz keüe(n) dest bas geschehe·
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Auch hat die natur den costende(n) syn in de(n) mu(n)de geseczt / daru(m)b das wyr dye speiß dester lenger mit lust und(er) dem guomen hielten· Nun dewe ich mein speiß destbas· wenn sy wirt mit eindrucken mir zuo hilf wolgeleütert·
4
Do sprach dzschwein· wer hat dich gelert eintrucke(n)· Der frag gab der ochß antwurt unnd sprach· Des bison zweifel die kunst hat mich geleret eindrucken in meinen leychnam die den weysen lert eintrucken in der sel·
5
wann am weiser eindruckt alle ding die er redtt oder würckt mit sitigem bedencken / darumb so erdet er wolgedeüte wort / un(d) würckt wolgeleüterte und rain geschwu(d)gen werck ·
6
Sag mir wardurch istt dem mensche(n) verlihen clarer rat und vernunft un(d) das aller klarest gu(o)t der beda(e)chtnus zu(o) nichten anders fürwar dann das er die heilwertiklich nücz in seinen wozten und wercken ·
7
Darumbe ist das kewüen der gedechtnusse in allen menschlichen wozbe(n) rñ wercken allzeit für zusehen das die beide(n) mit Weisheit wo(h)lbehut sehen. Auch ist des ni(ch)t genüge ob ein Ding ähnelt besichtiklich und bedächtiklich wird betracht/ wenn das ist ein Notruf das es behendiklich dich un(d) oft werd eingedzuckt.
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Wenn ein yeckliche speiß wirt vierfaltiklich gekocht ee und syden gelidern warhaftiklich und wolgeleute ret empfolhen unnd geaigenot wirt·
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Miniaturen und gedruckte Bilder
Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)
Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann)
Anmerkungen
- ↑ Zitiert nach Esser, Birgit/Blanke, Hans-Jürgen (Hg.): Speculum Sapientiae, S. 44-46.
- ↑ Zitiert nach Esser, Birgit/Blanke, Hans-Jürgen (Hg.): Speculum Sapientiae, S. 45-47.