Die Heidin I/A
Inhalt
Narratio
Die Frau eines heidnischen Königs wird ob ihrer Schönheit, Zucht und Tugend so sehr gerühmt, dass ein junger christlicher Ritter beschließt, in den Minnedienst der Königin zu treten. Er zieht, vom Ruhm seiner ritterlichen Tapferkeit begleitet, durch das heidnische Land bis vor die königliche Stadt, wo er seine Zelte aufschlagen lässt. Als er dem König zu erkennen gibt, dass er um einer Frau willen auf Ritterfahrt sei, stellt sich dieser ihm mit zwölf Rittern zu einem Turnier. Nachdem der König auf Betreiben seiner besorgten Gattin vorzeitig ausgeschieden ist, besiegt der Ritter seine Begleiter und wird dann in die königliche Burg geladen, wo beim Mahl die Königin zwischen ihm und ihrem Gatten sitzt. Als der König eines Tages zur Jagd ausreitet, gesteht der Ritter der Königin, dass sie die Dame sei, der seine ritterlichen Taten gelten. Empört weist sie seine Bitte um Gewährung ihrer Gunst ab, und er nimmt Abschied, ohne aber seinen Dienst aufzukündigen. Mehr als sieben Jahre lang schlägt er sich tapfer durch die heidnischen Lande, und der Ruhm seiner Taten mahnt die Königin stets an ihn. Schließlich wird sie krank und lässt auf den Rat einer Alten hin, die ihr Leiden richtig als Minnekrankheit deutet, den Ritter heimlich zu ihr kommen. Sie bittet ihn, nicht weiterhin sein Leben für sie aufs Spiel zu setzen, sondern, von ihr reich beschenkt, nach Hause zu ziehen. Er weist das zurück, und so macht ihm die Dame nun das Anerbieten, sie wolle ihm ihre eine Hälfte zuteil werden lassen; er solle wählen zwischen dem Teil oberhalb und dem unterhalb ihres Gürtels. Nach drei Tagen Bedenkzeit wählt der Ritter die obere Hälfte und hofft, mit Hilfe seiner Liebkosungen bald auch Herr über die untere zu werden. Doch vergeblich. Da ersinnt er eine List und befiehlt „seiner" Hälfte, den König fortan nicht mehr anzuschauen, anzusprechen, zu küssen und zu umarmen. Der erzürnte Gatte verprügelt daraufhin seine Frau und droht ihr den Tod an, wenn sie ihr seltsames Verhalten nicht ändere. Sie klagt dem Ritter ihr Leid, der sie aber nur verspottet. Schließlich gibt sie sich ihm ganz hin. Nachdem der Ritter ihre Minne genossen hat, verabschiedet er sich und reitet in seine Heimat zurück, wo er ehrenvoll empfangen wird.
Epimythion
Die Frauen sind das Beste auf der Welt. Gott möge uns um ihretwillen seine Gnade schenken. (Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 472)