Affe und Waldesel (Erzählstoff)
Affe und Waldesel; Fuchs und Waldesel (Erzählstoff) | |
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Regest | Der Affe (Fuchs) trifft bei schönem Wetter einen betrübten Waldesel, der behauptet, nur bei schlechtem Wetter fröhlich sein zu können. (Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 33) |
Fassungen | Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. II, 29 Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. II, 29 Hans Sachs, Nr. 4749 (nach Goetze, Edmund/Drescher, Carl (Hg.): Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, VI, Nr. 966) Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), Nr. 56 Wendunmuth (Hans Wilhelm Kirchhof), Nr. VII, 95 |
Forschung (s.a. unter Fassungen) |
Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 33f. |
Die Deutsche Tradition baut auf einer lateinischen Quelle auf (Cyrillus, Nr. II, 29 (Grässe, Johann Georg Theodor (Hg.): Die beiden ältesten lateinischen Fabelbücher des Mittelalters. Tübingen 1880, S. 66f.)).
Anspielungen auf die Fabel finden sich in folgenden Werken:
- Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 24
- Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. I, 24
- Hans Sachs, Nr. 2159, V. 35-37 (nach Goetze, Edmund/Drescher, Carl (Hg.): Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, I, Nr. 90)
- Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), Nr. 24
Lateinische Version (Cyrillus, Nr. II, 29), 1. Hälfte 14. Jhd.
Cyrillus: Speculum Sapientiae[1] | Übersetzung[2] |
Contra invidios In tranquilitatis sereno splendente aëre, sparsa luce, cum per solitudinem simia satis laeta discurreret, tristem iacentem onagrum inveniens dixit illi: "Quid tibi est, frater, quod tam lugente contuitu aegroque vultu, livida facie et submisso capite tristis iaces? Indica mihi, rogo te, quia, si quid languoris est in corpore, valore manus excipiam, si vero in corde, adhibeam ratione vel compassione medelam." Ad haec quidem ille tantae humilitatis oleo emollitus mox sui vulneris parefecit arcanum dixitque: "Ex aëris quippe, soror, tam parata seremitate constringor, eius enim mihi, non ferentibus oculis, in tempestatem tranquillitas vertitur et in nubem serenitas commutatur. Sed e contra tempestas ipsius in cordis pacem efficitur et obscuritas in serenum." Quibus cum stupore admirationis auditis notans simia livoris vitium ipsius esse tormentum, exhortationis suae sic inquiens anathematizando incepit officium: "Maledictus sit talis oculus, qui turbatur in lumine et in turbine delectatur, qui cum noctua vitalem lucem videre non patitur, sed in caligine illustratur, cui gaudium luctus, lux nubilum, bonum malum, cui infelix est felicitas, et calamitas felix, cui adversitas prospera et prosperitas adversa, cui amica miseria et bonitas inimicia! O perhorrendum, pestiferum ac perversum malum!" Sic et convertens eloquium ad onagrum dixit: "Nimirum bene silvestris es asinus, postquam tecum pateris talem oculum, qui tui cordis est iuge patibulum ac omnis boni inimicus. Nam cum vitae huius decursus nunc adversis rebus nunc prosperis deducatur, si te quidem contra naturam res secundae maestificat et lugendae semper te delectant, tristitia et calamitas non relinquet. Gaudere enim de plangendo malo dementatae rationis est maximus dolor, qui siquidem tanto deterior et letalior aestimatur, quanto minus, cum sit incensus, forte sentitur. Ridere enim in gravi morbo magni maeroris iudicium est ac secundum regulam Hippocratis, cum adhaerentis doloris non percipitur causa, mens letaliter mox iudicatur aegrota. Sic ergo livoris vitium possessoris sui continuum est tomentum. Verum cum odisti invidentia quempiam propter bonum, iam principaliter ipsius hostis es boni, quoniam cuius gratia est unumquodque et illud magis. Sed cum ipsum bonum sit Deus, a quo tamquam a suo fonte bonitatis vena manans in omnia entia derivatur, hinc quidem convincitur, quod tu hostis boni es et tui ipsius ac omnium inimicus. Ac cum malitia bonitati sit contraria, quanta te depravavit malignitas, cui tota bonitas est adversa! Verum cum naturaliter simila quaeque similibus delectentur, vide cuius modi es, qui tempestate ac tenebris gaudes. Nisi enim corde nubilus et procellosus existerens, nequaquam te talia delectarent. Livor igitur internae turbinis gravis tempestas est, sed cum absque tranquilitate ac luce nullum putetur bonum, hinc te agnosce iam omni bonitate privatum, quia paci et lumini tam hostiliter es adversus, et sic, cum invideas, ne bonum tuum altius commendetur, inspice, caece, quod per livorem eidem oppositum tibi contingeret! Obscurasti tu ipse tibi bonitatis influxum, contraria namque se fugiunt nec se alicubi invicem patiuntur. Attamen si commune bonum intelligeres et in visu privato hoc ipsum in unoquoque benignius adamares, totum bonum tuum existeret et tecum omnia possideres. Nimirum dilectum bonum, quo gaudes, tuum est. Pone ergo, carissime, lividum oculum et amittes tormentum. Sic enim scriptum est: Si oculus tuus scandalizat te, erue eum et proiice abs te! Nam et talpae melius foret in pupilla non habere contuitum, postquam dilexit obscurum. Sic hyaenae oculus ingeminatur, qui compassivum coloris mutatione in caritatis exemplum gerit affectum." Quibus sic digestis recessit. |
Gegen die Neider Als ein frohgemuter Affe in der Wildnis unterwegs war, traf er bei heiterem, ruhigem Wetter, klarer Luft und in vollem Licht auf einen Wildesel, der traurig am Boden lag, und sagte zu ihm: "Was hast du, Bruder, dass du mit trauervollem Blick und bekümmerter Miene, missgünstigem Gesicht und gesenktem Kopf so übelgelaunt daliegst? Bitte teile es mir mit; denn wenn es irgendeine Schwäche deines Körpers ist, wrde ich es mit starker Hand abwehren, wenn es aber eine Schwäche deines Herzens ist, werde ich die mit Vernunft oder Mitleid heilen." Darauf enthüllte jener, vom Balsam so großer Demut milde gestimmt, das Geheimnis seiner Krankheit und sagte: "Gerade wegen des schönen Wetters werde ich gelähmt, denn seine Ruhe verkehrt sich für mich in einen Sturm und die Heiterkeit wandelt sich in Dunkelheit, da die Augen sie nicht ertragen. Dagegen aber wird der Sturm zu innerem Frieden und die Dunkelheit zu Heiterkeit." Nachdem der Affe dies verblüfft und verwundert gehört hatte, merkte er, dass das Laster des Neides dessen Qual war, und begann seine Ermahnung, zu der er sich verpflichtet fühlte, mit einer Verwünschung und sagte: Verflucht soll solch ein Auge sein, das vom Licht gestört und vom Sturmwind erfreut wird, das wie ein Käuzchen das Tageslicht nicht sehen kann, sondern in der Dunkelheit in Erscheinung tritt. Für dieses ist Freude Trauer, Licht Dunkel, Gutes Schlechtes, Glück Unheil und Unglück Segen, Missgeschick beglückend und Erfolg verhasst, Elend willkommen und Güte feindlich. Oh, welch ein schreckliches, verderbenbringendes, höllisches Übel!" Dann änderte er seinen Ton und sagte zum Wildesel: "Du bist zweifellos ein wilder Esel, weil du solch ein Auge an dir duldest, das eine beständige Marter für dein Herz und ein Feind jedes Guten ist. Denn da dieses Leben bald im Unglück, bald im Glück verläuft, werden Traurigkeit und Unglück dich nicht verlassen, wenn dich naturwidrig glückliche Dinge betrüben und beklagenswerte erfreuen. Sich über ein beklagenswertes Übel zu freuen ist der größte Schmerz eines wahnsinnig gewordenen Verstandes. Je weniger stark er empfunden wird, obwohl er entbrannt ist, umso mehr gilt er freilich als schlecht und tödlich. Bein einer schweren Erkrankung zu lachen ist das Indiz einer tiefen Betrübnis, und wenn der Grund für einen ständigen Schmerz nicht erkennbar ist, dann wird nach der Lehre des Hippokrates der Verstand als todkrank beurteilt. So ist also das Laster des Neides eine beständige Folter für den Besitzer. Wenn du aber aus Neid irgendeinen wegen eines Gutes hasst, dann bist du von Grund auf ein Gegner des Guten, weil auch jenes mehr ist, durch dessen Gnade ein jedes ist. Aber da Gott selbst das Gute ist, von dem gleichsam die aus seiner Quelle strömende Ader der Güte in alles Seiende geleitet wird, lässt sich damit unwiderlegbar beweisen, dass du ein Gegner des Guten und deiner selbst sowie ein Feind aller bist. Und da das Übel der Gegenpol zum Guten ist, welch große Bosheit hat dich, für den alle Güte feindselig ist, verdorben! Da aber naturgemäß alles Ähnliche sich an Ähnlichem erfreut, schau, wir beschaffen du bist, der du an Sturm und Dunkelheit deine Freude hast! Wenn du nicht in deinem Herzen dunkel und voll Aufruhr wärst, würde doch solches niemals erfreuen. Der Neid ist folglich ein schwerer innerer Sturmwind; da aber ohne Ruhe und Licht nichts für gut gilt, gib also zu, dass du schon aller Güte beraubt bist, weil du dem Frieden und dem Licht so feindselig gesinnt bist. Wenn du neidisch bist, dass dein Gut nicht höher gepriesen wird, dann sieh doch ein, du Blinder, dass dir wegen des Neides genau das Gegenteil geschieht! Du selbst hast nämlich den Einfluss der Güte unmöglich gemacht, weil Gegensätze sich fliehen und sich nirgends gegenseitig dulden. Wenn du jedoch das allgemeine Gut erkennen würdest und in persönlicher Sicht dieses selbst in jedem großzügiger lieben würdest, dann wäre dein gesamtes Gut vorhanden und du würdest alles in deinem Besitz haben. Zweifellos ist das geliebte Gut, worüber du dich freust, das deine. So steht nämlich geschrieben: Wenn dich dein Auge ärgert, reiß es aus und wirf es von dir! Denn auch für den Maulwurf wäre es besser, kein Sehvermögen im Auge zu haben, nachdem er die Dunkelheit gewählt hatte. Das Hyänenauge aber wird doppelt stark, wenn es durch den Farbwechsel ein mitleidiges Gefühl als Beispiel der Nächstenliebe zeigt." Nachdem er so argumentiert hatte, zog der Wildesel sich zurück. |
Synopse deutscher Versionen
Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. II, 29 (nach Druck Augsburg, 1490) (um 1408/16) |
Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. II, 29 (1520) |
Hans Sachs, Nr. 4749 (1555) |
Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), Nr. 56 (1571) |
Wendunmuth (Hans Wilhelm Kirchhof), Nr. VII, 95 (1564) |
Dise geleichnuß istt wider die neidigen. Das XXIX Capitel [61] In einer stillen hayter do der lufft mit klarem liecht nach wunsch erschayn / da lief ein Aff mitt freüden und mit freyem muot de(n) verporgen steygen nach. Unnd da er des laufs gar fertige was do vand er einen waldesel d(er) lag gar mit grossen schmercze(n) under einer puochen. und was mitt biter traurikeit gar schaerlich umbfangen. Dem sprach d(er) Aff gar freintlich zuo. Mein pruoder / was emprüßt dir hye in d(er) wylden wueste das du dich so jaemerlich erzaigest mit klaegliche(m) antlücz und bloede(m) gesicht / mit plaichem mund und mit gelben lefczen und mit hangende(m) haubte nider zuo d(er) erden. Ich bit dich czuo erkennen Hast du jcht gepraeßten an deinem leybe die heyl jch dir mit meiner hand / wann die kan wunden salben. Leydest du aber verporgens wee heimlichen an deinem hercze(n) das pringt mich in ungemach pruoderlichs mitleidens. und besaehe auch dz mit allem grossem fleiß wie jch dein übertraeffenlichen schmerczen mit maisterschaft vertrybe / Do warde der traege wald Esel mit de(m) oel guetiger wort gar senftiklich erwaichet als verre das er sein heimlich wunden in alle(n) list gar offenlichen emploessett / Und sprach also. Mein pruoder. Mein heymlich schmerczen dye mich gar schwaerlichn dringen unnd auch noetten seind nichsen anderßt dann clarheit der lauteren styll. wan(n) ein yeckliche freüdenreyche haytter die mit ruosamer still sich erzaiget dye müge(n) meine auge(n) weder leyden noch angesehen. Und wirt mir jnwe(n)digklichen verkert in scharpfes ungewitter. wann klares liecht des haellen tages das pringett mir nichssen anders dann dyck unnd vinstere wolcken. Wann aber mortlicher schauer sich erzayget das macht mir mein hercze unnd auch darzuo als meyn gemuet fro frisch und frey unnd secze es in guoten fride und auch [62] in freüde. Auch ist mir die dicke vinsternuß für liechten tag un(d) für die klaren hayter. Do daz d(er) Aff vo(n) dem Esel hort des begrif in michel wunder. Auch klaubet er gar wicziklich auß des Esels worten das fayger neyd on sache seiner seüffte was.
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Anmerkungen
- ↑ Zitiert nach Esser, Birgit/Blanke, Hans-Jürgen (Hg.): Speculum Sapientiae, S. 140-142
- ↑ Zitiert nach Esser, Birgit/Blanke, Hans-Jürgen (Hg.): Speculum Sapientiae, S. 141-143