Günthart, Romy: Virtus est ratio

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Zitation

Günthart, Romy: Virtus est ratio. Natur und Naturkunde in der spätmittelalterlichen Fabelsammlung "Speculum sapientiae" und ihren deutschen Übertragungen. In: Dilg, Peter (Hg.): Natur im Mittelalter. Konzeptionen, Erfahrungen, Wirkungen. Akten des 9. Symposiums des Mediävistenverbandes, Marburg, 14.-17. März 2001. Berlin 2003, S. 373-385

Beschreibung

Studie zum Naturbegriff im Speculum sapientiae (Übertragungsreihe), vor allem im Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster).

Inhalt

  • Die Gattung Fabel "lebt von der Spannung zwischen

'natürlichem' und erkenntnishaftem, vernünftigem Handeln, zu dem einzig das animal rationale- so lehrt es die antike Philosophie -, einzig der Mensch nach dem Sündenfall - so lehrt es die christliche Theologie - befähigt ist." (S. 373)

  • Die Cyrillischen Fabeln orientieren sich bei der Tierdarstellung nicht an der antiken Tradition, sondern "in hohem Maße an den naturkundlichen Beschreibungen, wie sie in den großen Enzyklopädien des 13. Jahrhunderts - in Werken wie 'De proprietatibus rerum' des Bartholomaeus Anglicus, dem 'Speculum naturale' des Vinzenz von Beauvais oder dem 'Liber de natura rerum' des

Thomas von Cantimpré - tradiert werden." (S. 375)

  • "Die Cyrillusfabeln verweisen auf einen

anderen Stellenwert der Natur und auf ein stärkeres Ineinander anstatt des bekannten Nebeneinanders von inszenierter Natur und Ethik." (S. 376)

Händen halten, die Haupttugenden und -laster zugeordnet sind: Es stehen dort gerechtikait, messikait, weyßheit und grosmuetikeit der vnmessikait, geytzikait, hoffart und torhayt gegenüber." (S. 377)

    • "Ein wichtiges Strukturelement der Sammlung ist die

Vierzahl, die - in Abgrenzung zur göttlichen Drei - in der christlichen Zahlensymbolik der Welt zugeordnet ist. [...] Über die aus der Bibel vorgegebenen und in dieser Form zitierten Vierergruppen hinaus begegnen naturkundliche Korrelationseinheiten wie die vier Himmelsrichtungen, Erdteile, Winde und Elemente oder die vier Qualitäten der Humoralpathologie. Immer wieder wird in Viererschritten argumentiert - auch dies ein Hinweis auf die Bedeutung der Ordnung der Welt für den Menschen und die intendierte, innerweltliche Funktion des Werkes." (S. 378)

    • "Die Inhaltsangabe des 'Spiegel der wyßheit' erscheint

so als selbständiges ethisches Regelwerk, das durch die folgenden Fabeln illustriert und bestätigt wird." (S. 378)

  • "Die handelnden Figuren der cyrillischen Fabeln sind gegenüber den Äsopica deutlich

erweitert. Als Protagonisten treten vermehrt auch exotische Tiere auf wie Krokodil, Kamel, Elefant und Strauß, ferner Drache und Phönix; des weiteren begegnen diverse Pflanzen, Edelsteine, Planeten, Körperteile und Abstrakta, wie der Wille oder die Begierde. Zweimal - und dies ist in der gesamten Fabeldichtung des Mittelalters und der frühen Neuzeit einzigartig - erscheint die personifizierte Natur selber als handelnde Figur". (S. 380)

  • "Ein einheitliches Konzept des Begriffs 'Natur' auszumachen, das nicht nur für eine einzige Fabel oder

einen einzigen Argumentationsschritt, sondern für die ganze Sammlung gilt, ist nur sehr beschränkt möglich. Zu sehr ist das Werk durchdrungen von verschiedenen philosophischen und theologischen Diskursen. Dabei sind vor allem aus der stoischen Naturphilosophie starke Einflüsse festzustellen, die manchmal, aber durchaus nicht immer, in Einklang mit den christlichen Positionen gebracht werden können." (S. 382)

  • "Die Akteure der cyrillischen Fabeln handeln kaum, denken und sprechen dafür um so mehr; sie sind sogar befähigt zur Selbsterkenntnis, die eigentlich nur - das wird in den Lehrreden immer wieder betont - dem beseelten, vernünftigen Menschen zukommt." (S. 383)
  • "Die [...] Selbstreflexionen trennen die handelnden Figuren der cyrillischen klar von denen der äsopischen Fabeln und rücken sie insbesondere dann, wenn einzelne ihrer Eigenschaften Anlaß für Lehrreden sind, in die Nähe der Allegorie." (S. 384)