Der Gürtel (Dietrich von der Glezze)

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Der Borte; Der Gürtel; Der Siegesgürtel

AutorIn Dietrich von der Glezze (Glesse, Gletze, Klesse, Glatz, Glaz); Der Punzinger ? (Überarbeitungen, vgl. Kralik: Ursprüngliche Gestalt)
Entstehungszeit 2. Hälfte 13. Jhd. (Meyer: Borte)
Entstehungsort Weidenau (Meyer: Borte)
AuftraggeberIn Wilhelm von Widena (Weidenau)
Überlieferung Heidelberg, UB: Cod. pal. germ. 341, 232v-238r (online: [1])
Heidelberg, UB: Cod. pal. germ. 4, 198r-208r (online: [2])
Cologny-Genf, Bibl. Bodmeriana: Cod. Bodm. 72 (früher Kalocsa, Kathedralbibl.: Ms. 1), 233v-239r (online: [3])
Klagenfurt, UB: Perg.-Hs. 64, 1v (Abdruck bei Gröchenig: Fragment)
Ausgaben von der Hagen: Gesammtabenteuer, 1. Bd., S. 449-478
Meyer: Borte
Übersetzungen Bergemann: Minnemären, S. 28-57
Spiewok: Decamerone, S. 510-524
Zoozmann: Gürtel
Forschung Baesecke: Oswald, S. XCff.; Beine: Wolf, S. 64, 164f.; Berger: Dietrich; Blum: Queering; Brendel: Borte; Bumke: Mäzene, S. 24, 207, 279, 657f.; de Boor: Literatur im späten Mittelalter, S. 276f.; Feistner: Manlîchiu wîp; Fischer: Studien, S. S. 67, 87, 114, 192, 199, 217, 222, 224, 235, 267; Gröchenig: Fragment; Grubmüller: Ordnung, S. 170-172; von der Hagen: Gesammtabenteuer, Bd. 1, S. CXLIX-CLI; Hebestreit: Borte; Hotchkiss: Clothes, S. 100-104, 171; Hoven: Erotik, S. 69-71, 321f.; Hufeland: Schwankdichtung, S. 64, 109; Hufeland: Gliederung; Klemenz: Anteil, S. 3-7; Klemenz: Literatur; Klemenz: Glatz, S. 30; Klemenz: Dietrich; Klemenz: Grafschafter Dichter; Köhler: Borte; Kralik: Borte; Kralik: Ursprüngliche Gestalt; Kraß: Dreieck; Kraß: Kleider, S. 296-303; Leitzmann: Gesamtabenteuer; Liebrecht: Novellenkunde, S. 261; Londner: Eheauffassung, S. 267, 270f., 292, 311; Meyer: Quellenverhältnis; Meyer: Borte, S. 1-72; Naumann: Dietrich; Niewöhner: Sperber, S. 66; Ortmann/Ragotzky: Minneherrin; Pfeiffer: Gesamtabenteuer, S. 717f.; Pritz: Tugend, S. 163-167; Reichlin: Borte; Rosenfeld: Dietrich (VL); Rosenfeld: Dietrich (NDB); Rupp: Schwank, S. 45; Schauer: Weidenau, S. 10, 36f.; Schirmer: Motivuntersuchungen, S. 16f., 19f., 61, 129, 144, 200, 204, 253, 261; Scholz: Hören, S. 114, 132, 166; Schopphof: Gürtel, S. XI, 57, 163f., 185f.; Schultz: Love, S. 137f.; Schwietering: Demutsformel; Spreitzer: Sünde, S. 94-98; Steinmeyer: Glezze; Tax: Gürtel; Wagner: Erzählen, S. 243-274; Wagner: Farben; Wagner: Dietrich; Wagner: Guck; Wagner: Grenzbetrachtungen, S. 29f.; Wolf: Komposition, S. 140-145; Ziegeler: Erzählen, S. 301-305

Inhalt

Promythion: Das Gedicht heißt 'Der Gürtel'; man soll es nur vor einem höfischen Publikum lesen.

Narratio: Konrad, ein stolzer Ritter aus Schwaben, hat die schönste Frau zur Gattin. Eines Tages, während er zu einem nahen Turnier reitet, lustwandelt sie im Garten und begegnet einem fremden Ritter, der in Liebe zu ihr entbrennt. Sein Werben hat Erfolg, als er der Dame zum Entgelt für ihre Gunst Habicht, Windhunde, Ross und vor allem einen herrlichen Gürtel verheißt, der die Kraft hat, seinem Träger überall den Sieg zu verleihen. Ein Knecht belauscht das Liebespaar und entdeckt dem heimkehrenden Herrn die Treulosigkeit seiner Gattin. Dieser kehrt auf der Stelle um und begibt sich nach Brabant. Als die Frau zwei Jahre vergeblich auf ihn gewartet hat, verkleidet sie sich als Ritter und zieht mit Ross, Habicht, Windhunden und ihrem Wundergürtel an den Hof des Herzogs von Brabant, wo sie sich als Heinrich von Schwaben ausgibt. Bei einer Jagd zeichnen sich ihre Tiere besonders aus, und der Hezog versucht vergeblich, sie ihr abzukaufen. Danach gelingt ihr ein Turniersieg über einen bis dahin unbesiegten Engländer. Konrad und "Heinrich" begleiten den Herzog auf einer Heerfahrt. Auf einem Kundschaftsritt bittet Konrad seinen Gefährten, ihm Windhunde, Habicht oder Ross zu schenken. Heinrich sagt ihm Habicht und Windhunde zu, wenn er ihm, der er nur Männer liebe, zu Willen sei. Konrad geht widerstrebend darauf ein. Da gibt sich "Heinrich" als seine Frau zu erkennen und tadelt ihn, dass er sich um eines so kleinen Gewinnes willen mit unnatürlicher Liebe versündigen wolle, während sie in ihrem Bestreben, ihm den siegspendenden Gürtel zu erwerben, nur etwas Menschliches getan habe. Konrad bittet um Verzeihung, sie schenkt ihm die begehrten Gaben, und beide kehren nach Schwaben zurück.

Epimythion: Dietrich von der Glezze hat die Erzählung gedichtet. Er rät allen Männern, die Frauen zu ehren. Wilhelm von Weidenau hat ihn beauftragt; dem Punzinger möge eine geliebte Frau ihren Trost senden.

(Zitiert nach Fischer: Studien, S. 451)

Forschungsüberblick

In der Forschung des 19. Jahrhunderts standen Fragen nach der Autorbiographie, der literaturhistorischen Verortung der Erzählung und vor allem der formalen Gestalt der Dichtung – Metrik, Reim, Lautung – im Mittelpunkt des Interesses. Eine erste Textausgabe des Märes lieferte Friedrich Heinrich von der Hagen 1850 in seiner Märensammlung Gesammtabenteuer, wobei seine zahlreichen Konjekturen bei Brendel: Borte, Kralik: Ursprüngliche Gestalt, und Leitzmann: Gesamtabenteuer und scharf kritisiert wurden. Meyer: Borte lieferte 1915 eine kritische Neuausgabe des Textes. Unter völkischem Blickwinkel wurde diskutiert, ob der Erzählstoff des Gürtels „ursprünglich deutsch“ sein könne (negativ von der Hagen: Gesammtabenteuer, positiv Klemenz: Literatur; Klemenz: Glatz; Klemenz: Dietrich; Klemenz: Grafschafter Dichter).

Im 20. Jahrhundert interessierten nach dem II. Weltkrieg zunächst vor allem soziohistorische Fragen nach der Moral im Märe (vgl. Pritz: Tugend, Londner: Eheauffassung, Hoven: Erotik, Spreitzer: Sünde) und Fragen nach der Baustruktur und dem Symbolismus im Märe (vgl. Hufeland: Schwankdichtung, später auch Kraß: Kleider und Wagner: Farben).

Seit den 1990er Jahren wurde das Märe für die Genderforschung (vgl. Ortmann/Ragotzky: Minneherrin) und Queer-Forschung (vgl. Blum: Queering, Kraß: Dreieck) zu einem wichtigen Untersuchungsgegenstand, wobei vor allem der Kleider- und ggf. Geschlechterwechsel der Dame zentral gesetzt wurde (vgl. Kraß: Kleider, Hotchkiss: Clothes, Feistner: Manlîchiu wîp).

Seit 2000 gerät das Märe vermehrt bezüglich seiner kommunikativen und performativen Strukturen in den Blick: (vgl. Wagner: Guck, Reichlin: Borte, Wagner: Erzählen).

Sonstiges

Das Märe ist als Hörspiel komplett auf Mittelhochdeutsch erschienen: Der Borte. Dietrich von der Glezze. Ein mittelhochdeutsches Hörspiel. vfd Hochschulverlag, Zürich 2011