Zu Soltz da saß ein Edelman

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Zu Soltz da saß ein Edelman

AutorIn Anon. (Schreiber/Kompilator: Nathanael Carl; Quelle: Caspar Löffler zu Virnaw)
Entstehungszeit Vor 1599
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Handschriftliche Ergänzungen und Kommentare zu dem Exemplar Dresden, SLUB: Mscr.Dresd.K.97 von Druck Straßburg 1599: Bernhard Jobin (Erben): Hennebergische Chronika (online), 252a
Ausgaben Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 29-31
Übersetzungen
Forschung

Text und Übersetzung

Text[1] Übersetzung
I[2]

Zu Soltz da saß ein Edelman,
war wol mit herrn vnd fursten dran,
drumb nam ers steiff jn seinen sinn,
wolt die von Stepffershausen zwing,
ja Stepfershausen nicht allein,
Mämels vndt Wons warn auch gemeint.
denn er nam jhnen jhre kuhe,
dasselbig bracht jhm angst vnd muhe.
Meint wol zu kommen hoch hervor,
aber all sein gut er drob verlor,
darzu furst wilhelms schutz vnd gnadt,
das rewet Wolfen von Herbstadt,
es rewet jn aber viel zu spat[3]
das er gefolgt hatt bösem rath.[4]
Das macht sein vbermut vnd stoltz,
Er wer sonst blieben wol zu Soltz.

II
Als Soltz letztlich wurd eingenommen,
Eylendts geplundert vnbesunnen,
weil die von Stepfershausen
zuuiel drinn wolten mausen,
die Wonser vndt die von Memels
Gelüst der kühe vndt des hemels;
Andre hunner vndt gens zu schlachten,
Nach fahrender hab etliche trachten
vnd sonst nach gutem haußrath mehe,
dz wolt furst Wilhelm nicht gestehe,
von Hennenberg der edle furst,
den stets nach ruhe vnd fride durst,
kam mit sein reuttern selbst gerant,
Sie hettens dorff sonst abgebrandt.[5]

III
Schön Heintz von Wasing wurd zum narrn,
Gein Sultz lief, nam die hasen garn,
die hasen garn aber nicht allein,
Er trug die virtl kann auch mit hein,
Die Schmalkälder jn keller kamen,
da sie den sußen wein vernahmen,
zu den sich fandten die von Sul
hielten alda ein guten wul.
Melckers, Ripershausen, Waldtorff,
Gaben darzu guten anworff.

IV
Heintz Enders auf ein born sprang,
gar baldt den nagel raus gewandt.
der bawer rief, Heintz, beide mir,
den nagel den verkeuf jch dir.
Heintz sprach, hab dir .S. Antings fewer,
der nagel kem mich an zu tewer,
ich wart dein nicht, hab dir Veits tantz,
ist doch der nagel nimmer gantz.

V[6]
Heintz Endres zum Schön Heintzen sprach,
Gut Heintz, kom her vnd folg mir nach,
kom eilendts her vnd folge mir,
Auf schieben wolln wir die kirch thur.
Do sie dieselb nu auf geschoben,
Sie fandens flachs nör ein kloben,
darneben nichts denn schwingwercks zotten,
so rein gefegt war der kirchboden.
dz thet künn lötzen großen zorn,
sagt, dz euch donnr vnd plitz verborn.

VI
Hans Drifus hatt sich bas bedacht,
Ein henn vnd mist hack dauon bracht,
denn er gedacht jn seinem mut,
die[7]henn legt eyer, sindt den kindern gut:
da er nu hört fürst Wilhelm schallen,
lies er vor leidt den hacken fallen,
die henn jm heimweg er ertrückt,
dadurch wurd jhm sein beut entzückt,
kriegt nicht daruon eins hellers werth,
So baldt gein Sultz nicht widr begert.[8]

I

Zu Sulz saß ein Edelmann,
der gut mit Herren und Fürsten vernetzt war,
weshalb er sich auf den Gedanken versteifte,
die Steffershausener zu unterwerfen,
ja, nicht nur die Steffershausener,
sondern auch die von Mämel und von Won.
Denn er nahm ihnen ihre Kühe weg,
was ihm Angst und Not bescherte.
Er hatte wohl gemeint, dass er weit aufsteigen würde,
doch er verlor sein ganzes Vermögen dabei,
dazu noch Schutz und Gnade des Fürsten Wilhelm.
Wolf von Herbstadt reute es, dass er einem schlechten Ratschlag gefolgt war.
Ursächlich dafür waren sein Übermut und sein Stolz,
ansonsten wäre er sicherlich in Sulz geblieben.

II
Als Sulz schließlich eingenommen
und überstürzt und unbedacht geplündert wurde,
weil die von Steffershausen
allzuviel drinnen mausen wollten,
gelüstete es den Wonsern und denen von Memel
nach den Kühen und dem Hammel;
Andere gelüstete es danach, Hühner und Gänse zu schlachten,
und viele wollten bewegliche Güter haben
und auch sonst gute Haushaltsgegenstände.
Das wollte aber Fürst Wilhelm nicht zulassen:
Der edle Fürst von Hennenberg,
dem es stets nach Ruhe und Frieden verlangte,
Kam höchstselbst mit seinen Reitern angestürmt –
Sonst hätten die das Dorf gebrandschatzt.

III
Der Schöne Heinz von Wasing machte sich zum Narren,
er lief nach Sulz und nahm das Hasengarn[9],
aber nicht nur das Hasengarn:
Er trug auch die Viertelkanne[10] mit nach Hause.
Die Schmalkaldener kamen in den Keller,
wo sie den süßen Wein vorfanden; auch die von Suhl stießen dazu
und veranstalteten dort eine Orgie[11].
Melkers, Ripershausen und Waldtorff
gaben eine gute Antwort darauf.

IV
Heinz Enders sprang auf einen Brunnen
und drehte alsbald den Nagel heraus.
Der Bauer rief: „Heinz, warte auf mich,
den Nagel verkaufe ich dir.“
Heinz sagte: „Ich wünsche dir das Sankt-Antonius-Feuer
Mit Sankt-Antonius-Feuer ist die Vergiftung durch Mutterkorn bezeichnet, die häufig das Absterben von Fingern und Zehen zur Folge hat und auch zu Wahnvorstellungen, Lähmung und Tod führen kann.</ref>,
der Nagel würde mir zu teuer kommen,
ich höre nicht auf dich, mögest du den Veitstanz bekommen[12],
zumal der Nagel nicht mehr ganz ist.

V
Heinz Endres sagte zum Schönen Heinz:
„Heinz, mein Guter, komm her und folge mir,
komm schnell und folge mir,
wir wollen die Kirchentüre aufschieben.“
Nachdem sie diese aufgeschoben hatten,
fanden sie nur einen Bund gesponnenen Flachs[13]
und daneben nichts als Fadenstücke[14] und Spinnabfall [15],
so sauber war der Kirchenboden gefegt.
Das erzeugte bei dem Schrumpfpenis[16] immense Wut,
und er sagte: „Dass euch Donner und Blitz durchbohre!“

VI
Hans Dreifuß hatte besser nachgedacht
und nahm eine Henne und eine Misthacke mit sich,
denn er dachte bei sich:
„Die Henne legt gute Eier, die sind gut für die Kinder“.
Als er nun den Kampflärm von Fürst Wilhelm hörte,
ließ er vor Schreck die Hacke fallen,
und die Henne erdrückte er auf dem Heimweg,
wodurch ihm seine Beute abhanden kam
und er keinen Heller Gewinn hatte.
So bald wollte keiner mehr Sulz überfallen.

Anmerkungen

  1. Nach der Edition Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 29-31, Änderungen sind angemerkt.
  2. Der ersten Strophe voraus geht eine Einleitung der Memorabilie durch Nathanael Carl: Vndt wurden damals von den Hennenbergischen Berg knappen vnd andern freyharts knaben aller handt Reymen Spruche gemacht, von welchen mir Caspar Löffler zu Virnaw noch dise erzehlet hat.
  3. Dieser Vers fehlt bei Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 29, der ihn offensichtlich als bloße Wiederholung ansieht; vgl. aber V,2f.
  4. Der Vers ist interlinear nachgetragen.
  5. In der Handschrift sind die beiden ersten Strophen durch einen durchlaufenden Querstrich von den restlichen Strophen abgetrennt.
  6. Die letzten beiden Strophen sind mit Zeilenumbrüchen nach jeweils zwei Versen aufgeschrieben.
  7. Vor diesem Wort ist ein unleserliches Wort ausgeschabt.
  8. In der Handschrift sind von moderner Hand in roter Farbe Ziffern über die Wörter angebracht, die die richtige Reihenfolge anzeigen sollen; Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 30, stellt entsprechend um: "Gein Sultz so baldt nicht widr begert".
  9. Garn oder Netz, das für die Hasenjagd verwendet wird, vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=H03077 DWB, Art. Hasengarn].
  10. Viertelkanne ist ein Weinmaß, vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=V08878 DWB, Art. Viertelkanne]
  11. Vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=W27639 DWB, Art. Wühl].
  12. Der Veitstanz ist eine Bezeichnung für unterschiedliche Erkrankungen, u.a. auch für die Vergiftung von Mutterkorn, vgl. IV, 5.
  13. ‘“Ein klobe flachs“ als ein Bund gesponnener Flachs vgl. www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K07714 DWB, Art Kloben, 8a.
  14. Zu „zotten“ als „lose Fäden“ vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=Z08503 DWB, Art. Zotten]
  15. Zu „schwingwerg“ als „Abfall beim Schwingen des Flachses vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=S22673 DWB, Art. Schwingwerg].
  16. Künne bedeutet zunächst die edle Abkunft, steht aber auch konkret für das männliche Geschlechtsteil, vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K16246 DWB, Art. Künne]; „lötzen“ ist eine Nebenform von „lützel“: klein, wenig, vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=L07884 DWB, Art. Lützel]