Die Graserin (B23)
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Die Graserin (B23) | |
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| AutorIn | Anon. |
| Entstehungszeit | Überlieferung nach 1415 |
| Entstehungsort | |
| AuftraggeberIn | |
| Überlieferung | Heidelberg, Universitätsbibliothek: Cpg 4, 208v-210v Dresden, Landesbibliothek: Mscr. Dred. M 65, 1ra-1vb |
| Ausgaben | Dorobantu, Julia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): Minnereden, S. 492-501 |
| Übersetzungen | |
| Forschung | Klingner, Jacob: Die Graserin; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 30-32 |
Inhalt
A Willkür der Minne (1–28):
Der Sprecher schildert die Unberechenbarkeit der Minne, die ohne Rücksicht auf Verdienst Glück wie Unglück verteilt. Er zeigt Verständnis dafür, denn Minne würde sich entehren, folgte sie jedem törichten Werben. Auch er sei ein solcher Narr, wisse jedoch, dass Hohe Minne zwar hohen Mut, aber auch schwere Not bringe, während niedere Minne dem höfischen Ideal widerspreche. Dennoch wolle er die Hohe Minne nicht verfolgen, sondern seine Zuneigung auf eine Frau richten, die ihm tatsächlich nütze.
B Einleitung zum Preis der ›Niederen Minne‹ (29–37):
Der Sprecher kündigt seinem Publikum an, von seiner Liebschaft zu erzählen. Er rühmt das Freudenleben, das Gott ihm „zu Holz, zu Wiesen und in den Auen“ gewähre: im Sommer durch eine graserin, im Winter durch eine stubenhaytzerin.
C Sommerfreuden (38–124):
Der Sprecher schildert, wie er im Sommer lieber der Einladung seiner Geliebten zum Grasschneiden folgt, statt höfische Freuden oder Maientänze zu besuchen. Heimlich eilt er zum Treffpunkt, wo ihn die graserin empfängt und es rasch zur Umarmung im Buschwerk kommt. Trotz ihres wettergegerbten Körpers und zerrissenen, vom Tau durchnässten Kleids ziehe er dieses einfache Beilager jedem Luxus vor. In ritterlicher Metaphorik umschreibt er den Geschlechtsakt. Solche Freuden, so betont er, seien den Anhängern der Hohen Minne verwehrt: Während diese in Rüstung schwitzten, verbringe er lieber den Sommer in den Armen seiner Geliebten. Nach Damen und Hoher Minne verlange es ihn nicht – dort drohe ihm als einziger Lohn nur der Sturz von der Treppe.
D Winterfreuden (125–178):
Im Winter, so berichtet der Sprecher, biete sich ihm noch mehr Gelegenheit zur Freude: In langen Nächten schleiche er zur Geliebten, werde von der Heizerin heimlich eingelassen und später in die warme Stube geführt. Dort komme es – erneut in verhüllter, derber Bildsprache – zu körperlicher Nähe, die den ganzen Winter über andauere. Den Wächterruf beachte er nicht, anders als die pfleger hoher mynne, die vor Tagesanbruch fliehen müssten; ihn wecke ohnehin das Grunzen der Schweine. Auf Hohe Minne wolle er sich nicht einlassen, da ihr Ausgang zu unsicher und die Mühe zu groß sei.
E Schluss (179–194):
Der Sprecher bekräftigt in konventionellen Formeln seine Treue zur graserin. Er endet mit einem Segenswunsch, einem Neujahrsgruß und dem abschließenden „Amen“.