Zu Soltz da saß ein Edelman: Unterschied zwischen den Versionen
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|style="vertical-align:top;"|'''I'''<br />Zu Sulz saß ein Edelmann,<br />der gut mit Herren und Fürsten vernetzt war,<br />weshalb er sich auf den Gedanken versteifte,<br />die Steffershausener zu unterwerfen,<br />ja, nicht nur die Steffershausener,<br />sondern auch die von Mämel und von Won.<br />Denn er nahm ihnen ihre Kühe weg,<br />was ihm Angst und Not bescherte.<br />Er hatte wohl gemeint, dass er weit aufsteigen würde,<br />doch er verlor sein ganzes Vermögen dabei,<br />dazu noch Schutz und Gnade des Fürsten Wilhelm.<br />Wolf von Herbstadt reute es<br />(er bereute es aber viel zu spät),<br />dass er einem schlechten Ratschlag gefolgt war.<br />Ursächlich dafür waren sein Übermut und sein Stolz,<br />ansonsten wäre er sicherlich in Sulz geblieben. | |style="vertical-align:top;"|'''I'''<br />Zu Sulz saß ein Edelmann,<br />der gut mit Herren und Fürsten vernetzt war,<br />weshalb er sich auf den Gedanken versteifte,<br />die Steffershausener zu unterwerfen,<br />ja, nicht nur die Steffershausener,<br />sondern auch die von Mämel und von Won.<br />Denn er nahm ihnen ihre Kühe weg,<br />was ihm Angst und Not bescherte.<br />Er hatte wohl gemeint, dass er weit aufsteigen würde,<br />doch er verlor sein ganzes Vermögen dabei,<br />dazu noch Schutz und Gnade des Fürsten Wilhelm.<br />Wolf von Herbstadt reute es<br />(er bereute es aber viel zu spät),<br />dass er einem schlechten Ratschlag gefolgt war.<br />Ursächlich dafür waren sein Übermut und sein Stolz,<br />ansonsten wäre er sicherlich in Sulz geblieben. | ||
'''II'''<br />Als Sulz schließlich eingenommen<br />und überstürzt und unbedacht geplündert wurde,<br />weil die von Steffershausen<br />allzuviel drinnen mausen wollten,<br />gelüstete es den Wonsern und denen von Memel<br />nach den Kühen und dem Hammel;<br /> | '''II'''<br />Als Sulz schließlich eingenommen<br />und überstürzt und unbedacht geplündert wurde,<br />weil die von Steffershausen<br />allzuviel drinnen mausen wollten,<br />gelüstete es den Wonsern und denen von Memel<br />nach den Kühen und dem Hammel;<br />andere gelüstete es danach, Hühner und Gänse zu schlachten,<br />und viele wollten bewegliche Güter haben<br />und auch sonst gute Haushaltsgegenstände.<br />Das wollte aber Fürst Wilhelm nicht zulassen:<br />Der edle Fürst von Hennenberg,<br />dem es stets nach Ruhe und Frieden verlangte,<br />kam höchstselbst mit seinen Reitern angestürmt –<br />sonst hätten die das Dorf gebrandschatzt. | ||
'''III'''<br />Der Schöne Heinz von Wasing machte sich zum Narren,<br />er lief nach Sulz und nahm das Hasengarn<ref>Garn oder Netz, das für die Hasenjagd verwendet wird, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=H03077 DWB, Art. Hasengarn].</ref>,<br />aber nicht nur das Hasengarn:<br />Er trug auch die Viertelkanne<ref>Viertelkanne ist ein Weinmaß, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=V08878 DWB, Art. Viertelkanne]</ref> mit nach Hause.<br />Die Schmalkaldener kamen in den Keller,<br />wo sie den süßen Wein vorfanden;<br />auch die von Suhl stießen dazu<br />und veranstalteten dort eine Orgie<ref>Vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=W27639 DWB, Art. Wühl].</ref>.<br />Melkers, Ripershausen und Waldtorff<br />gaben eine gute Antwort darauf. | '''III'''<br />Der Schöne Heinz von Wasing machte sich zum Narren,<br />er lief nach Sulz und nahm das Hasengarn<ref>Garn oder Netz, das für die Hasenjagd verwendet wird, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=H03077 DWB, Art. Hasengarn].</ref>,<br />aber nicht nur das Hasengarn:<br />Er trug auch die Viertelkanne<ref>Viertelkanne ist ein Weinmaß, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=V08878 DWB, Art. Viertelkanne].</ref> mit nach Hause.<br />Die Schmalkaldener kamen in den Keller,<br />wo sie den süßen Wein vorfanden;<br />auch die von Suhl stießen dazu<br />und veranstalteten dort eine Orgie<ref>Vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=W27639 DWB, Art. Wühl].</ref>.<br />Melkers, Ripershausen und Waldtorff<br />gaben eine gute Antwort darauf. | ||
'''IV'''<br />Heinz Enders sprang auf einen Brunnen<br />und drehte alsbald den Nagel heraus.<br />Der Bauer rief: „Heinz, warte auf mich,<br />den Nagel verkaufe ich dir.“<br />Heinz sagte: „Ich wünsche dir das Sankt-Antonius-Feuer<ref>Mit Sankt-Antonius-Feuer | '''IV'''<br />Heinz Enders sprang auf einen Brunnen<br />und drehte alsbald den Nagel heraus.<br />Der Bauer rief: „Heinz, warte auf mich,<br />den Nagel verkaufe ich dir.“<br />Heinz sagte: „Ich wünsche dir das Sankt-Antonius-Feuer<ref>Mit Sankt-Antonius-Feuer wird die Vergiftung durch Mutterkorn bezeichnet, die häufig das Absterben von Fingern und Zehen zur Folge hat und auch zu Wahnvorstellungen, Lähmung und Tod führen kann.</ref>,<br />der Nagel würde mir zu teuer kommen,<br />ich höre nicht auf dich, mögest du den Veitstanz bekommen<ref>Der Veitstanz ist eine Bezeichnung für unterschiedliche Erkrankungen, u.a. auch für die Vergiftung von Mutterkorn, vgl. IV, 5.</ref>,<br />zumal der Nagel nicht mehr ganz ist. | ||
'''V'''<br />Heinz Endres sagte zum Schönen Heinz:<br />„Heinz, mein Guter, komm her und folge mir,<br />komm schnell und folge mir,<br />wir wollen die Kirchentüre aufschieben.“<br />Nachdem sie diese aufgeschoben hatten,<br />fanden sie nur einen Bund gesponnenen Flachs<ref>"Ein klobe flachs" als ein Bund gesponnener Flachs vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K07714 DWB, Art. Kloben, 8a].</ref><br />und daneben nichts als Fadenstücke<ref>Zu „zotten“ als „lose Fäden“ vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=Z08503 DWB, Art. Zotten]</ref> und Spinnabfall<ref>Zu „schwingwerg“ als „Abfall beim Schwingen des Flachses vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=S22673 DWB, Art. Schwingwerg].</ref>,<br />so sauber war der Kirchenboden gefegt.<br />Das erzeugte bei dem Schrumpfpenis<ref>Künne bedeutet zunächst die edle Abkunft, steht aber auch konkret für das männliche Geschlechtsteil, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K16246 DWB, Art. Künne]; „lötzen“ ist eine Nebenform von „lützel“: klein, wenig, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=L07884 DWB, Art. Lützel]</ref> immense Wut,<br />und er sagte: „Dass euch Donner und Blitz durchbohre!“ | '''V'''<br />Heinz Endres sagte zum Schönen Heinz:<br />„Heinz, mein Guter, komm her und folge mir,<br />komm schnell und folge mir,<br />wir wollen die Kirchentüre aufschieben.“<br />Nachdem sie diese aufgeschoben hatten,<br />fanden sie nur einen Bund gesponnenen Flachs<ref>"Ein klobe flachs" als ein Bund gesponnener Flachs, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K07714 DWB, Art. Kloben, 8a].</ref><br />und daneben nichts als Fadenstücke<ref>Zu „zotten“ als „lose Fäden“ vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=Z08503 DWB, Art. Zotten].</ref> und Spinnabfall<ref>Zu „schwingwerg“ als „Abfall beim Schwingen des Flachses vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=S22673 DWB, Art. Schwingwerg].</ref>,<br />so sauber war der Kirchenboden gefegt.<br />Das erzeugte bei dem Schrumpfpenis<ref>"Künne" bedeutet zunächst die edle Abkunft, steht aber auch konkret für das männliche Geschlechtsteil, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K16246 DWB, Art. Künne]; „lötzen“ ist eine Nebenform von „lützel“: klein, wenig, vgl. [https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=L07884 DWB, Art. Lützel].</ref> immense Wut,<br />und er sagte: „Dass euch Donner und Blitz durchbohre!“ | ||
'''VI'''<br />Hans Dreifuß hatte besser nachgedacht<br />und nahm eine Henne und eine Misthacke mit sich,<br />denn er dachte bei sich:<br />„Die Henne legt gute Eier, die sind gut für die Kinder“.<br />Als er nun den Kampflärm von Fürst Wilhelm hörte,<br />ließ er vor Schreck die Hacke fallen,<br />und die Henne erdrückte er auf dem Heimweg,<br />wodurch ihm seine Beute abhanden kam<br />und er keinen Heller Gewinn hatte.<br />So bald wollte keiner mehr Sulz überfallen. | '''VI'''<br />Hans Dreifuß hatte besser nachgedacht<br />und nahm eine Henne und eine Misthacke mit sich,<br />denn er dachte bei sich:<br />„Die Henne legt gute Eier, die sind gut für die Kinder“.<br />Als er nun den Kampflärm von Fürst Wilhelm hörte,<br />ließ er vor Schreck die Hacke fallen,<br />und die Henne erdrückte er auf dem Heimweg,<br />wodurch ihm seine Beute abhanden kam<br />und er keinen Heller Gewinn hatte.<br />So bald wollte keiner mehr Sulz überfallen. |
Version vom 9. Februar 2024, 18:25 Uhr
Zu Soltz da saß ein Edelman | |
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AutorIn | Anon. (Schreiber/Kompilator: Nathanael Carl; Quelle: Caspar Löffler zu Virnaw) |
Entstehungszeit | Vor 1599 |
Entstehungsort | |
AuftraggeberIn | |
Überlieferung | Handschriftliche Ergänzungen und Kommentare zu dem Exemplar Dresden, SLUB: Mscr.Dresd.K.97 von Druck Straßburg 1599: Bernhard Jobin (Erben): Hennebergische Chronika (online), 252a |
Ausgaben | Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 29-31 |
Übersetzungen | |
Forschung |
Text und Übersetzung
Text[1] | Übersetzung |
I[2] Zu Soltz da saß ein Edelman, war wol mit herrn vnd fursten dran, drumb nam ers steiff jn seinen sinn, wolt die von Stepffershausen zwing, ja Stepfershausen nicht allein, Mämels vndt Wons warn auch gemeint. denn er nam jhnen jhre kuhe, dasselbig bracht jhm angst vnd muhe. Meint wol zu kommen hoch hervor, aber all sein gut er drob verlor, darzu furst wilhelms schutz vnd gnadt, das rewet Wolfen von Herbstadt, es rewet jn aber viel zu spat[3] das er gefolgt hatt bösem rath.[4] Das macht sein vbermut vnd stoltz, Er wer sonst blieben wol zu Soltz. II III IV V[6] VI |
I Zu Sulz saß ein Edelmann, der gut mit Herren und Fürsten vernetzt war, weshalb er sich auf den Gedanken versteifte, die Steffershausener zu unterwerfen, ja, nicht nur die Steffershausener, sondern auch die von Mämel und von Won. Denn er nahm ihnen ihre Kühe weg, was ihm Angst und Not bescherte. Er hatte wohl gemeint, dass er weit aufsteigen würde, doch er verlor sein ganzes Vermögen dabei, dazu noch Schutz und Gnade des Fürsten Wilhelm. Wolf von Herbstadt reute es (er bereute es aber viel zu spät), dass er einem schlechten Ratschlag gefolgt war. Ursächlich dafür waren sein Übermut und sein Stolz, ansonsten wäre er sicherlich in Sulz geblieben. II III IV V VI |
Anmerkungen
- ↑ Nach der Edition Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 29-31, Änderungen sind angemerkt.
- ↑ Der ersten Strophe voraus geht eine Einleitung der Memorabilie durch Nathanael Carl: Vndt wurden damals von den Hennenbergischen Berg knappen vnd andern freyharts knaben aller handt Reymen Spruche gemacht, von welchen mir Caspar Löffler zu Virnaw noch dise erzehlet hat.
- ↑ Dieser Vers fehlt bei Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 29, der ihn offensichtlich als bloße Wiederholung ansieht; vgl. aber V,2f.
- ↑ Der Vers ist interlinear nachgetragen.
- ↑ In der Handschrift sind die beiden ersten Strophen durch einen durchlaufenden Querstrich von den restlichen Strophen abgetrennt.
- ↑ Die letzten beiden Strophen sind mit Zeilenumbrüchen nach jeweils zwei Versen aufgeschrieben.
- ↑ Vor diesem Wort ist ein unleserliches Wort ausgeschabt.
- ↑ In der Handschrift sind von moderner Hand in roter Farbe Ziffern über die Wörter angebracht, die die richtige Reihenfolge anzeigen sollen; Schnorr, Franz: Aus der verloren geglaubten Hennebergischen Chronik von Nathanael Caroli, S. 30, stellt entsprechend um: "Gein Sultz so baldt nicht widr begert".
- ↑ Garn oder Netz, das für die Hasenjagd verwendet wird, vgl. DWB, Art. Hasengarn.
- ↑ Viertelkanne ist ein Weinmaß, vgl. DWB, Art. Viertelkanne.
- ↑ Vgl. DWB, Art. Wühl.
- ↑ Mit Sankt-Antonius-Feuer wird die Vergiftung durch Mutterkorn bezeichnet, die häufig das Absterben von Fingern und Zehen zur Folge hat und auch zu Wahnvorstellungen, Lähmung und Tod führen kann.
- ↑ Der Veitstanz ist eine Bezeichnung für unterschiedliche Erkrankungen, u.a. auch für die Vergiftung von Mutterkorn, vgl. IV, 5.
- ↑ "Ein klobe flachs" als ein Bund gesponnener Flachs, vgl. DWB, Art. Kloben, 8a.
- ↑ Zu „zotten“ als „lose Fäden“ vgl. DWB, Art. Zotten.
- ↑ Zu „schwingwerg“ als „Abfall beim Schwingen des Flachses vgl. DWB, Art. Schwingwerg.
- ↑ "Künne" bedeutet zunächst die edle Abkunft, steht aber auch konkret für das männliche Geschlechtsteil, vgl. DWB, Art. Künne; „lötzen“ ist eine Nebenform von „lützel“: klein, wenig, vgl. DWB, Art. Lützel.