Den Jungen die Minne, den Alten der Wein (B238)

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Den Jungen die Minne, den Alten der Wein (B238); Junge Frau und alter Mann

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung ab 1454
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 270, 67r-68v
München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 379, 30r-31v
Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter: b IV 3, 36r-37v
Ausgaben Leiderer, Rosmarie (Hg.): Zwölf Minnereden des Cgm 270, S. 66-68
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Den Jungen die Minne, den Alten der Wein; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden; S. 349f.; Uhl, Susanne: Der Erzählraum als Reflexionsraum, S. 151, 204, 227f., 233

Transkription

Der Text folgt der Ausgabe Leiderer, Rosmarie (Hg.): Zwölf Minnereden des Cgm 270, S. 66-68.




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Ains tages mich unmuot betzwang,
das ich mit senender sorge rang.
der wolt ich mich entladen han
und gieng auff einen grönen plan,
durch das ich würd sorgen fry
und das mir wonte freude py.
durch das so was ich chumen dar,
ich ward ain tail on sorgen bar.
ich vand den maien da mit chraft,
der mit fräud was sighaft
gar an dem winter worden.
die pluomen nach irem orden
die sach ich durch das gras uffdringen.
in süßer wisse frölich singen
hort ich die vogel jung und alt.
in chräften stuond der grüne walt
erfrischet mit der vogel gesanck.
die red die würd villicht zuo lanck,
der sei ain tail von mir verswigen.
doch han ich mich unverzigen,
ich sag euch, wie mir da beschach
und wie ich auff dem plane sach
das aller mineclichest wip,
das ich so zartten lieben leib
gesach py meinen tagen nie.
sü durch die pluomen gen mir gie,
die mineclich, die los.
recht als ain plüende roß
was ihres rotes mundes schein.
der selben frawen wengelin,
da si mir in die nahe cham
. . . . . . . . . . . . . nie vernam.
die min<e>clich die lacht und sprach:
“es ist als ain weg, was ie geschach
das frommet als den frawen nicht.
von wem in nun chain guot beschicht,
den hand si weder lieb noch zart.
den weiben nie unwerders wartt
dann ain alter voller tegen,
der nicht enkan der minne pflegen,
den hassent ietz die jungen wip.
und wiss, das si irn zartten leib
gen jungen mannen zieren,
die sich gen in floriern,
die gefallend in ausser maussen wol.
wer ainer gewessen Parcivall
an ritterlicher manhait,
er wurd in doch zuo jungste laid,
wenn er in das alter chompt
und zuo der minne nicht mehr frompt.“
da sprach ich: „Fraw, so waiß ich wol,
das ich des nu engelten sol,
des ich selten ie genossen han,
wann ich euch ie was undertan
und han vil laides durch euch gedult.“
si sprach: „churtz geret, ich pin den jungen hold.
des chan ich nicht gelaussen,
die alten sind verwassen.
das merck gar eben, pistu weiß,
tracht auff ain sanftu spiß
und lauß die werde minne sein!
lug, wie der clare wein
frisch von dem zappfen clingt
und auß den näpfen springt
recht als ain hirs tut auff der ha<id>!
das ist der alten manen fraid.
und lauß die jungen die minne pflegen,
und trinck du Sant Johanes segen
und Sant Gerdruten minn,
darauff so richt du deine sinn!
nicht paß ich dir gerauten chan,
wann junge wib und alte man,
das ist ain widerwärtikait.“
ich sprach: „Ir hapt mir war gesät,
fraw Minn, das duncket mich.“
von dannen schied ich trauriclich
und ließ die werden minne sein
und huob mich zuo dem claren win.

Eines Tages überwältigte es mich,
dass ich so von Liebesleid verzehrt wurde.
Von diesem wollte ich mich befreien
und ging auf eine grüne Wiese,
wodurch ich sorgenfrei werden wollte
und wieder Freude empfinden wollte.
Indem ich dorthin gekommen war,
wurde ich einen Teil meiner Sorgen los.
Dort fand ich den kraftstrotzenden Mai vor,
der freudig den Winter
vollständig überwunden hatte.
Gemäß ihrer Natur sah ich die Blumen
durch das Gras sprießen.
Auf liebliche Weise fröhlich singen
hörte ich Vögel, junge wie alte.
Kraftvoll grünte der Wald,
erneuert vom Gesang der Vögel.
Dieses Gedicht könnte leicht zu lang ausfallen,
ich will nicht alles beschreiben.
Doch möchte ich nicht darauf verzichten,
euch zu erzählen, wie es mir dort erging
und wie ich auf der Wiese
die lieblichste Frau sah,
in Bezug auf deren zarten, herrlichen Körper
ich in meinem ganzen Leben noch nichts Vergleichbares gesehen habe.
Sie ging durch die Blumen auf mich zu,
die Liebliche, die Anmutige.
Wie eine blühende Rose
war der Glanz ihres roten Mundes.
Die Wangen dieser Dame,
<die glühten>, als sie mir nahe kam,
<wie ich es noch> nie erfahren hatte.
Die Liebreizende lachte und sagte:
„Es ist immer die alte Leier,
nichts davon ist den Damen förderlich.
Von wem ihnen nichts Gutes zukommt,
dem sind sie weder lieb noch teuer.
Den Frauen geschah niemals etwas Unwürdigeres
als ein alter, vollgesoffener Held,
der keinen mehr hochbekommt,
den hassen jetzt die jungen Frauen.
Sei dir dessen bewusst, dass sie ihren zarten Körper
für junge Männer schmücken,
die sich für sie aufputzen,
die gefallen ihnen außerordentlich.
Selbst, wenn einer Parzival gewesen wäre
bezüglich seiner Männlichkeit,
er würde ihnen schließlich doch überdrüssig,
wenn er alt wird
und zur Liebe nicht mehr taugt.“
Da sagte ich: „Herrin, ich weiß schon,
dass ich nun den Preis zahle für das,
was ich gleichwohl nie genossen habe,
obwohl ich Euch stets untertänig war
und vieles wegen Euch erduldet habe.“
Sie sagte: „Kurz gesagt: Ich mag die Jungen.
Davon kann ich nicht abrücken,
die Alten sind verblüht.
Merke dir das, wenn du weise bist,
begehre eine bekömmlichere Nahrung
und lass die würdige Minne sein!
Schau, wie der durchsichtige Wein
frisch aus dem Spundloch plätschert
und aus dem Glas schwappt
genauso, wie ein Hirsch es auf der Heide tut!
Das ist die Freude der alten Männer.
Und lass die Jungen das Liebesspiel vollziehen,
du aber trinke den Johannessegen
und die Sankt Gertruds-Minne,
trachte du darauf!
Ich kann dir keinen besseren Rat geben,
denn junge Frauen und alte Männer,
das ist eine widerliche Kombination.“
Ich sagte: „Ihr habt mir die Wahrheit gesagt,
Frau Minne, das denke ich.“
Traurig verabschiedete ich mich
und ließ die würdige Minne zurück
und machte mich auf zum durchsichtigen Wein.