Deneke, Bernward: Legende und Volkssage
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Zitation
Deneke, Bernward: Legende und Volkssage. Untersuchungen zur Erzählung vom Geistergottesdienst. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt 1958
Beschreibung
Motivgeschichtliche Dissertationsschrift zur Geisterkirche (Erzählstoff).
Inhalt
- Einleitung
- Seit Friedrich Ranke wird die Sagenerzählung selbst in den Blick genommen: Nur genauere Kenntnis der Herkunft einzelner Motive erlaubt „Rückschlüsse auf die dem volkstümlichen Erzählgut zugrundeliegende Vorstellungswelt“. (17)
- Die Arbeit möchte das Einwirken der christlichen Vorstellungswelt auf die Volkserzählung am Beispiel der Geistermesse untersuchen. (18)
- Christliches Gedankengut wurde v.a. in Form der Legende verbreitet, weshalb diese berücksichtigt werden muss, zumal die Legende oftmals (gegen die ältere Forschung) der Ursprung bestimmt.er Erzählmotive ist (18f.)
- I. Die Sagen von der Geistermesse
- A. Das Motiv, seine Behandlung in der Forschung
- Erzählmotiv Geistermesse: Die Toten kommen zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammen, um Messe zu feiern, was von einem lebenden Zeugen beobachtet wird. (20)
- Forschungsabriss und -kritik; Im Folgenden Ansatz bei den spätantiken und mittelalterlichen Textzeugen, die „der Anschauungswelt, die in der Sage ihren Niederschlag gefunden hat, nahestehen“ (23) dürften.
- B. Die literarische Überlieferung der Erzählung vom Geistergottesdienst aus Spätantike und Mittelalter
- “Seit der Frühzeit des Christentums gilt die Kirche im Glauben der Menschen als ein Ort, an dem das Überirdische, Jenseitige in besonderer Weise nahe ist“. (24)
- 1. Erzählungen von Engeln und Heiligen, die Gottesdienst in der irdischen Kirche feiern
- 4. Jahrhundert: Brief an Theophilus, Patriarch von Alexandrien (Acta Sanctorum Mai III, S. 30, Epistula de SS Pachimo et Theodoro): Theodor wird von einem Engel in die Klosterkirche geführt, wo himmlische Geister versammelt sind, von denen einer Theodor eine süße Speise reicht, woraufhin die Engel verschwinden. (25)
- 770: Arbeo (MG rer. merov. VI, S. 583): Korbinian erkrankt in Freising und befiehlt dem Klerus, an seiner Stelle zum Gebetsoratorium des Hl. Stephanus auf den Berg zu gehen. Dort tönt überaus harmonischer Psalmengesang aus der Kirche, Licht erstrahlt überaus stark und überwältigender Duft herrscht. Viele Kleriker fallen wie tot auf den Boden. Korbinian lässt an der Stelle ein Haus errichten und bleibt dort. (26)
- 12. Jahrhundert: Adalbert von Bamberg, Vita et miracula S. Heinrici II Imperatoris (MG Scr. IV, S. 818): In der Kirche von Monte Gargano in Apulien feiern die himmlischen Heerscharen regelmäßig Gottesdienst. Kaiser Heinrich wird Zeuge und erhält durch die Berührung eines Engels ein Hüftleiden. (27)
- 12. Jahrhundert: Liber de Miraculis Sanctae Die Genetricis (Ed. Pez, c. 25): Erzbischof Dunstan von Canterbury hört und sieht beim nächtlichen Kirchenbesuch weißgekleidete Gestalten ein Antiphon singen. In folgenden Mirakel wird Dunstan aufgefordert, dem Preis der Himmlischen beizuwohnen. (28)
- 12. Jahrhundert: Liber de Miraculis Sanctae Die Genetricis (Ed. Pez, c. 38): Bonus, der Bischof von Clermont, darf in Gegenwart von Maria und den himmlischen Chören eine Messe feiern und bekommt ein Kasel (Messgewandt) als Lohn. (vgl. auch Hildefons, der in den Himmelschor einstimmt und von Maria ein Gewand erhält: Acta Sanctorum ordinis s. Benedicti, saeculum secundum II Venetiis 1833, S. 499) – Die Geschichte um Bonus erfährt im Hoch- und Spätmittelalter weite Verbreitung. (29f.)
- Ende 6. Jhd.: Gregor I., Dialoge IV, c. 21: Zwei von Arianern gehängte Mönche singen nachts in der Nähe ihrer Leichname Psalmen. (31) – ähnlich noch bei Martin von Cochem im 17. Jhd. (S. 31f.)
- 2. Erzählen von Abgeschiedenen, die Gottesdienst feiern.
- Ein erster Hinweis auf einen liturgischen Preis Gottes durch nicht als Heilige oder Engel spezifizierte Tote liefert ein Brief von Bischof Evodius von Uzialis an Augustinus im zum 5 Jhd. (Augustinus CSEL Bd. 44, Nr. 158). Eine Menge Verstorbener gehen mit leuchtenden Körpern aus dem Taufbecken hervor und beten nachts in der Kirche. (32f.)
- Vor 594: Gregor von Tours: Libri octo miraculorum (Buch 8: Liber in gloria confessorum, Kapitel 72): Zwei Bürger beobachten den Gottesdienst der Geister, einer geht nach einer Warnung, einer bleibt und stirbt. (33-35)
- 1012: Thietmar von Merseburg: Chronicon (Buch 1, Kapitel 7): Dreiteilung der Erzählung: 1. Kleriker will früh die Matutin feiern, erkennt zunächst niemanden, wird dann von einer Jüngstverstorbenen davon unterrichtet, dass die Matutin bereits gefeiert sei und dass er bald sterben werde, was auch eintritt. 2. Augenzeugen aus Magdeburg berichten, dass in der Kirche Lichter entzündet und der Eingangspsalm 95 gesungen wird. 3. Priester erzählt Bischof, dass Tote in seiner Kirche Opfergaben darbringen, wonach der Bischof ihm befiehlt, dort zu nächtigen; in der ersten Nacht wird der Priester hinausgeworfen, in der zweiten zu Asche verbrannt. (36f.) – Die Toten sind hier durch die Verbrennung des Priesters zum ersten Mal dämonisiert. (37) „Die verschiedenen Nachrichten Thietmars werden zu einem Ganzen dadurch zusammengefasst, daß die Vorfälle als von Gott gewährte Beispiele für die Auferstehung des Fleisches verstanden sind. Damit sind diese Erzählungen in eine Tradition gestellt, die durch ein im Neuen Testament berichtetes Ereignis vorgebildet ist. (38)
- 1505.: Allerseelenaltar das Berner Münsters von Thüring Fricker, nach dem Vorbild Speculum Exemplorum, Hagenau 1507, Dist. III, Nr. 64: Ein Mann, der immer für die Verstorbenen gebetet hat, stirbt, woraufhin die Toten in die Kirche kommen und für ihn beten. „Es handelt sich hier um ein Exempel, das den Dank der Toten demonstrieren soll.“ (40)
- Zusammenfassung: Die Erzählung vom Geistergottesdienst hat seit der Spätantike zwei Ausgestaltungen: „in der einen Überlieferungsreihe sind die jenseitigen Teilnehmer am Gotteslob Engel und Heilige, sie sind Glieder der himmlischen Chöre, während in der anderen Gruppe die Geister als Abgeschiedene einfachhin bezeichnet werden.“ (41)
- C. Die Vorstellungen über die Beziehungen der Geister zu Gottesdienst und Kirche.
- 1. Himmlische Feiern die Messe.***
- “Ein wesentliches Motiv für die Bildung der Erzählung vom Geistergottesdienst dürfte neben der Anschauung von der im Jenseits sich vollziehenden Liturgie der Glaube gewesen sein, daß die Engel und Heiligen dem Leben und insbesondere dem Kult der irdischen Kirche verbunden sind. Die Kirche war das Wohnhaus des dort bestatteten Märtyrers“. (41)
- Zweites Motiv speist sich aus der „Vorstellung von der im Himmel sich vollziehenden liturgischen Feier der Anbetung Gottes durch die Jenseitigen“ (44) nach Off. 4 und 5.
- 2. Vorstellungen über die Verbindung der Abgeschiedenen zu Gottesdienst und Kirche.
- a. Die Kirche als Bestattungsort. Verstorbene werden in der Kirche begraben, um sie am Heil der Märtyrer und des Raumes teilhaben zu lassen. Nach dem Rituale Romanum war es üblich, Gemeindeglieder mir Blick zum Altar, Priester mit Blick zur Gemeinde zu begraben. (48)
- b. Kirchliche Bestattungsbräuche. Der Tote wird in das Geschehen des Gedächtnisgottesdienstes einbezogen. (48f.)
- c. Der Glaube über die Anwesenheit der Verstorbenen beim Gottesdienst. (51-57)
- 1. Himmlische Feiern die Messe.***
- D. Das Motiv vom Geistergottesdienst im volkstümlichen Erzählgut neuerer Sammlungen.
- Der Gottesdienst der Toten allgemein ist im Mittelalter nur selten bezeugt. (61). Orte der Sage im Mittelalter: Walsleben, Magdeburg, Deventer, Niederdeutschland, Nürnberg, Messkirch, Rositten, Bern. (62)
- Der Gottesdienst der Engel und Heiligen ist im Mittelalter häufiger bezeugt. (63)
- “Während in der mittelalterlichen Überlieferung der Gottesdienst der Jenseitigen meist darin bestand, daß diese in der Kirche zusammen kamen, um gemeinsam zu psallieren oder Hymnen zu singen, überwiegt in neuern Aufzeichnungen die Version, daß die Geister eine Messe feiern oder einer Predigt lauschen. Der Grund für diesen Wandel ist darin zu suchen, daß die Erzählung aus Kreisen, die ein reich gegliedertes liturgisches Beten kannte, heraustrat und in Schichten überging, die mehr oder weniger nur Zugang zu Messe und Predigt hatten.“ (63f.)
- 1. Erzählungen vom Gottesdienst der Engel und Heiligen. Geschlossenes Gebiet in der Südschweiz von Messefeiernden Himmlischen (65). Die Schweiz erscheint als „Reliktgebiet ursprünglich weitverbreiteten mittelalterlichen Erzählgutes“ (66f.).
- 2. Die Beziehungen der Sage zur Legende. Legendenmotive, die die Sagenfassungen der Geisterkirche übernehmen: Der Mensch vermeint, ein Glockenläuten gehört zu haben (68); zwei Menschen verabreden, einander Nachricht aus dem Jenseits zu geben (68); Kirchen sind erleuchtet (69); lieblicher Gesang der Toten (69)
- 3. Sagen von messefeiernden Armen Seelen. Tote wollen Messe feiern, müssen Versäumtes nachholen oder Strafe leisten (72-78)
- 4. Termine für den Geistergottesdienst. Advent, Weihnachten, Allerseelen, Totensonntag (evangelisch), wobei sich keine landschaftliche Differenzierung ergibt (78). Eine Erklärung des Weihnachtstermins auf Basis germanischer Traditionen ist aufgrund fehlender Quellen unwahrscheinlich, Weihnachten und Advent sind aufgrund der Frühmetten anschlussfähig (79). Allerseelentag ist anschlussfähig aufgrund der Vorstellung eines Fegefeuerruhetages (79)
- 5. Die Erscheinungsform der Toten. Altmodische Kleider, Leichengewand, kopflos, Totenkopf (80).
- 6. Sagen, in denen die Abgeschiedenen den Menschen bedrohen. Die Geisterkirche bei Enoch Widmann ist die erste Erwähnung des zerfetzten Mantels (81), vielleicht ein Reflex auf die Nachzehrergeschichten (83f.). Mitunter müssen alle Menschen, die das Geisterläuten hören, sterben, was ebenfalls mit dem Vampyrmythos in Verbindung steht (84f.).
- 7. Die Sage vom Geistergottesdienst ist mit anderen Motiven verbunden. (87-89)
- A. Das Motiv, seine Behandlung in der Forschung
- II. Das Einwirken christlicher Vorstellungswelt auf andere Wiedergängersagen.
- 1. Die Sagen von den helfenden Toten. (90-94)
- 2. Die Legende vom Königssohn im Paradiese und die Sage vom toten Gast. (94-98)
- 3. Zur Herkunft von der Sage vom Totentanz. (98-102)
- Die Sage von wiederkehrenden Sündern, deren Strafe ihrem Verbrechen zugemessen ist. (102-106)