Die treue Magd
Inhalt
Narratio
Ein Student hat die Gewohnheit, sich jeden Morgen im Gebet der Dreifaltigkeit und jeden Abend der Hl. Gertrud zu empfehlen. Als er eines Tages über die Freuden der Welt nachzusinnen beginnt, lobt ihm einer der Knechte seines Vaters das Leben der Fürsten, der andere preist die Geistlichen und ihre Gelehrsamkeit, der dritte stellt die Frauen und ihre Freuden über alles. Da beschließt der junge Mann, sich den Wissenschaften und dem Frauendienst zu widmen, und läßt sich von seinem Vater nach Paris schicken. Auf der Reise dorthin wird er einmal auf freiem Feld von der Nacht überrascht, findet aber nach einem Gebet zur Hl. Gertrud zu einem Gutshof und bittet um Herberge. Da der Hausherr nicht anwesend ist, nimmt ihn die Herrin erst nach langem Zögern auf. Beim Essen verliebt sie sich in den hübschen Scholaren und sucht deshalb in der Nacht sein Bett auf, wo sich die beiden am Minnespiel erfreuen. Als der Ehemann am Morgen mit zweien ihrer Brüder heimkehrt, schlafen sie noch fest und halten sich dabei so eng umschlungen, daß der Mann sie für eine Person hält. Die Magd sagt ihm, daß der Schläfer ein reisender Student sei, und er läßt ihn weiterschlafen, während sich die beiden Schwäger über die Zartheit „seines“ Arms und „seiner“ Hand wundem. Dann befiehlt er der Magd, die Herrin zu wecken. Diese findet das Bett leer, reimt sich die Sache richtig zusammen und bemüht sich, ihren Herrn noch eine Weile hinzuhalten. Als er dann aber ungeduldig wird, gibt ihr St. Gertrud einen guten Rat: Sie zündet die Scheune an, und während alles zum Löschen hinauseilt, kann sie die Liebenden wecken, die sich eilig ankleiden. Auf die Bitte des Hausherrn bleibt der Student noch drei Tage zu Gast. Endlich nehmen die Liebenden unter Tränen Abschied, und der Student zieht weiter nach Paris, wo er noch lange an die Frau denken muß, die ihm so freundlich entgegenkam.
Epimythion
Die Geschichte ist nach der treuen Magd benannt. Gott und Maria mögen uns eine solche Treue verleihen, wie diese sie besaß.
(Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 493)
Vorlage
Das Märe hat vermutlich Der Ritter unter dem Zuber (Jacob Appet) zum Vorbild (vgl. Zapf, Volker: Appet, Jakob, Sp. 768).