Dimpel, Friedrich Michael: Der Computerphilologe als Interpret – ein Teilzeit-Empiriker?
Zitation
Friedrich Michael Dimpel: Der Computerphilologe als Interpret – ein Teilzeit-Empiriker? In: Borkowski, Jan/Descher, Stefan/Ferder, Felicitas/Heine, Philipp (Hg.): Literatur interpretieren. Interdisziplinäre Beiträge zur Theorie und Praxis. Münster 2015, S. 339–359
Beschreibung
Liegt der Reiz von computerphilologischen Studien darin, intersubjektiv nachvollziehbar zu sein und darin, dass sie nicht auf subjektiven Präsuppositionen beruhen? Während gegen interpretierende, hermeneutische Studien mitunter der Vorwurf erhoben wurde, subjektiv oder gar beliebig zu sein, ist zu fragen, ob computerphilologische Studien als Alternative zur Interpretation rangieren können; unter anderem, weil sie mitunter mit empirischen Konzepten in Verbindung gebracht wurden. Von Belang ist in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung von Deskription und Interpretation: Während Vertreter eines engen Deskriptions-Begriffs davon ausgehen, dass bei einer interpretationsfreien Beschreibung ein Verzicht auf semantische Aspekte geboten sei, schlagen Kindt und Müller als Unterscheidungskriterium die ›interpretationstheoretische Neutralität‹ vor. Mithilfe dieses Kriteriums wird eine computerphilologische Studie von Jan Christoph Meister zu Leo Perutz’ Novellenroman Nachts unter der steinernen Brücke examiniert, die den Anspruch mitführt, ohne Interpretation auszukommen. Es zeigt sich, dass in die Kollokationsanalyse Vorannahmen eingehen, die das Kriterium der ›interpretationstheoretischen Neutralität‹ nicht erfüllen. Sodann wird in Anschluss an Titzmann und Schönert ein engerer mit einem weiteren Empirie-Begriff kontrastiert. Während auch manche philologische Studie unter einen weiteren Empirie-Begriff subsumiert werden kann, ist ein engerer Empirie-Begriff dazu geeignet, zu hinterfragen, inwieweit computerphilologische Studien zumindest in Teilstrecken als empirisch beschrieben werden können. Danach wird ausgeleuchtet, wie es um die Kriterien der Reproduzierbarkeit und der Transparenz steht – beides sind Kriterien, die gern ins Feld geführt werden, wenn es darum geht, die intersubjektive Nachvollziehbarkeit von computerphilologischen Studien hervorzuheben; bei diesen Kriterien kann man jedoch auch auf Grenzen stoßen. Abschließend werden einige Vorzüge von computerphilologischen Zugriffen skizziert; hervorgehoben werden vor allem Serendipitätseffekte.