Glaubensbekenntnis eines Liebenden (B15)

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Glaubensbekenntnis eines Liebenden (B15)

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung um 1450; im Text genanntes Datum 1412
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Heidelberg, Universitätsbibliothek: Cpg 355, 135r-138r
Ausgaben Dorobantu, Julia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): Minnereden, S. 476-482
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jakob: Glaubensbekenntnis eines Liebenden; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 19-21

Inhalt

A Einleitung (1–8):

Exordialsentenz: Wer am Ende seines Lebens verzweifle, dem nütze auch der von Gott gesandte Bote nichts (1–4). Um dem Zweifel (der desperatio) zu entgehen, habe der Sprecher sich ein eigenes Glaubensbekenntnis (5: ainen aigen geloben) gemacht, in das er Worte gegen den Zweifel eingeflochten habe (fachspr. Terminus 7: sillaba).

B Glaubensbekenntnis der Minne (9–83):

Der Sprecher parodiert und erweitert das Apostolische Glaubensbekenntnis. In anaphorischen Verseinleitungen (die Formel ich glob leitet in der Regel jeden zweiten Vers ein) bekennt er seinen Glauben an eine junge Frau: Sie ist allmächtig über seinen Dienst; sie ist die Schöpferin seiner Freuden; ihr ist seine Dienstabsicht verkündet worden; er hat sie in seinem Inneren empfangen; sie ist ihm zur Freude und Güte geboren; sie kann sein Leben aufrichten; sie wurde einem Mann hingegeben, den sie aber nicht so liebt wie der Sprecher sie; sie wurde von Sorgen gemartert und gepeinigt und seufzte in der Nacht des Beischlafs; an einem Sonntag aber ist sie auferstanden und hat Verlangen nach ihm gespürt; er hat sie seit ihrer ersten Umarmung nie vergessen; sie ist durch drei Pforten hinabgestiegen, als sie ihn sah; sie hat ihn durch ihre Zuwendung von Trauer befreit; sie ist wieder hinaufgestiegen und sitzt rechts in einer Kammer (41f.: sitzet zuo der rechten hand | in ainem stúblin by der wand); Gott selbst hat ihre schöne Gestalt auf die Erde gebracht; der Sprecher wird sie noch oft sehen; sie besitzt die Macht, in seinem Willen zu richten. Er glaubt an den Ablass seiner Pein nach ihrer Wiederkunft, an die Gemeinschaft ihrer Liebe und die ›Auferstehung‹ (56: urstendi) seines Leibes, wenn er nicht bei ihr sitzen darf (wenn er nicht bei ihr ›sitzen‹ darf, will er wenigstens bei ihr ›stehen‹) und dass sie erbleichen wird, wenn er sich von ihr trennt. Lieber wäre er bei ihr als in der Kirche (63: betthuß). Er glaubt, dass es ihr und ihm vor den vielen Klaffern graust, die sie um sich hat, und dass es noch viele Pontius und Pylat | und Judas (66f.) auf der Erde gibt. Er glaubt, dass ihn ihre hin fart (70: Abreise, Himmelfahrt, Tod) sehr traurig gemacht hat, dass sie ihn aber ihrer Treue versichert hat. Er glaubt, dass sie sich am Ursprungsort seiner Freude und Glückseligkeit wiedersehen werden. Er wünscht sich, sie dort in ihrem Schmuck zu sehen und dass ihnen keine Klaffer lästig werden. Dazu helfe ihnen die Trinität von Amor, Venus cum Cupido (83; Parodie der liturgischen Schlussformel ›Quam nobis concedat pater et filius et spiritus sanctus‹).

C Rechtfertigung des Glaubensbekenntnisses (84–123):

Die drei Genannten vertreiben allen das Leid, ausgenommen den alten Weibern, den runzligen Rauchfässern, die an ihrem alten Glauben festhalten sollen, denn dieses Glaubensbekenntnis nützt ihnen nichts. Sie sind seiner überdrüssig geworden und ›schreien‹ wie Petrus (Anspielung auf die Verleugnung des Petrus), was ihnen aber nichts nütze (Sprichwort: ›Katzengebet wird im Himmel nicht erhört‹). Er wendet ich daraufhin an die reinen und schönen jungen Damen (Apostrophe): Sie mögen bedenken, dass dieser Glaube gerecht, gut und freudenreich ist und jede ihren Teil erwerben soll, so gut sie könne. Es sei am Sonntag noch kein Jahr her, dass er das Glaubensbekenntnis gefunden, es als Nachkomme des Hl. Thomas selbst mit der Hand ertastet habe. Drei Kardinäle haben ihn für alle Zweifelsfälle bestätigt, verbrieft und mit Blau, Braun und Rot versiegelt (Urkunde). Das hat die Dame gemacht, die eine Leuchte weiblicher Tugend ist; ihre Güte leuchtet darin wie eine Fackel. Das Hostiengefäß (112: cyborg, d.h. ciborium) und der Tabernakel seiner Freude ist dieses Glaubensbekenntnis, das er im zwölften Jahr gemacht hat, vierzehn Tage nach seiner Abreise von der Geliebten (vermutlich eine parodistische Jahresangabe: 1412). Bei ihrem letzten Treffen habe sich die Liebe der Geliebten in sein Herz verschlossen. Selbst wenn er caldeyscher kayser zuo jndion (121) wäre (Kaisertopos), wäre sie würdig, mit ihm die Krone zu tragen und auf dem Thron zu sitzen.

D Preis der Geliebten und direkte Anrede (124–153):

Der Sprecher kündigt das Ende seiner Rede an; das Glaubensbekenntnis aber soll zum Trost des Schatzes, der in seinem Herz Früchte der Freude hervorbringen kann, ewig währen. Weibliche Güte hat in ihm geluttert lieb uß rainem ertz (128) hervorgebracht und tiefe, sichere Fundamente (130: grunntfest) der Freude in ihm gelegt. Der Sprecher fordert die Geliebte in einer Apostrophe auf, zu zeigen, dass ihre Güte wie ein Diamant sei. Da unter der Herrschaft wahrer Liebe auch die Treue dauerhaft wohne, solle sie ihr Herz wie einen Diamanten polieren. Sie solle seine Treue mit ihrem Blick durchdringen, wie es der Strauß tut, und daran denken, wie Gardafies (138, der Hund ›Gardeviaz‹ aus dem ›Titurel‹) an das Brackenseil gelegt worden sei. Er wünscht ihr, dass sie ihm Besitz des Heils bleibe und sich nicht von ihm abwende, damit die Kogge seiner Freude jederzeit im Hafen des Glücks ankern könne. Dort sei sie Schiff und Kapitän zugleich, ihr Segel fahre durch alle Unwetter. Sie solle den Mut des Adlers und des Panthers haben, sie sei der süße Amethyst. Zuletzt erinnert er sie an Christus und rät ihr, nie zu verzagen.

E Schluss (154–162):

Wer dieses Glaubensbekenntnis bei sich hat und es früh morgens ansieht, verbrennt an keinem Wasser und ertrinkt nicht im Feuer (Textmagie und Adynaton). Und wer nicht mehr lange zu leben hat, soll sich darum bemühen, dass sein Buhle ihm erlaubt zu gehen (?). Der Text schließt mit Amen.

(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 19-21)