Liebesbrief (B77)
Liebesbrief (B77) | |
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AutorIn | Anon. |
Entstehungszeit | Überlieferung um 1410 |
Entstehungsort | |
AuftraggeberIn | |
Überlieferung | Brüssel, Königliche Bibliothek: 15589–623, 39ra-39rb |
Ausgaben | |
Übersetzungen | |
Forschung | Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 131f. |
Inhalt
A Liebesbriefeingang (1–40):
Der Sprecher schreibt in direkter Anrede einen Gruß an das ›schöne Wesen‹ (1: ane v reyne creatuere), die Liebste aller Frauen, Spiegel seines Herzens, und erklärt, dass er immer ihr Diener sein wolle. Sie sei ihm ins Herz gedrückt wie ein Siegel. Es töte ihn, dass er nicht mit ihr sprechen könne. Wenn er bei ihr sein könnte, ohne Angriffe der Neider zu fürchten, wäre er von Kummer befreit. Er müsse die Geliebte meiden wegen böser Zungen, und deswegen leide er. Er könne nur ausharren, weil er gute Hoffnung habe auf eine Wende zum Guten. Wenn sie, seine schöne Jungfrau (35: ouercuusche smale), sich an seine Qual erinnern würde, könnte er sein Leid leichter tragen.
B Sicherheitsvorkehrungen (41–64):
Weil er nicht mit ihr sprechen könne, schreibe er ihr diesen Brief, sodass sie an ihn denken werde. Er möchte aber weder ihren noch seinen Namen nennen, weil die Gefahr bestehe, dass der Brief an einen dritten gerate. Weil er vor allem ihre Ehre bewahren wolle, bitte er sie, sich vor Schande zu hüten. Er fürchte vor allem die falschen Zungen der Klaffer (61f.: niders tonghen sijn soe fel | Ende quaet te clappen alsoe ghereet).
C Bitte um Antwort (65–80):
Der Sprecher bittet die Geliebte, ihm in einen Brief oder mündlich mitzuteilen, ob er vergebens liebe. Er bittet sie, ihm die Wahrheit zu sagen, versichert aber auch, dass er sterben würde, wenn sie ihn im Stich lasse. Er schließt mit einem Segenswunsch mit doppeltem Adynaton (›So viele gute Jahre, wie Wassertropfen im Meer sind oder Haare auf ihrem Haupt‹). Er spricht die Hoffnung aus, dass Gott bei ihr sein werde und bekräftigt, dass sie im Grund seines Herzens verwurzelt sei.
(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 131f.)