Schlechtweg-Jahn, Ralf: Gott erzählen
Zitation
Schlechtweg-Jahn, Ralf: Gott erzählen. Überlegungen zum Religiösen in der Buhlschaft auf dem Baume. In: Wagner, Silvan (Hg.): Mären als Grenzphänomen. Berlin 2018, S. 257-276
Beschreibung
Ralf Schlechtweg-Jahn kombiniert in seiner systemtheoretisch fundierten Interpretation der Buhlschaft auf dem Baum eine religiöse mit einer narratologischen Perspektive: In Vermischung von Legenden- und Märentopik präsentiert die Erzählung Paradoxien wie einen heilswirksamen Ehebruch und einen wahren Betrug. Das religiöse re-entry Jesus Christus erscheint im Märe als narratives reentry zwei grundsätzlich unterschiedlicher Rezeptionshaltungen der Geschichte in der Geschichte, figural aufgespalten in Christus und Petrus: Petrus fungiert als Beobachter erster Ordnung, der in der Ehebruchshandlung die Märentopik nicht erkennen kann und ihr naiv ausgeliefert ist. Christus dagegen repräsentiert einen Beobachter zweiter Ordnung, der die Märenlogik kennt, von der Handlungsebene aber unerreichbar bleibt. Damit liefert das Märe auch zwei idealtypische Rezeptionsweisen für ein explizites Publikum, nämlich emotional involvierte Empörung und reflexives Lachen. Die Buhlschaft auf dem Baum erweist sich unter dieser Perspektive als Grenzphänomen nicht nur zwischen Legende und Märe, sondern auch zwischen Erzählung und Rezeption.
(Wagner, Silvan: Vorwort, S. 11)