Wagner, Silvan: Christen, Juden, Heiden
Zitation
Wagner, Silvan: Christen, Juden, Heiden. Aus- und Eingrenzungen des religiös Anderen in Reden des Strickers. In: Oschema, Klaus/Lieb, Ludger/Heil, Johannes (Hg.): Abrahams Erbe. Konkurrenz, Konflikt und Koexistenz der Religionen im europäischen Mittelalter. Berlin u.a. 2015, S. 497-508
Digitale Version, DOI: [1], eingestellt durch den Autor 12 Monate nach Erstveröffentlichung, vgl. § 38 UrhG.
Beschreibung
Der spatial turn erlaubt einen Vergleich von politischen und religiösen Räumen, die jeweils über In- und Exklusionsvorgänge erzeugt werden. In der Engführung entsprechender Beobachtungen kann eine Annäherung an mittelalterliche Grenzvorstellungen erfolgen, die sich nicht in geographischen Konzepten erschöpft. Neben der heute dominanten Vorstellung von äußeren Grenzen mit eindeutigen Demarkationslinien ist im Mittelalter auch die Vorstellung von inneren Grenzen mit breiten Grenzsäumen prominent. Beide Grenzarten bestimmen auch das literarische Werk des Strickers, der in seiner Kleinepik auch mit religiösen Grenzen zwischen Christen, Juden und Heiden operiert. Dabei geht es weniger um eine saubere Differenzierung religiöser Räume als vielmehr um eine gleichsam seelsorgerliche Pointe: Durch den Einzug der Juden als breiten und unscharfen Grenzsaum zwischen dem gottnahen und dem gottfernen Bereich begründet der Stricker einerseits ewige Verdammnis der untreuen Christen, lässt aber andererseits auch eine Umkehr zu jedem Zeitpunkt als möglich erscheinen. Damit reiht sich der Stricker in die klerikale Tradition ein, die Umkehr des Sünders zu denken; allerdings tut er dies nicht auf systematische Art und Weise, sondern erzählt über die Konzepte Treue und Ehre eine laientheologische Konzeption von Umkehr, die gänzlich auf den höfischen Auftraggeberkreis zugeschnitten ist. (Wagner, Silvan: Christen, Juden, Heiden, S. 495)