Glaubensbekenntnis eines Liebenden (B15): Unterschied zwischen den Versionen
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Der Sprecher | Der Sprecher gestaltet eine parodistische Erweiterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, indem er dessen Struktur übernimmt und in anaphorischen Formeln – meist eingeleitet durch ich glob – seinen Glauben nicht an Gott, sondern an eine junge Frau bekennt. Sie erscheint ihm als allmächtige Herrin seines Dienstes, als Schöpferin seiner Freude und als jene, der seine Hingabe verkündet wurde. Er habe sie innerlich „empfangen“, sie sei ihm zur Freude geboren und könne sein Leben aufrichten. Zwar sei sie einem anderen Mann gegeben worden, doch liebe sie diesen weniger als ihn. Sie habe Sorgen und Schmerzen erlitten und in der Nacht des Beischlafs geseufzt; an einem Sonntag aber sei sie gleichsam „auferstanden“ und habe erneut Verlangen nach ihm verspürt. Seit ihrer ersten Umarmung habe er sie nie vergessen. Sie sei, als sie ihn sah, durch drei Pforten hinabgestiegen, habe ihn durch ihre Zuwendung von Trauer befreit und sei dann wieder aufgestiegen, um „zur Rechten“ in einer Kammer zu sitzen. Ihre Schönheit sei von Gott selbst auf die Erde gebracht worden. Er glaubt, dass er sie noch oft sehen werde und dass sie die Macht habe, über seinen Willen zu richten. Weiter bekennt er seinen Glauben an den Ablass seiner Pein bei ihrer Wiederkehr, an die Gemeinschaft ihrer Liebe und an die „Auferstehung“ seines Leibes – selbst wenn er nicht bei ihr sitzen dürfe, wolle er doch wenigstens bei ihr stehen. Er ist überzeugt, dass sie erbleichen werde, wenn er sich von ihr trennt, und dass er lieber bei ihr wäre als in der Kirche. Er glaubt, dass sie beide sich vor den vielen Klatschenden fürchten, die sie umgeben, und dass es noch immer viele „Pontius, Pilatus und Judas“ auf Erden gebe. Ihre ''hin fart'' – ob Abreise, Himmelfahrt oder Tod – habe ihn tief betrübt, doch habe sie ihm ihre Treue zugesichert. Er glaubt fest daran, dass sie sich am Ursprung seiner Freude wieder begegnen werden. Dort wünscht er sich, sie in ihrem Schmuck zu sehen, frei von allen lästigen Klaffern. Den Abschluss bildet eine parodierte liturgische Formel, in der nicht die christliche Trinität, sondern Amor, Venus und Cupido um Beistand angerufen werden. | ||
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Die drei Genannten vertreiben allen das Leid, ausgenommen den alten Weibern, den runzligen Rauchfässern, | Die drei Genannten vertreiben allen das Leid, ausgenommen den alten Weibern, den runzligen Rauchfässern, | ||
Version vom 21. Dezember 2025, 17:53 Uhr
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Glaubensbekenntnis eines Liebenden (B15) | |
|---|---|
| AutorIn | Anon. |
| Entstehungszeit | Überlieferung um 1450; im Text genanntes Datum 1412 |
| Entstehungsort | |
| AuftraggeberIn | |
| Überlieferung | Heidelberg, Universitätsbibliothek: Cpg 355, 135r-138r |
| Ausgaben | Dorobantu, Julia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): Minnereden, S. 476-482 |
| Übersetzungen | |
| Forschung | Klingner, Jakob: Glaubensbekenntnis eines Liebenden; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 19-21 |
Inhalt
A Einleitung (1–8):
Der Text eröffnet mit der Sentenz, dass einem Menschen, der am Ende seines Lebens in Verzweiflung fällt, selbst ein von Gott gesandter Bote nicht mehr helfen könne. Um dieser desperatio vorzubeugen, habe sich der Sprecher ein eigenes Glaubensbekenntnis geschaffen, in das er gezielt Worte gegen den Zweifel – seine persönlichen sillabae – eingeflochten habe.
B Glaubensbekenntnis der Minne (9–83):
Der Sprecher gestaltet eine parodistische Erweiterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, indem er dessen Struktur übernimmt und in anaphorischen Formeln – meist eingeleitet durch ich glob – seinen Glauben nicht an Gott, sondern an eine junge Frau bekennt. Sie erscheint ihm als allmächtige Herrin seines Dienstes, als Schöpferin seiner Freude und als jene, der seine Hingabe verkündet wurde. Er habe sie innerlich „empfangen“, sie sei ihm zur Freude geboren und könne sein Leben aufrichten. Zwar sei sie einem anderen Mann gegeben worden, doch liebe sie diesen weniger als ihn. Sie habe Sorgen und Schmerzen erlitten und in der Nacht des Beischlafs geseufzt; an einem Sonntag aber sei sie gleichsam „auferstanden“ und habe erneut Verlangen nach ihm verspürt. Seit ihrer ersten Umarmung habe er sie nie vergessen. Sie sei, als sie ihn sah, durch drei Pforten hinabgestiegen, habe ihn durch ihre Zuwendung von Trauer befreit und sei dann wieder aufgestiegen, um „zur Rechten“ in einer Kammer zu sitzen. Ihre Schönheit sei von Gott selbst auf die Erde gebracht worden. Er glaubt, dass er sie noch oft sehen werde und dass sie die Macht habe, über seinen Willen zu richten. Weiter bekennt er seinen Glauben an den Ablass seiner Pein bei ihrer Wiederkehr, an die Gemeinschaft ihrer Liebe und an die „Auferstehung“ seines Leibes – selbst wenn er nicht bei ihr sitzen dürfe, wolle er doch wenigstens bei ihr stehen. Er ist überzeugt, dass sie erbleichen werde, wenn er sich von ihr trennt, und dass er lieber bei ihr wäre als in der Kirche. Er glaubt, dass sie beide sich vor den vielen Klatschenden fürchten, die sie umgeben, und dass es noch immer viele „Pontius, Pilatus und Judas“ auf Erden gebe. Ihre hin fart – ob Abreise, Himmelfahrt oder Tod – habe ihn tief betrübt, doch habe sie ihm ihre Treue zugesichert. Er glaubt fest daran, dass sie sich am Ursprung seiner Freude wieder begegnen werden. Dort wünscht er sich, sie in ihrem Schmuck zu sehen, frei von allen lästigen Klaffern. Den Abschluss bildet eine parodierte liturgische Formel, in der nicht die christliche Trinität, sondern Amor, Venus und Cupido um Beistand angerufen werden.
C Rechtfertigung des Glaubensbekenntnisses (84–123):
Die drei Genannten vertreiben allen das Leid, ausgenommen den alten Weibern, den runzligen Rauchfässern, die an ihrem alten Glauben festhalten sollen, denn dieses Glaubensbekenntnis nützt ihnen nichts. Sie sind seiner überdrüssig geworden und ›schreien‹ wie Petrus (Anspielung auf die Verleugnung des Petrus), was ihnen aber nichts nütze (Sprichwort: ›Katzengebet wird im Himmel nicht erhört‹). Er wendet ich daraufhin an die reinen und schönen jungen Damen (Apostrophe): Sie mögen bedenken, dass dieser Glaube gerecht, gut und freudenreich ist und jede ihren Teil erwerben soll, so gut sie könne. Es sei am Sonntag noch kein Jahr her, dass er das Glaubensbekenntnis gefunden, es als Nachkomme des Hl. Thomas selbst mit der Hand ertastet habe. Drei Kardinäle haben ihn für alle Zweifelsfälle bestätigt, verbrieft und mit Blau, Braun und Rot versiegelt (Urkunde). Das hat die Dame gemacht, die eine Leuchte weiblicher Tugend ist; ihre Güte leuchtet darin wie eine Fackel. Das Hostiengefäß (112: cyborg, d.h. ciborium) und der Tabernakel seiner Freude ist dieses Glaubensbekenntnis, das er im zwölften Jahr gemacht hat, vierzehn Tage nach seiner Abreise von der Geliebten (vermutlich eine parodistische Jahresangabe: 1412). Bei ihrem letzten Treffen habe sich die Liebe der Geliebten in sein Herz verschlossen. Selbst wenn er caldeyscher kayser zuo jndion (121) wäre (Kaisertopos), wäre sie würdig, mit ihm die Krone zu tragen und auf dem Thron zu sitzen.
D Preis der Geliebten und direkte Anrede (124–153):
Der Sprecher kündigt das Ende seiner Rede an; das Glaubensbekenntnis aber soll zum Trost des Schatzes, der in seinem Herz Früchte der Freude hervorbringen kann, ewig währen. Weibliche Güte hat in ihm geluttert lieb uß rainem ertz (128) hervorgebracht und tiefe, sichere Fundamente (130: grunntfest) der Freude in ihm gelegt. Der Sprecher fordert die Geliebte in einer Apostrophe auf, zu zeigen, dass ihre Güte wie ein Diamant sei. Da unter der Herrschaft wahrer Liebe auch die Treue dauerhaft wohne, solle sie ihr Herz wie einen Diamanten polieren. Sie solle seine Treue mit ihrem Blick durchdringen, wie es der Strauß tut, und daran denken, wie Gardafies (138, der Hund ›Gardeviaz‹ aus dem ›Titurel‹) an das Brackenseil gelegt worden sei. Er wünscht ihr, dass sie ihm Besitz des Heils bleibe und sich nicht von ihm abwende, damit die Kogge seiner Freude jederzeit im Hafen des Glücks ankern könne. Dort sei sie Schiff und Kapitän zugleich, ihr Segel fahre durch alle Unwetter. Sie solle den Mut des Adlers und des Panthers haben, sie sei der süße Amethyst. Zuletzt erinnert er sie an Christus und rät ihr, nie zu verzagen.
E Schluss (154–162):
Wer dieses Glaubensbekenntnis bei sich hat und es früh morgens ansieht, verbrennt an keinem Wasser und ertrinkt nicht im Feuer (Textmagie und Adynaton). Und wer nicht mehr lange zu leben hat, soll sich darum bemühen, dass sein Buhle ihm erlaubt zu gehen (?). Der Text schließt mit Amen.
(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 19-21)