Glaubensbekenntnis eines Liebenden (B15): Unterschied zwischen den Versionen

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==Inhalt==
===A Einleitung (1–8):===
Der Text eröffnet mit der Sentenz, dass einem Menschen, der am Ende seines Lebens in Verzweiflung fällt, selbst ein von Gott gesandter Bote nicht mehr helfen könne. Um dieser ''desperatio'' vorzubeugen, habe sich der Sprecher ein eigenes Glaubensbekenntnis geschaffen, in das er gezielt Worte gegen den Zweifel – seine persönlichen ''sillabae'' – eingeflochten habe.
===B Glaubensbekenntnis der Minne (9–83):===
Der Sprecher gestaltet eine parodistische Erweiterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, indem er dessen Struktur übernimmt und in anaphorischen Formeln – meist eingeleitet durch ich glob – seinen Glauben nicht an Gott, sondern an eine junge Frau bekennt. Sie erscheint ihm als allmächtige Herrin seines Dienstes, als Schöpferin seiner Freude und als jene, der seine Hingabe verkündet wurde. Er habe sie innerlich „empfangen“, sie sei ihm zur Freude geboren und könne sein Leben aufrichten. Zwar sei sie einem anderen Mann gegeben worden, doch liebe sie diesen weniger als ihn. Sie habe Sorgen und Schmerzen erlitten und in der Nacht des Beischlafs geseufzt; an einem Sonntag aber sei sie gleichsam „auferstanden“ und habe erneut Verlangen nach ihm verspürt. Seit ihrer ersten Umarmung habe er sie nie vergessen. Sie sei, als sie ihn sah, durch drei Pforten hinabgestiegen, habe ihn durch ihre Zuwendung von Trauer befreit und sei dann wieder aufgestiegen, um „zur Rechten“ in einer Kammer zu sitzen. Ihre Schönheit sei von Gott selbst auf die Erde gebracht worden. Er glaubt, dass er sie noch oft sehen werde und dass sie die Macht habe, über seinen Willen zu richten. Weiter bekennt er seinen Glauben an den Ablass seiner Pein bei ihrer Wiederkehr, an die Gemeinschaft ihrer Liebe und an die „Auferstehung“ seines Leibes – selbst wenn er nicht bei ihr sitzen dürfe, wolle er doch wenigstens bei ihr stehen. Er ist überzeugt, dass sie erbleichen werde, wenn er sich von ihr trennt, und dass er lieber bei ihr wäre als in der Kirche. Er glaubt, dass sie beide sich vor den vielen Klatschenden fürchten, die sie umgeben, und dass es noch immer viele „Pontius, Pilatus und Judas“ auf Erden gebe. Ihre ''hin fart'' – ob Abreise, Himmelfahrt oder Tod – habe ihn tief betrübt, doch habe sie ihm ihre Treue zugesichert. Er glaubt fest daran, dass sie sich am Ursprung seiner Freude wieder begegnen werden. Dort wünscht er sich, sie in ihrem Schmuck zu sehen, frei von allen lästigen Klaffern. Den Abschluss bildet eine parodierte liturgische Formel, in der nicht die christliche Trinität, sondern Amor, Venus und Cupido um Beistand angerufen werden.
===C Rechtfertigung des Glaubensbekenntnisses (84–123):===
Der Sprecher erklärt, dass die drei angerufenen Mächte allen Menschen das Leid vertreiben – nur nicht den alten, verhärmten Frauen, die an ihrem überkommenen Glauben festhalten sollen, weil sein parodiertes Glaubensbekenntnis ihnen ohnehin nichts nütze. Diese Frauen seien seiner überdrüssig und „schrien“ wie Petrus bei der Verleugnung, doch ohne Wirkung, denn ihr „Katzengebet“ werde nicht erhört. Daraufhin richtet er sich direkt an die jungen, reinen und schönen Damen: Sie sollen bedenken, dass dieser neue Glaube gerecht, gut und freudvoll sei und jede sich daran beteiligen möge. Er habe dieses Glaubensbekenntnis erst vor weniger als einem Jahr – an einem Sonntag – gefunden und als „Nachkomme des heiligen Thomas“ selbst ertastet. Drei Kardinäle hätten es bestätigt, beurkundet und mit den Farben Blau, Braun und Rot besiegelt. Die Dame, eine wahre Leuchte weiblicher Tugend, habe dies veranlasst; ihre Güte strahle darin wie eine Fackel. Dieses Glaubensbekenntnis sei für ihn wie Ciborium und Tabernakel seiner Freude, entstanden im „zwölften Jahr“, vierzehn Tage nach seiner Abreise von der Geliebten – wohl eine parodistische Datierung. Bei ihrem letzten Treffen habe sich ihre Liebe tief in sein Herz eingeschlossen. Und selbst wenn er „chaldäischer Kaiser in Indien“ wäre, wäre sie würdig, mit ihm Krone und Thron zu teilen.
===D Preis der Geliebten und direkte Anrede (124–153):===
Der Sprecher leitet den Abschluss seiner Rede ein, betont jedoch, dass sein parodiertes Glaubensbekenntnis fortbestehen soll – als Trost für den „Schatz“ in seinem Herzen, der darin immer neue Freude hervorbringen könne. Die Güte der Geliebten habe in ihm „geläuterte Liebe aus reinem Erz“ entstehen lassen und ein festes Fundament der Freude gelegt. In einer eindringlichen Apostrophe fordert er die Geliebte auf, zu zeigen, dass ihre Güte hart und beständig sei wie ein Diamant. Weil wahre Liebe auch Treue in sich birgt, solle sie ihr Herz ebenso „polieren“. Sie möge seine Treue mit ihrem Blick durchdringen wie der Strauß, und sich erinnern, wie Gardafies – der Hund aus dem Titurel – an das Brackenseil gelegt wurde. Er bittet sie, ihm als „Besitz des Heils“ treu zu bleiben, damit die Kogge seiner Freude sicher im Hafen des Glücks liegen könne. Dort sei sie zugleich Schiff und Kapitän, ihr Segel trotze jedem Sturm. Sie solle Mut zeigen wie Adler und Panther; für ihn sei sie ein süßer Amethyst. Am Ende erinnert er sie an Christus und mahnt sie, niemals zu verzagen.
===E Schluss (154–162):===
Der Sprecher schreibt dem Glaubensbekenntnis eine schützende Wirkung zu: Wer es bei sich trägt und morgens betrachtet, sei vor Schaden sicher – selbst in paradox formulierten Situationen wie „im Wasser verbrennen“ oder „im Feuer ertrinken“. Menschen, deren Lebensende naht, sollten zudem darauf achten, dass ihre Liebespartnerin ihnen den Abschied gestattet. Der Text endet mit einem Amen.
(Ausführliche Inhaltszusammenfassung bei [[Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden]], S. 19-21)


[[Kategorie:Quelle Minnerede]]
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Aktuelle Version vom 21. Dezember 2025, 17:57 Uhr

Glaubensbekenntnis eines Liebenden (B15)

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung um 1450; im Text genanntes Datum 1412
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Heidelberg, Universitätsbibliothek: Cpg 355, 135r-138r
Ausgaben Dorobantu, Julia/Klingner, Jacob/Lieb, Ludger (Hg.): Minnereden, S. 476-482
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jakob: Glaubensbekenntnis eines Liebenden; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 19-21

Inhalt

A Einleitung (1–8):

Der Text eröffnet mit der Sentenz, dass einem Menschen, der am Ende seines Lebens in Verzweiflung fällt, selbst ein von Gott gesandter Bote nicht mehr helfen könne. Um dieser desperatio vorzubeugen, habe sich der Sprecher ein eigenes Glaubensbekenntnis geschaffen, in das er gezielt Worte gegen den Zweifel – seine persönlichen sillabae – eingeflochten habe.

B Glaubensbekenntnis der Minne (9–83):

Der Sprecher gestaltet eine parodistische Erweiterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, indem er dessen Struktur übernimmt und in anaphorischen Formeln – meist eingeleitet durch ich glob – seinen Glauben nicht an Gott, sondern an eine junge Frau bekennt. Sie erscheint ihm als allmächtige Herrin seines Dienstes, als Schöpferin seiner Freude und als jene, der seine Hingabe verkündet wurde. Er habe sie innerlich „empfangen“, sie sei ihm zur Freude geboren und könne sein Leben aufrichten. Zwar sei sie einem anderen Mann gegeben worden, doch liebe sie diesen weniger als ihn. Sie habe Sorgen und Schmerzen erlitten und in der Nacht des Beischlafs geseufzt; an einem Sonntag aber sei sie gleichsam „auferstanden“ und habe erneut Verlangen nach ihm verspürt. Seit ihrer ersten Umarmung habe er sie nie vergessen. Sie sei, als sie ihn sah, durch drei Pforten hinabgestiegen, habe ihn durch ihre Zuwendung von Trauer befreit und sei dann wieder aufgestiegen, um „zur Rechten“ in einer Kammer zu sitzen. Ihre Schönheit sei von Gott selbst auf die Erde gebracht worden. Er glaubt, dass er sie noch oft sehen werde und dass sie die Macht habe, über seinen Willen zu richten. Weiter bekennt er seinen Glauben an den Ablass seiner Pein bei ihrer Wiederkehr, an die Gemeinschaft ihrer Liebe und an die „Auferstehung“ seines Leibes – selbst wenn er nicht bei ihr sitzen dürfe, wolle er doch wenigstens bei ihr stehen. Er ist überzeugt, dass sie erbleichen werde, wenn er sich von ihr trennt, und dass er lieber bei ihr wäre als in der Kirche. Er glaubt, dass sie beide sich vor den vielen Klatschenden fürchten, die sie umgeben, und dass es noch immer viele „Pontius, Pilatus und Judas“ auf Erden gebe. Ihre hin fart – ob Abreise, Himmelfahrt oder Tod – habe ihn tief betrübt, doch habe sie ihm ihre Treue zugesichert. Er glaubt fest daran, dass sie sich am Ursprung seiner Freude wieder begegnen werden. Dort wünscht er sich, sie in ihrem Schmuck zu sehen, frei von allen lästigen Klaffern. Den Abschluss bildet eine parodierte liturgische Formel, in der nicht die christliche Trinität, sondern Amor, Venus und Cupido um Beistand angerufen werden.

C Rechtfertigung des Glaubensbekenntnisses (84–123):

Der Sprecher erklärt, dass die drei angerufenen Mächte allen Menschen das Leid vertreiben – nur nicht den alten, verhärmten Frauen, die an ihrem überkommenen Glauben festhalten sollen, weil sein parodiertes Glaubensbekenntnis ihnen ohnehin nichts nütze. Diese Frauen seien seiner überdrüssig und „schrien“ wie Petrus bei der Verleugnung, doch ohne Wirkung, denn ihr „Katzengebet“ werde nicht erhört. Daraufhin richtet er sich direkt an die jungen, reinen und schönen Damen: Sie sollen bedenken, dass dieser neue Glaube gerecht, gut und freudvoll sei und jede sich daran beteiligen möge. Er habe dieses Glaubensbekenntnis erst vor weniger als einem Jahr – an einem Sonntag – gefunden und als „Nachkomme des heiligen Thomas“ selbst ertastet. Drei Kardinäle hätten es bestätigt, beurkundet und mit den Farben Blau, Braun und Rot besiegelt. Die Dame, eine wahre Leuchte weiblicher Tugend, habe dies veranlasst; ihre Güte strahle darin wie eine Fackel. Dieses Glaubensbekenntnis sei für ihn wie Ciborium und Tabernakel seiner Freude, entstanden im „zwölften Jahr“, vierzehn Tage nach seiner Abreise von der Geliebten – wohl eine parodistische Datierung. Bei ihrem letzten Treffen habe sich ihre Liebe tief in sein Herz eingeschlossen. Und selbst wenn er „chaldäischer Kaiser in Indien“ wäre, wäre sie würdig, mit ihm Krone und Thron zu teilen.

D Preis der Geliebten und direkte Anrede (124–153):

Der Sprecher leitet den Abschluss seiner Rede ein, betont jedoch, dass sein parodiertes Glaubensbekenntnis fortbestehen soll – als Trost für den „Schatz“ in seinem Herzen, der darin immer neue Freude hervorbringen könne. Die Güte der Geliebten habe in ihm „geläuterte Liebe aus reinem Erz“ entstehen lassen und ein festes Fundament der Freude gelegt. In einer eindringlichen Apostrophe fordert er die Geliebte auf, zu zeigen, dass ihre Güte hart und beständig sei wie ein Diamant. Weil wahre Liebe auch Treue in sich birgt, solle sie ihr Herz ebenso „polieren“. Sie möge seine Treue mit ihrem Blick durchdringen wie der Strauß, und sich erinnern, wie Gardafies – der Hund aus dem Titurel – an das Brackenseil gelegt wurde. Er bittet sie, ihm als „Besitz des Heils“ treu zu bleiben, damit die Kogge seiner Freude sicher im Hafen des Glücks liegen könne. Dort sei sie zugleich Schiff und Kapitän, ihr Segel trotze jedem Sturm. Sie solle Mut zeigen wie Adler und Panther; für ihn sei sie ein süßer Amethyst. Am Ende erinnert er sie an Christus und mahnt sie, niemals zu verzagen.

E Schluss (154–162):

Der Sprecher schreibt dem Glaubensbekenntnis eine schützende Wirkung zu: Wer es bei sich trägt und morgens betrachtet, sei vor Schaden sicher – selbst in paradox formulierten Situationen wie „im Wasser verbrennen“ oder „im Feuer ertrinken“. Menschen, deren Lebensende naht, sollten zudem darauf achten, dass ihre Liebespartnerin ihnen den Abschied gestattet. Der Text endet mit einem Amen.

(Ausführliche Inhaltszusammenfassung bei Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 19-21)