Des Minners Klage (B30a): Unterschied zwischen den Versionen

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===A Liebe und Leid des Sprechers (614–618 [1–5], Strophenzählung nach der Ausgabe von Schmeller 1850, neue Strophenzählung in eckigen Klammern):===
===A Liebe und Leid des Sprechers (614–618 [1–5], Strophenzählung nach der Ausgabe von Schmeller 1850, neue Strophenzählung in eckigen Klammern):===
Der Sprecher klagt sein großes Liebesleid. Str. 614: Er verweist darauf, dass er sterben müsste, wenn man am Herzensleid sterben könnte. Er glaube jedoch nicht, dass  
Der Sprecher beklagt sein tiefes Liebesleid. Wäre es möglich, am Kummer des Herzens zu sterben, so wäre er längst tot; doch glaubt er nicht, dass Liebe und Schmerz jemanden wirklich töten, auch wenn sie viele schwer bedrücken. Die Liebe könne die Welt beengen, das Herz fast zum Bersten bringen; sie mache den kurzen Tag endlos und die lange Nacht für Glückliche zu kurz. Liebe und Leid empfange er beide von derselben Frau: Ihre Schönheit schenke ihm Freude, doch wie ein Dieb raube das Leid sie ihm wieder. Darum müsse er oft seufzen; ihr Blick und ihr rubinroter Mund „töteten“ ihn. Würde es allen Männern so ergehen, hätte die Minne kaum noch Arbeit – ohne dass er damit die Keuschen verspotten wolle. Sehnte sie sich jedoch ebenso nach ihm wie er nach ihr, würde er sie sofort von allem Leid befreien und sie keine Stunde leiden lassen.
Liebe und Leid auf Erden jemanden töten können – sie bringen vielen aber große
 
Not (vgl. hierzu Str. 633). – Str. 615: Wirkungen der Liebe: Sie könne die weite Welt
zu eng erscheinen lassen und das Herz bedrängen, dass es oft ›erkrache‹; der kurze
Tag werde lang durch den Kummer, doch erscheine die lange Nacht für die erfüllte
Liebe zu kurz. – Str. 616 [= B30b, 38]: Liebe und Leid habe er beide von einer Frau.
Die Liebe verschaffe ihm süße Augenweide und Freude; wie ein Dieb stehle dagegen
das Leid die Freude. – Str. 617 [nur V. 1 = B30b, 48, V. 1]: Oft müsse er daher seufzen.
Ihre Blicke und ihr rubinroter Mund töteten ihn. Wenn allen Männern so geschähe, hätte die Minne nichts mehr zu tun (?); damit wolle er aber die Keusche nicht
verhöhnen. – Str. 618: Wenn sie sich so nach ihm sehnen würde wie er sich nach ihr,  
würde er sie schnell von diesem Leid erlösen. Keine Stunde würde er sie leiden lassen.
===B Ehrverletzung als Gefahr für die Frauen (619–629 [6–16]):===
===B Ehrverletzung als Gefahr für die Frauen (619–629 [6–16]):===
Der Sprecher setzt mit
Der Sprecher gibt eine kurze Minnelehre: Frauen sollten auf ihre Ehre achten, denn viele Werber täuschten Freundlichkeit nur vor. Treue sei der beste Schutz; Spott und heimliches Raunen der Schlechten solle man ignorieren. Er rät den Frauen, sich klug der „Huote“ zu entziehen, damit keine heimliche Liebe verraten werde. Sie sollten falsche Werber gar nicht erst anhören, denn schon das Zuhören gelte als halbe Zusage. Darum müssten sie sorgfältig wählen, wem sie Zuneigung schenken, um späte Reue zu vermeiden. Gegen Böse solle man Herz und Augen verschließen. Ein Schwächling habe von einer schönen Frau so wenig wie ein Blinder vom Licht. Wer eine Frau nur begehrt, um ihre Ehre zu rauben, liebe falsch; das Wertvollste an einer Frau sei ihre Ehre. Wahre Liebe hingegen sei nie Sünde und verdiene Lohn. Schließlich gesteht der Sprecher, dass er neben ihrer Ehre auch fürchtet, sie könne ihn selbst zugrunde richten.
einer Minnelehre fort. Str. 619: Eine Frau müsse aufpassen, dass man nicht schlecht
von ihr rede. Viele würden (freundlich) zu den Frauen reden und hassten sie doch
und wollten nur ihre Ehre verletzen. – Str. 620: Als Gegenmittel rate er zur Treue.
Das helfe zur Ehre. Die Frauen sollten das Hassen, das Lachen, das Scherzen und das
›Raunen‹ (''ir rûnen'') der Bösen nicht beachten. – Str. 621: In einer Apostrophe wendet sich der Sprecher an die Frauen und rät ihnen, stets anständig und besonnen der  
›Huote‹ (''merker'') aus dem Weg zu gehen, damit diese nichts von einer heimlichen
Liebe im Herzen erführen. So würden die ''merker'' überlistet und mit sehenden Augen
geblendet. – Str. 622 [B30b, 6]: Er wünscht sich, dass die Damen die Liebe versagten
oder gewährten, aber nicht, dass sie die falschen Werber zum Reden kommen ließen.
Eine Frau habe schon halb zugesagt, wenn sie die Rede dessen, den sie betrügen will,
nur anhöre: Sie äffe ihn und mache sich selbst zum Toren. – Str. 623: In einer erneuten Apostrophe fordert der Sprecher die Damen auf, die Unterschiede zwischen den
Männern wahrzunehmen: Mancher sei schlimmer als ein Heide. Sie mögen genau
überlegen, wem sie ihre Treue und Zuneigung schenkten, denn schlimm sei die zu
späte Reue (''afterriuwe''). – Str. 624: Daher sollten sie dort ein Kreuz vor den Ohren
schlagen (Redensart?), wo die Bösen sind, sich nicht den Toren zuwenden und den
Bösen gegenüber Herz und Augen verschließen. – Str. 625 [B30b, 7]: So, wie dem
Blinden Tag und Licht und dem Toren, der nichts von Gold versteht, das Gold nichts
nütze, so nütze auch dem Schwächling (zagen) eine schöne Frau nichts. – Str. 626
[B30b, 8]: Wenn ein Mann eine Frau begehre, um ihr die Ehre zu nehmen (''daz er wirt zu êren diebe''), nenne man das falsche Liebe. – Str. 627: Das Beste an einer Frau  
sei ihre Ehre. Woran sollte sich ein Mann erfreuen, wenn die geschwächt wäre? – Str.
628: Handle es sich aber um Liebe (Apostrophe: ''ir friunde''), lohne eine Frau rechtmäßig, denn Liebe würde nie Sünde. Sie solle ihm das Saure süß machen, und was sie in
diesem Zusammenhang sündige, dafür wolle er büßen. – Str. 629: Neben der Sorge
um die Ehre der Geliebten ist die zweite Sorge des Sprechers, dass sie ihn verderben
ließe.


===C Bitte um Erhörung (630–640 [17–27]):===
===C Bitte um Erhörung (630–640 [17–27]):===
Der Sprecher wendet sich nun direkt an  
Der Sprecher richtet sich direkt an die Geliebte und bittet sie, ihn endlich zu trösten; sein Herz habe ihn selbst dann zur Werbung gedrängt, wenn sie zürnte. Er fleht erneut um Gnade und fragt, was ihr sein Sterben nützen solle. Verleumder, die Schlechtes über ihn erzählten, hätten wohl ihre eigenen Taten im Sinn. Er schwört, am Liebesleid zugrunde zu gehen, wenn sie ihren „Krieg“ gegen ihn nicht beende, denn solches Kämpfen stehe einer edlen Frau nicht an. Setze sie den Streit fort, werde auch er kämpfen; schließlich habe er nicht umsonst gelernt und Abenteuer gesucht. Dann nimmt er seine Drohung zurück: Die Minne mache ihn töricht und lasse ihn den Anstand verlieren. Er bittet um Nachsicht, da er nur dienen und durch Treue etwas erreichen wolle. Er hoffe, sie werde nach seinem Tod bereuen, ihn nicht erhört zu haben. Sollte all seine Beständigkeit vergeblich sein, möge sie ihm wenigstens erlauben, um ihretwillen allen Frauen zu dienen und ihren Lohn zu empfangen.
die Geliebte. Str. 630: Er hoffe, dass sie ihn bald tröste, denn sein Herz und Wille
 
hätten ihm zur Werbung geraten, sogar wenn sie zürne. – Str. 631: Erneute Bitte
um Gnade. – Str. 632: Was hülfe ihr sein Sterben? Er bittet um Erhörung. Wenn
ein Verleumder (''ein snoeder'') falsche Geschichten über den Sprecher erzähle, so habe
der Verleumder diese Dinge wohl selbst getan. – Str. 633: Der Sprecher schwört, dass
er am Liebesleid bald sterben werde. – Str. 634: Die Dame möge mit ihrem ›Krieg‹
gegen ihn aufhören, denn ›Kriegen‹ zieme sich nicht für gute Frauen und es gehöre
Maße dazu. – Str. 635: Wolle sie nicht aufhören, würde auch er mit einem ›Krieg‹
beginnen. – Str. 636: Was hätte ihm sonst das Lesen in den Büchern genutzt? Einem
jungen Mann zieme es, durch Aventiure vieles erreichen zu wollen. Was er also, seit er
ein Kind war, gelernt habe, werde er an ihr erproben, falls er keine Gnade bei ihr finde. – Str. 637: Revocatio: Der Sprecher beklagt, dass er sich versprochen habe. Er sei
töricht, ''unwîser'' als ein Kind und habe seinen Anstand verloren; das sei eine Wirkung
der Minne zu ihr. – Str. 638: Er bittet um Verständnis, denn er meine es gut und wolle nichts anderes als ihr dienen und durch beständigen Dienst etwas erreichen. – Str.
639: Er wolle dafür kämpfen, dass sie nach seinem Tod klage und sage, sie sei verrückt
gewesen, ihn, der sie und andere Damen so gelobt habe, nicht zu erhören. – Str. 640:
Wenn seine Beständigkeit und ihre Güte ihm nichts nütze und er ohne Trost bleibe,  
dann lasse sie doch bitte zu, dass er um ihretwillen allen Damen diene und von allen
Lohn bekomme (''So lât mich doch geniezzen aller frouwen'').
===D Kalokagathia und minnebedingtes Schweigen (641–650 [28–37]):===
===D Kalokagathia und minnebedingtes Schweigen (641–650 [28–37]):===
Ab hier spricht  
Der Sprecher spricht wieder in der dritten Person über die Geliebte. Er diene vielen Frauen gern, doch ihr am meisten; sein Herz solle an ihrer Festigkeit lernen. Seine Klage wäre beendet, spräche sie nur ein Wort der Erhörung. Wäre sein Leid tödlich, so hätte ihn wenigstens eine schöne Frau getötet – doch bei solcher Schönheit müsse auch Güte sein. Ihre Rede und ihr Auftreten zeigten ihm, dass sie ein gutes Herz habe. Er verzweifle nur daran, nicht mit ihr sprechen zu dürfen; Schweigen mache ihn krank. Oft sei er vor ihr verstummt und errötet schon beim Klang ihres Namens. Könnte er heimlich mit ihr reden, müsste sie sich verhüllen, damit er nicht alle Sinne verliere. Trotz seines Leids wolle er sie immer loben, auch wenn er ihre Härte nicht verstehe.
der Sprecher wieder in der dritten Person über die Geliebte. Str. 641: Er diene allen
Er wundert sich, wie er innerlich so leiden und äußerlich fröhlich erscheinen könne. Nur die Güte einer Frau schenke „hohen muot“, und den finde man nur bei den Besten. Er hoffe auf eine süße Vereinigung, habe bisher aber nur ihre Schönheit schauen dürfen. Lange habe er überlegt, wie seine Geliebte sein solle – nun habe er die Vollkommene gefunden. Alle priesen ihre Schönheit; wer ihr Lachen sehe, sei gesegnet. Er versichert seine Treue und nennt als einzigen Makel, dass sie ihm so wehtue. Ihre Tugenden hätten ihn völlig gefangen; sie solle ihn endlich erhören.
Damen gerne, doch ihr am liebsten. Sein Herz möge von der Festigkeit des Herzens
Es folgt ein allgemeines Lob der Frauen und der Minne: Liebe sei süßer Schmerz und wahre Seligkeit; ohne sie könne kein Herz froh werden. Wer unbewacht bei der Geliebten liege, sei glücklich, auch wenn das Morgenscheiden schmerze. Eine Frau in rechter Liebe sei der größte Schatz der Welt; Frauen veredelten Männer und seien das höchste Gut auf Erden. Eine schöne, keusche, gütige Frau gleiche einem Engel. Gott habe die Frau besonders ausgezeichnet. Der Sprecher fragt sein Herz, was Minne sei, und erkennt, dass sein Leid keine Gegenseitigkeit findet. Die Minne habe all seine Sinne an die Dame gebunden und wohne nun selbst in ihm. Dennoch solle man ihr nicht entfliehen, denn beständige Liebe werde belohnt. Schon ein Lachen der Geliebten mache selig; ein Kuss oder eine Umarmung müssten überwältigende Freude schenken. Die Freude an Frauen sei unausschöpflich. Zum Schluss kehrt er zu seiner eigenen Liebe zurück: Ob sie ihn erhöre, sei ungewiss; er habe ihr sein Leben gegeben und dafür Kummer empfangen. Er wolle sich trennen, könne es aber nicht, da sein Herz immer zu ihr zurückblicke. Sie habe Macht über all seine Stimmungen, aber nicht darüber, dass er von ihr ließe. Einen anderen Dienst zu wählen, wäre töricht; er bleibe ihr treu. Er wünscht ihr himmlische Freude, bittet Gott, ihre Ehre zu schützen, und hofft, dass seine Treue belohnt werde. Die letzte Strophe besteht aus lauter Epitheta der Dame und bildet rückwärts gelesen das Akrostichon KATHERINA.
der Dame lernen. – Str. 642: Das Ende seiner Klage wäre es, wenn sie das süße Wort  
der Erhörung spräche. – Str. 643 [B30b, 39]: Wenn er stürbe, so hätte ihn wenigstens  
eine schöne Frau getötet und er müsste sein Sterben nicht bereuen. Er könne aber
nicht glauben, dass bei so großer Schönheit keine Güte zu finden sei. – Str. 644: Das
Schöne und Gute gehörten immer zusammen (Kalokagathia). Das könne er daran
erkennen, dass die Dame ihn innerlich erfreue. An ihrer lieblichen Rede und ihren
vollkommenen Gebärden könne man außerdem erkennen, dass sie ein gutes Herz  
habe. – Str. 645: Sein Herz breche ihm, weil er nicht mit ihr reden dürfe. Er wolle
nichts anderes, als gelegentlich mit ihr reden. – Str. 646: Nie habe er den Minnetrank
Tristrams getrunken. Er verderbe, weil er sein Leid verschweige und sie nichts von
seinen Gedanken wisse. Allgemeine Weisheit: Mit Rede macht ein Mann seinem
Herzen Luft. – Str. 647 [B30b, 46]: Der Sprecher klagt über sein minnebedingtes
Verstummen und ›Verdummen‹, als er mehrfach bei ihr gesessen sei.  – Str. 648
[B30b, 47]: Aber das sei nichts Besonderes, es geschehe noch heute. Wie ein Zunder
werde sein Herz von ihr entzündet. Wenn er ihren Namen höre, werde er rot. Das
sollten sich die merken, die wissen wollen, wer die Schöne sei. – Str. 649: Wenn die
Geliebte ihm gönnte, heimlich mit ihr zu reden, müsste sie einen Schleier vor Mund
und Augen hängen und ihre Hände bedecken, weil er sonst alle Sinne verlöre. – Str.
650: Trotz seines Leids wolle er immer das Beste von ihr ›sprechen und singen‹. Er
fragt sich nur, warum sie so hart sei, obwohl er alles tue, was sie wolle.
E Minneklage und Lob der Geliebten (651–662 [38–49]): Str. 651: Es sei ein Wunder,  
dass er innen so leide und nach außen so fröhlich erscheine. Wenn er sein ganzes
Leid klagte, würden die Leute dessen überdrüssig. – Str. 652: Er wisse, dass nichts
besser schützte für Liebesschmerz als ›hoher muot‹; den aber gebe nur die Güte einer
Dame. – Str. 653: Ob man den ›hohen muot‹ bei allen Frauen finden könne? Nein,
nur bei den Guten. – Str. 654 [B30b, 55]: Er hofft, dorthin zu kommen, wo ihm die
Röte ihres Mundes und die Nacktheit ihres Armes in einer ›süßen Handlung‹ mit
Liebe zuteil werde. – Str. 655: Leider konnte er ihre Schönheit bislang nur schauen.  
Die Schönheit sei für die Augen, die Liebe für das Herz da. – Str. 656 [B30b, 18]:
Lange habe er überlegt, ob er sich eine Geliebte wünschen solle und wie schön sie sein  
solle. Nun habe er eine gefunden, die seinen Wünschen vollkommen entspreche. –
Str. 657 [B30b, 15]: Alle sprechen öffentlich von dem Wunder ihrer Schönheit. Ob es
eine schönere gebe, wisse er nicht; er wisse aber, dass sie die Beste sei. Str. 658 [B30b,
19]: Wem ein Lachen oder ein Anblick von ihr zuteil werde, der sei gesegnet. – Str.
659: Treueversicherung und wiederholtes Lob der Geliebten. – Str. 660: Die Weisen
sagen, dass alles in der Welt sich wandle. Anders aber sei seine Geliebte. Sie habe nur
einen einzigen Makel: dass sie ihrem besten Freund so wehtue. – Str. 661: Ihre guten
Eigenschaften hätten ihn betört. Wann erhöre sie ihn? – Str. 662 [B30b, 20]: Wenn
sie ihn zum Toren mache, gehe sein Leid ihr irgendwann zu Herzen. Mit Gesang
(!) bringe er das Leid in ihre Ohren. Sie soll ihn erhören und sonst ihren Toren sein
lassen.
F Lob und Wesen der Frauen und der Minne (663–680 [50–67]): Str. 663 [B30b, 45]:
Die Liebe verschaffe einen angenehmen Kummer; sie sei eine Seligkeit. Ohne Minne
einer Frau könne kein Herz froh werden. – Str. 664 [B30b, 25]: Wen die Frauen nicht
fröhlich machten, den könne nichts erfreuen, auch nicht die Rosen des Mais. – Str.
665 [B30b, 26]: Der ohne ›Huote‹ bei der Geliebten liege und dem alles nach seinem
Willen ergehe (Tageliedsituation), dem gehe es sehr gut. Doch am Morgen tue das  
Scheiden ihm weh. – Str. 666: Nicht Silber, Gold noch Edelsteine, sondern eine Frau  
in rechter Liebe zu haben: Das sei der beste Schatz der Welt. – Str. 667 [B30b, 41]:
Eine Frau sei das Beste auf Erden. Der Sprecher sagt, er sei von einer lieblichen Frau
mit einem Ding gefangen, das man Minne nenne. – Str. 668 [B30b, 42]: Wirkungen
der Frauen auf die Männer: Veredelung, Ritterschaft, Freude. – Str. 669 [B30b, 43]:
Die Frau sei das summum bonum auf Erden. Hätte er die eine, wäre er so froh, dass
er in Freuden sterben wollte. – Str. 670 [B30b, 1]: Eine schöne Frau sei einem Engel  
zu vergleichen, wenn sie keusch, züchtig und gütig sei (''keusch, zucht, güete bei glanzer farwe''). – Str. 671 [B30b, 44]: Gott habe die Frau vor aller Kreatur ausgezeichnet  
und geadelt, denn er machte sie aus der Rippe des Mannes; den Mann dagegen aus
Lehm. – Str. 672: Der Sprecher fragt anlässlich seiner Bedrängnis sein Herz (Apostrophe): ''waz ist minne?'' Er fürchte, dass er verbrenne von ihrer Gewalt. Man ›sage
und singe‹, dass sie Feinde erfreuen und Freunden weh tun könne. – Str. 673: Minne
heiße die beständige innere Vereinigung zweier Menschen. Daher könne es sich bei
dem, was ihn so bedrängt, nicht um die Minne handeln. – Str. 674: Zwar richte sich
sein ganzes Inneres auf die eine Frau, doch das verursache nur Schmerzen. Es komme
nichts von ihr zurück. – Str. 675: Wenn es aber die Minne selbst gewesen sei, die
ihn in diesen Zustand gebracht habe, was solle er dann tun? Sie verteile ihre Last
ungleich, nämlich allein auf ihn. Daher könne er froh sein, wenn sie ihn nicht töte. –
Str. 676: Die Minne habe alle seine Sinne an die Dame gesandt und wohne jetzt an
der Stelle der Sinne in ihm. – Str. 677: Solle man wegen des Leids vor der Minne
fliehen? Nein, denn wenn die Minne einen beständig finde, könne sie das Leid mit
Freude lohnen (Lohngewissheit). – Str. 678 [B30b, 27]: Wenn schon das Lachen aus
dem Mund der Dame einen so froh mache, wie könne man dann bei Sinnen bleiben,
wenn sich der Mund einem zum Kusse anbietet? – Str. 679 [B30b, 28]: Und wenn
einem schon beim Gedanken an eine Umarmung so wohl sei, welche Freude müsse
man erst bei einer realen Umarmung haben. Es wundere ihn, dass man daran nicht
vor Freude sterbe.  – Str. 680 [B30b, 53]: Niemand könne vollständig aussprechen
oder vollständig schreiben, wieviel Freude an den Frauen liege (Unschreibbarkeitstopos). Erst wenn die Liebenden beieinander lägen, würden sie erkennen, wie fremd
sie einander zuvor noch gewesen seien.
G Treueversprechen und Akrostichon (681–689 [68–76]): Der Sprecher kommt auf
seine eigene Liebesbeziehung zurück. Str. 681 [B30b, 29]: Ob seine Dame ihn erhöre,  
sei ungewiss. Er habe sein ›freies Leben‹ ihr zu eigen gegeben, wofür sie ihm Trauern und Sorgen gegeben habe. – Str. 682 [B30b, 50]: Er wolle sich von der Geliebten
trennen und wolle nicht länger ertragen, dass sie ihn auf den Stuhl des Jammers setze.
Doch was helfe es, wenn er seine Augen abwende und das Herz immer noch heimlich zu ihr blicke? – Str. 683 [B30b, 51]: So leicht könne er sich doch nicht von einer
so schönen Frau abwenden. Dazu müsste sie ihm noch mehr Gewalt antun. Er lobt
die Sinne, die ihm rieten, niemals von ihr zu scheiden. – Str. 684 [B30b, 40]: Die
Schöne habe Macht über all seine Stimmungen; aber sie habe nicht die Gewalt, dass  
er von ihr scheide. – Str. 685: Sollte er seinen Dienst aufgeben und eine andere Frau
auswählen? Nein, denn wer seinen Dienst bereue, werde bis an sein Ende Kummer
haben. Was immer sie ihm antue, er diene ihr ohne zu wanken. – Str. 686 [B30b,
52]: Der Sprecher wünscht der Dame, dass die ganze Natur (die Lust des Mais, das
Tönen der Vögel, der Tau aus dem Himmel usw.) ihr die Seligkeit ›hoher‹ Freuden
gebe. – Str. 687 [B30b, 31]: Jeden Morgen seien ihr roter Mund und ihre Güte sein
Segen. Er wünsche ihr, dass Gott ihre Ehre behüte und dass die Dame seine Treue
belohne. – Str. 688: Sein Sprechen und Singen, seine Liebe und Beständigkeit mögen
ihm einbringen, dass die Dame ihm seine Bitte gewähre. – Str. 689: Die letzte Strophe besteht nur aus Epitheta der Dame. Ein unechtes Akrostichon ergibt von hinten
gelesen das Wort KATHERINA. Die Buchstaben sind jeweils vor einen Vers oder
Teilvers (5, 7) geschrieben, ohne dass der Buchstabe mit dem Vers eine Verbindung
zu einem Wort oder Satz eingehe, z.B.: ''A Liebe, schoene, gehiure, | N zarte, süeze, lôse''
usw.


([[Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden]], Band 1, S. 46-50)
(Ausführliche Inhaltsbeschreibung bei [[Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden]], Band 1, S. 46-50)


[[Kategorie:Quelle Minnerede]]
[[Kategorie:Quelle Minnerede]]
[[Kategorie:Quelle Klagerede]]
[[Kategorie:Quelle Klagerede]]

Aktuelle Version vom 30. Dezember 2025, 23:04 Uhr

Des Minners Klage (B30a)

AutorIn Anon. (Hadamar von Laber?)
Entstehungszeit Vor zweite Hälfte 14. Jhd.
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Heidelberg, Universitätsbibliothek: Cpg 326, 1r-8v
München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 179, 1r-3r
Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Cod. Quart 564, 109v-116v
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Des Minners Klage; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 46-50

Inhalt

A Liebe und Leid des Sprechers (614–618 [1–5], Strophenzählung nach der Ausgabe von Schmeller 1850, neue Strophenzählung in eckigen Klammern):

Der Sprecher beklagt sein tiefes Liebesleid. Wäre es möglich, am Kummer des Herzens zu sterben, so wäre er längst tot; doch glaubt er nicht, dass Liebe und Schmerz jemanden wirklich töten, auch wenn sie viele schwer bedrücken. Die Liebe könne die Welt beengen, das Herz fast zum Bersten bringen; sie mache den kurzen Tag endlos und die lange Nacht für Glückliche zu kurz. Liebe und Leid empfange er beide von derselben Frau: Ihre Schönheit schenke ihm Freude, doch wie ein Dieb raube das Leid sie ihm wieder. Darum müsse er oft seufzen; ihr Blick und ihr rubinroter Mund „töteten“ ihn. Würde es allen Männern so ergehen, hätte die Minne kaum noch Arbeit – ohne dass er damit die Keuschen verspotten wolle. Sehnte sie sich jedoch ebenso nach ihm wie er nach ihr, würde er sie sofort von allem Leid befreien und sie keine Stunde leiden lassen.

B Ehrverletzung als Gefahr für die Frauen (619–629 [6–16]):

Der Sprecher gibt eine kurze Minnelehre: Frauen sollten auf ihre Ehre achten, denn viele Werber täuschten Freundlichkeit nur vor. Treue sei der beste Schutz; Spott und heimliches Raunen der Schlechten solle man ignorieren. Er rät den Frauen, sich klug der „Huote“ zu entziehen, damit keine heimliche Liebe verraten werde. Sie sollten falsche Werber gar nicht erst anhören, denn schon das Zuhören gelte als halbe Zusage. Darum müssten sie sorgfältig wählen, wem sie Zuneigung schenken, um späte Reue zu vermeiden. Gegen Böse solle man Herz und Augen verschließen. Ein Schwächling habe von einer schönen Frau so wenig wie ein Blinder vom Licht. Wer eine Frau nur begehrt, um ihre Ehre zu rauben, liebe falsch; das Wertvollste an einer Frau sei ihre Ehre. Wahre Liebe hingegen sei nie Sünde und verdiene Lohn. Schließlich gesteht der Sprecher, dass er neben ihrer Ehre auch fürchtet, sie könne ihn selbst zugrunde richten.

C Bitte um Erhörung (630–640 [17–27]):

Der Sprecher richtet sich direkt an die Geliebte und bittet sie, ihn endlich zu trösten; sein Herz habe ihn selbst dann zur Werbung gedrängt, wenn sie zürnte. Er fleht erneut um Gnade und fragt, was ihr sein Sterben nützen solle. Verleumder, die Schlechtes über ihn erzählten, hätten wohl ihre eigenen Taten im Sinn. Er schwört, am Liebesleid zugrunde zu gehen, wenn sie ihren „Krieg“ gegen ihn nicht beende, denn solches Kämpfen stehe einer edlen Frau nicht an. Setze sie den Streit fort, werde auch er kämpfen; schließlich habe er nicht umsonst gelernt und Abenteuer gesucht. Dann nimmt er seine Drohung zurück: Die Minne mache ihn töricht und lasse ihn den Anstand verlieren. Er bittet um Nachsicht, da er nur dienen und durch Treue etwas erreichen wolle. Er hoffe, sie werde nach seinem Tod bereuen, ihn nicht erhört zu haben. Sollte all seine Beständigkeit vergeblich sein, möge sie ihm wenigstens erlauben, um ihretwillen allen Frauen zu dienen und ihren Lohn zu empfangen.

D Kalokagathia und minnebedingtes Schweigen (641–650 [28–37]):

Der Sprecher spricht wieder in der dritten Person über die Geliebte. Er diene vielen Frauen gern, doch ihr am meisten; sein Herz solle an ihrer Festigkeit lernen. Seine Klage wäre beendet, spräche sie nur ein Wort der Erhörung. Wäre sein Leid tödlich, so hätte ihn wenigstens eine schöne Frau getötet – doch bei solcher Schönheit müsse auch Güte sein. Ihre Rede und ihr Auftreten zeigten ihm, dass sie ein gutes Herz habe. Er verzweifle nur daran, nicht mit ihr sprechen zu dürfen; Schweigen mache ihn krank. Oft sei er vor ihr verstummt und errötet schon beim Klang ihres Namens. Könnte er heimlich mit ihr reden, müsste sie sich verhüllen, damit er nicht alle Sinne verliere. Trotz seines Leids wolle er sie immer loben, auch wenn er ihre Härte nicht verstehe. Er wundert sich, wie er innerlich so leiden und äußerlich fröhlich erscheinen könne. Nur die Güte einer Frau schenke „hohen muot“, und den finde man nur bei den Besten. Er hoffe auf eine süße Vereinigung, habe bisher aber nur ihre Schönheit schauen dürfen. Lange habe er überlegt, wie seine Geliebte sein solle – nun habe er die Vollkommene gefunden. Alle priesen ihre Schönheit; wer ihr Lachen sehe, sei gesegnet. Er versichert seine Treue und nennt als einzigen Makel, dass sie ihm so wehtue. Ihre Tugenden hätten ihn völlig gefangen; sie solle ihn endlich erhören. Es folgt ein allgemeines Lob der Frauen und der Minne: Liebe sei süßer Schmerz und wahre Seligkeit; ohne sie könne kein Herz froh werden. Wer unbewacht bei der Geliebten liege, sei glücklich, auch wenn das Morgenscheiden schmerze. Eine Frau in rechter Liebe sei der größte Schatz der Welt; Frauen veredelten Männer und seien das höchste Gut auf Erden. Eine schöne, keusche, gütige Frau gleiche einem Engel. Gott habe die Frau besonders ausgezeichnet. Der Sprecher fragt sein Herz, was Minne sei, und erkennt, dass sein Leid keine Gegenseitigkeit findet. Die Minne habe all seine Sinne an die Dame gebunden und wohne nun selbst in ihm. Dennoch solle man ihr nicht entfliehen, denn beständige Liebe werde belohnt. Schon ein Lachen der Geliebten mache selig; ein Kuss oder eine Umarmung müssten überwältigende Freude schenken. Die Freude an Frauen sei unausschöpflich. Zum Schluss kehrt er zu seiner eigenen Liebe zurück: Ob sie ihn erhöre, sei ungewiss; er habe ihr sein Leben gegeben und dafür Kummer empfangen. Er wolle sich trennen, könne es aber nicht, da sein Herz immer zu ihr zurückblicke. Sie habe Macht über all seine Stimmungen, aber nicht darüber, dass er von ihr ließe. Einen anderen Dienst zu wählen, wäre töricht; er bleibe ihr treu. Er wünscht ihr himmlische Freude, bittet Gott, ihre Ehre zu schützen, und hofft, dass seine Treue belohnt werde. Die letzte Strophe besteht aus lauter Epitheta der Dame und bildet rückwärts gelesen das Akrostichon KATHERINA.

(Ausführliche Inhaltsbeschreibung bei Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 46-50)