Geisterkirche (Erzählstoff): Unterschied zwischen den Versionen
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| namen = Die Geisterkirche; Die Totenkirche; Gottesdienst der Toten, Toten- oder Geistermette; Nächtliche Messe der Toten; Engelamt | | namen = Die Geisterkirche; Die Totenkirche; Gottesdienst der Toten, Toten- oder Geistermette; Nächtliche Messe der Toten; Engelamt | ||
| regest = ''' | | regest = '''Redaktion 1:''' Ein Bürger bringt am Weihnachtsabend Weizen zur Mühle. Auf dem Heimweg kommt er bei einer Kirche vorbei, in der Mitternachtsmette gehalten werden soll. In ihr singen schon vor der Zeit der Mette Verstorbene "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott". Er setzt sich zu seinem vor kurzem verstorbenen Gevatter und singt mit. Der Gevatter gibt ihm einen Wink, und der Bürger verlässt die Kirche, die hinter ihm mit einem Knall verschwindet.<br />Signifikant für diese Fassung ist der Höreindruck der Predigt bzw. des Kirchengesangs. | ||
''' | '''Redaktion 2:''' Eine Frau geht am Weihnachtsabend um Mitternacht in die Kirche, ohne sich der Uhrzeit bewusst zu sein. Ein fremder Pfarrer predigt, sie erkennt unter der Gemeinde kürzlich Verstorbene. Ihre verstorbene Gevatterin empfiehlt ihr, direkt bei der Wandlung zu fliehen. Sie verlässt die Kirche bei der Wandlung, hinter ihr prasselt es, und die Toten verfolgen sie und reißen ihr ihren Mantel weg. Sie findet das Stadttor noch verschlossen und erkennt, dass ihr zuvor ein böser Geist durch das Tor geholfen hat. Man findet am Morgen ihren Mantel zerrissen auf dem Friedhof: Auf jedem Grabstein liegt ein Fetzen.<br/>Signifikant für diese Version ist das Zurücklassen eines Kleidungsstücks, das in Fetzen gerissen wird. | ||
| fassungen = ''' | | fassungen ='''Lateinische Versionen:''' | ||
*De cimitirio Agustidunensis urbis (vor 594). In: Gregor von Tours: Libri octo miraculorum. Buch 8: Liber in gloria confessorum, Kapitel 72 | *De cimitirio Agustidunensis urbis (vor 594). In: Gregor von Tours: Libri octo miraculorum. Buch 8: Liber in gloria confessorum, Kapitel 72 | ||
*[Von der Wiederauferstehung der Toten] (1012-1018). In: Thietmar von Merseburg: Chronicon. Buch 1, Kapitel 7 | *[Von der Wiederauferstehung der Toten] (1012-1018). In: Thietmar von Merseburg: Chronicon. Buch 1, Kapitel 7 | ||
*[Totenmesse in Deventer] (Mitte 12. Jhd.). In: Annalista Saxo: Chronik, Jahr 929 | *[Totenmesse in Deventer] (Mitte 12. Jhd.). In: Annalista Saxo: Chronik, Jahr 929 | ||
'''Redaktion 1:''' | |||
*[Geist predigt auf der Kanzel anderen Geistern] (vor 1566). In: [[Chronik (Froben Christoph von Zimmern)]], Ausgabe [[Barack, Karl August (Hg.): Zimmerische Chronik]], 2. Aufl. Band 4, S. 113f. | *[Geist predigt auf der Kanzel anderen Geistern] (vor 1566). In: [[Chronik (Froben Christoph von Zimmern)]], Ausgabe [[Barack, Karl August (Hg.): Zimmerische Chronik]], 2. Aufl. Band 4, S. 113f. | ||
*Geisterkirche (1838). In: [[Baader, Bernhard: Teutsche Volkssagen]], S. 53 | *Geisterkirche (1838). In: [[Baader, Bernhard: Teutsche Volkssagen]], S. 53 | ||
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*Der Bittgottesdienst der Toten (1951). In: Kaupert, Max: Forchheimer Heimat. Bamberg 1951; Frank, Alfred: Sagen zur Mittwinterzeit, 1978 [muss noch abgeklärt werden]; abgedruckt in [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 276 | *Der Bittgottesdienst der Toten (1951). In: Kaupert, Max: Forchheimer Heimat. Bamberg 1951; Frank, Alfred: Sagen zur Mittwinterzeit, 1978 [muss noch abgeklärt werden]; abgedruckt in [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 276 | ||
''' | '''Redaktion 2:''' | ||
*Geisterkirche (1596). In: [[Widmann, Enoch: Chronik der Stadt Hof]], Edition: [[Rösler, Maria (Hrsg): Enoch Widman]], S. 292f. | *Geisterkirche (1596). In: [[Widmann, Enoch: Chronik der Stadt Hof]], Edition: [[Rösler, Maria (Hrsg): Enoch Widman]], S. 292f. | ||
*Geister-Kirche (1816). In: [[Grimm, Jakob/Grimm, Wilhelm: Deutsche Sagen]], Band 1, Nr. 175, S. 254-257 | *Geister-Kirche (1816). In: [[Grimm, Jakob/Grimm, Wilhelm: Deutsche Sagen]], Band 1, Nr. 175, S. 254-257 | ||
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*Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof. Vogel, Wilhelmine: Heimat und Volkskunde, Beilage zur Bayerischen Rundschau, Nr. 4, 16. März 1927/Nr. 12, 16. August 1928, abgedruckt in [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 30f. | *Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof. Vogel, Wilhelmine: Heimat und Volkskunde, Beilage zur Bayerischen Rundschau, Nr. 4, 16. März 1927/Nr. 12, 16. August 1928, abgedruckt in [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 30f. | ||
''' | '''Mischredaktion:''' | ||
*Gottesdienst der Toten (1845). In: [[Müllenhoff, Karl: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig Holstein und Lauenburg]], Nr. 233, S. 170 | *Gottesdienst der Toten (1845). In: [[Müllenhoff, Karl: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig Holstein und Lauenburg]], Nr. 233, S. 170 | ||
*Die Totenmette (1988). In: [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 131 | *Die Totenmette (1988). In: [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 131 | ||
| forschung = [[Bolte, Johannes: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm]], Band 3, Nr. 208, S. 472-474; [[Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker]], S. 584-602; [[Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest]]; [[Petsch, Robert: Märchen und Sage, Lied und Epos]], S. 180f.; [[Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg]], §46: Die versunkenen und verwunschenen Kirchen (S. 151-154); [[Sepp, Johann Nepomuk: Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod]], Kap. 50, S. 162-164 | | forschung = [[Bolte, Johannes: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm]], Band 3, Nr. 208, S. 472-474; [[Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker]], S. 584-602; [[Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest]]; [[Petsch, Robert: Märchen und Sage, Lied und Epos]], S. 180f.; [[Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg]], §46: Die versunkenen und verwunschenen Kirchen (S. 151-154); [[Sepp, Johann Nepomuk: Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod]], Kap. 50, S. 162-164 | ||
}} | }} | ||
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==Lateinische Versionen== | |||
{| class="wikitable" | |||
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| style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |De cimitirio Agustidunensis urbis (Gregor von Tours)<ref>Als Regest zusammengefasst in [[Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker]], Nr. 906, S. 586.</ref> | |||
| style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |[Von der Wiederauferstehung der Toten] (Tietmar von Merseburg)<ref>Als Regest zusammengefasst in [[Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker]], Nr. 907, S. 586f.</ref> | |||
| style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |[Totenmesse in Deventer] (Annalista Saxo) | |||
| style="white-space: pre; vertical-align:top;" |VIII libri miraculorum, vor 594<ref>Text nach [http://www.domus-ecclesiae.de/historica/gregorius-turonensis/gregorius-turonensis.miracula.07.html].</ref> | |||
| style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Chronicon, 1012-1018 | |||
| style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Chronik, Mitte 12. Jhd. | |||
| style="vertical-align:top;" |Cimiterium igitur apud Agustidunensim urbem Gallica lingua vocitavit, eo quod ibi fuerint multorum hominum cadavera funerata; inter qua quod sint quorundam fidelium dignarumque Deo animarum sepulchra, frequens occulti psallentii mysterium docet, cum plerumque multis apparent, in ipso vocum praeconio reddentes omnipotenti Deo gratiarum debitam actionem. Nam audivi, quod duo ex incolis loci, dum loca sancta orandi gratia circuire disponerent, audiunt in basilica sancti Stephani, quae huic coniungitur cimitirio, psallentium sonum. Admirantesque dulcedinem modoli, adpropinquant ad ostium templi, autumantes, a quibusdam religiosis vigilias celebrari. Ingredientes autem et orationi diutissime incumbentes, consurgunt, psallentii chorum conspiciunt, nihilque lucere per templum, nisi propria claritate cuncta prospiciunt splendere; de personis vero nullum prorsus agnoscunt. Denique attoniti, stupore perculsi, unus de psallentibus accedit ad eos, dicens: «Exsecrabilem rem fecistis, ut nobis arcana orationum Deo reddentibus adesse praesumeretis. Discedite ergo et a domibus vestris [non] abscedite, alioquin [velociter] ab hoc mundo migrabitis». Ex quibus unus discedens abiit, alter vero, qui in loco remansit, post [non] multos dies a saeculo conmigravit.<ref>Übertragung durch Johann Wilhelm Wolf in Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 4 (1859), S. 80f.<br />In der stadt Autun liegt bei der kirche des heil. Stephan ein friedhof; in dessen nähe hörte man ehedem häufig des nachts stimmen, die psalmen sangen. So geschah [81] es unter andern, daß zwei fromme bürger beschlossen, in der stille der nacht die kirchen und heiligen stätten zu besuchen und daselbst ihre andacht zu verrichten. als sie in die nähe von sankt Stephan kamen, vernahmen sie plötzlich wunderseltsame sänge und harmonien; sie waren gar erfreut darob, gingen in die kirche und setzten sch da in ein eckchen, wo sie lange eifrig beteten. als sie sich erhoben, sahen sie die kirche voll ihnen unbekannter personen, die sangen; was sie aber wunderte, war, daß keine kerze oder ander licht brannte, und es doch ganz hell war, und als sie genauer zuschauten, merkten sie, daß diese klarheit von den singenden personen ausging. in erstaunen versunken standen sie da, als sie einen aus der versammlung auf sich zukommen sahen, und der sprach zu ihnen: 'ihr habt unrecht, uns in unsern heimlichen gebeten zu stören; gehet alsbald weg und entfernet euch, anders müsset ihr sterben.' der eine von den bürgern ließ sich das nicht zweimal sagen und lief, so schnell er konnte, weg; der andere aber war hartnäckig und blieb, aber er mußte es büßen, denn nicht lange nachher starb er.</ref> | |||
| style="vertical-align:top;" |Ut nullus Christo fidelium de futura mortuorum resurreccione diffidat, sed ad beatae immortalitatis gaudia anhelanter per sancta proficiscatur desideria, quaedam, quae in urbe Wallislevo post excidium [fol. 5'] ejusdem reedificata accidisse veraciter comperi, intimabo. In ipso orientis diei crepusculo solitus erat presbiter ejusdem ecclesiae matutinam canere. Sed cum ad atrium defunctorum veniret videns in eo magnam multitudinem oblationes offerentem sacerdoti coram templi foribus stanti, primo substitit, posteaque signo sanctae crucis se muniens, per omnes hos, nec uno saltem agnito, oratorium trepidus adiit. Quem una noviter de hoc seculo egressa et sibi bene nota, quid hic vellet, interrogat; edoctaque ab eo, quare venerit, haec omnia ab his esse completa, parvumque temporis eundem victurum predixit. Quod vicinis post retulit, veraque haec esse comprobavit. Meis temporibus in Magadaburg – sicut a veracibus accepi testibus, in ipsa tunc continue manens – in aecclesia mercatorum custodes, eadem nocte vigilantes, his quae predixi convenientia visu et auditu percipientes, optimos civitatis adducunt. Qui cum longe ab atrio cadaverum adstarent, lucernas candelabris superpositas videre, duosque invitatorium canere matutinasque laudes ordinatim omnes persolvere pariter audiere; accedentes autem nihil omnino intellexere. Hoc ego cum subsequenti die nepti meae, quae Brigida [fol. 6] dicebatur, cura regens pastorali monasterium sancti Laurentii, referrem, in infirmitate sui corporis laboranti, protinus ab ea, nequaquam hoc miranti, tale percepi responsum: Tempore Baldrici presulis, qui octoginta annos vel plus Trajectensem regebat sedem, in loco, qui Deventeri dicitur, ecclesiam senio dirutam renovans benedixit ac presbitero suimet commendavit. Qui in una dierum valde diluculo ad eam pergens, vidit mortuos in ecclesia et atrio offerentes, atque audivit cantantes. Quod mox episcopo ut primum is retulit, jussus ab eo in ecclesia dormire, cum lecto, quo requievit, sequenti nocte a defunctis ejectus est. Ob hoc idem trepidus apud antistitem talia queritur. Is autem precipit ei ut cum sanctorum reliquiis signatus, aqua sancta aspersus, suam custodire non desisteret ecclesiam. Qui jussa secutus domini iterum dormire in ecclesia voluit; sed stimulati timoris casu sic jacendo evigilavit. Et ecce solita venientes hora, elevaverunt eum, coram altari eum ponentes, et in favillas tenus corpus igne resolventes. Hoc ubi presul audivit, penitentia ductus triduanum indixit jejunium, ut et sibi animaeque defuncti succurreret. Multa, fili, de his omnibus, [fol. 6'] ni infirmitas obstaret, dicere potuissem. Ut dies vivis, sic nox est concessa defunctis. Non oportet plus sapere mortalem, quam, ut sanctus ammonet Paulus, ad sobrietatem (Rom. XII, 3). Sed quia duo vel tres ad unum sufficiunt testimonium, haec quae novellis nostris evenere temporibus scripsi, ut discat incredulus vera esse prophetarum oracula, e quibus testatur unus: Vivent, inquiens, mortui tui, Domine! (Isa XXVI, 19) et alius: Surgent mortui, qui in monumentis sunt, audient vocem Filii Dei et laetentur (Joan. V, 28). Quandocumque a viventibus haec audiuntur vel videntur, novum aliquid signat, ut idoneum in multis approbat testimonium, cujus magnam partem scio, majorem autem ignoro, sed veracibus testimoniis credo.<ref>Text nach [https://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost11/Thietmar/thi_chr1.html Bibliotheca Augustana]. Übersetzung von M. Laurent ([https://de.wikisource.org/wiki/Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg Ders.: Die Chronik des Theitmar von Merseburg. Leipzig 1879], S. 12-14):<br />Auf daß keiner der Gläubigen Christi an der künftigen Wiederauferstehung der Todten zweifle, sondern in heiliger Sehnsucht trachte nach den Freuden seliger Unsterblichkeit, will ich einen Vorfall anführen, der sich, wie ich zuverlässig erfahren habe, in der nach der Zerstörung wieder erbauten Burg Wallislevo in Wahrheit zugetragen hat. Der Priester der dortigen Kirche pflegte beim Anbruch des Tages in der Morgendämmerung die Frühmesse zu [13] lesen. Als er nun einstmals auf den Kirchhof kam, sah er auf demselben eine große Schaar, welche einem Priester, der vor der Thür des Gotteshauses stand, Opfergaben darbrachte. Staunend blieb er zuerst stehen, dann aber verwahrte er sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und ging angsterfüllt durch sie alle hindurch auf die Sakristei zu, ohne auch nur Einen zu erkennen. Da fragte ihn eine Jüngstverstorbene, die ihm wohlbekannt war, was er hier wolle? und als sie erfuhr, weshalb er hergekommen sei, sagte sie, das alles hätten sie schon verrichtet, und verkündete ihm dabei, daß er selbst nicht lange mehr leben werde. Dies erzählte er darauf seinen Nachbarn, und bewies hinterher die Wahrheit desselben. Zu meiner Zeit sahen und hörten in Magadaburg (wie ich dort, wo ich mich damals aufhielt, von zuverlässigen Augenzeugen selbst gehört habe) in der Kirche Wächter der Kaufleute, die in der Nacht zusammen wachten, ähnliches wie das Ebenerzählte, und holten die angesehensten Bürger herbei. Diese sahen, von ferne auf dem Kirchhofe stehend, Lichter auf den Leuchtern aufgesteckt, und hörten, wie zwei den Einladungspsalm 95 anstimmten und zugleich alle den Morgen-Lobgesang ordentlich hersangen; als sie aber näher gingen, konnten sie durchaus nichts entdecken. Als ich dies am nächsten Tage der Tochter meines Vaterbruders, Brigida, der Aebtissin des St. Laurentius-Klosters, die damals krank darnieder lag, erzählte, wunderte sie sich darüber gar nicht, und erzählte mir sogleich folgendes: „Zur Zeit des Bischofs Baldrich, der 80 Jahre oder darüber den Sitz zu Utrecht inne hatte, war die Kirche eines Ortes, Namens Deventeri[9], durch die Zeit zerstört; diese ließ Baldrich neu erbauen, weihete sie ein und übergab sie einem seiner Priester. Als dieser nun eines Morgens ganz früh in der Dämmerung nach der Kirche hinging, sah er die Todten in der Kirche und auf dem Kirchhofe Opfer bringen und hörte sie singen. Dies erzählte er dem Bischofe, und dieser befahl [14] ihm, sofort in der Kirche zu schlafen. Da aber ward er in der nächsten Nacht sammt dem Bette, in dem er schlief, von den Todten aus der Kirche geworfen. Dies klagte er wieder voll Schrecken seinem Vorgesetzten. Der aber befahl ihm, er solle, geschützt durch Reliquien der Heiligen und mit Weihwasser besprengt, nicht ablassen, die Wache in seiner Kirche zu halten. Er nun befolgte diesen Befehl und wollte wiederum in der Kirche schlafen; allein von Angst gequält, wachte er auf. Und siehe! da kamen sie zur gewöhnlichen Stunde, hoben ihn auf, setzten ihn dem Altar gegenüber nieder und verbrannten seinen Körper zu Asche. Als dieses der Bischof hörte, ordnete er ein dreitägiges Fasten an, zum Heile seiner und des Verstorbenen Seele. Von allem diesen könnte ich vieles sagen, mein Sohn, wenn meine Körperschwäche mich nicht hinderte. Wie den Lebendigen der Tag, so gehört den Todten die Nacht. Denn der Sterbliche darf nicht klüger sein wollen, denn daß er, wie St. Paulus [Röm. 12, 3] ermahnt, mäßiglich von sich halte.“ Weil aber zwei oder drei zu einem Zeugniß genügen, so habe ich die Vorfälle dieser unserer Tage aufgezeichnet, auf daß der Ungläubige die Wahrheit der Weissagungen der Propheten erfahre, deren einer [Jesaias 26, 19] bezeugt: „Deine Todten werden leben;“ und ein anderer: „Auferstehen werden die Todten, die in den Gräbern sind, sie werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und frohlocken.“ So oft Lebende dergleichen hören oder sehen, so bedeutet es immer etwas ungewöhnliches, wie dieses unter vielen andern ein Vorfall genügend beweist, den ich zum Theil aus eigener Erfahrung kenne, zum größeren Theil aber, insofern er mir persönlich unbekannt ist, wahrhaften Zeugen glaube.</ref> | |||
| style="vertical-align:top;" |Tempore quoque Balderici presulis, qui 80 annos vel plures Traiecti tenuit sedem, in loco qui Deventere dicitus eclesiam senio dirutam renovans, benedixit ac suo presbitero commendavit. Qui una dierum valde diluculo ad eam pergens, vidit mortuos in eclesia offerentes et cantantes audivit; quod episcopo conquerenti precepit episcopus, ut cum danctorum reliquiis signatus et aqua benedicta aspersus, suam custodire eclesiam non desisteret. Iussus ergo dormire in eclesia voluit, sed pre metu vigilans iacuit, et ecce solita hora venientes elevaverunt eum, coram altari ponentes, et igne corpus in favillam tenuem resolventes. Hoc presul audiens, penitentia ductus indixit ieiunium, ut sibi et anime defuncti succurreret. Ut dies vivis, sic nox putatur concessa defunctis. Valent hec contra Slavos et stultos malioquos, qui cum morte temporali putant omnia finiri. Astruunt enim ista, futuram esse mortuorum resurrectionem et operum retributionem, quamvis et in presenti vita retributio boni vel mali operis quandoque non dormitet.<ref>Text nach Pertz, Georg Heinrich u.a. (Hg.): Scriptores (in Folio) 6: Chronica et annales aevi Salici. Hannover 1844, S. 542–777, hier S. 597. Automatisierte Übersetzung (google):<br />Während der Zeit von Bischof Balderic, der den Sitz in Trajectum 80 Jahre oder länger in einem Ort namens Deventer innehatte, um die verfallene Kirche zu erneuern, segnete er sie und vertraute sie seinem Priester an. Eines Tages, sehr früh am Morgen, als er dorthin ging, sah er die Toten in der Kirche opfern und hörte sie singen; Als der Bischof sich darüber beklagte, befahl er, dass er, mit den Reliquien der Heiligen gekennzeichnet und mit Weihwasser besprengt, nicht aufhören solle, seine Kirche zu bewachen. Darum wollte er in der Kirche schlafen, aber aus Furcht lag er wach, und siehe, zur gewöhnlichen Stunde kamen sie und hoben ihn auf, legten ihn vor den Altar und lösten seinen Leib mit Feuer in feine Asche auf. Als der Bischof dies hörte, rief er, von Reue beseelt, das Fasten aus, um sich selbst und der Seele des Verstorbenen zu helfen. Wie der Tag für die Lebenden da ist, so glaubt man, dass die Nacht den Toten gewährt ist. Das ist stark gegen die Slawen und törichten Übeltäter, die glauben, dass mit dem zeitlichen Tod alles ein Ende hat. Denn sie behaupten, dass es eine Auferstehung der Toten und eine Vergeltung für Taten geben wird, obwohl auch in diesem Leben die Vergeltung für gute oder böse Taten manchmal nicht schläft.</ref> | |||
==Synopse der Fassungen der | ==Synopse der Fassungen der Redaktion 1== | ||
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| style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |[Geist predigt auf der Kanzel anderen Geisten] (Froben Christoph von Zimmern)<ref>Leicht gekürzt und modernisiert wiedergegeben unter dem gleichen (hier rückübertragenen) Titel in: [[Bader, Joseph: Badisches Sagenbuch]], S. 210f.</ref> | | style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |[Geist predigt auf der Kanzel anderen Geisten] (Froben Christoph von Zimmern)<ref>Leicht gekürzt und modernisiert wiedergegeben unter dem gleichen (hier rückübertragenen) Titel in: [[Bader, Joseph: Badisches Sagenbuch]], S. 210f.</ref> | ||
| style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |Geisterkirche (Baader)<ref>Fast identisch nochmals in [[Baader, Bernhard: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden]], Karlsruhe 1851, Nr. 446, S. 385f.; fast identisch unter dem Titel "Die Totenmette zu Karlstadt" wiedergegeben in [[Reidelbach, Hans: Die frommen Sagen und Legenden des Königreichs Bayern]], S. 180f.</ref> | | style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |Geisterkirche (Baader)<ref>Fast identisch nochmals in [[Baader, Bernhard: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden]], Karlsruhe 1851, Nr. 446, S. 385f.; fast identisch unter dem Titel "Die Totenmette zu Karlstadt" wiedergegeben in [[Reidelbach, Hans: Die frommen Sagen und Legenden des Königreichs Bayern]], S. 180f.</ref> | ||
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| style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |Der Bittgottesdienst der Toten (Kaupert) | | style="border-width: 1px 1px 5px 1px" |Der Bittgottesdienst der Toten (Kaupert) | ||
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| style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Zimmerische Chronik, 1566 | | style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Zimmerische Chronik, 1566 | ||
| style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Teutsche Volkssagen, 1838 | | style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Teutsche Volkssagen, 1838 | ||
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| style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Oberfränkischer Sagenschatz, 1988 [1951] | | style="white-space: pre; vertical-align:top;" |Oberfränkischer Sagenschatz, 1988 [1951] | ||
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| style="vertical-align:top;" |Und gleich im hernach volgenden winter [1562/1563] hat sich ein wunderbarliche sach zu Mösskirch in sant Martins pfarrkirchen zutragen. Der tag aber, uf den solichs beschehen, ist gleichwol in vergess kommen. Und wie dann zu Mösskirch gepreuchlich, das man alle tag des morgens früe, bevorab winters zeiten, bei eitel nacht die metin singt, also ist uf ein zeit der alt messner, Hanns Schlamp, mit sampt dem eltesten caplan, herr Jacob Drehern, in die kirchen gangen, der ain die mettin zu leuten, der ander aber seine horas bei s. Martins liechter zu betten. Wie nun der messner ufgeschlossen und darauf baid hinein gangen, haben sie (dann es hell in der kirchen von wegen der prinenden ampln gewesen) ein mansperson in weisem beclaidt uf der canzl und etlich leut hieunden in der kirchen gesehen, die auch all in weisen claidern gesessen, wie man in der predig pfligt zu sitzen. Darbei haben sie den man uf der canzl ganz dussem<ref>Hier in der Bedeutung von matt, schwach, verhalten, vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=D17142 Grimm, Art. Dusem]</ref> gehört. Aber so baldt sie für die thür in die kirchen kommen, ist es alles eins mals gleich verschwunden, und nit anders gewest, als ob es nur ain traum. Solchs gewisslich also beschehen, dann der caplon und der messner ehrenleut gewest, darfür sie allwegen gehalten worden. Solchs hat sich nit allain zu Mösskirch begeben, sonder auch es ist bei zwaien jaren darfor zu Stockach in der pfarrkirchen auch fürgangen. Also auch haben die scharwächter zu Zürich bei gar wenig jaren einsmals umb mitternacht ein herrlich ampt hören im Frawenmünster singen, als sie bedeucht hat, mit orgln und andern saitenspillen, und haben [114] gesehen, das die kirch hell und voller angezünter liechter gewest, gleichwol die kirch beschlossen und sonst aller öde gestanden. Als sie des morgens der obrigkait fürbracht, ist inen stillschweigen uferlegt worden. Wer aber dise predicanten und ire zuhörer, auch die, so das ampt im Frawenmünster zu Zürich also gesungen, das waist der allmechtig, dem nichts verborgen, und gemanet mich fast an ein handlung, die sich under dem schloß Eberstain bei meinen zeiten zutragen hat. | | style="vertical-align:top;" |Und gleich im hernach volgenden winter [1562/1563] hat sich ein wunderbarliche sach zu Mösskirch in sant Martins pfarrkirchen zutragen. Der tag aber, uf den solichs beschehen, ist gleichwol in vergess kommen. Und wie dann zu Mösskirch gepreuchlich, das man alle tag des morgens früe, bevorab winters zeiten, bei eitel nacht die metin singt, also ist uf ein zeit der alt messner, Hanns Schlamp, mit sampt dem eltesten caplan, herr Jacob Drehern, in die kirchen gangen, der ain die mettin zu leuten, der ander aber seine horas bei s. Martins liechter zu betten. Wie nun der messner ufgeschlossen und darauf baid hinein gangen, haben sie (dann es hell in der kirchen von wegen der prinenden ampln gewesen) ein mansperson in weisem beclaidt uf der canzl und etlich leut hieunden in der kirchen gesehen, die auch all in weisen claidern gesessen, wie man in der predig pfligt zu sitzen. Darbei haben sie den man uf der canzl ganz dussem<ref>Hier in der Bedeutung von matt, schwach, verhalten, vgl. [www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=D17142 Grimm, Art. Dusem]</ref> gehört. Aber so baldt sie für die thür in die kirchen kommen, ist es alles eins mals gleich verschwunden, und nit anders gewest, als ob es nur ain traum. Solchs gewisslich also beschehen, dann der caplon und der messner ehrenleut gewest, darfür sie allwegen gehalten worden. Solchs hat sich nit allain zu Mösskirch begeben, sonder auch es ist bei zwaien jaren darfor zu Stockach in der pfarrkirchen auch fürgangen. Also auch haben die scharwächter zu Zürich bei gar wenig jaren einsmals umb mitternacht ein herrlich ampt hören im Frawenmünster singen, als sie bedeucht hat, mit orgln und andern saitenspillen, und haben [114] gesehen, das die kirch hell und voller angezünter liechter gewest, gleichwol die kirch beschlossen und sonst aller öde gestanden. Als sie des morgens der obrigkait fürbracht, ist inen stillschweigen uferlegt worden. Wer aber dise predicanten und ire zuhörer, auch die, so das ampt im Frawenmünster zu Zürich also gesungen, das waist der allmechtig, dem nichts verborgen, und gemanet mich fast an ein handlung, die sich under dem schloß Eberstain bei meinen zeiten zutragen hat. | ||
| style="vertical-align:top;" |Zu Karlstadt am Main geschah es, daß eine fromme Magd in einer Adventsnacht erwachte und läuten hörte. In der Meinung, es sei Zeit ins Rorate, zog sie sich an und gieng nach der Kapuzinerkirche. Unterwegs noch vernahm die das Geläute; als sie an die Kirche kam, wurde darin zur Orgel gesungen, und die Fenster waren hell erleuchtet. Sie gieng durch die offene Thür hinein, es war am ersten Segen und sie kniete schnell in einen Stuhl. Später fiel es ihr auf, daß andere Lieder, als die gewöhnlichen gesungen wurden; sie schaute umher, erkannte in dem Priester und mehreren Andern Verstorbene aus dem Orte und merkte nun, daß sie unter lauter solchen sich befinde. Voll Schrecken floh sie aus der Kirche, und kaum war sie vor der Thüre, so schlug es Mitternacht. Da mit einem Mal verstummte in der Kirche Gesang und Orgel, die Lichter erloschen, und ein Windstoß warf die Thüre zu. | | style="vertical-align:top;" |Zu Karlstadt am Main geschah es, daß eine fromme Magd in einer Adventsnacht erwachte und läuten hörte. In der Meinung, es sei Zeit ins Rorate, zog sie sich an und gieng nach der Kapuzinerkirche. Unterwegs noch vernahm die das Geläute; als sie an die Kirche kam, wurde darin zur Orgel gesungen, und die Fenster waren hell erleuchtet. Sie gieng durch die offene Thür hinein, es war am ersten Segen und sie kniete schnell in einen Stuhl. Später fiel es ihr auf, daß andere Lieder, als die gewöhnlichen gesungen wurden; sie schaute umher, erkannte in dem Priester und mehreren Andern Verstorbene aus dem Orte und merkte nun, daß sie unter lauter solchen sich befinde. Voll Schrecken floh sie aus der Kirche, und kaum war sie vor der Thüre, so schlug es Mitternacht. Da mit einem Mal verstummte in der Kirche Gesang und Orgel, die Lichter erloschen, und ein Windstoß warf die Thüre zu. |
Version vom 28. Februar 2025, 12:17 Uhr
Die Geisterkirche; Die Totenkirche; Gottesdienst der Toten, Toten- oder Geistermette; Nächtliche Messe der Toten; Engelamt (Erzählstoff) | |
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Regest | Redaktion 1: Ein Bürger bringt am Weihnachtsabend Weizen zur Mühle. Auf dem Heimweg kommt er bei einer Kirche vorbei, in der Mitternachtsmette gehalten werden soll. In ihr singen schon vor der Zeit der Mette Verstorbene "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott". Er setzt sich zu seinem vor kurzem verstorbenen Gevatter und singt mit. Der Gevatter gibt ihm einen Wink, und der Bürger verlässt die Kirche, die hinter ihm mit einem Knall verschwindet. Signifikant für diese Fassung ist der Höreindruck der Predigt bzw. des Kirchengesangs. Redaktion 2: Eine Frau geht am Weihnachtsabend um Mitternacht in die Kirche, ohne sich der Uhrzeit bewusst zu sein. Ein fremder Pfarrer predigt, sie erkennt unter der Gemeinde kürzlich Verstorbene. Ihre verstorbene Gevatterin empfiehlt ihr, direkt bei der Wandlung zu fliehen. Sie verlässt die Kirche bei der Wandlung, hinter ihr prasselt es, und die Toten verfolgen sie und reißen ihr ihren Mantel weg. Sie findet das Stadttor noch verschlossen und erkennt, dass ihr zuvor ein böser Geist durch das Tor geholfen hat. Man findet am Morgen ihren Mantel zerrissen auf dem Friedhof: Auf jedem Grabstein liegt ein Fetzen. |
Fassungen | Lateinische Versionen:
Redaktion 1:
Redaktion 2:
Mischredaktion:
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Forschung (s.a. unter Fassungen) |
Bolte, Johannes: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Band 3, Nr. 208, S. 472-474; Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker, S. 584-602; Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest; Petsch, Robert: Märchen und Sage, Lied und Epos, S. 180f.; Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg, §46: Die versunkenen und verwunschenen Kirchen (S. 151-154); Sepp, Johann Nepomuk: Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod, Kap. 50, S. 162-164 |
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Lateinische Versionen
De cimitirio Agustidunensis urbis (Gregor von Tours)[1] | [Von der Wiederauferstehung der Toten] (Tietmar von Merseburg)[2] | [Totenmesse in Deventer] (Annalista Saxo) | VIII libri miraculorum, vor 594[3] | Chronicon, 1012-1018 | Chronik, Mitte 12. Jhd. | Cimiterium igitur apud Agustidunensim urbem Gallica lingua vocitavit, eo quod ibi fuerint multorum hominum cadavera funerata; inter qua quod sint quorundam fidelium dignarumque Deo animarum sepulchra, frequens occulti psallentii mysterium docet, cum plerumque multis apparent, in ipso vocum praeconio reddentes omnipotenti Deo gratiarum debitam actionem. Nam audivi, quod duo ex incolis loci, dum loca sancta orandi gratia circuire disponerent, audiunt in basilica sancti Stephani, quae huic coniungitur cimitirio, psallentium sonum. Admirantesque dulcedinem modoli, adpropinquant ad ostium templi, autumantes, a quibusdam religiosis vigilias celebrari. Ingredientes autem et orationi diutissime incumbentes, consurgunt, psallentii chorum conspiciunt, nihilque lucere per templum, nisi propria claritate cuncta prospiciunt splendere; de personis vero nullum prorsus agnoscunt. Denique attoniti, stupore perculsi, unus de psallentibus accedit ad eos, dicens: «Exsecrabilem rem fecistis, ut nobis arcana orationum Deo reddentibus adesse praesumeretis. Discedite ergo et a domibus vestris [non] abscedite, alioquin [velociter] ab hoc mundo migrabitis». Ex quibus unus discedens abiit, alter vero, qui in loco remansit, post [non] multos dies a saeculo conmigravit.[4] | Ut nullus Christo fidelium de futura mortuorum resurreccione diffidat, sed ad beatae immortalitatis gaudia anhelanter per sancta proficiscatur desideria, quaedam, quae in urbe Wallislevo post excidium [fol. 5'] ejusdem reedificata accidisse veraciter comperi, intimabo. In ipso orientis diei crepusculo solitus erat presbiter ejusdem ecclesiae matutinam canere. Sed cum ad atrium defunctorum veniret videns in eo magnam multitudinem oblationes offerentem sacerdoti coram templi foribus stanti, primo substitit, posteaque signo sanctae crucis se muniens, per omnes hos, nec uno saltem agnito, oratorium trepidus adiit. Quem una noviter de hoc seculo egressa et sibi bene nota, quid hic vellet, interrogat; edoctaque ab eo, quare venerit, haec omnia ab his esse completa, parvumque temporis eundem victurum predixit. Quod vicinis post retulit, veraque haec esse comprobavit. Meis temporibus in Magadaburg – sicut a veracibus accepi testibus, in ipsa tunc continue manens – in aecclesia mercatorum custodes, eadem nocte vigilantes, his quae predixi convenientia visu et auditu percipientes, optimos civitatis adducunt. Qui cum longe ab atrio cadaverum adstarent, lucernas candelabris superpositas videre, duosque invitatorium canere matutinasque laudes ordinatim omnes persolvere pariter audiere; accedentes autem nihil omnino intellexere. Hoc ego cum subsequenti die nepti meae, quae Brigida [fol. 6] dicebatur, cura regens pastorali monasterium sancti Laurentii, referrem, in infirmitate sui corporis laboranti, protinus ab ea, nequaquam hoc miranti, tale percepi responsum: Tempore Baldrici presulis, qui octoginta annos vel plus Trajectensem regebat sedem, in loco, qui Deventeri dicitur, ecclesiam senio dirutam renovans benedixit ac presbitero suimet commendavit. Qui in una dierum valde diluculo ad eam pergens, vidit mortuos in ecclesia et atrio offerentes, atque audivit cantantes. Quod mox episcopo ut primum is retulit, jussus ab eo in ecclesia dormire, cum lecto, quo requievit, sequenti nocte a defunctis ejectus est. Ob hoc idem trepidus apud antistitem talia queritur. Is autem precipit ei ut cum sanctorum reliquiis signatus, aqua sancta aspersus, suam custodire non desisteret ecclesiam. Qui jussa secutus domini iterum dormire in ecclesia voluit; sed stimulati timoris casu sic jacendo evigilavit. Et ecce solita venientes hora, elevaverunt eum, coram altari eum ponentes, et in favillas tenus corpus igne resolventes. Hoc ubi presul audivit, penitentia ductus triduanum indixit jejunium, ut et sibi animaeque defuncti succurreret. Multa, fili, de his omnibus, [fol. 6'] ni infirmitas obstaret, dicere potuissem. Ut dies vivis, sic nox est concessa defunctis. Non oportet plus sapere mortalem, quam, ut sanctus ammonet Paulus, ad sobrietatem (Rom. XII, 3). Sed quia duo vel tres ad unum sufficiunt testimonium, haec quae novellis nostris evenere temporibus scripsi, ut discat incredulus vera esse prophetarum oracula, e quibus testatur unus: Vivent, inquiens, mortui tui, Domine! (Isa XXVI, 19) et alius: Surgent mortui, qui in monumentis sunt, audient vocem Filii Dei et laetentur (Joan. V, 28). Quandocumque a viventibus haec audiuntur vel videntur, novum aliquid signat, ut idoneum in multis approbat testimonium, cujus magnam partem scio, majorem autem ignoro, sed veracibus testimoniis credo.[5] | Tempore quoque Balderici presulis, qui 80 annos vel plures Traiecti tenuit sedem, in loco qui Deventere dicitus eclesiam senio dirutam renovans, benedixit ac suo presbitero commendavit. Qui una dierum valde diluculo ad eam pergens, vidit mortuos in eclesia offerentes et cantantes audivit; quod episcopo conquerenti precepit episcopus, ut cum danctorum reliquiis signatus et aqua benedicta aspersus, suam custodire eclesiam non desisteret. Iussus ergo dormire in eclesia voluit, sed pre metu vigilans iacuit, et ecce solita hora venientes elevaverunt eum, coram altari ponentes, et igne corpus in favillam tenuem resolventes. Hoc presul audiens, penitentia ductus indixit ieiunium, ut sibi et anime defuncti succurreret. Ut dies vivis, sic nox putatur concessa defunctis. Valent hec contra Slavos et stultos malioquos, qui cum morte temporali putant omnia finiri. Astruunt enim ista, futuram esse mortuorum resurrectionem et operum retributionem, quamvis et in presenti vita retributio boni vel mali operis quandoque non dormitet.[6]
Synopse der Fassungen der Redaktion 1
Synopse der Fassungen der Version 2
Synopse der Mischversion
Verwandte SagenGeisterkirche (1837)[25]Von Leuten, welche der Liebfrauenkirche nahe wohnen, ist unterschiedlich erzaehlt worden, daß sie zu ungewohnter Nachtstunde die Kirche hell erleuchtet gesehen, Orgelton und Gesang vernommen. Einem Diaconus an derselben Kirche geschah es, daß er auf seinem Lager erwachte, und in der Meinung, es sei Zeit zur Fruehmette, sich in die Kirche begab. Darin fand er bereits den Gottesdienst begonnen. Die Kerzen waren angezuendet; [135] am Hochaltar und an den Seiten-Altaeren standen Priester und Vicare, Meßner und dienende Chorknaben, die vor vielen hundert Jahren in der Kirche ministriert hatten, und eine große Menge Betender fuellte das Kirchenschiff. Da schlug die Glocke zwoelf und mit einem Male verloeschten die fast herabgebrannten Lichter, Priester und Andaechtige verschwanden, und der Diaconus fand sich mit Grausen allein in dem Gotteshaus. Oft und viele Jahre lang soll es auch darin gespukt haben; im Jahr 1612, am Fest Mariae Reinigung, war zweimal, fruehmorgens und Mittags, ein lautes Prasseln und Fallen in dem Fuerstlichen Erbbegraebniß hoerbar. - Einem Kuester traeumte, in einem der uralten Schraenke der Sakristei finde er einen ueber hundert Jahre verborgenen Kelch, und in der That wurde beim Nachsuchen ein solcher Kelch von Silber, vergoldet und mit Edelsteinen besetzt, gefunden, der auf 500 Thaler gewuerdigt wurde. - Schatzgraeber haben auch schon oefter nach Schaetzen in der Fruehkirche gesucht, aber nichts gefunden. Geisterkirche [1] (1851)[26]Drei Nächte nacheinander um zwölf Uhr fahren jedes Jahr mehrere Kutschen rasselnd an der Karlsruher Schloßkirche an. Es steigen Leute aus und begeben sich [187] in die hellerleuchtete Kirche, worin alsdann, bei Gesang und Orgelspiel, Gottesdienst gehalten wird. Wenn derselbe aus ist, steigen sie wieder in die Kutschen und fahren davon. Einmal wagten sich die Schloßwächter während dieses Gottesdienstes in die Kirche, und da sahen sie lauter Verstorbene, nämlich den Großherzog Ludwig mit seinem Hofstaat, in den Stühlen sitzen und der Predigt zuhören, die ein abgeschiedener Hofpfarrer von der Kanzel hielt. Von Schrecken getrieben, eilten die Wächter von dannen. Geisterkirche [2] (1851)[27]Eine Frau zu Heidelberg, welche in die Christmette wollte, kam irriger Weise, statt um zwölf, schon um elf Uhr an die Jesuitenkirche. Sie ging durch die offene Thüre, besprengte sich mit Weihwasser und knieete in [320] einen der vordern Stühle. Auf dem Hochaltar brannten die Lichter, und an ihm saßen zwölf Geistliche in ihrer kirchlichen Kleidung, still und unbeweglich. Hieran, so wie am Leerbleiben der Kirche, merkte endlich die Frau, daß sie zur unrechten Zeit gekommen sei. Sie beendete nun ihr Gebet und wollte die Kirche verlassen, wobei sie wieder sich mit Weihwasser segnete. Da sprach ein Geistlicher, der am Weihwasserkessel stand und gerade so aussah, wie die am Altare: "Das war dein Glück, daß du noch einmal Weihwasser genommen hast!" Nach diesen Worten verschwand er. Heftig erschreckt eilte die Frau zur Kirchenthüre, fiel aber dort in Ohnmacht, woraus sie erst die Leute erweckten, die nachher in die Christmette kamen. In Folge des Schreckens starb die Frau nach einigen Tagen. Die gestohlene Gans (1856)[28]Vor langer Zeit ist in Osterwieck einer Frau eine Gans gestohlen, als Dieb derselben hatte sie eine andere Frau in Verdacht. Sie verklagte daher dieselbe und ließ sie beeiden. Beide Frauen starben bald darauf. Da hoert denn einst ein "Choraennenknabe" (Currendenknabe) waehrend der Nacht ein Laeuten in der St. Nikolaikirche. Er springt in voller Angst aus dem Bette, zieht sich an und geht nach der Kirche, welche er offen und hell erleuchtet findet. Der Knabe begibt sich auf seinen Platz, sieht viele Andaechtige, erkennt aber Niemand, versteht auch nicht, was sie singen. Nach Beendigung des Gesanges kommt ein Pastor hinter dem Altar weg und begibt sich davor, wird aber auch nicht von ihm erkannt. Das scheint ihm wunderlich, doch soll er nicht lange im Unklaren bleiben. Es stehen naemlich zwei Weiber auf und gehen vor den Altar. Der Knabe erkennt sie als jene beiden Frauen. Der Pastor verhoert diese und es ergibt sich daraus die Unschuld der fuer schuldig gehaltenen Frau. Zugleich wird offenbar, daß der Dieb noch am Leben, jetzt aber schwer krank sei. Nach diesem kommt eine Frau auf den Knaben zu, die derselbe als die vor wenigen Jahren verstorbene Schwester seiner Mutter [43] erkennt. Sie gibt ihm durch einen Wink zu verstehen, daß er sich aus der Kirche entfernen moege. Der Knabe thut's, die Kirchthuer wird mit aller Gewalt hinter ihm zugeschlagen. Da er draußen ist, schlaegts, er zaehlt 12. Zu Hause angekommen, fragt ihn seine Mutter, wo er gewesen sei. Morgen frueh, antwortet er, will ich's euch erzaehlen. Am Morgen theilt er ihr alles mit. Die Mutter meldet's der Obrigkeit und die in der Kirche als Gaensedieb bezeichnete kranke Frau gesteht, durch den Pfarrherrn tief ins Gewissen gegriffen, ihr Vergehen. Totenandacht in der Christnacht (1958)[29]In Schwarzbach an der Saale kam der Küster mit seinem Gehilfen am Weihnachtsabend in die Kirche, um die Lichter für die Christmette anzuzünden. Da fanden sie zu ihrer Verwunderung die Kirche schon besetzt. Ehe sie sich jedoch besinnen konnten, kam eine längst verstorbene Tante des Küsters auf diesen zu und flüsterte hastig: "Werft so rasch ihr könnt eure Mützen hinter euch, und verlaßt eiligst, ohne euch umzusehen, die Kirche, sonst trifft euch die Rache der gestörten Beter!" Sie taten, wie man ihnen geheißen, warfen ihre Kappen hinter sich und rannten zur Kirchentüre hinaus. Als beide eine Stunde hernach in die nun dunkle Kirche zurückkehrten, erinnerte nichts an das Geschehene. Hätten die Männer nicht ihre Pelzmützen in unzähligen kleinen Fetzen in der Kirche verstreut vorgefunden, die hätten beide geglaubt, ein Trugbild habe sie genarrt. Verwandte LegendenGrimm, Jakob/Grimm, Wilhelm: Das alte Mütterchen[30]Es war in einer großen Stadt ein altes Mütterchen, das saß Abends allein in seiner Kammer; es dachte so darüber nach, wie es [302] erst den Mann, dann die beiden Kinder, nach und nach alle Verwandte, endlich heute auch noch den letzten Freund verloren hätte, und nun ganz allein und verlassen wäre. Da ward es in tiefstem Herzen traurig, und vor allem schwer war ihm der Verlust der beiden Söhne, daß es in seinem Schmerz Gott darüber anklagte. So saß es still und in sich versunken, als es auf einmal zur Frühkirche läuten hörte und sich wunderte, daß es die ganze Nacht also in Leid zugebracht. Es zündete seine Leuchte an und ging zur Kirche; bei seiner Ankunft war sie schon hell, aber nicht, wie gewöhnlich, von Kerzen, sondern von einem dämmernden Lichte. Sie war auch schon angefüllt mit Menschen und alle Plätze besetzt, und als es zu seinem gewöhnlichen Sitz kam, war der auch nicht mehr ledig, sondern die ganze Bank gedrängt voll. Und wie es die Leute ansah, so waren es lauter verstorbene Verwandten, die saßen da in ihren altmodischen Kleidern, aber mit blassem Angesicht. Sie sprachen auch nicht und sangen nicht, es ging aber ein leises Summen und Wehen durch die Kirche. Da stand eine Muhme auf, trat vor und sprach zu dem Mütterlein: „dort sieh nach dem Altar, da wirst du deine Söhne sehen.“ Die Alte blickte hin und sah ihre beiden Kinder, der eine hing am Galgen, der andere war auf ein Rad geflochten. Da sprach die Muhme: „siehst du, so wär es ihnen ergangen, wären sie im Leben geblieben, und hätte sie Gott nicht als unschuldige Kinder zu sich genommen.“ Die Alte ging zitternd nach Haus und dankte Gott auf den Knieen, daß er es besser mit ihr gemacht, als sie hätte begreifen können; und am dritten Tag legte sie sich und starb. Hardebeck, W.: Die Ankumer Totenmette oder der Lienesch-Mittwinter-Abend[31]Vor langen, langen Jahren standen die Bewohner des Lienesch-Hofes zu Tüttingen zwei Tage vor dem Weihnachtsfeste gleich nach Mitternacht auf, um zu dreschen. Als sie damit beschäftigt waren, hörten sie von Ankum her feierliches Glockengeläute. Glaubend, daß sie sich in der Weihnachtszeit geirrt hätten, kleideten sie sich an, um noch zeitig zum Frühgottesdienste zu kommen. Als sie in Ankum ankamen, trafen sie keine Kirchgänger an, die Kirche stand aber offen und war hell erleuchtet. Andächtige sahen sie nicht im Gotteshause, dagegen war dasselbe mit Engeln angefüllt, [329] die das "Ehre sei Gott in der Höhe" sangen. Als sie im Begriff waren, in die Kirche einzutreten, erloschen die Lichter, sie aber standen vor der verschlossenen Kirchtür. BalladenfassungWilder, Johann Christoph Jakob: Die Frühmesse am Allerseelentag[32]Nein, es ist ja silberhelle alles auf den Straßen schon, Wie sie das zu sich gesprochen, hebt Herrn Imhofs Wittwe still [90]
Nimmt den Mantel um die Schultern und den Rosenkranz zur Hand, Und die Kirche sieht sie offen, Licht und Lapen überall, Denn als wie ein Grabesodem weht es durch der Kirche Gang All' die Männer, die gebetet, waren schon verstorben lang, [91]
Erdfarb waren Aller Mienen, und im Auge brannte nicht Und es werden ihre Sinnen auch fast wirr - es stockt das Wort In die todte Brust derselben fällt herein des Mitleids Strahl, "Liebe Frau, die du hier betest um der Abgeschied'nen Ruh'," [92]
Und Herrn Imhofs Wittwe drücket unbewußt der Freundin Hand, Als die Zeit kam, die genennet ihr die Freundin, eilt zur Thür Alle wollen sie noch haschen, die scheu wie ein Reh entflieht, Und den Mantel, der ihr flattert von den Schultern, als sie fleucht, Die von Grabesschreck Gequälte sinkt auf's Krankenlager lang, Illustrationen
Anmerkungen
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