Geisterkirche (Erzählstoff): Unterschied zwischen den Versionen

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*Die Totenmesse (1914). In: [[Graber, Georg: Sagen aus Kärnten]], Nr. 248, S. 186
*Die Totenmesse (1914). In: [[Graber, Georg: Sagen aus Kärnten]], Nr. 248, S. 186
*Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof. Vogel, Wilhelmine: Heimat und Volkskunde, Beilage zur Bayerischen Rundschau, Nr. 4, 16. März 1927/Nr. 12, 16. August 1928, abgedruckt in [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 30f.
*Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof. Vogel, Wilhelmine: Heimat und Volkskunde, Beilage zur Bayerischen Rundschau, Nr. 4, 16. März 1927/Nr. 12, 16. August 1928, abgedruckt in [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 30f.
*Die Christmette von Sankt Moritz (1979). In: [[Frank, Alfred: Mittsommersagen aus Oberfranken]], S. 58f.


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*Die Christmette der Toten [A] (1914). In: [[Graber, Georg: Sagen aus Kärnten]], Nr. 245, S. 185.
*Die Christmette der Toten [A] (1914). In: [[Graber, Georg: Sagen aus Kärnten]], Nr. 245, S. 185.
*Die Totenmette (1988). In: [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 131
*Die Totenmette (1988). In: [[Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz]], S. 131
*Begegnung mit der verstorbenen Mutter (1979). In: [[Frank, Alfred: Mittsommersagen aus Oberfranken]], S. 59
*Die Geistermesse zu Bamberg (1979). In: [[Frank, Alfred: Mittsommersagen aus Oberfranken]], S. 59f.
| forschung          = [[Bolte, Johannes: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm]], Band 3, Nr. 208, S. 472-474; [[Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker]], S. 584-602; [[Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest]]; [[Petsch, Robert: Märchen und Sage, Lied und Epos]], S. 180f.; [[Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg]], §46: Die versunkenen und verwunschenen Kirchen (S. 151-154); [[Sepp, Johann Nepomuk: Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod]], Kap. 50, S. 162-164; [[Weinhold, Karl: Die Geistermesse in Köln]]
| forschung          = [[Bolte, Johannes: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm]], Band 3, Nr. 208, S. 472-474; [[Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker]], S. 584-602; [[Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest]]; [[Petsch, Robert: Märchen und Sage, Lied und Epos]], S. 180f.; [[Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg]], §46: Die versunkenen und verwunschenen Kirchen (S. 151-154); [[Sepp, Johann Nepomuk: Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod]], Kap. 50, S. 162-164; [[Weinhold, Karl: Die Geistermesse in Köln]]
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===Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof (Vogel: Beilage zur Bayerischen Rundschau, 1927/1928)===
===Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof (Vogel: Beilage zur Bayerischen Rundschau, 1927/1928)===
Vor mehr als hundert Jahren, als es noch üblich war, das Geburtsfest unseres Heilandes am ersten Weihnachtstage früh nach 12 Uhr mit einem feierlichen Gottesdienste, die "Christmette" genannt, zu beginnen, lebte in der Stadt Hof eine ehrbare Bürgerswitwe. Diese hörte in der Nacht des Weihnachtsabends wie im Traume eine Stimme, welche deutlich zu ihr sagte: "Stehe auf und gehe nach St. Lorenzen!" Sie erwachte darüber, sann über das Gehörte nach, doch dieselbe Stimme ließ sich noch zweimal in vollem Wachen hören. Dies nun für mehr als Traum haltend, stand sie auf, machte Licht und sah nun, daß es bald Mitternacht sei, und als beherzte und rüstige Frau entschloß sie sich zu dem schauerlichen nächtlichen Wege, denn die Stimme schien ihr ein höherer Wink zur Rettung eines Verunglückten zu sein. Anders vermochte sie solche nicht zu deuten, denn damals war noch nie eine Christmette in dieser Kirche gehalten worden. Schnell kleidete sie sich an, warf einen Mantel - wie er damals unter dem Namen "Corsen" übliche Frauentracht war - über, zündete die Laterne an und schlich unbemerkt aus dem Hause. Als sie durch die hie und da schon wegen des nächtlichen Gottesdienstes in den Kirchen der Stadt hell erleuchteten Gassen zum Gottesacker kam, erschrak sie nicht wenig, das Tor offen und die Kirche hell erleuchtet zu finden, aus der ihr vielstimmiger Gesang und Orgelklang entgegentönte; doch sie faßte sich ein Herz, da sie die Türe ebenfalls offen sah, und trat ein. Ihr Schrecken steigerte sich zum Entsetzen, denn der von Kronleuchtern und zahlreichen Kerzen erhellte Raum dehnte sich ins Unendliche und faßte eine höchst seltsame Versamm[31]lung. Am weitesten vom Eingang saßen auf Bänken und Emporen Männer und Frauen in uralter Tracht; dann kamen wieder viele, die neumodischer gekleidet waren, und so immer alle Abstufungen der Kleidertrachten, bis zu der Zeit, in welcher die nächtliche Kirchgängerin lebte. Ihr von dem Kerzenglanze geblendetes Auge konnte anfangs nicht erkennen, daß aller Antlitz bleich und starr war, bis aus diesem Lichtermeer bekannte Gestalten auftauchten und sie mit erneutem Schrecken gewahrte, daß sie sich unter lauter Verstorbenen befand. Sie wollte fliehen in unbeschreiblichem Entsetzen, doch sie vermochte es nicht, denn ihr Fuß war wie angewurzelt auf der Türschwelle. Eine der Türe am nächsten sitzende bleiche Frau winkte freundlich der Witwe, sich an deren Seite zu setzen, und neues Grauen erfaßte sie, als sie in ihr eine geliebte Freundin und Gevatterin, die erst vor kurzer Zeit hier schlafen gegangen, erkannte. Doch unwillkürlich folgte sie dem Winke, und als sie sich gesetzt, faßte sie sich das Herz, ihre Nachbarin zu fragen, was dies alles bedeute. Die Antwort war, daß alle, so seit Gründung des Friedhofes hierher begraben wurden, alle Jahre hier ihre Christmette hielten. Sie sah sich nun genauer um, erkannte Eltern, Geschwister, Verwandte, und in dem Chorregenten auf der Orgel den Lehrer ihrer Kindheit. Endlich schwieg der Gesang, der Prediger betrat die Kanzel und siehe, es war der zuletzt hier verstorbene Stadtgeistliche. Die schauerliche Feier war ganz nach dem Ritus der damaligen Zeit vorübergegangen; doch als nach dem Segen der Schlußvers des Liedes begann, bat der Witwe heimgegangene Freundin, sie möge sich jetzt so schnell sie könne entfernen, ehe der Vers endige, sonst wäre sie verloren, und sagte ihr Lebewohl. Rasch erhob sie sich, den Abschiedsgruß erwidernd, und verließ eilig die Kirche; doch bei ihrer Flucht verfing sich ein Zipfel ihres Mantels am Schloß der Türe. Sie aber nahm sich nicht Zeit, ihn loszunesteln, sondern ließ ihn im Stich. Furcht und Entsetzen beflügelten ihre Schritte. Atemlos erreichte sie ihre Wohnung, und der nächste Morgen fand sie in ein schweres Fieber verfallen, in dem sie unaufhörlich von diesem Abenteuer phantasierte und erst nach vielen Wochen wieder genas. Am ersten Weihnachtstage nachmittags war eine Leichenbestattung angesagt und als der Totengräber den Gottesacker aufschloß, lag der an der Kirchtüre hängengebliebene Mantel der Bürgerswitwe, in unzählige Fetzen zerrissen, auf allen Gräbern, Leichensteinen und Grüften umhergestreut.
Vor mehr als hundert Jahren, als es noch üblich war, das Geburtsfest unseres Heilandes am ersten Weihnachtstage früh nach 12 Uhr mit einem feierlichen Gottesdienste, die "Christmette" genannt, zu beginnen, lebte in der Stadt Hof eine ehrbare Bürgerswitwe. Diese hörte in der Nacht des Weihnachtsabends wie im Traume eine Stimme, welche deutlich zu ihr sagte: "Stehe auf und gehe nach St. Lorenzen!" Sie erwachte darüber, sann über das Gehörte nach, doch dieselbe Stimme ließ sich noch zweimal in vollem Wachen hören. Dies nun für mehr als Traum haltend, stand sie auf, machte Licht und sah nun, daß es bald Mitternacht sei, und als beherzte und rüstige Frau entschloß sie sich zu dem schauerlichen nächtlichen Wege, denn die Stimme schien ihr ein höherer Wink zur Rettung eines Verunglückten zu sein. Anders vermochte sie solche nicht zu deuten, denn damals war noch nie eine Christmette in dieser Kirche gehalten worden. Schnell kleidete sie sich an, warf einen Mantel - wie er damals unter dem Namen "Corsen" übliche Frauentracht war - über, zündete die Laterne an und schlich unbemerkt aus dem Hause. Als sie durch die hie und da schon wegen des nächtlichen Gottesdienstes in den Kirchen der Stadt hell erleuchteten Gassen zum Gottesacker kam, erschrak sie nicht wenig, das Tor offen und die Kirche hell erleuchtet zu finden, aus der ihr vielstimmiger Gesang und Orgelklang entgegentönte; doch sie faßte sich ein Herz, da sie die Türe ebenfalls offen sah, und trat ein. Ihr Schrecken steigerte sich zum Entsetzen, denn der von Kronleuchtern und zahlreichen Kerzen erhellte Raum dehnte sich ins Unendliche und faßte eine höchst seltsame Versamm[31]lung. Am weitesten vom Eingang saßen auf Bänken und Emporen Männer und Frauen in uralter Tracht; dann kamen wieder viele, die neumodischer gekleidet waren, und so immer alle Abstufungen der Kleidertrachten, bis zu der Zeit, in welcher die nächtliche Kirchgängerin lebte. Ihr von dem Kerzenglanze geblendetes Auge konnte anfangs nicht erkennen, daß aller Antlitz bleich und starr war, bis aus diesem Lichtermeer bekannte Gestalten auftauchten und sie mit erneutem Schrecken gewahrte, daß sie sich unter lauter Verstorbenen befand. Sie wollte fliehen in unbeschreiblichem Entsetzen, doch sie vermochte es nicht, denn ihr Fuß war wie angewurzelt auf der Türschwelle. Eine der Türe am nächsten sitzende bleiche Frau winkte freundlich der Witwe, sich an deren Seite zu setzen, und neues Grauen erfaßte sie, als sie in ihr eine geliebte Freundin und Gevatterin, die erst vor kurzer Zeit hier schlafen gegangen, erkannte. Doch unwillkürlich folgte sie dem Winke, und als sie sich gesetzt, faßte sie sich das Herz, ihre Nachbarin zu fragen, was dies alles bedeute. Die Antwort war, daß alle, so seit Gründung des Friedhofes hierher begraben wurden, alle Jahre hier ihre Christmette hielten. Sie sah sich nun genauer um, erkannte Eltern, Geschwister, Verwandte, und in dem Chorregenten auf der Orgel den Lehrer ihrer Kindheit. Endlich schwieg der Gesang, der Prediger betrat die Kanzel und siehe, es war der zuletzt hier verstorbene Stadtgeistliche. Die schauerliche Feier war ganz nach dem Ritus der damaligen Zeit vorübergegangen; doch als nach dem Segen der Schlußvers des Liedes begann, bat der Witwe heimgegangene Freundin, sie möge sich jetzt so schnell sie könne entfernen, ehe der Vers endige, sonst wäre sie verloren, und sagte ihr Lebewohl. Rasch erhob sie sich, den Abschiedsgruß erwidernd, und verließ eilig die Kirche; doch bei ihrer Flucht verfing sich ein Zipfel ihres Mantels am Schloß der Türe. Sie aber nahm sich nicht Zeit, ihn loszunesteln, sondern ließ ihn im Stich. Furcht und Entsetzen beflügelten ihre Schritte. Atemlos erreichte sie ihre Wohnung, und der nächste Morgen fand sie in ein schweres Fieber verfallen, in dem sie unaufhörlich von diesem Abenteuer phantasierte und erst nach vielen Wochen wieder genas. Am ersten Weihnachtstage nachmittags war eine Leichenbestattung angesagt und als der Totengräber den Gottesacker aufschloß, lag der an der Kirchtüre hängengebliebene Mantel der Bürgerswitwe, in unzählige Fetzen zerrissen, auf allen Gräbern, Leichensteinen und Grüften umhergestreut.
===Die Christmette von Sankt Moritz (Frank: Mittsommersagen aus Oberfranken, 1979)===
An einem Weihnachtsheiligabend wollte eine Frau von Ortspitz nach Leutenbach (Landkreis Forchheim) zur Christmette gehen. Da sie sich verspätet hatte, befand sie sich in Eile. Ihr Weg führte am "Moritzen", einem einsamen Kirchlein im Ehrenbachtal, vorbei, dessen Schutzpatron St. Moritz ist. Das Gotteshaus war hell erleuchtet. Da entschloß sich die Bäuerin, gleich die Mette im Moritzkirchlein zu besuchen, bog am Bahrhäuslein ein, huschte an den verschneiten Grabhügeln des Kirchhofs vorüber und öffnete die Kirchentüre. Viele Beter knieten in den Bänken, und auch sie gesellte sich dazu. Es herrschte eine auffallende Totenstille. Kein Beten wat zu hören, kein Orgelton, kein Lied erscholl. Nur tiefer Ernst lag auf den Mienen der Versammelten, Als die beklommene Bäuerin die Augen zum Priester am Altar gehen ließ, schrak sie zusammen, da sie in ihm den verstorbenen Pfarrherrn von Leutenbach zu erkennen glaubte. Dann blickte sie sich verstohlen um: Die Nachbarin neben ihr, das war doch ihre abgeschiedene Gevatterin, und die Alte vor ihr mußte eine ehemalige Einwohnerin aus dem Nachbardorf Seidmar sein. Jetzt wendete sich die Gevatterin ihr zu und flüsterte: "Wie kommst denn du zu uns herein!" Sie erwiderte, daß sie des [59] Glaubens gewesen sei, daß hier Christmette gehalten werde. Erregt ermahnte sie die Verwandte: "Ach Gott, mach gleich, daß du nach der Wandlung herauskommst! Lasse aber etwas hinter dich fallen und lauf sofort nach Hause, wenn du nicht verloren sein willst!" Kaum hatte der Geistliche den Kelch auf den Altar zurückgestellt, da floh die Ortspitzer Einwohnerin die unheimliche Beterschar, warf ihr grünes Trachtentuch hinter sich und stürzte ins Freie. Völlig erschöpft kam sie zu Hause an, doch überfiel sie ein böses Fieber, und im Wahn langte sie immerfort nach der grüngestrichenen Stubenwand und faselte etwas von einem grünen Schultertuch, das sie bei sich gehabt habe. Es ließ sich jedoch nirgends finden. Erst als am folgenden Morgen, dem ersten Feiertag, die Angehörigen der Fieberkranken zum Gottesdienst nach Sankt Moritz gingen und durch den Kirchhof schritten, sahen sie auf den Gräbern ringsum Fetzen vom grünen Kopftuch liegen.


==Fassungen der Mischredaktion==
==Fassungen der Mischredaktion==
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===Die Totenmette (Schmidt: Oberfränkischer Sagenschatz, 1988)<ref>Titellos als Kurzfassung bereits in [[Schönwerth, Franz: Aus der Oberpfalz]], Band 1, 1857, S. 305.</ref>===
===Die Totenmette (Schmidt: Oberfränkischer Sagenschatz, 1988)<ref>Titellos als Kurzfassung bereits in [[Schönwerth, Franz: Aus der Oberpfalz]], Band 1, 1857, S. 305.</ref>===
In Gefrees erzählte man sich früher, daß die Geister der Verstorbenen am Weihnachtsabend in der Kirche Christmette halten. Einem Mädchen war kurz vor dem Feste die Mutter gestorben. Da es von dem seltsamen Brauch der Toten wußte und großes Verlangen nach seiner Mutter hatte, ging es um Mitternacht zum Gotteshaus. Es fand die Türe offen und der Mond warf sein Licht durch die Fenster. Furchtsam betrat es den weiten Raum, setzte sich auf eine Bank und wartete. Das Mädchen vernahm ein Singen wie aus weiter Ferne. Da klopfte ihm jemand auf die Schulter und als es sich umdrehte, saß die Mutter in der Bank hinter ihm. Sie gab dem Kind den Rat, rasch das Gotteshaus zu verlassen und draußen vor dem Tor, ohne sich umzuschauen, das Kopftuch hinter sich zu werfen. Als das Mädchen am Weihnachtstag früh zur Kirche ging, sah es die Fetzen des Tuches auf dem Kirchplatz liegen.
In Gefrees erzählte man sich früher, daß die Geister der Verstorbenen am Weihnachtsabend in der Kirche Christmette halten. Einem Mädchen war kurz vor dem Feste die Mutter gestorben. Da es von dem seltsamen Brauch der Toten wußte und großes Verlangen nach seiner Mutter hatte, ging es um Mitternacht zum Gotteshaus. Es fand die Türe offen und der Mond warf sein Licht durch die Fenster. Furchtsam betrat es den weiten Raum, setzte sich auf eine Bank und wartete. Das Mädchen vernahm ein Singen wie aus weiter Ferne. Da klopfte ihm jemand auf die Schulter und als es sich umdrehte, saß die Mutter in der Bank hinter ihm. Sie gab dem Kind den Rat, rasch das Gotteshaus zu verlassen und draußen vor dem Tor, ohne sich umzuschauen, das Kopftuch hinter sich zu werfen. Als das Mädchen am Weihnachtstag früh zur Kirche ging, sah es die Fetzen des Tuches auf dem Kirchplatz liegen.
===Begegnung mit der verstorbenen Mutter (Frank: Mittsommersagen aus Oberfranken, 1979)===
Auch zu Gefrees hielten einst die Geister der Verstorbenen am Weihnachtsheiligabend in der Kirche eine Mette. Da einem Mädchen kurz vor dem Feste die Mutter gestorben war, es von dem seltsamen Brauch der Toten wußte und großes Verlangen nach der Mutter empfand, begab es sich um Mitternacht zum Gotteshaus. Die Türe stand offen, und der Mond warf sein Licht durch die Fenster. Zögernd und ängstlich betrat das Mädchen das Kirchenschiff und nah, auf einer Bank Platz. Ein Singen war zu vernehmen, doch klang es wie aus weiter Ferne. Da klopfte der Besucherin jemand auf die Schulter, und als sie sich umdrehte, sah sie ihre Mutter hinter sich sitzen. Sie gab ihrem Kinde den Rat, rasch das Gotteshaus zu verlassen und draußen im Kirchhof, jedoch ohne sich umzuschauen, das Kopftuch hinter sich zu werfen. Als das Mädchen am folgenden Weihnachtsmorgen wieder zum Gottesdienst kam, sah es verwundert die Fetzen seines bunten Tuches vor dem Kirchentore liegen.
===Die Geistermesse zu Bamberg (Frank: Mittsommersagen aus Oberfranken, 1979)===
Eine fromme Bambergerin ließ es sich nicht nehmen, alltäglich, und dies auch im kältesten Winter, die Frühmesse in der "Pfarrkirche Unserer Lieben Frau" zu besuchen. Eines Tages in der Mittwinterzeit schreckte sie aus einem bösen Traum und hörte das Frühmeßglöcklein läuten. Hastig kleidete sie sich an, vergaß auch ihr Fuchspelzlein und die Laterne nicht und hastete zum Gotteshaus. Kein Mensch begegnete ihr oder kreuzte ihren Weg. Beim Öffnen der Kirchentüre strömte ihr ein sonst nicht gekannter Lichterglanz entgegen. Dichter [60] als üblich fand sie den Raum besetzt, doch war ihr gewohnter Platz noch frei. Aber der Frau schien es, als ob die Stimme des Frühmesners bei der heiligen Handlung dumpfer denn sonst klinge; auch die Gläubigen antworteten merkwürdig hohl. Da fiel es der Frau schwer, sich in die rechte Andacht zu versenken; sie blickte bald links, bald rechts nach ihren Nachbarinnen, die miteinander, in ungewohnte graue Tücher gehüllt, fast gespenstisch in den Bänken knieten. Endlich war die Gemeinde vom Priester entlassen, und mit einer zuvor nicht gefühlten Erleichterung erhob auch sie sich von ihrem Platz. Während sie sich zum Gehen wandte, vorher aber noch einmal einen kurzen Blick auf die seltsamen Gestalten um sich herum warf, fiel der einen das dunkle Ruch vom Kopfe. Wie erschrak sie, als sie ihre alte Base zu erkennen glaubte, die schon vor zehn Jahren verstorben war. Sie vermochte sich kaum noch auf den Beinen zu halten, strebte aber eiligst dem Ausgang zu, die Schar der Nachdrängenden im Rücken. Einer plötzlichen Eingebung folgend riß sie, schon außerhalb des Gotteshauses, ihr Pelzlein vom Hals und schleuderte es hinter sich. Dann hastete sie durch den Kirchhof. Zwölf Uhr schlug es eben vom Turm, und da wurde es der Frau klar, daß sie an einer Geistermesse teilgenommen und ihr Leben an einem Faden gehangen hatte. Aus dem tiefen Schlaf, in den sie, wieder zu Hause angelangt, fiel, mußte sie schließlich ihr ahnungsloser Mann rütteln, nachdem sie wie irrsinnig aufgeschrien hatte. Nun erst erzählte die Frau von ihrer unheimlichen Begegnung, und tatsächlich fehlte das Pelzlein im Kleiderschrank. Der zur Oberen Pfarrkirche im ersten Morgenstrahl eilende Mann fand es dann wirklich im Kirchhof, allerdings in tausend Fetzen über die beschneiten Grabhügel verstreut liegen. Seltsamerweise waren keinerlei Fußspuren im Schnee zu sehen.


==Verwandte Sagen==
==Verwandte Sagen==

Version vom 5. März 2025, 09:11 Uhr

Die Geisterkirche; Die Totenkirche; Gottesdienst der Toten, Toten- oder Geistermette; Nächtliche Messe der Toten; Engelamt

(Erzählstoff)

Regest Redaktion 1: Ein Bürger bringt am Weihnachtsabend Weizen zur Mühle. Auf dem Heimweg kommt er bei einer Kirche vorbei, in der Mitternachtsmette gehalten werden soll. In ihr singen schon vor der Zeit der Mette Verstorbene "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott". Er setzt sich zu seinem vor kurzem verstorbenen Gevatter und singt mit. Der Gevatter gibt ihm einen Wink, und der Bürger verlässt die Kirche, die hinter ihm mit einem Knall verschwindet.
Signifikant für diese Fassung ist der Höreindruck der Predigt bzw. des Kirchengesangs.

Redaktion 2: Eine Frau geht am Weihnachtsabend um Mitternacht in die Kirche, ohne sich der Uhrzeit bewusst zu sein. Ein fremder Pfarrer predigt, sie erkennt unter der Gemeinde kürzlich Verstorbene. Ihre verstorbene Gevatterin empfiehlt ihr, direkt bei der Wandlung zu fliehen. Sie verlässt die Kirche bei der Wandlung, hinter ihr prasselt es, und die Toten verfolgen sie und reißen ihr ihren Mantel weg. Sie findet das Stadttor noch verschlossen und erkennt, dass ihr zuvor ein böser Geist durch das Tor geholfen hat. Man findet am Morgen ihren Mantel zerrissen auf dem Friedhof: Auf jedem Grabstein liegt ein Fetzen.
Signifikant für diese Version ist das Zurücklassen eines Kleidungsstücks, das in Fetzen gerissen wird.

Fassungen Lateinische Versionen:
  • De cimitirio Agustidunensis urbis (vor 594). In: Gregor von Tours: Libri octo miraculorum. Buch 8: Liber in gloria confessorum, Kapitel 72
  • [Von der Wiederauferstehung der Toten] (1012-1018). In: Thietmar von Merseburg: Chronicon. Buch 1, Kapitel 7
  • [Totenmesse in Deventer] (Mitte 12. Jhd.). In: Annalista Saxo: Chronik, Jahr 929

Redaktion 1:

Redaktion 2:

Mischredaktion:

Forschung
(s.a. unter Fassungen)
Bolte, Johannes: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Band 3, Nr. 208, S. 472-474; Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker, S. 584-602; Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest; Petsch, Robert: Märchen und Sage, Lied und Epos, S. 180f.; Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg, §46: Die versunkenen und verwunschenen Kirchen (S. 151-154); Sepp, Johann Nepomuk: Völkerbrauch bei Hochzeit, Geburt und Tod, Kap. 50, S. 162-164; Weinhold, Karl: Die Geistermesse in Köln



Lateinische Versionen

De cimitirio Agustidunensis urbis (Gregor von Tours: Libri octo miraculorum, vor 594)[1]

Libri octo miraculorum. Buch 8: Liber in gloria confessorum, Kapitel 72[2] Übersetzung[3]
Cimiterium igitur apud Agustidunensim urbem Gallica lingua vocitavit, eo quod ibi fuerint multorum hominum cadavera funerata; inter qua quod sint quorundam fidelium dignarumque Deo animarum sepulchra, frequens occulti psallentii mysterium docet, cum plerumque multis apparent, in ipso vocum praeconio reddentes omnipotenti Deo gratiarum debitam actionem. Nam audivi, quod duo ex incolis loci, dum loca sancta orandi gratia circuire disponerent, audiunt in basilica sancti Stephani, quae huic coniungitur cimitirio, psallentium sonum. Admirantesque dulcedinem modoli, adpropinquant ad ostium templi, autumantes, a quibusdam religiosis vigilias celebrari. Ingredientes autem et orationi diutissime incumbentes, consurgunt, psallentii chorum conspiciunt, nihilque lucere per templum, nisi propria claritate cuncta prospiciunt splendere; de personis vero nullum prorsus agnoscunt. Denique attoniti, stupore perculsi, unus de psallentibus accedit ad eos, dicens: «Exsecrabilem rem fecistis, ut nobis arcana orationum Deo reddentibus adesse praesumeretis. Discedite ergo et a domibus vestris [non] abscedite, alioquin [velociter] ab hoc mundo migrabitis». Ex quibus unus discedens abiit, alter vero, qui in loco remansit, post [non] multos dies a saeculo conmigravit. In der stadt Autun liegt bei der kirche des heil. Stephan ein friedhof; in dessen nähe hörte man ehedem häufig des nachts stimmen, die psalmen sangen. So geschah [81] es unter andern, daß zwei fromme bürger beschlossen, in der stille der nacht die kirchen und heiligen stätten zu besuchen und daselbst ihre andacht zu verrichten. als sie in die nähe von sankt Stephan kamen, vernahmen sie plötzlich wunderseltsame sänge und harmonien; sie waren gar erfreut darob, gingen in die kirche und setzten sch da in ein eckchen, wo sie lange eifrig beteten. als sie sich erhoben, sahen sie die kirche voll ihnen unbekannter personen, die sangen; was sie aber wunderte, war, daß keine kerze oder ander licht brannte, und es doch ganz hell war, und als sie genauer zuschauten, merkten sie, daß diese klarheit von den singenden personen ausging. in erstaunen versunken standen sie da, als sie einen aus der versammlung auf sich zukommen sahen, und der sprach zu ihnen: 'ihr habt unrecht, uns in unsern heimlichen gebeten zu stören; gehet alsbald weg und entfernet euch, anders müsset ihr sterben.' der eine von den bürgern ließ sich das nicht zweimal sagen und lief, so schnell er konnte, weg; der andere aber war hartnäckig und blieb, aber er mußte es büßen, denn nicht lange nachher starb er.

[Von der Wiederauferstehung der Toten] (Tietmar von Merseburg: Chronicon, 1012-1018)[4]

Chronicon. Buch 1, Kapitel 7[5] Übersetzung[6]
Ut nullus Christo fidelium de futura mortuorum resurreccione diffidat, sed ad beatae immortalitatis gaudia anhelanter per sancta proficiscatur desideria, quaedam, quae in urbe Wallislevo post excidium [fol. 5'] ejusdem reedificata accidisse veraciter comperi, intimabo. In ipso orientis diei crepusculo solitus erat presbiter ejusdem ecclesiae matutinam canere. Sed cum ad atrium defunctorum veniret videns in eo magnam multitudinem oblationes offerentem sacerdoti coram templi foribus stanti, primo substitit, posteaque signo sanctae crucis se muniens, per omnes hos, nec uno saltem agnito, oratorium trepidus adiit. Quem una noviter de hoc seculo egressa et sibi bene nota, quid hic vellet, interrogat; edoctaque ab eo, quare venerit, haec omnia ab his esse completa, parvumque temporis eundem victurum predixit. Quod vicinis post retulit, veraque haec esse comprobavit. Meis temporibus in Magadaburg – sicut a veracibus accepi testibus, in ipsa tunc continue manens – in aecclesia mercatorum custodes, eadem nocte vigilantes, his quae predixi convenientia visu et auditu percipientes, optimos civitatis adducunt. Qui cum longe ab atrio cadaverum adstarent, lucernas candelabris superpositas videre, duosque invitatorium canere matutinasque laudes ordinatim omnes persolvere pariter audiere; accedentes autem nihil omnino intellexere. Hoc ego cum subsequenti die nepti meae, quae Brigida [fol. 6] dicebatur, cura regens pastorali monasterium sancti Laurentii, referrem, in infirmitate sui corporis laboranti, protinus ab ea, nequaquam hoc miranti, tale percepi responsum: Tempore Baldrici presulis, qui octoginta annos vel plus Trajectensem regebat sedem, in loco, qui Deventeri dicitur, ecclesiam senio dirutam renovans benedixit ac presbitero suimet commendavit. Qui in una dierum valde diluculo ad eam pergens, vidit mortuos in ecclesia et atrio offerentes, atque audivit cantantes. Quod mox episcopo ut primum is retulit, jussus ab eo in ecclesia dormire, cum lecto, quo requievit, sequenti nocte a defunctis ejectus est. Ob hoc idem trepidus apud antistitem talia queritur. Is autem precipit ei ut cum sanctorum reliquiis signatus, aqua sancta aspersus, suam custodire non desisteret ecclesiam. Qui jussa secutus domini iterum dormire in ecclesia voluit; sed stimulati timoris casu sic jacendo evigilavit. Et ecce solita venientes hora, elevaverunt eum, coram altari eum ponentes, et in favillas tenus corpus igne resolventes. Hoc ubi presul audivit, penitentia ductus triduanum indixit jejunium, ut et sibi animaeque defuncti succurreret. Multa, fili, de his omnibus, [fol. 6'] ni infirmitas obstaret, dicere potuissem. Ut dies vivis, sic nox est concessa defunctis. Non oportet plus sapere mortalem, quam, ut sanctus ammonet Paulus, ad sobrietatem (Rom. XII, 3). Sed quia duo vel tres ad unum sufficiunt testimonium, haec quae novellis nostris evenere temporibus scripsi, ut discat incredulus vera esse prophetarum oracula, e quibus testatur unus: Vivent, inquiens, mortui tui, Domine! (Isa XXVI, 19) et alius: Surgent mortui, qui in monumentis sunt, audient vocem Filii Dei et laetentur (Joan. V, 28). Quandocumque a viventibus haec audiuntur vel videntur, novum aliquid signat, ut idoneum in multis approbat testimonium, cujus magnam partem scio, majorem autem ignoro, sed veracibus testimoniis credo. Auf daß keiner der Gläubigen Christi an der künftigen Wiederauferstehung der Todten zweifle, sondern in heiliger Sehnsucht trachte nach den Freuden seliger Unsterblichkeit, will ich einen Vorfall anführen, der sich, wie ich zuverlässig erfahren habe, in der nach der Zerstörung wieder erbauten Burg Wallislevo in Wahrheit zugetragen hat. Der Priester der dortigen Kirche pflegte beim Anbruch des Tages in der Morgendämmerung die Frühmesse zu [13] lesen. Als er nun einstmals auf den Kirchhof kam, sah er auf demselben eine große Schaar, welche einem Priester, der vor der Thür des Gotteshauses stand, Opfergaben darbrachte. Staunend blieb er zuerst stehen, dann aber verwahrte er sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und ging angsterfüllt durch sie alle hindurch auf die Sakristei zu, ohne auch nur Einen zu erkennen. Da fragte ihn eine Jüngstverstorbene, die ihm wohlbekannt war, was er hier wolle? und als sie erfuhr, weshalb er hergekommen sei, sagte sie, das alles hätten sie schon verrichtet, und verkündete ihm dabei, daß er selbst nicht lange mehr leben werde. Dies erzählte er darauf seinen Nachbarn, und bewies hinterher die Wahrheit desselben. Zu meiner Zeit sahen und hörten in Magadaburg (wie ich dort, wo ich mich damals aufhielt, von zuverlässigen Augenzeugen selbst gehört habe) in der Kirche Wächter der Kaufleute, die in der Nacht zusammen wachten, ähnliches wie das Ebenerzählte, und holten die angesehensten Bürger herbei. Diese sahen, von ferne auf dem Kirchhofe stehend, Lichter auf den Leuchtern aufgesteckt, und hörten, wie zwei den Einladungspsalm 95 anstimmten und zugleich alle den Morgen-Lobgesang ordentlich hersangen; als sie aber näher gingen, konnten sie durchaus nichts entdecken. Als ich dies am nächsten Tage der Tochter meines Vaterbruders, Brigida, der Aebtissin des St. Laurentius-Klosters, die damals krank darnieder lag, erzählte, wunderte sie sich darüber gar nicht, und erzählte mir sogleich folgendes: „Zur Zeit des Bischofs Baldrich, der 80 Jahre oder darüber den Sitz zu Utrecht inne hatte, war die Kirche eines Ortes, Namens Deventeri[9], durch die Zeit zerstört; diese ließ Baldrich neu erbauen, weihete sie ein und übergab sie einem seiner Priester. Als dieser nun eines Morgens ganz früh in der Dämmerung nach der Kirche hinging, sah er die Todten in der Kirche und auf dem Kirchhofe Opfer bringen und hörte sie singen. Dies erzählte er dem Bischofe, und dieser befahl [14] ihm, sofort in der Kirche zu schlafen. Da aber ward er in der nächsten Nacht sammt dem Bette, in dem er schlief, von den Todten aus der Kirche geworfen. Dies klagte er wieder voll Schrecken seinem Vorgesetzten. Der aber befahl ihm, er solle, geschützt durch Reliquien der Heiligen und mit Weihwasser besprengt, nicht ablassen, die Wache in seiner Kirche zu halten. Er nun befolgte diesen Befehl und wollte wiederum in der Kirche schlafen; allein von Angst gequält, wachte er auf. Und siehe! da kamen sie zur gewöhnlichen Stunde, hoben ihn auf, setzten ihn dem Altar gegenüber nieder und verbrannten seinen Körper zu Asche. Als dieses der Bischof hörte, ordnete er ein dreitägiges Fasten an, zum Heile seiner und des Verstorbenen Seele. Von allem diesen könnte ich vieles sagen, mein Sohn, wenn meine Körperschwäche mich nicht hinderte. Wie den Lebendigen der Tag, so gehört den Todten die Nacht. Denn der Sterbliche darf nicht klüger sein wollen, denn daß er, wie St. Paulus [Röm. 12, 3] ermahnt, mäßiglich von sich halte.“ Weil aber zwei oder drei zu einem Zeugniß genügen, so habe ich die Vorfälle dieser unserer Tage aufgezeichnet, auf daß der Ungläubige die Wahrheit der Weissagungen der Propheten erfahre, deren einer [Jesaias 26, 19] bezeugt: „Deine Todten werden leben;“ und ein anderer: „Auferstehen werden die Todten, die in den Gräbern sind, sie werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und frohlocken.“ So oft Lebende dergleichen hören oder sehen, so bedeutet es immer etwas ungewöhnliches, wie dieses unter vielen andern ein Vorfall genügend beweist, den ich zum Theil aus eigener Erfahrung kenne, zum größeren Theil aber, insofern er mir persönlich unbekannt ist, wahrhaften Zeugen glaube.

[Totenmesse in Deventer] (Annalista Saxo: Chronik, Mitte 12. Jhd.)

Chronik, Jahr 929[7] Übersetzung[8]
Tempore quoque Balderici presulis, qui 80 annos vel plures Traiecti tenuit sedem, in loco qui Deventere dicitus eclesiam senio dirutam renovans, benedixit ac suo presbitero commendavit. Qui una dierum valde diluculo ad eam pergens, vidit mortuos in eclesia offerentes et cantantes audivit; quod episcopo conquerenti precepit episcopus, ut cum danctorum reliquiis signatus et aqua benedicta aspersus, suam custodire eclesiam non desisteret. Iussus ergo dormire in eclesia voluit, sed pre metu vigilans iacuit, et ecce solita hora venientes elevaverunt eum, coram altari ponentes, et igne corpus in favillam tenuem resolventes. Hoc presul audiens, penitentia ductus indixit ieiunium, ut sibi et anime defuncti succurreret. Ut dies vivis, sic nox putatur concessa defunctis. Valent hec contra Slavos et stultos malioquos, qui cum morte temporali putant omnia finiri. Astruunt enim ista, futuram esse mortuorum resurrectionem et operum retributionem, quamvis et in presenti vita retributio boni vel mali operis quandoque non dormitet. Während der Zeit von Bischof Balderic, der den Sitz in Trajectum 80 Jahre oder länger in einem Ort namens Deventer innehatte, um die verfallene Kirche zu erneuern, segnete er sie und vertraute sie seinem Priester an. Eines Tages, sehr früh am Morgen, als er dorthin ging, sah er die Toten in der Kirche opfern und hörte sie singen; Als der Bischof sich darüber beklagte, befahl er, dass er, mit den Reliquien der Heiligen gekennzeichnet und mit Weihwasser besprengt, nicht aufhören solle, seine Kirche zu bewachen. Darum wollte er in der Kirche schlafen, aber aus Furcht lag er wach, und siehe, zur gewöhnlichen Stunde kamen sie und hoben ihn auf, legten ihn vor den Altar und lösten seinen Leib mit Feuer in feine Asche auf. Als der Bischof dies hörte, rief er, von Reue beseelt, das Fasten aus, um sich selbst und der Seele des Verstorbenen zu helfen. Wie der Tag für die Lebenden da ist, so glaubt man, dass die Nacht den Toten gewährt ist. Das ist stark gegen die Slawen und törichten Übeltäter, die glauben, dass mit dem zeitlichen Tod alles ein Ende hat. Denn sie behaupten, dass es eine Auferstehung der Toten und eine Vergeltung für Taten geben wird, obwohl auch in diesem Leben die Vergeltung für gute oder böse Taten manchmal nicht schläft.

Fassungen der Redaktion 1

[Geist predigt auf der Kanzel anderen Geisten] (Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik, 1566)[9]

Und gleich im hernach volgenden winter [1562/1563] hat sich ein wunderbarliche sach zu Mösskirch in sant Martins pfarrkirchen zutragen. Der tag aber, uf den solichs beschehen, ist gleichwol in vergess kommen. Und wie dann zu Mösskirch gepreuchlich, das man alle tag des morgens früe, bevorab winters zeiten, bei eitel nacht die metin singt, also ist uf ein zeit der alt messner, Hanns Schlamp, mit sampt dem eltesten caplan, herr Jacob Drehern, in die kirchen gangen, der ain die mettin zu leuten, der ander aber seine horas bei s. Martins liechter zu betten. Wie nun der messner ufgeschlossen und darauf baid hinein gangen, haben sie (dann es hell in der kirchen von wegen der prinenden ampln gewesen) ein mansperson in weisem beclaidt uf der canzl und etlich leut hieunden in der kirchen gesehen, die auch all in weisen claidern gesessen, wie man in der predig pfligt zu sitzen. Darbei haben sie den man uf der canzl ganz dussem[10] gehört. Aber so baldt sie für die thür in die kirchen kommen, ist es alles eins mals gleich verschwunden, und nit anders gewest, als ob es nur ain traum. Solchs gewisslich also beschehen, dann der caplon und der messner ehrenleut gewest, darfür sie allwegen gehalten worden. Solchs hat sich nit allain zu Mösskirch begeben, sonder auch es ist bei zwaien jaren darfor zu Stockach in der pfarrkirchen auch fürgangen. Also auch haben die scharwächter zu Zürich bei gar wenig jaren einsmals umb mitternacht ein herrlich ampt hören im Frawenmünster singen, als sie bedeucht hat, mit orgln und andern saitenspillen, und haben [114] gesehen, das die kirch hell und voller angezünter liechter gewest, gleichwol die kirch beschlossen und sonst aller öde gestanden. Als sie des morgens der obrigkait fürbracht, ist inen stillschweigen uferlegt worden. Wer aber dise predicanten und ire zuhörer, auch die, so das ampt im Frawenmünster zu Zürich also gesungen, das waist der allmechtig, dem nichts verborgen, und gemanet mich fast an ein handlung, die sich under dem schloß Eberstain bei meinen zeiten zutragen hat.

Geisterkirche (Baader: Teutsche Volkssagen, 1838)[11]

Zu Karlstadt am Main geschah es, daß eine fromme Magd in einer Adventsnacht erwachte und läuten hörte. In der Meinung, es sei Zeit ins Rorate, zog sie sich an und gieng nach der Kapuzinerkirche. Unterwegs noch vernahm die das Geläute; als sie an die Kirche kam, wurde darin zur Orgel gesungen, und die Fenster waren hell erleuchtet. Sie gieng durch die offene Thür hinein, es war am ersten Segen und sie kniete schnell in einen Stuhl. Später fiel es ihr auf, daß andere Lieder, als die gewöhnlichen gesungen wurden; sie schaute umher, erkannte in dem Priester und mehreren Andern Verstorbene aus dem Orte und merkte nun, daß sie unter lauter solchen sich befinde. Voll Schrecken floh sie aus der Kirche, und kaum war sie vor der Thüre, so schlug es Mitternacht. Da mit einem Mal verstummte in der Kirche Gesang und Orgel, die Lichter erloschen, und ein Windstoß warf die Thüre zu.

Das Bimmelglöckchen (Bechstein: Deutsches Sagenbuch, 1853)[12]

Im Kapellenturme der Burg Waldstein, andere sagen auf Epprechtstein, hat ein Betglöcklein gehangen, dessen Schall hat man an bestimmten Tagen im Jahre gar deutlich gehört, daß man in Zell, am Bergesfuße, öfters geglaubt hat, es hänge im dasigen Kirchturme. Das hat zur Geisterkirche geläutet. Mancher hörte es erklingen, stieg zum Berge hinan und sah und hörte droben nichts. Eine Frau, die ihrem im Walde arbeitenden Mann das Mittagsbrot brachte, hörte den Schall und ging ihm nach. Und wie sie droben um eine Mauerecke der Burg biegt, da erblickt sie die Geisterkirche offen und in hehrer Pracht, und auf dem Turme darüber schwingt sich hin und her das bimmelnde Glöcklein. Orgelton und Chorgesang dringt aus der Kirche; dem Altare zugekehrt steht der Priester, und am Boden knieen die Geharnischten und die Frauen in weißen Schleiern. Da ergreift es die arme Frau gar mächtig, auch niederzuknieen und im Staube mit anzubeten den, welchen alle guten Geister loben, doch zugleich grauset ihr, denn sie fühlt, daß sie nicht zu dieser Gemeinde gehöre. Aber der Andacht frommer Drang zieht sie dennoch hinein in das Heiligtum, und mit Händefalten knieet sie nieder. Da wendet der Priester am Altare sich um, da fällt sein Blick eisig kalt und streng auf sie, er hebt den Arm empor und ruft mit dumpfer Stimme: Wehe! wehe! – und im Nu verschwinden Altar und Priester, Orgel und Chor, Männer und Frauen, der Kirche Schmuck; das Glöcklein sinkt vom Turme und dicht vor der Frau in den Boden – ein Wetter grollt und donnert um die Trümmer, und auf ihren Mauern stehen wieder hoch und stark die seit Jahrhunderten darauf emporgeschoßten Bäume. Ganz bestürzt, mehr tot als lebend, kommt die Frau zu ihrem Manne zurück, lange versagte ihr die Sprache. Der Mann hat nichts von Sturm und Unwetter gehört, der Himmel ist hell und klar. Bebend wankte die Frau nach Hause – nach drei Tagen lag sie auf der Bahre.

Die Todtenmette (Bechstein: Deutsches Sagenbuch, 1853)

Oberhalb Schleusingen liegt die Todtenkirche, vor ihr stehen uralte schöne Linden. Einstmals blieb eine Frau aus Schleusingen, welche bei einem Leichenbegängnis die Predigt mit angehört hatte, und eingeschlafen war, in der Kirche sitzen und mochte ziemlich lange geschlafen haben. Als sie erwacht, ist es Nacht, und die Kirche ist voll Menschen; es wird Mette gehalten, und es summt ein leiser Gesang. Die Frau will mitsingen, kann aber wegen der Düsternis die Nummer nicht erkennen, und rührt an ihre Nachbarin, sich die Nummer des Liedes zeigen zu lassen. Wie sie diese Nachbarin anblickt, hat dieselbe ein Gesicht wie eitel Spinnweben, und ist eine ihr wohlbekannte längst verstorbene Frau. Diese erhebt ihre welke Todtenhand, nur noch Gerippe, und zeigt mit dem gelben Fingerknochen auf das Lied - da erkennt die Frau Nummer und Buchstaben; es ist das Lied: O Ewigkeit du Donnerwort.[13] - Die zum Tod erschrockene Frau kreischt vor Schreck laut auf, da schwinden mit einemmale die bleichen Schatten alle hinweg, und die Frau wankt zitternd nach der Thüre und nach Hause, hat aber nicht gar lange mehr gelebt.

Die Christmette in der Totenkirche zu Elsterberg (Köhler: Volksbrauch ... im Voigtlande, 1867)[14]

Vor etwa 200 Jahren trug sich in Elsterberg Folgendes zu: Ein Bürger von Elsterberg trug am Weihnachsheiligenabende ein Viertel Weizen in die Mühle. Etwa um 10 Uhr ging er mit dem erhaltenen Mehle wieder nach Hause. Sein Weg führte ihn an dem Gottesacker und der Todtenkirche vorüber, in welcher damals um 12 Uhr nachts Christmette gehalten wurde. Da bemerkte der Bürger zu seinem Erstaunen, daß die Kirche schon um 10 Uhr hell erleuchtet war. Er legte sein Mehl ab, ging hin zur Kirche, wagte sich zur Thüre hinein und erblickte in der Kirche eine Menge Verstorbener, die das Lied sangen: "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott."[15] Unter diesen Wesen mit hohläugigen, bleichen Gesichtern bemerkte er in größter Nähe seinen vor einem halben Jahre verstorbenen Gevatter. Zu diesem setzte sich der Bürger und sang mit. Nach einer Weile gab ihm der verstorbene Gevatter einen Wink mit dem Finger. Der Bürger verstand den Wink, er entfernte sich, und als er aus der Kirche trat und die Thür schloß, geschah ein starker Knall und Alles war verschwunden und finster.

[Elsternberger Totenmesse] (Eisel: Sagen des Voigtlandes, 1871)

Am Weihnachtsabende kommt ein Elsternberger an der dortigen Todtenkirche vorüber. Zu seinem Erstaunen bemerkt er, daß die Kirche hell erleuchtet ist und durch die Thür gewahrt er eine Menge Verstorbener darinnen, die eben das Lied singen: "Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott." Auch sein erst vor einem halben Jahre verstorbener Gevatter sitzt unter den hohläugigen Gestalten in größter Nähe; zu dem setzte er sich und sang mit. Der Gevatter aber gab ihm nach einer Weile einen Wink, woraufhin der Mann sich entfernte. Die Thür schloß sich wieder, ein Knall - und Alles war so ruhig und finster wieder wie zuvor.

Der Todtengottesdienst in der Taucherkirche zu Bautzen (Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, 1874)[16]

Ein Bautzner Fleischer, der sich auf dem Lande verspätet hatte, schritt an einem trüben Novemberabende auf der alten Görlitzer Landstraße seiner Vaterstadt munter zu. Als er bei der, an der genannten Landstraße unfern des Reichenthores stehenden Taucherkirche anlangte, gewahrte er Licht in diesem, als Begräbnißkirche benutzten Gotteshause. Er meinte aber, man habe sich mit einem Begräbnisse verspätet, und trat durch die sich öffnende Thüre, um sich die Predigt anzuhören, in [112] den geheiligten Raum ein. Seinen Hut vor das Gesicht haltend, betete er ein stilles Vaterunser und nachdem dies geschehen, trat er näher zu einer unfern der Thüre stehenden alten Frau, um mit in das Gesangbuch derselben zu sehen. Ein eigenthümliches Gesumme ertönte durch das Gotteshaus und der ganze weite Raum war seltsam erleuchtet. Sein Blick streifte über die zahlreiche, seltsam gekleidete Versammlung und er gewahrte mehrere ihm wohlbekannte Personen, von denen ihm aber doch bekannt geworden war, daß sie bereits gestorben seien. Die Frau an seiner Seite winkte ihm und gab ihm deutlich zu verstehen, er solle nun das Haus verlassen. Da überkam ihn eine eigenthümliche Angst, er öffnete die Thür und eilte hinaus in’s Freie. Doch kaum war er hinausgetreten, so hörte er einen heftigen Knall, das Licht verlosch und von der Domkirche in der Stadt ertönte der Stundenschlag. Unwillkürlich zählte er, dabei rasch dem Stadtthore zuschreitend, die Glockenschläge und siehe, es war gerade Mitternacht. In Schweiß gebadet, langte der Fleischer am Gitter des Thores an, der wachhabende Stadtsoldat öffnete auf sein ungestümes Klopfen das Pförtchen und vernahm, als sich der höchst aufgeregte und vor Entsetzen zitternde Fleischer etwas erholt hatte, aus dessen Munde die seltsame Kunde.

Die Christmette in der Husenkirche (A) (Wucke: Sagen der mittleren Werra, 1891)

Da bei dem großen Brande im Jahre 1786 in Salzungen auch die Stadtkirche in Asche gelegt war, wurde der Gottesdienst nothalber in der Gottesackerkirche Husen abgehalten. Damals geschah es, daß eine Frau von Hermannsroda in die Christmette zum Abendmahl gehen wollte. Um sich nicht zu verschlafen, ging sie frühzeitig zu Bette. Als sie in der Nacht erwachte und ans [359] Fenster trat, kam es ihr schon so tageshell vor, daß sie weil sie keine Uhr hatte sich schnell aufraffte und auf den Weg nach Husen machte. Und richtig, als sie durch das Thor auf den Friedhof trat, sah sie die Fenster der kleinen Kirche schon hell erleuchtet, und eben verklangen die letzten Akkorde des Chorals.
Raschen Schrittes eilte sie zwischen den Gräben nach der Kirchthüre, wo es ihr erst auffiel, daß nirgends Fußstapfen, ihre abgerechnet, in dem frischgefallenen Schnee zu bemerken waren. Doch als sie in dem Augenblick die Stimme des Geistlichen vernahm, so dachte sie nicht weiter darüber nach und trat ungesäumt durch die nur angelehnte Thür in die Kirche. Diese war gedrückt voll von Menschen, und schon stand der Pfarrer am Altare. Mit Mühe bekam sie noch einen Platz. Kaum hatte sie sich ordentlich niedergesetzt, als ihr auch schon die fremde unbekannte Stimme des Geistlichen auffiel. Sie betrachtete ihn genauer, allein wo sie ihn hinthun sollte, das wußte sie nicht. Es überlief sie ein Frösteln, denn alles hier kam ihr heute sonderbar vor. Sie wandte sich an ihre Nachbarin zur Rechten, allein fast zu Tode erschrak sie, als sie derselben in das grauenhafte wie mit Spinnweben überzogene Gesicht blickte. In der Angst griff sie nach der Hand ihrer Nachbarin zur Linken, die aber war kalt wie Stein. Rasch wollte sie die ihrige zurückziehen, doch sie wurde von der Nachbarin festgehalten. In diesem Augenblick tönte von der Stadt her das helle Glöckchen auf dem Turme des "neuen Thores." Es schlug 1 Uhr. Neuer Schrecken, neues Entsetzen der Frau! Ihre Nachbarin, in der sie nun eine längst verstorbene Bekannte erblickte, ließ ihre Hand los und mit einem gellenden Schrei stürzte die von Hermannsroda bewußtlos zu Boden.
So fanden die Frau einige Stunden später der Küster und seine Leute. Mit Mühe brachte sie der Arzt in ihrem Hause wieder zum Bewußtsein. Doch starb sie noch selbigen Tages an den Folgen des gehabten Schreckens, nachdem sie ihrem Beichtvater das eben erzählte Erlebnis mitgeteilt hatte.

(Im Anschluss wird Die Christmette in der Husenkirche (B) als zweite Fassung derselben Sage erzählt)

Die Weihnachtsmette der Toten zu Stollberg (Meiche: Sagenbuch des Königreichs Sachsen, 1903)

In der alten Marienkirche zu Stollberg, die auch "Totenkirche" heißt, feiern die Seelen der Verstorbenen - manche sagen: die in katholischer Zeit Verstorbenen - jedes Jahr in der heiligen Nacht ihre Christmessen. So hatte sich einst eine Frau in der Totengasse (Zwickauerstraße) vorgenommen, in die Weihnachtsmetten zu gehen. Vor Mitternacht schreckt sie aus einem schweren Traum auf und denkt, es sei Zeit zur Kirche. Sie macht Licht, zieht sich an und tritt auf die Straße. Da ist es noch ganz still. Als sie zur Totenkirche kommt, erblickt sie dunkle Gestalten, die dem geöffneten Kirchtore zuschreiten. Verwundert darüber, daß die Metten in dieser Kirche sein sollen, schließt sie sich ihnen an und tritt ein. Das Gotteshaus ist matt erleuchtet. In den Frauenständen ist nur an einer Bank noch ein Eckplatz frei, den sie nun einnimmt. Am Altar sieht sie einen Priester in seltsamer Gewandung, der in einem großen Buche zu lesen scheint, sich verbeugt, niederkniet, alles unter der lautlosen Aufmerksamkeit der zahlreichen Gemeinde. Sie mustert ihre Umgebung: lauter fremde Gesichter, deren Blicke mit unheimlicher Traurigkeit auf ihr haften. Da erkennt sie in ihrer Nachbarin eine Frau, die vor kurzem begraben wurde. Sie will fragen, was das alles bedeutet, aber die Gestalt winkt ihr mit knöchernem Finger zu, daß sie schweige. Da verschwindet die ganze Erscheinung. Zitternd und bebend vor Forcht steht die Frau auf der Straße und bricht an ihrer Haustüre zusammen, wo sie dann von Leuten, die in die wirklichen Metten gehen wollen, halb erstarrt gefunden und heimgebracht wird. Nach drei Tagen trug man sie hinaus nach dem Gottesacker.

Der Bittgottesdienst der Toten (Kaupert: Oberfränkischer Sagenschatz, 1988 [1951])

Es war vor langer Zeit in den Tagen des Advents. Die Forchheimer Klosterstraße trug noch ihren alten Namen "Wolfsgasse". Es schneite. Auf einmal wurde das nächtliche Schweigen durch das Läuten der Klosterglocke unterbrochen. Dies hörte auch ein altes Mütterlein, stand auf und machte sich fertig zur Rorate. Als es durch den frischgefallenen Schnee zur Kirche ging, wunderte es sich, daß es keine Bekannten sah. Auch sonst waren im Schnee keine frischen Fußspuren zu sehen. Als sie ins Gotteshaus trat, durchfuhr ein lähmender Schreck die kälteerstarrten Glieder der alten Frau. Die Toten ihrer Zeit hatten sich in nächtlicher Stunde als fromme Beter zur Roratefeier eingefunden. Eingehüllt in alte Trachten knieten sie in den Bänken. Sie hielten mit ihren Knochenhänden den Rosenkranz dest umschlungen. Auch der Priester und die beiden Ministranten waren aus der Ewigkeit. Das Sanktus war gerade vorüber, leide präludierte die Orgel vor der Wandlung. Da hörte die Frau neben sich die Stimme einer früheren Bekannten: "Mach, daß du aus der Kirche kommst, sonst bist auch du dem Tod verfallen!" Da überkam erneutes Erschrecken die einsame Kirchgängerin, aber es entriß sie dem Bann der Toten. Ohne Weihwasser zu nehmen und sich zu bekreuzen, floh sie aus dem Gotteshaus. Tief holte sie Atem, als die Kirchentür hinter ihr ins Schloß fiel. Da schlug es vom St. Martinsturm her ein Uhr. Drinnen war es dunkel und still geworden.

Fassungen der Version 2

Geisterkirche (Widmann: Chronik der Stadt Hof, 1596)[17]

[185] So hat sich auch ein wunderbarliche, doch wahrhaftige geschicht in S. Lorentzenkirche[18] und uff desselben kirchhof zugetragen.[19] Alß ein andechtige, alte fromme matron, ihrer gewohnheit nach, einsmalß fru morgens vor tag hinaus gen S. Lorentz in die engelmeß[20] gehen wollen. In meinung, es sei rechte zeit und um mitternacht fur das Öber Thor kombt, findet sie dasselbe offen und gehet also hinaus in die kirchen. Da sie dann einen alten unbekandten pfaffen die meß vor dem altar verrichtet sihet. Viel leut, mehrerßtheilß unbekandte, sitzen hin und wider in den stulen, zu beden seiten, auch einstheilß ohne köpff und unter denselben ettliche, die unlangsten verstorben waren, die sie in ihrem leben wol gekandt hatte. Das weib setzet sich mit grosser furcht und schrecken in der stule einen und weil sie nichts dann verstorbene leut, bekandte und unbekandte sihet, vermeinendt, es weren der verstorbenen seelen, auch nicht weis, ob sie wider aus der kirchen gehen oder drinnen bleiben soll, weil sie viel zu fru kommen war, ihr auch haut und haar gen berg stigen, da gehet eine aus dem haufen, welche bei leben (wie sie meinete) ihr gevatterin gewesen und vor dreien wochen gestorben war, ohne zweiffel ein guter engel Gottes, hin zu ihr, zupffet sie bei der kursen[21], beutet ihr einen guten morgen und spricht: "Ei, liebe gevatterin, behut uns der Allmechtig Gott, wie kombt ihr daher? Ich bitte euch umb Gottes und seiner lieben mutter willen, habt eben acht auff, wann der priester wandelt oder consecrirt, so lauffet, weil ihr laufen kundt, und sehet euch nur nicht umb, es kostet euch sonst euer leben!" Darauff sie, alß der prister wandeln will, aud der kirchen geeilet, so sehr sie geköndt, und hat hinter ihr ein gewaltig praßeln, alß wann die gantze kirchen einfiele, gehöret, ist ihr auch alles gespenst aus der kirchen nachgelauffen und hat sie noch uff dem kirchhof erwischet, ihr auch die kursen (wie die weiber damalß trugen) vom halß gerissen, welche sie dann hinter sich gelassen, und also unversehret davonkommen und entrunnen ist, hat auch, sobald sie vor den kirchhof herauskommen, nichts ferners [186] vermerket. Do sie nun widerumb zum Öbern Thor kombt und herein in die stad gehen will, findet sie das thor noch verschlossen, dann es ettwan umb ein hor nach mitternacht gewesen, mus derowegen wol bei dreien stunden in einem haus verharren, biß das thor geöffnet wird und kan hiraus vermercken, daß kein guter geist ihr zuvor durch das thor geholffen hab und das die schwein (die sie anfangs vor dem thor gesehen und gehört, gleich alß wann es zeit wer, das vieh außzutreiben) nichts anders dann leidige teufel gewesen.[22] Doch weil sie ein behertztes weib ohne das gewesen und sie dem ungluck entgangen, hat sie sich deß dings so hefftig nicht mehr angenommen, sondern ist zu hauß gangen und am leben unbeschedigt blieben, obwol sie wegen des eingenomenen schreckens zwen tag zu bett hat liegen mussen. Denselben morgen aber, da ihr solches zu handen gestossen, hat sie, alß es nun tag worden, uff den kirchhof hinausgeschicket und nach ihrer kursen, ob diselbe noch vorhanden, umbsehenund suchen lassen. Da ist diselbe zu kleinen stuecklein zerrissen gefunden worden, also daß uff einem iden grab ein kleines flecklein gelegen. Darob sich die leut, die hauffenweis derohalben hinaus uff den kirchhof liefen, nicht wenig wunderten. Diese geschicht ist unsern eltern sehr wohl bekanndt gewesen, da man nicht allein hie in der stadt, sonder auch uff dem land, in den benachtbarten orten und flecken, davon zu sagen gewust, wie dann noch heutigs tags leut gefunden werden, die es vor der zeit von ihren eltern gehört und vernommen haben.

Geister-Kirche (Grimm: Deutsche Sagen, 1816)[23]

Um das Jahr 1516 hat sich eine wunderbare, doch wahrhaftige Geschichte in St. Lorenz Kirche und auf desselben Kirchhof zugetragen. Als eine andächtige, alte, fromme Frau, ihrer Gewohnheit nach, einsmals früh Morgens vor Tag hinaus gen St. Lorenz in die Engelmesse gehen wollen, in der Meinung, es sey die rechte Zeit, kommt sie um Mitternacht vor das obere Thor, findet es offen und geht also hinaus in die Kirche, wo sie dann einen alten, unbekannten Pfaffen die Messe vor dem Altar verrichten sieht. Viele Leut, mehrers Theils unbekannte, sitzen hin und wieder in den Stühlen zu beiden Seiten, eines Theils ohne Köpf, auch unter denselben etliche, die unlängst verstorben waren und die sie in ihrem Leben wohl gekannt hatte. Das Weib setzt sich mit großer Furcht und Schrecken in der Stühle einen und, weil sie nichts denn verstorbene Leute, bekannte und unbekannte, siehet, vermeint, es wären der Verstorbenen Seelen; weiß auch nicht, ob sie wieder aus der Kirche gehen oder drinnen bleiben soll, weil sie viel zu früh kommen wär, und Haut und Haar ihr zu Berge steigen. Da geht eine aus dem Haufen, welche bei Leben, wie sie meinte, ihre Gevatterin gewesen und vor dreien Wochen gestorben war, ohne Zweifel ein guter Engel Gottes, hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen (Mantel)[24], beutet ihr einen guten Morgen und spricht: „ei! liebe Gevatterin, behüt uns der allmächtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt eben acht auf, wann der Priester wandelt oder segnet, so laufet, wie ihr laufen könnt und sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben.“ Darauf sie, als der Priester wandeln will, aus der Kirche geeilet, so sehr sie gekonnt, und hat hinter ihr ein gewaltig Prasseln, als wann die ganze Kirche einfiele, gehöret, ist ihr auch alles Gespenst aus der Kirche nachgelaufen und hat sie noch auf dem Kirchhof erwischt, ihr auch die Kursen (wie die Weiber damals trugen) vom Hals gerissen, welche sie dann hinter sich gelassen und ist sie also unversehret davon kommen und entronnen. Da sie nun wiederum zum obern Thor kommt und herein in die Stadt gehen will, findet sie es noch verschlossen, dann es etwa um ein Uhr nach Mitternacht gewesen: mußt derowegen wohl bei dreien Stunden in einem Haus verharren bis das Thor geöffnet wird und kann hieraus vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen habe und daß die Schweine, die sie anfangs vor dem Thor gesehen und gehört, gleich als wenn es Zeit wäre, das Vieh auszutreiben, nichts anders, dann der leidige Teufel gewesen. Doch, weil es ein beherztes Weib ohne das gewesen und sie dem Unglück entgangen, hat sie sich des Dings nicht mehr angenommen, sondern ist zu Haus gegangen und am Leben unbeschädigt blieben, obwohl sie wegen des eingenommenen Schreckens zwei Tag zu Bett hat liegen müssen. Denselben Morgen aber, da ihr solches zu Handen gestoßen, hat sie, als es nun Tag worden, auf den Kirchhof hinausgeschicket und nach ihrer Kursen, ob dieselbe noch vorhanden, umsehen und suchen lassen; da ist dieselbe zu kleinen Stücklein zerrissen gefunden worden, also daß auf jedem Grabe ein kleines Flecklein gelegen, darob sich die Leut, die haufenweis derohalben hinaus auf den Kirchhof liefen, nicht wenig wunderten. Diese Geschichte ist unsern Eltern sehr wohl bekannt gewesen, da man nicht allein hie in der Stadt, sondern auch auf dem Land in den benachbarten Orten und Flecken davon zu sagen gewußt, wie dann noch heutiges Tags Leute gefunden werden, die es vor der Zeit von ihren Eltern gehört und vernommen haben. – Nach mündlichen Erzählungen hat es sich in der Nacht vor dem Aller-Seelen-Tag zugetragen, an welchem die Kirche feierlich das Gedächtniß der abgeschiedenen Seelen begeht. Als die Messe zu Ende ist, verschwindet plötzlich alles Volk aus der Kirche, so voll sie vorher war, und sie wird ganz leer und finster. Sie sucht ängstlich den Weg zur Kirchthüre und wie sie heraustritt, schlägt die Glocke im Thurm ein Uhr und die Thüre fährt mit solcher Gewalt gleich hinter ihr zu, daß ihr schwarzer Regenmantel eingeklemmt wird. Sie läßt ihn, eilt fort und als sie am Morgen kommt, ihn zu holen, ist er zerrissen und auf jedem Grabhügel liegt ein Stücklein davon.

[Geisterkirche in Kronach] (Panzer: Bayerische Sagen und Bräuche, 1848)

Eine bäckerin in Kronach ging alle tage in die kirche. mal bei hellem mondschein meinte sie es sei tag, kleidete sich an und trat in die hellerleuchtete kirche, wo die toden versammelt waren. die jüngst verstorbene sprach zur bäckerin: "frau nachbarin, was thut ihr hier? geht ihr hinaus, so dalst ein kleidungsstück fallen!" die bäckerin liess, ehe sie zur kirchenthüre hinaustrat, ihr camisol fallen, wurde aber aus schrecken krank. am andern tag in aller früh schickte sie in die kirche, um zu sehen, ob ihr camisol noch dort liege. Dieses war aber in kleine fetzen zerrissen und auf jedem grab lag ein fleck.

Die Geisterkirche (Schambach: Niedersächsische Sagen und Märchen, 1855)[25]

In einem Dorfe des Nieder-Eichsfeldes glaubte eine Frau am frühen Morgen das Läuten zur Frühmesse zu hören. Sie kleidete sich rasch an und ging in die Kirche. Hier nahm sie ihren gewöhnlichen Platz ein, sah aber, als der vor dem Altare stehende Geistliche sich umdrehte und der Gemeinde das Gesicht zuwandte, daß sie nicht den jetzigen Geistlichen des Orts, sondern einen vor vielen Jahren verstorbenen vor sich hatte. Nun schaute sie auch zur Seite und sah zu ihrem Schrecken ihre längst verstorbene Nachbarin neben sich. Diese berührte sie mit dem Ellenbogen und gab ihr einen Wink die Kirche zu verlassen. Sie beeilte sich nun das zu thun, ward aber von den Geistern ergriffen und ihr das weiße Laken, welches sie als Mantel umgethan hatte, vom Leibe gerissen. Doch gelang es ihr glücklich wieder aus der Kirche herauszukommen, das Laken aber war in lauter thalergroße Fetzen zerrissen.

Geisterkirche zu Stolberg (Pröhle: Unterharzische Sagen, 1856)

In Stolberg wird die Christmette zu Weihnachten am Christmorgen um halb sechs Uhr sehr feierlich gehalten. Eine alte Frau stand des Nachts um 12 auf und meinte schon die Zeit verschlafen zu haben, um zur Christmette zu gehen. Sie machte sich also mitten in der Nacht auf, sah auch schon die Kirche erleuchtet, die unter dem Schlosse am Berge liegt. Die Thuer stand offen, sie ging hinein und setzte sich in ihren Stuhl. Nach einer Weile drehte sie sich um, da sah sie mehrere Bekannte als Geister um sich sitzen, die vor Kurzem gestorben waren. Daran bemerkte sie erst, daß sie unter lauter Geistern saß und eilte aus der Kirche. Indem sie aus der Thuer ging, wurde die Thuer hinter ihr zugeschlagen. Die Thuer faßte ein großes Stueck von ihrem Mantel, der wurde sogleich durchgerissen und das Stueck vom Mantel wurde am andern Morgen auf dem Altar gefunden.

Todtenmesse in der Peterskirche (Zingerle: Sagen aus Tirol, 1859)

In Auer lebte vor vielen Jahren eine fromme Alte, die gewohnt war, frühmorgens beim ersten Glockenzeichen in die Kirche zu gehen. Einst hörte sie gar frühe läuten und gieng alsbald zur Peterskirche, woher die Glocken klangen. Als sie hinkam, stand die Thüre sperrangelweit offen und die Kirche war mit unzähligen Betern dicht angefüllt; darunter waren einige verstorbene Anverwandte. Eine von diesen trat auf sie zu und sagte, sie solle den Gottesdienst der Todten nicht stören und beim Weggehen auf dem [270] Freithofe ein Stück ihres Kleides zurücklassen. Dann gab sie ihr eine brennende Kerze in die Hand. Die alte Frau packte kalter Schauder und sie wünschte sich weit über Berg und Thal; bald gieng sie deshalb aus der unheimlichen Kirche und ließ auf dem Freithofe den Unterrock fallen. Am folgenden Tage fand sie denselben in viele hundert kleine Stücke zerrissen, die auf den Gräbern herumlagen. Die Kerze, welche sie mit nach Hause genommen hatte, war ein Totenbein. Die alte Frau hatte der Schreck so angegriffen, daß sie in drei Tagen starb.[26]

Nächtlicher Gottesdienst 1 (Zingerle: Sagen aus Tirol, 1859)

Ein alter Mann gieng um Mitternacht über den Freithof zu Mals. Da hörte er Orgelton und Gesang; auch sah er die Kirchthüre offen. Da gieng er neugierig hinein und fand alle Stühle voll Beter, die alterthümlich gekleidet waren, und niemand kannte er. Der damalige Dekan hielt ein Hochamt. Endlich wurde ihm unheimlich und er wollte die Kirche verlassen. Da sagte die dem Manne zunächst stehende Person, er müsse etwas zurücklassen. Er legte sein Sacktuch auf einen Betstuhl und gieng. Als er am folgenden Morgen die Messe besuchte, fand er das Sacktuch zu kleinen Fetzen zerrissen. Hätte er nichts zurückgelassen, wäre ihm das Loos des Sacktuches zu Theil geworden. Wenige Tage darauf starb der Dekan, der das Geisteramt gehalten hatte.[27]

Nächtlicher Gottesdienst 2 (Zingerle: Sagen aus Tirol, 1859)

In Taufers kam eine Magd, die glaubte, es sei Zeit zur Frühmesse zu gehen, um Mitternacht in die Kirche. Sie fand die Kirche offen, die Orgel tönte, ein Priester stand am Altare und die Kirche war gedrängt voll, doch alle Beter waren ganz unbekannte Leute, viele in alter Tracht. Wie die Messe zu Ende gehen sollte, zupfte es die Dirne, sie sah um - und erblickte ihre kürzlich verstorbene Schwägerin. Diese mahnte die Lebende, sie solle eiligst weggehen, aber das Fürtuch zurücklassen. Sie folgte und lief heim. Am andern Tag lag auf jedem Grabe ein Lappen des von den Geistern zerrissenen Schurzes.[28]

Geistermesse (Zingerle: Sagen aus Tirol, 1859)

Im ganzen Thale ist der Glaube verbreitet, daß in der Christnacht gegen Zwölfuhr alle Todten zur Messe gehen müssen. Da geschah es einmal, daß ein Weib glaubte, es sei schon Frühmeßzeit, und gieng gleich nach Mitternacht in die Kirche, in der sie lauter Verstorbene fand, die mit großer Andacht beteten. Sie kniete neben ihrer verblichenen Gevatterin hin, denn sie fürchtete sich, sogleich wieder fortzugehen. Als die Messe beinahe vollendet war, sprach die Nachbarin: "Geh' vor dem Ite missa fort und laß etwas vor der Thüre liegen, sonst mußt du sterben." Das Weib stand auf, verließ die Kirche, hängte ihren "Handschliefer" (Muff) an der Thüre auf und eilte heim. Als sie morgens wieder zur Kirche kam, fand sie den "Schliefer" in tausend Stücke zerrissen.[29]

Die Geisterkirche (Alpenburg: Deutsche Alpensagen, 1861)

Einer Magd zu Teiß kam einmal an einem Sonn- oder Festtage fortwährend vor dem Betläuten vor, als sie noch halb träumte, es läute vom Kirchthurm zum Gottesdienst. Die Angst, sie versäume die Frühmesse, erweckte sie ganz; eilig stand sie auf, kleidete sich an und ging sofort der Kirche zu; die Kirchthüre stand offen und die ganze Kirche war gedrängt voll Leute. Auf einmal sieht sie ihre verstorbene Base. Dieselbe geht auf sie zu, [350] mahnt sie, sie solle sich alsogleich entfernen und auf dem Friedhofe ein Stück Kleid zurücklassen. Sie geht und läßt auf dem Friedhofe das Hemd zurück. Als die Leute dann wirklich Morgens zum Frühgottesdienste kamen, sahen sie auf jedem Grabe ein Stück Hemd liegen. Das hatten die Geister zerrissen. Hätte jene Magd ihr Hemd nicht auf dem Kirchhofe zurückgelassen, so wäre sie selbst zerrissen worden.

[Geistermesse in Schleiz] (Eisel: Sagenbuch des Voigtlandes, 1871)

Eine Frau in Schleitz ist einmal Nachts 11 Uhr in der Meinung, es sei Zeit zur Frühmetten, zur Gottesackerkirche gegangen, hat sich aber nicht wenig verwundert, als sie da einen ihr wohlbekannten, aber längst verstorbenen Geistlichen hat predigen hören; Im Umschauen nun bemerkt sie weiter, daß auch rings um sie herum nur Personen Platz genommen haben, die zum Theil längst vermodert sein mußten. Da raunt ihr eine ehemalige gute Freundin, die dicht neben ihr saß, zu: sie solle machen, daß sie davonkäme und, wenn sie es ungefährdet thun wolle, etwas zurücklassen von ihrem Anzuge. Das that Jene, hat aber lange Zeit hernach krank gelegen und das Mäntelchen, was sie zurückgelassen, hat man am anderen Morgen in tausend Stücke zerrissen gefunden.

Die Christmette in der Husenkirche (B) (Wucke: Sagen der mittleren Werra, 1891)

(Zuvor wird Die Christmette in der Husenkirche (A) als alternative Fassung derselben Sage erzählt. Der hier zu ergänzende Anfang der Sage lautet dort:
Da bei dem großen Brande im Jahre 1786 in Salzungen auch die Stadtkirche in Asche gelegt war, wurde der Gottesdienst nothalber in der Gottesackerkirche Husen abgehalten. Damals geschah es, daß eine Frau von Hermannsroda in die Christmette zum Abendmahl gehen wollte. Um sich nicht zu verschlafen, ging sie frühzeitig zu Bette. Als sie in der Nacht erwachte und ans [359] Fenster trat, kam es ihr schon so tageshell vor, daß sie weil sie keine Uhr hatte sich schnell aufraffte und auf den Weg nach Husen machte. Und richtig, als sie durch das Thor auf den Friedhof trat, sah sie die Fenster der kleinen Kirche schon hell erleuchtet, und eben verklangen die letzten Akkorde des Chorals. Raschen Schrittes eilte sie zwischen den Gräben nach der Kirchthüre, wo es ihr erst auffiel, daß nirgends Fußstapfen, ihre abgerechnet, in dem frischgefallenen Schnee zu bemerken waren. Doch als sie in dem Augenblick die Stimme des Geistlichen vernahm, so dachte sie nicht weiter darüber nach und trat ungesäumt durch die nur angelehnte Thür in die Kirche.
)

Als die Frau durch die nur angelehnte Thüre in die hellerleuchtete Kirche trat, fand sie diese bereits von Leuten beiderlei Geschlechts überfüllt und die Kommunion im Gange. Ohne etwas Schlimmes zu ahnen, versuchte jetzt die Hermannsröderin durch den dichten Haufen nach dem Altar sich durchzuwinden. Doch in dem nämlichen Augenblick vertraten ihr einige Frauen den Weg; verwundert schaute die Bäuerin auf, um sich nach der Ursache dieses unfreundlichen Benehmens zu erkundigen. Allein Schrecken und Grausen erstickten ihr das Wort, dicht vor ihr standen zwei längst [360] verstorbene Nachbarinnen, die ihr beide aufs deutlichste zu verstehen gaben, das Haus so schnell als möglich zu verlassen, was sie sich denn auch nicht zweimal heißen ließ. In der Thür jedoch wurde sie noch von den ihr nacheilenden Geistern am Mantel ergriffen und dieser ihr in Fetzen vom Leibe gerissen. Die Fetzen fanden sich denn auch am andern Morgen an den Kreuzen einer großen Anzahl von Gräbern aufgehangen.
Die Frau aber wäre, nachdem sie alles ihrem Pfarrer gebeichtet, am neunten Tage nach jenem Vorfall gestorben.

In der Allerseelennacht (Graber: Sagen aus Kärnten, 1914)

An einem Allerseelentage war es, als ein alter Totengräber zu Greifenburg um Mitternacht in der Friedhofskapelle Kerzen brennen sah und ein Stimmengewirr vernahm. Da er kein Hasenfuß war, trat er ein. Aber wie erstaunte er, als er am Altar einen fremden Priester erblickte. Die Kirche war ganz mit Manschen gefüllt; auch er nahm in der letzten Bank Platz, wo nur eine alte Frau saß. Nach einiger Zeit wendete ihm diese ihr Gesicht zu und er erkannte mit Schrecken in ihr seine längst verstorbene Taufpatin. Auch sie erkannte ihn und flüsterte ihm zu: „Entferne dich schnell, denn wenn du bemerkt wirst, ist es um dich geschehen. Laß jedoch deinen Rock an der Friedhoftür fallen.“ Der Totengräber machte sich aus dem Staube und befolgte den Rat seiner Patin. Kaum hatte er den Friedhof verlassen, als es ein Uhr schlug und es ihm vorkam, als ob die Toten wieder ihre Gräber aufsuchten. Am Morgen erzählte er den Leuten sein nächtliches Erlebnis, doch sie lachten ihn aus und keiner glaubte daran. Als sie aber auf den Friedhof kamen und auf jedem Grabe ein Stück seines Rockes fanden, blieb ihnen nichts anderes übrig, als seinen Worten Glauben zu schenken.

Die Totenmesse (Graber: Sagen aus Kärnten, 1914)

Im oberen Drautal ist die Meinung verbreitet, daß jede Mitternacht die Seelen des Fegefeuers in die Kirche kommen. Die, welche viele Sünden abzubüßen haben, erscheinen ganz durchnäßt, da ihnen der lange Weg vom Fegefeuer auf die Erde viel mehr Beschwerden macht als denen, welche weniger Sünden tragen. Eine Frau erwachte um Mitternacht und stand auf, in der Meinung, es sei schon Tag; doch es war der Mond, der voll und hell ins Zimmer schien. Sie kleidete sich an und ging zur Kirche. Dort waren viele Leute versammelt, welche beteten. Alle waren kopflos, auch der Priester am Altare. Unter den Andächtigen bemerkte sie einen ihrer Verwandten, der schon vor Jahren gestorben war. Er warnte die Frau, noch weiter zu gehen und befahlt ihr umzukehren und ohne umzublicken, etwas hinter sich zu werfen. Sie gehorchte und warf zuerst ihre Schürze zurück. Obwohl sie hörte, daß ihr alle Geister folgten, blickte sie nicht um, sondern warf auch noch ihr Halstuch zurück. Die Geisterschar folgte ihr bis zum Friedhoftor und verschwand dann. Die Frau aber suchte ihr Heim auf und legte sich nochmals zur Ruhe. Am nächste Morgen fand man die Kleidungsstücke zerrissen im Friedhofe. Auf jedem Grabe lag ein Fetzlein.

Die Christmette der Geister in der Gottesackerkirche zu St. Lorenz bei Hof (Vogel: Beilage zur Bayerischen Rundschau, 1927/1928)

Vor mehr als hundert Jahren, als es noch üblich war, das Geburtsfest unseres Heilandes am ersten Weihnachtstage früh nach 12 Uhr mit einem feierlichen Gottesdienste, die "Christmette" genannt, zu beginnen, lebte in der Stadt Hof eine ehrbare Bürgerswitwe. Diese hörte in der Nacht des Weihnachtsabends wie im Traume eine Stimme, welche deutlich zu ihr sagte: "Stehe auf und gehe nach St. Lorenzen!" Sie erwachte darüber, sann über das Gehörte nach, doch dieselbe Stimme ließ sich noch zweimal in vollem Wachen hören. Dies nun für mehr als Traum haltend, stand sie auf, machte Licht und sah nun, daß es bald Mitternacht sei, und als beherzte und rüstige Frau entschloß sie sich zu dem schauerlichen nächtlichen Wege, denn die Stimme schien ihr ein höherer Wink zur Rettung eines Verunglückten zu sein. Anders vermochte sie solche nicht zu deuten, denn damals war noch nie eine Christmette in dieser Kirche gehalten worden. Schnell kleidete sie sich an, warf einen Mantel - wie er damals unter dem Namen "Corsen" übliche Frauentracht war - über, zündete die Laterne an und schlich unbemerkt aus dem Hause. Als sie durch die hie und da schon wegen des nächtlichen Gottesdienstes in den Kirchen der Stadt hell erleuchteten Gassen zum Gottesacker kam, erschrak sie nicht wenig, das Tor offen und die Kirche hell erleuchtet zu finden, aus der ihr vielstimmiger Gesang und Orgelklang entgegentönte; doch sie faßte sich ein Herz, da sie die Türe ebenfalls offen sah, und trat ein. Ihr Schrecken steigerte sich zum Entsetzen, denn der von Kronleuchtern und zahlreichen Kerzen erhellte Raum dehnte sich ins Unendliche und faßte eine höchst seltsame Versamm[31]lung. Am weitesten vom Eingang saßen auf Bänken und Emporen Männer und Frauen in uralter Tracht; dann kamen wieder viele, die neumodischer gekleidet waren, und so immer alle Abstufungen der Kleidertrachten, bis zu der Zeit, in welcher die nächtliche Kirchgängerin lebte. Ihr von dem Kerzenglanze geblendetes Auge konnte anfangs nicht erkennen, daß aller Antlitz bleich und starr war, bis aus diesem Lichtermeer bekannte Gestalten auftauchten und sie mit erneutem Schrecken gewahrte, daß sie sich unter lauter Verstorbenen befand. Sie wollte fliehen in unbeschreiblichem Entsetzen, doch sie vermochte es nicht, denn ihr Fuß war wie angewurzelt auf der Türschwelle. Eine der Türe am nächsten sitzende bleiche Frau winkte freundlich der Witwe, sich an deren Seite zu setzen, und neues Grauen erfaßte sie, als sie in ihr eine geliebte Freundin und Gevatterin, die erst vor kurzer Zeit hier schlafen gegangen, erkannte. Doch unwillkürlich folgte sie dem Winke, und als sie sich gesetzt, faßte sie sich das Herz, ihre Nachbarin zu fragen, was dies alles bedeute. Die Antwort war, daß alle, so seit Gründung des Friedhofes hierher begraben wurden, alle Jahre hier ihre Christmette hielten. Sie sah sich nun genauer um, erkannte Eltern, Geschwister, Verwandte, und in dem Chorregenten auf der Orgel den Lehrer ihrer Kindheit. Endlich schwieg der Gesang, der Prediger betrat die Kanzel und siehe, es war der zuletzt hier verstorbene Stadtgeistliche. Die schauerliche Feier war ganz nach dem Ritus der damaligen Zeit vorübergegangen; doch als nach dem Segen der Schlußvers des Liedes begann, bat der Witwe heimgegangene Freundin, sie möge sich jetzt so schnell sie könne entfernen, ehe der Vers endige, sonst wäre sie verloren, und sagte ihr Lebewohl. Rasch erhob sie sich, den Abschiedsgruß erwidernd, und verließ eilig die Kirche; doch bei ihrer Flucht verfing sich ein Zipfel ihres Mantels am Schloß der Türe. Sie aber nahm sich nicht Zeit, ihn loszunesteln, sondern ließ ihn im Stich. Furcht und Entsetzen beflügelten ihre Schritte. Atemlos erreichte sie ihre Wohnung, und der nächste Morgen fand sie in ein schweres Fieber verfallen, in dem sie unaufhörlich von diesem Abenteuer phantasierte und erst nach vielen Wochen wieder genas. Am ersten Weihnachtstage nachmittags war eine Leichenbestattung angesagt und als der Totengräber den Gottesacker aufschloß, lag der an der Kirchtüre hängengebliebene Mantel der Bürgerswitwe, in unzählige Fetzen zerrissen, auf allen Gräbern, Leichensteinen und Grüften umhergestreut.

Die Christmette von Sankt Moritz (Frank: Mittsommersagen aus Oberfranken, 1979)

An einem Weihnachtsheiligabend wollte eine Frau von Ortspitz nach Leutenbach (Landkreis Forchheim) zur Christmette gehen. Da sie sich verspätet hatte, befand sie sich in Eile. Ihr Weg führte am "Moritzen", einem einsamen Kirchlein im Ehrenbachtal, vorbei, dessen Schutzpatron St. Moritz ist. Das Gotteshaus war hell erleuchtet. Da entschloß sich die Bäuerin, gleich die Mette im Moritzkirchlein zu besuchen, bog am Bahrhäuslein ein, huschte an den verschneiten Grabhügeln des Kirchhofs vorüber und öffnete die Kirchentüre. Viele Beter knieten in den Bänken, und auch sie gesellte sich dazu. Es herrschte eine auffallende Totenstille. Kein Beten wat zu hören, kein Orgelton, kein Lied erscholl. Nur tiefer Ernst lag auf den Mienen der Versammelten, Als die beklommene Bäuerin die Augen zum Priester am Altar gehen ließ, schrak sie zusammen, da sie in ihm den verstorbenen Pfarrherrn von Leutenbach zu erkennen glaubte. Dann blickte sie sich verstohlen um: Die Nachbarin neben ihr, das war doch ihre abgeschiedene Gevatterin, und die Alte vor ihr mußte eine ehemalige Einwohnerin aus dem Nachbardorf Seidmar sein. Jetzt wendete sich die Gevatterin ihr zu und flüsterte: "Wie kommst denn du zu uns herein!" Sie erwiderte, daß sie des [59] Glaubens gewesen sei, daß hier Christmette gehalten werde. Erregt ermahnte sie die Verwandte: "Ach Gott, mach gleich, daß du nach der Wandlung herauskommst! Lasse aber etwas hinter dich fallen und lauf sofort nach Hause, wenn du nicht verloren sein willst!" Kaum hatte der Geistliche den Kelch auf den Altar zurückgestellt, da floh die Ortspitzer Einwohnerin die unheimliche Beterschar, warf ihr grünes Trachtentuch hinter sich und stürzte ins Freie. Völlig erschöpft kam sie zu Hause an, doch überfiel sie ein böses Fieber, und im Wahn langte sie immerfort nach der grüngestrichenen Stubenwand und faselte etwas von einem grünen Schultertuch, das sie bei sich gehabt habe. Es ließ sich jedoch nirgends finden. Erst als am folgenden Morgen, dem ersten Feiertag, die Angehörigen der Fieberkranken zum Gottesdienst nach Sankt Moritz gingen und durch den Kirchhof schritten, sahen sie auf den Gräbern ringsum Fetzen vom grünen Kopftuch liegen.

Fassungen der Mischredaktion

Gottesdienst der Toten (Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig Holstein und Lauenburg, 1845)

In einer Nacht erwachte eine alte Frau in Kiel und meinte es sei Zeit zur Frühpredigt zu gehen; es schien ihr, als wenn die Glocken und die Orgel giengen. Sie stand auf, nahm Mantel und Laterne, es war Winter, und gieng zur Nikolaikirche. Aber da konnte sie sich gar nicht mit den Gesängen zu recht finden, alle Zuhörer sangen ganz anders als in ihrem Gesangbuche stand, und die Leute kamen ihr auch so unbekannt vor, ja neben ihr erblickte sie eine Frau, gerade wie ihre längst verstorbene Nachbarin. Da näherte sich ihr eine andere Frau, auch längst verstorben, es war ihre selige Gevatterin; die sagte zu ihr, sie sollte hinaus gehen, denn die Kirche wäre jetzt nicht für sie; sie möchte sich aber nicht umsehen, sonst könnte es ihr schlimm ergehen. Die Frau gieng fort so schnell sie konnte, und da die Kirchthür rasch hinter ihr zu schlug, blieb ihr Mantel hangen. Da schlug die Uhr eben zwölf. Sie häkelte den Mantel von den Schultern los und dachte ihn am andern Morgen wieder abzuholen. Aber am andern Morgen, als sie wieder kam, war er in lauter kleine Fetzen zerrissen: die Toten waren darüber hin getrippelt.[30]

Die Christmette der Toten [A] (Graber: Sagen aus Kärnten, 1914)

Ein altes, kränkliches Weib wohnte der Christmette bei. Es saß in einem Winkel an der Wand, so daß es von vielen Kirchenbesuchern nicht bemerkt wurde. Als die feierliche Handlung beendet war, drängte alles Volk dem Ausgange zu und verließ fast gruselnd die Kirche. Das alte Mütterchen war in seinem Winkel eingeschlafen. Eine Zeitlang herrschte Totenstille, auch der Mesner verließ eilends die Kirche, nachdem er am Altare Ordnung geschaffen hatte. Plötzlich war der Raum hell beleuchtet und von ferne klang es wie Orgelton. Davon erwachte das Mütterchen und sah nun, daß es allein in der Kirche war. Noch bevor es recht zum Bewußtsein seiner Lage kam, sah es, wie weißgekleidete Totengerippe in die Kirche zogen, darunter eine Verwandte des Weibes, welche erst vor einigen Tagen gestorben war. Diese trat nun schnell an das zu Tod erschrockene Mütterchen heran und befahl ihm, schnell aus der Kirche zu gehen und vor dem Tor sein „Umhängtuch“ fallen zu lassen. Im Fortgehen dürfe es aber nicht umsehen, sonst sei es des Todes. Das Mütterchen eilte nun dem Ausgange zu und ließ dort das Tuch fallen. Am Morgen fand man auf jedem Grabe ein Stück davon.

Die Totenmette (Schmidt: Oberfränkischer Sagenschatz, 1988)[31]

In Gefrees erzählte man sich früher, daß die Geister der Verstorbenen am Weihnachtsabend in der Kirche Christmette halten. Einem Mädchen war kurz vor dem Feste die Mutter gestorben. Da es von dem seltsamen Brauch der Toten wußte und großes Verlangen nach seiner Mutter hatte, ging es um Mitternacht zum Gotteshaus. Es fand die Türe offen und der Mond warf sein Licht durch die Fenster. Furchtsam betrat es den weiten Raum, setzte sich auf eine Bank und wartete. Das Mädchen vernahm ein Singen wie aus weiter Ferne. Da klopfte ihm jemand auf die Schulter und als es sich umdrehte, saß die Mutter in der Bank hinter ihm. Sie gab dem Kind den Rat, rasch das Gotteshaus zu verlassen und draußen vor dem Tor, ohne sich umzuschauen, das Kopftuch hinter sich zu werfen. Als das Mädchen am Weihnachtstag früh zur Kirche ging, sah es die Fetzen des Tuches auf dem Kirchplatz liegen.

Begegnung mit der verstorbenen Mutter (Frank: Mittsommersagen aus Oberfranken, 1979)

Auch zu Gefrees hielten einst die Geister der Verstorbenen am Weihnachtsheiligabend in der Kirche eine Mette. Da einem Mädchen kurz vor dem Feste die Mutter gestorben war, es von dem seltsamen Brauch der Toten wußte und großes Verlangen nach der Mutter empfand, begab es sich um Mitternacht zum Gotteshaus. Die Türe stand offen, und der Mond warf sein Licht durch die Fenster. Zögernd und ängstlich betrat das Mädchen das Kirchenschiff und nah, auf einer Bank Platz. Ein Singen war zu vernehmen, doch klang es wie aus weiter Ferne. Da klopfte der Besucherin jemand auf die Schulter, und als sie sich umdrehte, sah sie ihre Mutter hinter sich sitzen. Sie gab ihrem Kinde den Rat, rasch das Gotteshaus zu verlassen und draußen im Kirchhof, jedoch ohne sich umzuschauen, das Kopftuch hinter sich zu werfen. Als das Mädchen am folgenden Weihnachtsmorgen wieder zum Gottesdienst kam, sah es verwundert die Fetzen seines bunten Tuches vor dem Kirchentore liegen.

Die Geistermesse zu Bamberg (Frank: Mittsommersagen aus Oberfranken, 1979)

Eine fromme Bambergerin ließ es sich nicht nehmen, alltäglich, und dies auch im kältesten Winter, die Frühmesse in der "Pfarrkirche Unserer Lieben Frau" zu besuchen. Eines Tages in der Mittwinterzeit schreckte sie aus einem bösen Traum und hörte das Frühmeßglöcklein läuten. Hastig kleidete sie sich an, vergaß auch ihr Fuchspelzlein und die Laterne nicht und hastete zum Gotteshaus. Kein Mensch begegnete ihr oder kreuzte ihren Weg. Beim Öffnen der Kirchentüre strömte ihr ein sonst nicht gekannter Lichterglanz entgegen. Dichter [60] als üblich fand sie den Raum besetzt, doch war ihr gewohnter Platz noch frei. Aber der Frau schien es, als ob die Stimme des Frühmesners bei der heiligen Handlung dumpfer denn sonst klinge; auch die Gläubigen antworteten merkwürdig hohl. Da fiel es der Frau schwer, sich in die rechte Andacht zu versenken; sie blickte bald links, bald rechts nach ihren Nachbarinnen, die miteinander, in ungewohnte graue Tücher gehüllt, fast gespenstisch in den Bänken knieten. Endlich war die Gemeinde vom Priester entlassen, und mit einer zuvor nicht gefühlten Erleichterung erhob auch sie sich von ihrem Platz. Während sie sich zum Gehen wandte, vorher aber noch einmal einen kurzen Blick auf die seltsamen Gestalten um sich herum warf, fiel der einen das dunkle Ruch vom Kopfe. Wie erschrak sie, als sie ihre alte Base zu erkennen glaubte, die schon vor zehn Jahren verstorben war. Sie vermochte sich kaum noch auf den Beinen zu halten, strebte aber eiligst dem Ausgang zu, die Schar der Nachdrängenden im Rücken. Einer plötzlichen Eingebung folgend riß sie, schon außerhalb des Gotteshauses, ihr Pelzlein vom Hals und schleuderte es hinter sich. Dann hastete sie durch den Kirchhof. Zwölf Uhr schlug es eben vom Turm, und da wurde es der Frau klar, daß sie an einer Geistermesse teilgenommen und ihr Leben an einem Faden gehangen hatte. Aus dem tiefen Schlaf, in den sie, wieder zu Hause angelangt, fiel, mußte sie schließlich ihr ahnungsloser Mann rütteln, nachdem sie wie irrsinnig aufgeschrien hatte. Nun erst erzählte die Frau von ihrer unheimlichen Begegnung, und tatsächlich fehlte das Pelzlein im Kleiderschrank. Der zur Oberen Pfarrkirche im ersten Morgenstrahl eilende Mann fand es dann wirklich im Kirchhof, allerdings in tausend Fetzen über die beschneiten Grabhügel verstreut liegen. Seltsamerweise waren keinerlei Fußspuren im Schnee zu sehen.

Verwandte Sagen

Geisterkirche (1837)[32]

Von Leuten, welche der Liebfrauenkirche nahe wohnen, ist unterschiedlich erzaehlt worden, daß sie zu ungewohnter Nachtstunde die Kirche hell erleuchtet gesehen, Orgelton und Gesang vernommen. Einem Diaconus an derselben Kirche geschah es, daß er auf seinem Lager erwachte, und in der Meinung, es sei Zeit zur Fruehmette, sich in die Kirche begab. Darin fand er bereits den Gottesdienst begonnen. Die Kerzen waren angezuendet; [135] am Hochaltar und an den Seiten-Altaeren standen Priester und Vicare, Meßner und dienende Chorknaben, die vor vielen hundert Jahren in der Kirche ministriert hatten, und eine große Menge Betender fuellte das Kirchenschiff. Da schlug die Glocke zwoelf und mit einem Male verloeschten die fast herabgebrannten Lichter, Priester und Andaechtige verschwanden, und der Diaconus fand sich mit Grausen allein in dem Gotteshaus. Oft und viele Jahre lang soll es auch darin gespukt haben; im Jahr 1612, am Fest Mariae Reinigung, war zweimal, fruehmorgens und Mittags, ein lautes Prasseln und Fallen in dem Fuerstlichen Erbbegraebniß hoerbar. - Einem Kuester traeumte, in einem der uralten Schraenke der Sakristei finde er einen ueber hundert Jahre verborgenen Kelch, und in der That wurde beim Nachsuchen ein solcher Kelch von Silber, vergoldet und mit Edelsteinen besetzt, gefunden, der auf 500 Thaler gewuerdigt wurde. - Schatzgraeber haben auch schon oefter nach Schaetzen in der Fruehkirche gesucht, aber nichts gefunden.

Geisterkirche [1] (1851)[33]

Drei Nächte nacheinander um zwölf Uhr fahren jedes Jahr mehrere Kutschen rasselnd an der Karlsruher Schloßkirche an. Es steigen Leute aus und begeben sich [187] in die hellerleuchtete Kirche, worin alsdann, bei Gesang und Orgelspiel, Gottesdienst gehalten wird. Wenn derselbe aus ist, steigen sie wieder in die Kutschen und fahren davon. Einmal wagten sich die Schloßwächter während dieses Gottesdienstes in die Kirche, und da sahen sie lauter Verstorbene, nämlich den Großherzog Ludwig mit seinem Hofstaat, in den Stühlen sitzen und der Predigt zuhören, die ein abgeschiedener Hofpfarrer von der Kanzel hielt. Von Schrecken getrieben, eilten die Wächter von dannen.

Geisterkirche [2] (1851)[34]

Eine Frau zu Heidelberg, welche in die Christmette wollte, kam irriger Weise, statt um zwölf, schon um elf Uhr an die Jesuitenkirche. Sie ging durch die offene Thüre, besprengte sich mit Weihwasser und knieete in [320] einen der vordern Stühle. Auf dem Hochaltar brannten die Lichter, und an ihm saßen zwölf Geistliche in ihrer kirchlichen Kleidung, still und unbeweglich. Hieran, so wie am Leerbleiben der Kirche, merkte endlich die Frau, daß sie zur unrechten Zeit gekommen sei. Sie beendete nun ihr Gebet und wollte die Kirche verlassen, wobei sie wieder sich mit Weihwasser segnete. Da sprach ein Geistlicher, der am Weihwasserkessel stand und gerade so aussah, wie die am Altare: "Das war dein Glück, daß du noch einmal Weihwasser genommen hast!" Nach diesen Worten verschwand er. Heftig erschreckt eilte die Frau zur Kirchenthüre, fiel aber dort in Ohnmacht, woraus sie erst die Leute erweckten, die nachher in die Christmette kamen. In Folge des Schreckens starb die Frau nach einigen Tagen.

Geistermesse (1851)[35]

Die Hofkirche zu Bruchsal erscheint zu Zeiten nachts, wo sie verschlossen ist, im Innern glänzend erleuchtet. Bei einer solchen Erhellung schaute der Kirchendiener zum Schlüsselloch hinein und sah am Altare den verstorbenen Fürstbischof von Hutten Messe lesen. Hierüber erschrack er so sehr, daß die Wimper des Auges, mit welchem er hineinblickte, auf immer ganz grau wurde.

Die Geistermesse in Erstein (1852)[36]

Die alte Kloster-, oder wie sie auch genannt wurde, die Münsterkirche in Erstein, stand noch im Anfange dieses Jahrhunderts. Sommer wie Winter wurde darin um halb sechs Frühmesse gelesen. - Eine Frau, die dieselbe besuchen wollte, wurde von dem hellen Vollmondschein, der in ihre Kammer fiel, getäuscht und glaubte, sie habe sich verspätet. Schnell kleidete sie sich an und eilte nach dem hell erleuchteten Münster, aus welchem die mächtigen Orgeltöne herausdrangen. Die Kirche war gedrängt voll, der Priester stand am Altar, Mönche und Nonnen knieten im Chor. Der Frau kam es seltsam vor, daß sie keine der anwesenden Personen erkannte, bescheiden ließ sie sich am Eingange nieder und betete. Siehe, da ward es plötzlich finster in der Kirche und die befand sich allein, als die Mitternachtglocke eben ausgeschlagen hatte. Auch andere Leute des Städtchens haben dieser Geistermesse beigewohnt oder haben, im Vorübergehen, die Kirche zu so ungewohnter Stunde, erleuchtet gesehen.

Severi Kapelle zu Fulda (1853)[37]

Am Wollenwebersgraben in Fulda steht die Severikapelle, die einzige Kirche der Stadt, in welcher zur Reformationszeit katholischer Gottesdienst gehalten wurde und worin nie Geistliche anderer Bekenntnisse predigten. Oft sieht man um Mitternacht die Fenster des Kirchleins erhellt und hört Orgel und Chorgesang. Das ist eine Geistermesse, welche von Priestern gelesen wird, die im Leben ihren Glauben treu- und eidbrüchig verlieszen.

Die gestohlene Gans (1856)[38]

Vor langer Zeit ist in Osterwieck einer Frau eine Gans gestohlen, als Dieb derselben hatte sie eine andere Frau in Verdacht. Sie verklagte daher dieselbe und ließ sie beeiden. Beide Frauen starben bald darauf. Da hoert denn einst ein "Choraennenknabe" (Currendenknabe) waehrend der Nacht ein Laeuten in der St. Nikolaikirche. Er springt in voller Angst aus dem Bette, zieht sich an und geht nach der Kirche, welche er offen und hell erleuchtet findet. Der Knabe begibt sich auf seinen Platz, sieht viele Andaechtige, erkennt aber Niemand, versteht auch nicht, was sie singen. Nach Beendigung des Gesanges kommt ein Pastor hinter dem Altar weg und begibt sich davor, wird aber auch nicht von ihm erkannt. Das scheint ihm wunderlich, doch soll er nicht lange im Unklaren bleiben. Es stehen naemlich zwei Weiber auf und gehen vor den Altar. Der Knabe erkennt sie als jene beiden Frauen. Der Pastor verhoert diese und es ergibt sich daraus die Unschuld der fuer schuldig gehaltenen Frau. Zugleich wird offenbar, daß der Dieb noch am Leben, jetzt aber schwer krank sei. Nach diesem kommt eine Frau auf den Knaben zu, die derselbe als die vor wenigen Jahren verstorbene Schwester seiner Mutter [43] erkennt. Sie gibt ihm durch einen Wink zu verstehen, daß er sich aus der Kirche entfernen moege. Der Knabe thut's, die Kirchthuer wird mit aller Gewalt hinter ihm zugeschlagen. Da er draußen ist, schlaegts, er zaehlt 12. Zu Hause angekommen, fragt ihn seine Mutter, wo er gewesen sei. Morgen frueh, antwortet er, will ich's euch erzaehlen. Am Morgen theilt er ihr alles mit. Die Mutter meldet's der Obrigkeit und die in der Kirche als Gaensedieb bezeichnete kranke Frau gesteht, durch den Pfarrherrn tief ins Gewissen gegriffen, ihr Vergehen.

[Totenkirche in Neustadt] (1857)[39]

Manche gingen schon um Mitternacht an dem Freidhofe zu Neustadt vorüber, fanden die Kirche erleuchtet, traten ein und sahen im Schiffe der Kirche die Verstorbenen der Gemeinde. Auf dem Altare aber brannten Lichter, welche die noch lebende Gemeinde bedeuteten. Welches Licht zuerst erlosch, mußte zunächst sterben. Die Namen wurden ihnen von einem Toden, der bey der Thüre ihnen entgegentrat, gesagt.

[Rorate-Gottesdienst in Salzburg] (1858)[40]

Ein in der katholischen Christenheit allgemein üblicher Gottesdienst ist zur Adventzeit die Frühmesse unter dem Namen "Rorate." Ein Fräulein in Salzburg, das nie diese Messe versäumte, erwachte einstens, wie sie glaubte um 5 Uhr. Eiligst zog sie sich an und eilte zum Dome. Obwohl verwundert daß die Straßen ganz leer waren, ließ sie sich nicht aufhalten, da sie die Töne der Riesenorgel vernahm, die man selbst bei Tag zwei Plätze weit hört. Sie tritt auf den Domplatz und sieht die hohen Fenster hell erleuchtet, an der Kirche angelangt findet sie aber die Thüren geschlossen. Verwundert geht sie hin und her, sie hört deutlich den Schlußgesang des Hochamtes. Plötzlich schlägt es vom Domturme ein Uhr.
Das waren wieder die Bewohner des Untersberges[41], die namentlich zur Adventzeit ihre Höhlen verlassen, und vorzüglich im Dome zu Salzburg und in Seekirchen ihren Gottesdienst feiern. Die Sage spricht von einem unterirdischen Gange, der die Verbindung herstellt.[42]

Der Geist in der Pfarrkirche (1859)[43]

Vor vielen Jahren war beim Meßner in Mals spät abends ein Heimgarten beisammen, bei dem auch von Geistern die Rede war. Des Meßners Tochter, ein keckes Mädel, sagte, sie fürchte sich nicht vor Gespenstern. Da sprach einer: "Wenn du so tapfer bist, so zeige es uns. Geh' in die Kirche und knie dort vor dem Hochaltare nieder, vielleicht halten die Geister heute einen Gottes[263]dienst." Das Mädel gieng zur Kirche, fand das Thor offen, kniete vor dem Altare nieder und betete drei Vaterunser. Darauf wollte sie heimkehren und fand nun die früher leere Kirche voll Leute. In einem der letzten Stühle sah sie beim Weggehen einen ganz fremden, seltsam aussehenden Mann, der ein ledernes Schmerkappel auf hatte und ganz in Andacht versunken schien. Das Mädel sprach zu ihm, er solle gehen, sie müsse die Thüre schließen. Er gab aber kein Zeichen und sie nahm ihm das Kappel vom Kopfe und eilte damit nach Hause. Als sie es erzählte und das Kappel zeigte, schüttelte der Meßner den Kopf und hieß sie das Kappel schnell zurücktragen. Die Tochter folgte, fand den betenden Mann noch in der Kirche und setzte ihm die Mütze auf. Als sie wieder heimkam, fand sie zu ihrem und aller Anwesenden Schrecken das Kappel auf dem Tische liegen, das man nicht wegbrachte. Da holte man einen Geistlichen, der lange betete und den Geist beschwor, es wieder zu nehmen. Da verschwand endlich das unheimliche Käpplein. - Nach einer Variante, wurde im Heimgarten um Pfänder gespielt und dem kecken Madl, das sich um Geister nicht kümmerte, zur Lösung des Pfandes aufgegeben, bei Nacht in die Kirche zu gehen und drei Vaterunser zu beten.

Die Todtenvesper (1859)[44]

Im aufgehobenen Kloster Steinach war es nicht ganz geheuer. Man hörte öfters im Convente oder im Chore singen, und Geister giengen um. Als im Sommer 1836 die Cholera auch in Südtirol sich verbreitete und ihre Verheerungen begann, hörten die Bewohner des Klosters und des anstoßenden Klosterbauernhofes einmal um Mitternacht lauten Gesang im Convente. Es wurde ganz deutlich der Psalm de profundis gesungen. Kurz darauf riß die Cholera auch im Klostergebäude ein und forderte mehrere Opfer.

Von der Salvatorskirche (1859)[45]

In und bei der Salvatorskirche in Hall ist es nicht geheuer. Leute, die in später Nacht vorübergiengen, sahen die Kirche so erhellt, als ob Gottesdienst darin gehalten würde. Auch Musik und Gesang wollen manche vernommen haben.[46]

[Oppurger Totenmesse] (1871)[47]

Ein Oppurger ging zur Nachtzeit über die holzbewachsene "Haise". Auf einmal steht er vor einer Kirche die ihm bis dahin unbekannt gewesen war und darinnen hört er singen. Er geht hinein und hört die Predigt mit an, doch dünkt ihm die Sache fast unheimlich. Da verschwindet auf einmal die Kirche wieder sammt Pfarrer und Gemeinde und nur ein Stück Mauer blieb übrig, so wie es unter dem Namen der wüsten Kirche noch heute dort zu sehen ist.[48]

Die Todtenmette (1892)[49]

Einmal verschlief sich ein Besucher der Mette bis nach dem Ende derselben, und sah beim Erwachen die Todten, darunter auch verstorbene Verwandte, in den Stühlen sitzen. (O. M. B.)

Die Geistermesse zu Köln (1896)[50]

Zu Anfang dieses Jahrhunderts kam ein Bürger Kölns nach Mitternacht aus einer Gesellschaft nach Hause. Sein Weg führte ihn an der Kirche St. Maria im Kapitol vorbei. Er erstaunte nicht wenig, als er um diese ungewohnte Zeit die Kirche Kirche hell erleuchtet fand, und bei näherem Zusehen gewahrte er auch, dass die Thür offen stand. Das veranlasste ihn, einzutreten. Seine Verwunderung stieg aufs höchste, als er die Kirche mit Menschen gefüllt und einen Priester am Altare sah, der die Messe las. Alle Lichter brannten hell. Andächtig kniete er in einer der letzten Bänke nieder und wohnte dem Gottesdienste bei. Während desselben bemerkte er, dass sämtliche anwesende Personen, sowohl Männer als Frauen, in eine altertümliche Tracht gekleidet waren, wie man sie vor einigen Jahrhunderten in Köln trug. Nichtsdestoweniger harrte er ruhig bis gegen das Ende der Messe aus. Als der Priester die Worte: "Ite missa est" sprach, wandte sich sein Nachbar an ihn mit den Worten: "Nun ist es Zeit, dass du gehst." Da er aber an gar nichts Übernatürliches dachte, so kümmerte er sich nicht um diese Worte. Bei dem darauf folgenden Segen sprach sein Nachbar nochmals zu ihm: "Jetzt ist es aber die höchste Zeit, dass du gehst!" Da erfasste ihn ein solcher Schrecken, dass er, als sein Nachbar sich zum drittenmal an ihn wenden wollte, schleunig die Kirche verliess. Kaum hatte er die Thür erreicht, als sie mit einem furcht[442]baren Krach hinter ihm zugeschlagen wurde. Alle Lichter erloschen, und Priester und Gemeinde waren verschwunden.

===Die Christmette der Toten [B] (1914)[51] Ein Bauernbursche verweilte nach der Christmette mit seinem Vater noch eine Zeitlang in der Nähe der Kirche und besprach dies und jenes. Als er endlich allein den Heimweg antrat und an der Kirche vorbei so langsam dahinschlenderte, bemerkte er plötzlich an den Kirchenfenstern einen hellen Lichtschimmer. Verwundert, daß zu so ungewöhnlicher Zeit die Kirche beleuchtet sei, wollte er der Sache auf den Grund gehen, nahm bei einem Hause eine große Leiter und stellte sie ans Kirchenfenster. Dann stieg er so weit empor, daß er mit einem Auge in das Innere sehen konnte. Was er da gesehen, hat niemand von ihm erfahren. Soviel ist gewiß, daß er seit jener Nacht auf dem Auge, mit welchem er in die Kirche schaute, blind war.

Totenandacht in der Christnacht (1958)[52]

In Schwarzbach an der Saale kam der Küster mit seinem Gehilfen am Weihnachtsabend in die Kirche, um die Lichter für die Christmette anzuzünden. Da fanden sie zu ihrer Verwunderung die Kirche schon besetzt. Ehe sie sich jedoch besinnen konnten, kam eine längst verstorbene Tante des Küsters auf diesen zu und flüsterte hastig: "Werft so rasch ihr könnt eure Mützen hinter euch, und verlaßt eiligst, ohne euch umzusehen, die Kirche, sonst trifft euch die Rache der gestörten Beter!" Sie taten, wie man ihnen geheißen, warfen ihre Kappen hinter sich und rannten zur Kirchentüre hinaus. Als beide eine Stunde hernach in die nun dunkle Kirche zurückkehrten, erinnerte nichts an das Geschehene. Hätten die Männer nicht ihre Pelzmützen in unzähligen kleinen Fetzen in der Kirche verstreut vorgefunden, die hätten beide geglaubt, ein Trugbild habe sie genarrt.

Verwandte Legenden

Das alte Mütterchen (1815)[53]

Es war in einer großen Stadt ein altes Mütterchen, das saß Abends allein in seiner Kammer; es dachte so darüber nach, wie es [302] erst den Mann, dann die beiden Kinder, nach und nach alle Verwandte, endlich heute auch noch den letzten Freund verloren hätte, und nun ganz allein und verlassen wäre. Da ward es in tiefstem Herzen traurig, und vor allem schwer war ihm der Verlust der beiden Söhne, daß es in seinem Schmerz Gott darüber anklagte. So saß es still und in sich versunken, als es auf einmal zur Frühkirche läuten hörte und sich wunderte, daß es die ganze Nacht also in Leid zugebracht. Es zündete seine Leuchte an und ging zur Kirche; bei seiner Ankunft war sie schon hell, aber nicht, wie gewöhnlich, von Kerzen, sondern von einem dämmernden Lichte. Sie war auch schon angefüllt mit Menschen und alle Plätze besetzt, und als es zu seinem gewöhnlichen Sitz kam, war der auch nicht mehr ledig, sondern die ganze Bank gedrängt voll. Und wie es die Leute ansah, so waren es lauter verstorbene Verwandten, die saßen da in ihren altmodischen Kleidern, aber mit blassem Angesicht. Sie sprachen auch nicht und sangen nicht, es ging aber ein leises Summen und Wehen durch die Kirche. Da stand eine Muhme auf, trat vor und sprach zu dem Mütterlein: „dort sieh nach dem Altar, da wirst du deine Söhne sehen.“ Die Alte blickte hin und sah ihre beiden Kinder, der eine hing am Galgen, der andere war auf ein Rad geflochten. Da sprach die Muhme: „siehst du, so wär es ihnen ergangen, wären sie im Leben geblieben, und hätte sie Gott nicht als unschuldige Kinder zu sich genommen.“ Die Alte ging zitternd nach Haus und dankte Gott auf den Knieen, daß er es besser mit ihr gemacht, als sie hätte begreifen können; und am dritten Tag legte sie sich und starb.

Die Ankumer Totenmette oder der Lienesch-Mittwinter-Abend (1870/1898)[54]

Vor langen, langen Jahren standen die Bewohner des Lienesch-Hofes zu Tüttingen zwei Tage vor dem Weihnachtsfeste gleich nach Mitternacht auf, um zu dreschen. Als sie damit beschäftigt waren, hörten sie von Ankum her feierliches Glockengeläute. Glaubend, daß sie sich in der Weihnachtszeit geirrt hätten, kleideten sie sich an, um noch zeitig zum Frühgottesdienste zu kommen. Als sie in Ankum ankamen, trafen sie keine Kirchgänger an, die Kirche stand aber offen und war hell erleuchtet. Andächtige sahen sie nicht im Gotteshause, dagegen war dasselbe mit Engeln angefüllt, [329] die das "Ehre sei Gott in der Höhe" sangen. Als sie im Begriff waren, in die Kirche einzutreten, erloschen die Lichter, sie aber standen vor der verschlossenen Kirchtür.

Balladenfassung

Wilder, Johann Christoph Jakob: Die Frühmesse am Allerseelentag[55]

Nein, es ist ja silberhelle alles auf den Straßen schon,
Und ich habe klar vernommen auch der Mette Glockenton;
Das ist nicht des Mondes Leuchten, denn kein Schauder reget sich,
Weil er vor des Tages Glänzen schüchtern und beschämt entwich.

Wie sie das zu sich gesprochen, hebt Herrn Imhofs Wittwe still
Sich vom Lager, die zur Messe ohne Säumnis gehen will,
Denn sie achtet es für Sünde, daß sie käme dort zu spät,
Wo sich vor dem Herren beuget die Gemeine im Gebet.

[90] Nimmt den Mantel um die Schultern und den Rosenkranz zur Hand,
Hat zum Gott der Gnade gläubig ihre Seele hingewandt,
Flehen will sie um Vergebung an dem Allerseelentag,
Daß mit ihren Abgeschied'nen er Erbarmen haben mag.

Und die Kirche sieht sie offen, Licht und Lapen überall,
Und in allen Stühlen knieen fromme Beter ohne Zahl,
Doch ein Dunkel sieht sie schwimmen ob den Lichtern wundersam,
Ohne daß sie deuten konnte, wie dazu das Zwielicht kam.

Denn als wie ein Grabesodem weht es durch der Kirche Gang
Von dem Chore ihr entgegen, und es schlug das Herz ihr bang,
Und die Priester am Altare sieht sie, wohlbekannt ihr, steh'n
Ganz wie sie ihr Amt so fleißig immer pflegten zu verseh'n.

All' die Männer, die gebetet, waren schon verstorben lang,
Und man hat zu Grab getragen sie mit frommer Priester Gang;
Auch die heil'gen Diener Gottes waren längst zur Ruh' gebracht,
Daß die Frau im stummen Staunen selbst sich fraget, ob sie wacht?

[91] Erdfarb waren Aller Mienen, und im Auge brannte nicht
Jenes frische Lebensfeuer, wo Blick zum anderen spricht;
Alle schauen vor sich nieder, murmeln die Gebete her,
Als ob eine Geisterkirche rings um sie versammelt wär'.

Und es werden ihre Sinnen auch fast wirr - es stockt das Wort
Ihr im Beten und ihr Schaudern wächst am grauenvollen Ort,
Denn als ihre Blicke schweifen durch die Menge, sieht sie klar
Neben sich sogar die Freundin, die ohnlängst verstorbnen war.

In die todte Brust derselben fällt herein des Mitleids Strahl,
Daß sie warne, die sich hatte her verirrt in ihre Zahl;
Und die Abgeschied'ne bücket sich zu der Gevatt'rin leis',
Die die mitternächt'ge Messe selbst sich nicht zu deuten weiß.

"Liebe Frau, die du hier betest um der Abgeschied'nen Ruh',"
Sprach sie, "hör' auf meine Rede - wird's zu spät, so stirbst auch du.
Wenn die Wandlung soll geschehen und das Läuten hebet an,
O, so eile aus der Kirche, was dein Fuß nur eilen kann!"

[92] Und Herrn Imhofs Wittwe drücket unbewußt der Freundin Hand,
Achtet sich zum Dank verpflichtet, als die Warnung sie verstand;
Scheuet nicht die Todeskälte, die durchrieselt ihr Gebein,
Da sie diese Hand gehalten oft im freundlichen Verein.

Als die Zeit kam, die genennet ihr die Freundin, eilt zur Thür
Sie voll Aengsten und es stürzen alle nach auch hinter ihr,
Und ein Poltern und ein Krachen in der Kirche heil'gem Raum
Tönt ihr nach, und in Betäubung fühlet sich die Arme kaum.

Alle wollen sie noch haschen, die scheu wie ein Reh entflieht,
Die das Grab vor sich schon offen, hinter sich die Todten sieht!
Sollen denn die Abgeschied'nen jetzt schon haben an ihr Theil?
Nein, sie will auf Erden schaffen länger noch ihr Seelenheil!

Und den Mantel, der ihr flattert von den Schultern, als sie fleucht,
Läßt sie los, damit der Todten Schaar etwas von ihr erreicht;
[93] Ihn fand man am Morgen wieder auf dem Kirchhof, doch er war
Wie von hundert gier'gen Händen auch zerrissen ganz und gar.

Die von Grabesschreck Gequälte sinkt auf's Krankenlager lang,
Geht dann in Sanct Clarens Kloster, folget dort des Herzens Drang,
Preis't den Herrn, der sie gerettet und durch Todesahnung ihr
Eingeflößt hat nach dem Himmel heiße, heilige Begier.

Illustrationen

Anmerkungen

  1. Als Regest zusammengefasst in Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker, Nr. 906, S. 586.
  2. Text nach [1].
  3. Übertragung durch Johann Wilhelm Wolf in Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 4 (1859), S. 80f.
  4. Als Regest zusammengefasst in Henne am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage im verhältnisz zu den Mythen aller Zeiten und Völker, Nr. 907, S. 586f.
  5. Text nach Bibliotheca Augustana.
  6. Übersetzung von M. Laurent (Ders.: Die Chronik des Theitmar von Merseburg. Leipzig 1879, S. 12-14).
  7. Text nach Pertz, Georg Heinrich u.a. (Hg.): Scriptores (in Folio) 6: Chronica et annales aevi Salici. Hannover 1844, S. 542–777, hier S. 597.
  8. Automatisierte Übersetzung (google)
  9. Leicht gekürzt und modernisiert wiedergegeben unter dem gleichen (hier rückübertragenen) Titel in: Bader, Joseph: Badisches Sagenbuch, S. 210f.
  10. Hier in der Bedeutung von matt, schwach, verhalten, vgl. Grimm, Art. Dusem.
  11. Fast identisch nochmals in Baader, Bernhard: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden, Karlsruhe 1851, Nr. 446, S. 385f.; fast identisch unter dem Titel "Die Totenmette zu Karlstadt" wiedergegeben in Reidelbach, Hans: Die frommen Sagen und Legenden des Königreichs Bayern, S. 180f.
  12. Identisch wiedergegeben unter dem gleichen Titel in Gradl, Heinrich: Sagenbuch des Egergaues, Eger 1892, Nr. 89 (S. 45f.); zusammengefasst (mit Quellenverweis Gradl) in Schmidt, Gustav: Aus dem Fichtelgebirg, S. 153f.
  13. Protestantisches Kirchenlied von Johann Rist (1607-1667):
    1) O Ewigkeit, du Donnerwort, / o Schwert, das durch die Seele bohrt, / o Anfang sonder Ende! / O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit, / ich weiß vor großer Traurigkeit / nicht, wo ich mich hinwende! / Mein ganz erschrocknes Herz erbebt, / dass mir die Zung am Gaumen klebt.
    2) Kein Unglück ist in aller Welt, / das endlich mit der Zeit nicht fällt / und ganz wird aufgehoben. / Die Ewigkeit nur hat kein Ziel, / sie treibet fort und fort ihr Spiel, / lässt nimmer ab zu toben. / Ja, wie mein Heiland selber spricht: / Ihr Wurm und Feuer stirbet nicht.
    3) O Ewigkeit, du machst mir bang; / o ewig, ewig ist zu lang! / Hier gilt fürwahr kein Scherzen. / Drum, wenn ich diese lange Nacht / zusamt der großen Pein betracht, / erschreck ich recht von Herzen. / Nichts ist zu finden weit und breit / so schrecklich als die Ewigkeit.
    4) Ach Gott, wie bist du so gerecht, / wie strafest du den bösen Knecht / mit unerhörten Schmerzen! / Auf kurze Sünden dieser Welt / hast du so lange Pein bestellt. / Ach, nimm es wohl zu Herzen / und merke dies, o Menschenkind: / kurz ist die Zeit, der Tod geschwind!
    5) Wach auf, o Mensch, vom Sündenschlaf; / ermuntre dich, verlornes Schaf, / und bessre bald dein Leben! / Wach auf, es ist sehr hohe Zeit, / es kommt heran die Ewigkeit, / dir deinen Lohn zu geben! / Vielleicht ist heut der letzte Tag; / wer weiß doch, wann er sterben mag?
  14. Identisch wiedergegeben unter dem Titel "Die Christmette in der Todtenkirche zu Elsterberg" in: Grässe, Johann Georg Theodor: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2, Dresden 1874, Nr. 625 (S. 29f.); nach einer Einleitung ("Vor etwas mehr als zweihundert Jahren trug sich in Elsterberg folgendes zu:") unter gleichem Titel identisch widergegeben in Meiche, Alfred: Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903, Nr. 301 (S. 238f.).
  15. Protestantisches Kirchenlied von Paul Eber (1511-1569):
    Herr Jesu Christ, wahr´r Mensch und Gott / Der du litt’st Marter, Angst und Spott / Für mich am Kreuz auch endlich starbst / Und mir dein´s Vaters Huld erwarbst
    Ich bitt durch´s bitt´re Leiden dein / Du wollst mir Sünder gnädig sein / Wenn ich nun komm in Sterbensnoth / Und ringen werde mit dem Tod
    Wenn mir vergeht all mein Gesicht / Und meine Ohren hören nicht / Wenn meine Zunge nicht mehr spricht / Und mir vor Angst mein Herz zerbricht
    Wenn mein Verstand sich nicht besinnt / Und mir all menschlich Hülf zerrinnt / So komm, o Herr Christ mir behend / Zu Hülf an meinem letzten End
    Und führ mich aus dem Jammerthal / Verkürz mir auch des Todes Qual / Die bösen Geister von mir treib / Mit deinem Geist stets bei mir bleib
    Bis sich die Seel vom Leib abwend´t / So nimm sie, Herr in deine Händ / Der Leib hab in der Erd sein Ruh / Bis sich der jüngst´ Tag naht herzu
    Ein fröhlich Auferstehn mir verleih / Am jüngsten G´richt mein Fürsprech´ sei / Und meiner Sünd nicht mehr gedenk / Aus Gnaden mir das Leben schenk
    Wie du hast zugesaget mir / In deinem Wort, das trau ich dir / Fürwahr, fürwahr, euch sage ich / Wer mein Wort hält und glaubt an mich
    Der wird nicht kommen ins Gericht / Auch den Tod ewig schmecken nicht / Und ob er gleich hie zeitlich stirbt / Mitnichten er drum gar verdirbt
    Sondern ich will mit starker Hand / Ihn reißen aus des Todes Band / Und zu mir nehmen in mein Reich / Da soll er denn mit mir zugleich
    In Freuden leben ewiglich / Dazu hilf uns ja gnädiglich / Ach Herr! vergib all unsre schuld / Hilf! daß wir warten mit Geduld
    Bis unser Stündlein kommt herbei / Auch unser Glaub stets wacker sei / Dein´m Wort zu trauen festiglich / Bis wir einschlafen seliglich.
  16. Identisch wiedergegeben unter gleichem Titel in Meiche, Alfred: Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903, Nr. 329 (S. 255).
  17. Die Sage ist als zweiter Text unter der marginalisierten Überschrift "Zwo seltzame geschicht, deren eine am galgen, die ander uff dem kirchhoff zum Hof sich zugetragen" aufgeführt:
    Zu dieser zeit [1516] haben sich zwo wunderliche und seltzame historien allhie begeben.
    1. Do ein aberglaubisches unbedechtiges weib, uff einen tag fru morgens, hinaus zu dem gericht gangen, innwendig im galgen hinauffgestigen und einen dieb, welcher kurtz zuvorn war gehencket worden, verschneiden und diselbe materien ins bier hencken wollen, damit die leut desto mehr zulauffen und das bier sehr holen solten, hat Gott der Allmechtig solchs ihr furnehmen sichtiglich gestraffet, daß der todte corper mit den fussen ihr umb den halß gefallen und sie so fest gehalten hat, daß, wo nicht leut, die ettwa in der nähe geschnitten oder sonsten furuber gangen, sie schreien und winseln gehöret und ihr geholffen hetten, sie umb ihr leben kommen were. Die leut aber, so zugelauffen, haben des todten cörpers fuß mit grosser muh und arbeit voneinander bringen und die Frau ledig machen konnen. Welches dann furwitzigen, losen leuten (die noch heutigs tags bißweilen mit solchen bösen stucken umbgehen, den dieben ihre finger, daumen, zehen etc. abschneiden und in die fässer hengen) zur treuen warnung dienen soll.
  18. Seit der Reformation evangelisches Kirchengebäude in Hof.
  19. Widmann datiert das Geschehen auf 1516, vgl. Chronik der Stadt Hof, S. 184
  20. Die mitternächtliche Christmette, vgl. Balthasar Fischer: Engelamt. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 3. Herder, Freiburg im Breisgau 1995, Sp. 655.
  21. Pelzmantel, vgl. Lexer, Art. kürsen.
  22. Ggf. Anspielung auf Luk. 8,32f.: "Es war aber dort auf dem Berg eine große Herde Säue auf der Weide. Und sie [die Dämonen] baten ihn, dass er ihnen erlaube, in diese zu fahren. Und er erlaubte es ihnen. Da fuhren die Dämonen von dem Menschen aus und fuhren in die Säue, und die Herde stürmte den Abhang hinunter in den See und ersoff."
  23. Identisch wiedergegeben unter dem Titel "Die Geisterkirche in Hof" in: Köhler, Ernst: Volksbrauch, Aberglaube, Sagen, Leipzig 1867, Nr. 140 (S. 530f.). Fast identisch, leicht modernisiert wiedergegeben in Grimm, Emil: Sagen und Geschichten aus Oberfranken. Nürnberg 1921; wieder abgedruckt in: Wippenbeck, August (Hg.): Es war einmal. Sammlung Bayerischer Sagen und Geschichten. Erster Band. Oberfranken. Coburg 1949, S. 118f.
  24. In der Fassung Emil Grimm, 1949, wird daraus eine Halskrause.
  25. Identisch wiedergegeben unter dem gleichen Titel in Graesse, Johann Georg Theodor: Sagenbuch des Preußischen Staats, Glogau 1868, Nr. 552, S. 502.
  26. Herkunftsangabe: "(Auer und Tramin)".
  27. Herkunftsangabe: "(Mals)".
  28. Herkunftsangabe: "(Taufers)".
  29. Herkunftsangabe: "(Fersinathal)".
  30. Als Kommentar angefügt: "Durch Herrn Stud. Volbehr. - Auch vom Schleswiger Dom nach Cand. Arndt etwas abweichend.
  31. Titellos als Kurzfassung bereits in Schönwerth, Franz: Aus der Oberpfalz, Band 1, 1857, S. 305.
  32. Bechstein, Ludwig: Die Sagen aus Thüringens Vorzeit, 23, S. 134f.
  33. Baader, Bernhard: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden, 202, S. 186f.
  34. Baader, Bernhard: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden, 355, S. 319f.
  35. Baader, Bernhard: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden, 314, S. 292.
  36. Stöber, August: Die Sagen des Elsasses, Band 2, Nr. 26, S. 25.
  37. Wolf, Johann Wilhelm: Hessische Sagen, Nr. 169, S. 111
  38. Pröhle, Heinrich: Unterharzische Sagen mit Anmerkungen und Abhandlungen, 117, S. 42f.
  39. Schönwerth, Franz: Aus der Oberpfalz, Band 1, S. 277.
  40. Vernaleken, Theodor: Alpensagen, S. 65.
  41. Zuvor führt Vernaleken aus, dass die Bewohner des Untersberges z.B. der schlafende Kaiser Karl V., Zwerge, die sich in Menschen verwandeln werden, das kaiserliche Heer seien, vgl. Vernaleken, Theodor: Alpensagen, S. 61-65
  42. Quellennachweis: "mündlich vom Prof. Schmued aus Salzburg".
  43. Zingerle, Ignaz Vincenz: Sagen aus Tirol, 2. Aufl., Nr. 467, S. 262f.
  44. Zingerle, Ignaz Vincenz: Sagen aus Tirol, 2. Aufl., Nr. 481, S. 269.
  45. Zingerle, Ignaz Vincenz: Sagen aus Tirol, 2. Aufl., Nr. 485, S. 271.
  46. Herkunftsnachweis: "(Hall)".
  47. Eisel, Robert: Sagenbuch des Voigtlandes, Nr. 285, S. 111f.
  48. Nachtrag: "Neben der sogenannten Brandkiefer bei Lothra, wo angeblich einst ein Kloster oder eine Capelle gestanden, ist noch heute, doch unter der Erde nur, zu gewissen Zeiten Kirche".
  49. Leeb, Ludwig Willibald: Sagen Niederösterreichs, Nr. 119, S. 72.
  50. Weinhold, Karl: Die Geistermesse in Köln.
  51. Graber, Georg: Sagen aus Kärnten, Nr. 245, S. 185; Graber verortet die Sage in Kaning.
  52. Schmidt, Gustav: Oberfränkischer Sagenschatz, S. 50. Schmidt gibt als Quelle "nach Gleichmann, Frankenheimat 1958" an. Ein entsprechender Nachweis im Literaturverzeichnis fehlt allerdings. Wahrscheinlich ist die regionale Sagensammlerin Elise Gleichmann gemeint, die allerdings bereits 1944 verstorben ist.
  53. Grimm, Jakob/Grimm, Wilhelm: Kinder- und Hausmärchen, Band 2, Aufl. 2, Nr. 208, S. 301f.
  54. Zitiert nach Hungerland, Heinz: Die Sage von der Ankumer Totenmette im Lichte der Volkskunde und die Weihnachten als indogermanisches Allerseelenfest, S. 391f. Hungerland zitiert seinerseits nach der Fassung in Osnabrücker Monatsblätter für Geschichte und Heimatkunde, Dezember 1907, Nr. 27, S. 213; Hardenbeck hatte zuvor schon eine gekürzte Version der Legende veröffentlicht in Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Hasegaus, Heft 7 (1898), S. 35; die Legende ist gekürzt allerdings schon 1870 von Hermann Hartmann veröffentlicht worden in Mitteilungen, Band 9 (1870), S. 339.
  55. Wilder, Johann Christoph Jakob: Gedichte. Nürnberg 1838, S. 89-93.