Der durstige Einsiedel (Der Stricker)
Der durstige Einsiedel; Der Weltheilige | |
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AutorIn | Der Stricker |
Entstehungszeit | ca. 1220-1250 (Malm, Mike: Der Stricker, S. 369) |
Entstehungsort | Ostfränkisch/Rheinfränkisch, Österreich? (Malm, Mike: Der Stricker, S. 369) |
AuftraggeberIn | |
Überlieferung | Heidelberg, UB: Cpg 341, 322vb-325rb [1] |
Ausgaben | Fischer, Hanns (Hg.): Der Stricker. Verserzählungen I, S. 143-155 Moelleken, Wolfgang Wilfried (Hg.): Die Kleindichtung des Strickers, Band 1, S. 116-123 Rosenhagen, Gustav (Hg.): Mären von dem Stricker, S. 87-98 Von der Hagen, Friedrich Heinrich (Hg.): Gesamtabenteuer, Band 3, S. 5-15 |
Übersetzungen | Lemmer, Manfred: Deutschsprachige Erzähler des Mittelalters, S. 153-160 Spiewok, Wolfgang (Hg.): Altdeutsches Decamerone, S. 126-133 |
Forschung | Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 66, 100, 102; Nowakowski, Nina: Sprechen und Erzählen beim Stricker, S. 98, 127, 228-236, 237, 239f., 242f., 253, 264, 268; Strasser, Ingrid: Vornovellistisches Erzählen, S. 48f., 59, 64, 66, 70-73, 168 |
Inhalt
Ein Bonvivant, der sein Gut mit Trinken, Essen und Liebschaften durchgebracht hat, beschließt eines Abends in seiner Trunkenheit, sein schlimmes Leben aufzugeben und ein Einsiedler zu werden. Seine Freunde raten ihm zwar, sich diesen Entschluss mit nüchternem Kopf nochmals zu überlegen, aber er lässt sich davon nicht abbringen und zieht sich am nächsten Morgen, vom priesterlichen Segen begleitet, in eine Waldeinöde zurück. Die erste Zeit verbringt er als reuiger Büßer, aber als er nach zwanzig Wochen vom Fleische fällt, beginnt er, in seinem Entschluss wankend zu werden und wieder an den Wein zu denken. Eines Tages bittet ihn eine Frau, ihr die Zukunft vorherzusagen. Da verlangt er einen Krug Wein und prophezeit daraus der Frau so viel Gnade, dass sie es im Dorf erfreut weitererzählt und so eine Wallfahrt zu dem Einsiedler auslöst. Weil sich aber die verheißene Gnade bei keinem einstellt, versiegt die Weinquelle allmählich wieder, und der Einsiedler sieht sich gezwungen, den Leuten um die Hälfte des Wegs näherzurücken. Als auch das nichts nützt, zieht er schließlich vor den Wald und vergrämt die Leute damit vollends. Endlich „missioniert" er in den Gasthäusern der Stadt, wo die Zecher ihren Spott mit ihm treiben, indem sie ihn ihre Becher austrinken lassen, bis er auf einer Bank niedersinkt. Es kümmert den durstigen „Einsiedler" nicht, dass ihn alle Leute einen Narren heißen.
(Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 523-524)