Märchen

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Definitorische Ansätze

Heinz Rölleke fordert für eine Minimaldefinition für Märchen, dass „(1) Verfasser, Entstehungszeit, -ort und -zweck unbekannt sind, (2) sie im Lauf ihrer Überlieferung variiert wurden, (3) sie vom Wunderbaren (partielle Aufhebung der Naturgesetze) wie selbstverständlich erzählen, aber nicht in jeder Hinsicht glaubwürdig sein wollen“ (Rölleke: Märchen, S. 513). Bei allen drei Aspekten wird deutlich, wieso eine Anwendung des Gattungsbegriffs Märchen auf die vormoderne, schriftlich überlieferte Kleinepik schwierig ist[1]: Bestimmung (1) steht quer zur vormodernen Überlieferung und baut auf den modernen Autorbegriff auf, Bestimmung (2) trifft auf die gesamte vormoderne Kleinepik zu und ist somit kein Distinktionsmerkmal, so dass die komplette Distinktionsnotwendigkeit auf Bestimmung (3) zu liegen käme. Diese Bestimmung – wie selbstverständlich vom Wunderbaren erzählen – kann zwar als Distinktionsmerkmal etwa zu Legende, Fromme Welterzählung, Mirakelerzählung und Teufelserzählung greifen, da dort das Wunderbare den Stellenwert des Außergewöhnlichen einnimmt; doch ist das Wunderbare für die vormoderne Kleinepik nur schwer als solches zu identifizieren, wenn es nicht als außergewöhnlich dargestellt wird. Insofern bleibt die Anwendung des Märchen-Begriffs auf die vormoderne Kleinepik letztlich auf den Einsatz märchenhaften Personals angewiesen (Riesen, Zwerge, Feen etc.), das sich freilich aus dem modernen Märchen speist.

  1. Entsprechend schreibt Rölleke: Märchen, S. 515, dass aus dem „Mittelalter kein Märchen überliefert ist“

Selbständige Märchen