Klage vor Frau Minne (B65)

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Klage vor Frau Minne (B65)

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Vor 1348
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 717, 117v-119r
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Klage vor Frau Minne; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, 112f.

Inhalt

A Hyperbolischer Frauenpreis (1–32):

Der Sprecher richtet sich in direkter Apostrophe an die Frau bzw. an die ›Weiblichkeit‹ (1: Wib wib wes sälikait an dir lit): Er preist sie, versichert seine Ergebenheit (2: durch dich trag ich ain selbin ait) und bekennt zugleich, nur mangelhaft zu ihrem Lob geeignet zu sein (Unfähigkeitsbeteuerung), da ihre Vollkommenheit unermesslich sei (6f.: Dir gezem wib ains helfands mueg | Zer tragen diner wird last). Er schließt ein allgemeines Lob der Frauen an, zu dem er wiederum in direkter Apostrophe alle liebenden Männer aufruft (25f.: Die wibes dankes wartent | ich beger das ir in czartent).

B Spaziergangseinleitung (33–105):

Der Sprecher berichtet, wie er im Mai auf einer Auentuer (34) zu einer blühenden Wiese kommt. Hier sieht er eine wundervoll geschmückte (Blumenkränze, kostbare Kleidung) Schar junger Damen tanzen, bei ihnen sind auch Ritter und Knappen. Der Sprecher bemerkt, dass er der einzige ohne Blumenkranz ist (76f: Ich gedaht sid niemen sunder kranz | hie wont avn dich ellende) und will sich selbst ein schappellin (81) binden, da seine Herzensdame nicht in der Nähe ist (82f.: si ist anderswa din frundin | div dich da solt kroenen). Auf der Suche nach den schönsten Blumen (90f.: daz ich gedaucht die wil ich han | An minem krenzlin allain) entfernt er sich (präzise Angabe: ›etwa eine Schusslänge‹) von der Gesellschaft. Er stößt auf eine Dame, die sich von den anderen abgesondert hat, und belauscht sie.

C Klage einer Dame (106–242):

Die Dame richtet sich an ›Frau Minne‹ (106f.: Ei sinen maisterinne | Frawe minn min fraw min), deren Macht sie hervorhebt (110: wie wol geschriben stat din rodel). Sie klagt ihren Kummer und bittet um Hilfe: Wegen der Trennung von Ihrem Geliebten, den sie hyperbolisch preist, leide sie unbeschreibliche Schmerzen – sie wünscht sich sogar den Tod (176f.). Sie fleht die Minne an, ihr dazu zu verhelfen, dass der Geliebte mich schier geseh (182). Bildreich beteuert sie ihre Treue und ihre Sehnsucht, sie versichert, dass ihr Glück nur an ihrem Geliebten läge (Kaisertopos 195: Sie zieht ihn allem Gold vor) und dass ihr nichts anderes – genannt werden u.a. Edelsteine (199: aller kritosoliten kraft) und der Mai – zur Freude verhelfen könne. Leider lasse der Geliebte sie warten (214: Er lat mich lang baiten), sie wisse aber nicht, ob er das gezwungenermaßen oder ohne Not tue. Wenn es ihr erlaubt wäre, würde sie ausreiten und sich auf Heereszügen (236: war man die marschen naem) und Turnieren (237: div guoten tauelronden) so lange um Ruhm bemühen, bis dieser zu ihrem Geliebten dringen würde.

D Schluss (243–270):

Der Sprecher lobt die reine Treue der Dame und vergleicht diese mit Sigune: Ich bruoft si soelch trwen phlegen | Das ich si wol gelichen mag | Der div des grozen iamers pflag | Durch gross lieb stark | ob ires frundes fart | Siguomen [=Sigunen] der vil rainen (254–259). Er fordert sein Publikum auf, bereitwillig dem Lob vorbildlicher Frauen zuzuhören und schließt mit dem Rat, reine Frauen zu verehren, da dies der Weg zur Seligkeit sei: Ert werdin wib in aller wise | das nahent iv dem paradis (269f.).

(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 113)