Der nackte Bote (Der Stricker)
Inhalt
Narratio
Ein Herr will auf einer Reise bei einem seiner Lehnsleute die Nacht zubringen und schickt einen Knappen voraus, der seine Ankunft melden soll. Im Hofe des Lehnsmanns fragt der Bote ein Kind, wo der Hausherr zu finden sei, und wird in die Badestube gewiesen. Der Knappe wähnt ihn dort beim Baden und entkleidet sich, um bei dieser Gelegenheit gleich selbst ein Bad zu nehmen. Als er eben die Badestube betreten will, wird er vom Hofhund angefallen und muss sich mit einem Badewedel wehren, was dazu führt, dass er Kehrseite voran zur Tür hereinkommt. In der Badestube, die zu jener herbstlichen Jahreszeit als Aufenthaltsraum der ganzen Familie benutzt wird, sitzt der Hausherr mit den Frauen, und diese sind zutiefst erschrocken und beschämt, als sie den nackten Eindringling erblicken. Der Knappe dreht sich um, erkennt entsetzt, was er angerichtet hat und ergreift kopflos die Flucht. Der Hausherr, der sich entehrt fühlt, verfolgt ihn. Unterwegs trifft er auf den Lehnsherrn, berichtet ihm den schändlichen Vorfall und verlangt die Bestrafung des Knappen. Der Herr fängt seinen Knappen ein und will ihn verstümmeln. Doch dieser kann in höchster Not das Missverständnis erklären und erlangt die Verzeihung des Beleidigten.
Epimythion
Wer dem Schein traut, verfällt leicht in einen Irrtum.
(Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 521-522)