Der Schüler zu Paris A
Inhalt
Die Tochter eines Pariser Bürgers und ein Student sind in heißer Liebe zu einander entbrannt. Als der Vater des Mädchens davon erfährt, verbannt er sie unter der Obhut dreier Mägde und einer Beschließerin in eine Kemenate. In ihrer Verzweiflung über die erzwungene Trennung greift sie zu einer List. Sie bittet einen Barfüßermönch zu sich und beichtet ihm, der Student habe sie, als die Beschließerin verkleidet, auch weiterhin besucht und ihr dabei ein Kleinod geschenkt. Der Mönch möge ihm den Schmuck zurückgeben und ihn ermahnen, sie fortan in Ruhe zu lassen. Der fromme Mann hält dem Studenten daraufhin sein Treiben vor, und dieser, den versteckten Wink seiner Geliebten verstehend, bekennt sich schuldig und überreicht dem Mönch nun seinerseits ein Schmuckstück zur „Rückgabe“ an das Mädchen. Bald darauf kommt er wirklich in der empfohlenen Verkleidung zu ihr, und beide können sich lange Zeit ihrer heimlichen Minne erfreuen. Einmal sucht er sie in Begleitung eines als Magd verkleideten Vertrauten auf, obwohl er zur Ader gelassen hat. In der verzehrenden Minneglut bricht die Wunde auf, und der Student verblutet. Nach einer bewegten Totenklage des Mädchens nimmt der Freund den Toten mit und bringt ihn in dessen Herberge, so daß der Wirt am nächsten Morgen glaubt, der Student sei in seiner Kammer gestorben. Die Tochter erwirbt sich die väterliche Erlaubnis, am Begräbnis des Geliebten teilzunehmen. Als man nach der Totenmesse, bei der sie ihr Jungfrauenkränzlein opfert, den Leichnam ins Grab senkt, übermannt sie das Leid so sehr, daß sie über der Bahre tot niedersinkt. Der erschütterte Vater verschenkt all sein Gut und gründet ein Frauenkloster, in dem die beiden Liebenden bestattet werden; er selber zieht bis zu seinem Tode als Pilger büßend durch die Welt.
(Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 517)