Drei listige Frauen A
Zur Stofftradition vgl. Drei listige Frauen (Erzählstoff).
Inhalt
Promythion
Frauenlist vermag alles über die Männer.
Narratio
Drei Frauen streiten um die Ehre, welche von ihnen ihren Ehemann am besten foppen könne. Hiltgunt weckt ihren Mann Knure aus dem Schlaf und redet ihm so lange ein, er sei zum Abt gewählt worden, bis er sich eine Tonsur scheren und eine Kutte anlegen lässt. Swichmuot versucht, ihren Gatten Herebrant davon zu überzeugen, dass er in der Nacht gestorben sei. Als er aufbegehrt, beruft sie sich auf den Pfarrer und andere als Zeugen und bittet ihn, er solle ihr keine Unannehmlichkeiten bereiten, die Leute könnten glauben, er sei vom Teufel besessen. Schließlich fügt er sich, und die Frau vereint sich neben der „Totenbahre" mit dem Knecht. Radegunt gibt vor, ihrem Mann Ocker kostbare, aber für ihn unsichtbare Kleider zu spinnen und schickt ihn nackt zur „Totenmesse" ihres angeblich verstorbenen Nachbarn Herebrant, die vom „Abt" Knure gefeiert werde. Welche der drei Frauen ihren Mann am übelsten betrogen hat, gibt der Dichter dem Publikum zu entscheiden.
Epimythion
Kein Mann soll auf seine Frau hören, sonst macht sie ihn zum Narren.
(Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 464)
Forschungsüberblick
Das Märe gelangte bislang vor allem hinsichtlich seiner Stoffgeschichte und vergleichend zu weiteren literarischen Ausformungen des Stoffes in den Blick der Forschung (vgl. Drei listige Frauen (Erzählstoff)). Darüber hinaus existieren aber auch wenige Beiträge zu seiner formalen und interpretativen Dimension:
Klaus Hufeland untersucht 1966 im Rahmen seiner Monografie zu den Bauformen mittelhochdeutscher Verserzählungen auch das Märe „Die drei listigen Frauen A“ und analysiert einen sehr komplexen formalen Aufbau:
Seine drei Hauptteile sind […] in einmaliger Weise quantitativ gebunden: Die erste Erzählung besteht aus zwei Abschnitten von je 26 V., die zweite aus drei Abschnitten von durchschnittlich je 42 V. Wir addieren den jeweiligen Teilumfang, erhalten 68 und damit die Gliederungszahl der zweigeteilten letzten Erzählung […], in die auch das Geschehen der vorausgegangenen beiden Erzählungen einmündet. Zusammengebunden sind alle drei Erzählungen durch eine Rahmenhandlung mit der Gliederungszahl 14, die das ganze Stück durchzieht. Der Einleitungsteil weist durch die eingeschobenen 10 V. den Umfang der ersten Erzählung auf.
(Hufeland, Klaus: Die deutsche Schwankdichtung des Spätmittelalters, S. 129f.)
Irmard Meiners hebt in ihrer Monographie zur Schelmenfigur von 1967 stark auf die List der Frauen ab, die ein Beispiel für "rohe und ungebildete Beredsamkeit" (S. 62) sei. Die beiden ersten Frauen würden ihre Männer rhetorisch durch "eine tolldreiste Erfindung, genau beschriebene Umstände und allerlei einleuchtende Argumente" (S. 68) überlisten, während die dritte Frau auch durch ihre actio überzeugen würde.
Monika Londner liest das Märe im Rahmen ihrer Monografie zur Darstellung der Frau in der Märendichtung von 1973 als konsequente Umsetzung des Paradigmas "übel wîp", wobei in der öffentlichen Demütigung der drei überlisteten Ehemänner das Versagen männlicher Dominanz auch gesellschaftlich abgestraft werde:
Damit ist ausgesagt, daß ein Mann, der seine dominierende Rolle gegenüber der Frau nicht zu erfüllen vermag, auch seinen offiziellen gesellschaftlichen Status nicht wahren kann und deshalb […] in die Isolation gedrängt wird“
(Londner, Monika: Eheauffassung und Darstellung der Frau in der spätmittelalterlichen Märendichtung, S. 336)
Francis Raas widmet dem gesamten Erzählstoff eine ganze Monografie und behandelt darin auch die Fassung A des Märes sehr ausführlich, mitunter wie in einem Kommentar. Er billigt dem Märe einerseits eine bedachte strukturelle Komposition zu mit dem Ziel, das Publikum über die Gefahr listiger Frauen zu belehren, andererseits hebt er aber auch kompositorische und stilistische Schwächen hervor. Ähnlich wie bereits Meiners betont Raas das Listhandeln der Frauen:
Wenn wir nun nach den gemeinsamen Gestaltungsmerkmalen aller drei Streiche suchen, so bietet sich an erster Stelle […] das Prinzip der Überredung an. Alle drei Täuschungsmanöver gelingen nur dank der Redegewandtheit der Frauen. Dabei ist die Stichhaltigkeit ihrer Argumente weniger ausschlaggebend als die Überzeugungskraft und die Eindringlichkeit, mit denen sie ihre Lügengeschichten auftischen. […] In allen drei Fällen lösen die Frauen eine künstliche Bewußtseinsspaltung aus und operieren deshalb mit psychologischen Druckmitteln.
(Raas, Francis: Die Wette der drei Frauen, S. 140f.)
Als Strukturkonzept des Märes erkennt Raas eine Steigerung der Schwierigkeiten der List, parallelisiert zu einer Steigerung des Redeumfangs der Frauen. Deswegen sei das Märe, trotz aller Mängel, nicht „das Produkt eines Stümpers“ (S. 142). Nichtsdestoweniger schließt Raas mit einem ambivalenten Urteil:
Fragt man sich jedoch, warum dieser Text trotz der nachweislich kunstvollen Komposition den heutigen Leser nicht restlos zu befriedigen vermag, so ist neben der unstreitig mittelmäßigen Verskunst, die sich etwa in reim bedingten Repetitionen und Füllversen äußert, vor allem ein Grund hervorzuheben: der Bruch zwischen dem unterhaltsamen Stoff und der didaktischen Absicht des Dichters.
(Raas, Francis: Die Wette der drei Frauen, S. 143)
Jan-Dirk Müller untersucht das Märe vergleichend vor dem Hintergrund der Gattungsdiskussion des Märes in Abgrenzung zur Novelle in seinem 1984 erschienenem Aufsatz Noch einmal: Maere und Novelle. Müller erklärt den „Verzicht auf ein plausibles Motivationsgefüge“ (S. 293) durch die doppelte Orientierung des Märes an der Darstellung eines allgemeinen Prinzips einerseits und am Erzählen des Unerhörten (novellare) andererseits:
Allgemeines Prinzip und novellare – Erzählen des Unerhörten- schließen sich also nicht aus, sondern verschränken sich. Dies unterscheidet diesen Typus, dem sich besonders die frühe Märendichtung zuordnet, vom gewöhnlichen Exemplum und grenzt ihn andererseits von einem kasushaften Erzählen ab, dem das Allgemeine gerade problematisch wird.