Vom Zweifel (Willem van Hildegaersberch) (B54)

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Vom Zweifel (B54)

AutorIn Willem van Hildegaersberch
Entstehungszeit Um 1400
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Brüssel, Königliche Bibliothek: 15659–61, 23rb-24vb
Den Haag, Koninklijke Bibliotheek ’s-Gravenhage: Cod. 129 E 6, 49vb-51rb
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 97f.

Inhalt

A Einleitung (1–76):

Der Sprecher fühlt sich vom Zweifel hart bedrängt. Er hoffe, dass er einmal an den Ort kommen werde, wo die Geliebte sich befinde, aber er zweifle, ob sie ihm helfen werde. Der Zweifel sei so fest in ihm verwurzelt, dass er kaum Ruhe kenne. Er jage oft, aber fange kaum etwas. Derjenige sei guten Mutes, der ohne Zweifel Gott liebe; seine Hoffnung werde aber oft von Zweifel wieder zerstört. Wenn der Wille regiere, könne der Zweifel nicht schaden; sein Wille sei aber nicht stark genug. Der Weise rate, dass man seinen Willen maßvoll ausrichten solle, dann lasse der Zweifel einen in Ruhe. Wenn ihm dass gelänge, würde er auch die Geliebte erobern. Viele sprechen über die Minne, obwohl ihnen die rechte Liebe fehlt (Vorwurf mangelnder Authentizität). Sein Wille rate ihm, dass er lieben solle; weil er aber so selten bekomme, was er liebe, rede Zweifel ihm ein, dass die Minne ihn nicht liebe.

B Der Zweifel in der Welt (77–193):

Es gibt niemanden in der Welt, der nicht irgendetwas liebt: Burgen, Frauen, Kleider, Wein, Speisen. Derjenige aber, der Gott über alles liebe, werde ohne Zweifel Lohn bekommen. Nichts innerhalb der Welt halte ihm die Waage. Aber manche erwählten von Natur aus, was Verlust bringe. Zweifel mache, dass ein Mensch still stehe: sich umdrehe, vorwärts gehe und wieder zurückkehre. Zweifel verursache großen Schaden, schenke aber auch Vorteile. Zweifel sei mannigfaltig (111: Dus is twifel menich sens): Er mache den Sehenden blind, den Hörenden taub. Es sei schwer im Voraus zu wissen, was passieren werde. Deswegen müsse man vieles aufs Spiel setzen – zwischen Anfang und Ende, in Hoffnung und in Furcht gebe es aber immer Zweifel. Wenn Zweifel der Rede beigemischt seien, werde Gott die Sünde nicht vergeben. An schönen Wörtern ohne gute Absicht solle man zweifeln (Außen-Innen). Derjenige sei weise, der einen Anderen, der vorausgegangen sei, als Vorbild nehmen könne. Wenn von Willen, Vermögen und Können eines fehle, komme der Zweifel dazu. Zweifel werde bleiben bis ans Ende der Welt, und es gebe keinen Menschen, der lebe, ohne zu zweifeln.

C ›Liebesklage‹ (194–232):

Weil das Schicksal (196: davontuer) ihn hart treffe, leide er sehr unter dem Zweifel. Was immer er tue, die schöne Geliebte achte nicht auf ihn, weshalb er untröstlich sei. ›Glück‹ (214: Gheluc) sei der Name dieser Jungfrau, die er suche, ohne sie zu finden. Sie habe geschworen, dass derjenige, der für die Pfennige geboren wurde, nie zum Pfund kommen wird (222f.: Wye tot penninghen is gheboren, Hy en comt nymmermeer te ponde). Weisheit ohne Glück bringe nichts. Jeder Mensch solle sich hüten vor Missetaten und Gott danken. Er liebe sie, obwohl sie ihn nicht liebe, aber Hoffnung lasse ihn sie lieben, was immer sie auch tue.

(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 97f.)