Chlench-Priber, Kathrin: Cisiojani im Spannungsfeld zwischen Zählen und Erzählen

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Zitation

Chlench-Priber, Kathrin: Cisiojani im Spannungsfeld zwischen Zählen und Erzählen. In: Feistner, Edith [Hg.]: Erzählen und Rechnen. Mediävistische Beiträge zur Interaktion zweiter ungleicher Kulturtechniken. Oldenburg 2018 (BmE Themenheft 2), S. 41-64

Beschreibung

Untersuchung des narrativen Gehalts von Cisiojanus des Steyrer, Cisiojanus des Solothurner Anonymus, Cisiojanus des Mönchs von Salzburg.

Inhalt

  • Lateinische Cisiojani
    • Beim lateinischen Cisiojanus lassen sich mit Hilgers Referenzsilben und Kontextsilben unterscheiden (42).
      • Die Kontextsilben vervollständigen das Versmaß des Hexameters, erzeugen die notwendige Silbenanzahl, dienen der Memorierbarkeit, schaffen Satzstruktur und Semantisierung (42).
    • Erkenntnisinteresse des Beitrags: Aufzeigen der erzählerischen und gestalterischen Strategien dreier deutscher Cisiojani zwischen zählerischen und erzählerischen Interessen (43).
  • Der deutsche Cisiojanus des Steyrer
    • Die Silben bspw. der Januarstrophe überschreiten die Tagesanzahl, was Schubert nicht als Überlieferungsfehler, sondern als Hinweis auf die Abzählpraxis deutet (44).
    • Durch den Wechsel aus dem Lateinischen in die deutsche Volkssprache kommt das Prinzip der Betonung ins Spiel, was die ‚überflüssigen‘ Silben erklärt (45).
    • Analog zum lateinischen Cisiojanus „sind die Kontextsilben so platziert, dass sich grammatikalisch korrekte Sätze oder kurze Mikrotexte ergeben, deren Sinngehalt zwar vorhanden [ist], aber wenig Tiefgang zeigt“: „Die strengen formalen Beschränkungen determinieren sowohl das ‚Was‘ als auch das ‚Wie‘ des Erzählens so stark, dass sich keine Erzählung entfalten kann“ (45).
    • Im Silbencisiojanus wird der Memorialeffekt vor allem durch Metrik, Reim und Syntax erreicht (45).
  • Methodische Zwischenreflexion: Cisiojani sind zwar in erster Linie durch lyrische Elemente geprägt, können aber auch anhand narratologischer Kategorien untersucht werden (46).
  • Wortcisiojani
    • Der Wortcisiojanus ermöglicht größeren dichterischen Gestaltungsspielraum, erschwert aber eine chirometrische Memorialpraxis (46f.).
    • Der Solothurner Anonymus
      • Januar- und Februarstrophe sind syntaktisch und inhaltlich miteinander verknüpft, was einen größeren narrativen Raum ermöglicht, den mnemotechnischen Gebrauch allerdings erschwert (47f.).
      • Bei Cisiojani ist der Wirklichkeitsstatus der Erzählung unbedeutend; stattdessen sind sie mathematischen Textaufgaben vergleichbar (48f.).
      • Komische Erzählelemente erhöhen den Memorialeffekt, gestörte Semantik oder Grammatik erniedrigt ihn (50).
      • Die Erzählerrolle ist wenig profiliert (51).
    • Der Cisiojanus des Mönchs von Salzburg
      • Die formalen Herausforderungen eines Wortcisiojanus sind beim Mönch noch durch die Verwendung der Titurelstrophe gesteigert (52).
      • Die differenzierte Form ist für die Memorierbarkeit von Vorteil: Durch das Reimschema ababdcd sind Abschnitte markiert, eine Melodie ist überliefert (52).
      • In Vieldeutigkeiten und Assoziationen entstehen lustige Mikrotexte, die nicht das ‚Was‘, sondern das ‚Wie‘ des Erzählens dominant setzen (53-55).
      • Mit Betonung der formalen Qualität ist Hilgers Einschätzung gegen Kully zuzustimmen (56).
      • Die Uneindeutigkeit der Kohärenzverhältnisse der Verse und Sätze untereinander provoziert einen assoziativen Rezeptionsprozess (58).
      • Die Autorsignatur in der Überlieferung des Cisiojanus des Mönchs betont die Artistik des Merkgedichts (59).
  • Zeilencisiojani und Resümee
    • Obwohl Zeilencisiojani leichter verständlich sind, sind auch ihre Erzählungen über weite Strecken ereignislos (59).