Daz brechen leit (B27)

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Daz brechen leit (B27); Minneklage

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung Mitte 14. Jh.
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Schlossbibliothek: Cod. 54, 35r-40v
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 39-41

Inhalt

A Die Dame im Reigen / Prolog (1–34):

Unvermittelt einsetzend entwirft der Sprecher das Bild eines Reigentanzes, als deren Teilnehmer er nicht immer sicher zu identifizierende Pflanzen, Vögel und Gegenstände benennt. Die Zusammenstellung der von ihm als juncfroun (18) bezeichneten Akteure (u.a. 2: brune nuz, 6: schindel, 7: rosenstengel, 9: daz gefulte hûnchin, 12: Di swarze Grite, 16: melsac) ist schwer zu deuten – zu vermuten wäre eine pragmatische oder symbolische Sinnebene, die aber im Text nicht aufgedeckt wird. In diesem Reigen schreitend, sei ihm des blûndin meigen zwîc (21) am liebsten: Er wolle sich ihr, der Geliebten, die alle Frauen übertreffe, zu eigen geben (23, vgl. 161). Ihr zu Ehren schreibe er auch die folgende Rede, in der er dem Publikum (direkte Anrede 30: Dise schrift uch daz seit) von seiner Liebe und ihrer Schönheit berichten wolle.

B Preis der Geliebten (35–74):

Nach einem Bescheidenheitstopos (40: so spreche ich als ein tummer man) setzt der Sprecher zu einem hyperbolischen Preis seiner Geliebten an. Dabei wechselt er mehrmals zwischen direkter Apostrophe der Dame (41–62, 213–219, 263–368) und der Rede über sie in der 3. Person. Eine anaphorische Preisreihe (41–46) und ein Lob ihrer Tugenden unter Verwendung mariologischer Attribuierungen (52: O blûnde rôse sundir dorn) mündet in einen Überbietungstopos (66–71): Aller Frauenpreis der Bibel und der weisen Meister müsste für sie mehr als tausendfach gesteigert werden.

C Entstehung der Liebe (75–133):

Der Sprecher beschreibt die Entstehung der Liebe zu seiner Dame: Die personifizierten mut, sin und herze (76) hätten ihn lautstark aufgefordert (wörtliche Rede dieser Persönlichkeitsaspekte 79–84), der Dame zu dienen. Forsch sei er in den Hinterhalt der Minne geraten und von ihr gefangen worden. Als Eigenknecht der Minne habe er einen ambivalenten Lohn für seinen Dienst bekommen, nämlich Freude und Trauer: Freude (99–120), weil die Erwählte von der ganzen Welt ein makelloses Zeugnis ausgestellt bekäme und in ihrer Beständigkeit den höchsten Preis unter den Frauen verdiene; Trauer (121–133), weil ihr selbst ein Kaiser nur unvollkommen dienen könne, und ihm zudem die Gelegenheit fehle, ihr persönlich seine Klage zu eröffnen. Mit dem Pfeil der Minne habe sie sein Herz durchbohrt.

D Hoffnung auf Liebeserfüllung (134–212):

Der Sprecher ruft in einer Apostrophe Venus an (134: O Venus frowe), ihn zu unterstützen. Würde ihm die Geliebte Aussicht auf Lohn machen (imaginierte Rede der Dame 137–140), so käme er sich wie ein Kaiser vor, bekäme keine grauen Haare und würde 1000 Jahre leben (ewige Jugend). Er betont die Möglichkeit der den Aufpassern entzogenen Gedankenminne und führt den Kaisertopos breiter aus: hoffen denken lieber wan (149) seien ihm lieber als das Kaisertum; für eine Umarmung von ihr verzichtete er auf Engelsgesang und den dreifaltigen Himmelsthron. Er wolle sich der Geliebten zu eigen geben (161 wiederholt wörtlich 23), fürchtet aber, sie könnte ihn ignorieren. Daher betont er noch einmal seine Dienstbereitschaft und ihre Macht über sein Leben. Ausführlich beschreibt er die durch eine mögliche Enttäuschung drohende Trauer, die ihn bis zum Todeswunsch führen würde (geblümte Rede mit vielen Genitivmetaphern: Flut des Jammers, Klammer der Angst, Kammer der Sorgen usw.). Doch traut er der Dame am Ende keine ungnâde (196) zu, da sie ein Muster vollkommener weiblicher Tugenden sei. Er schließt einen Segenswunsch an Gott für die Geliebte an.

E Schönheitsbeschreibung (213–262):

Die Apostrophe an die Dame mit der flehentlichen Bitte um erlösende Worte aus ihrem Mund (217–219: Di dâ loufent vil snel | Dorch dîner lûtern kele vel | Uf obir daz zungelîn dîn) mündet in einen ausführlichen Schönheitspreis, der nur bedingt nach dem A capite ad calcem-Schema durchgeführt ist: Hals, Zunge, Zähne, Mund, Kinn, Nase, Wangen, Augen, Wimpern, Stirn, bedeckte Locken, Kopf, Hände, Nägel, Finger, Körper, Füße. F Preis und Bitte (263–368): In einer abschließenden Passage mit erneuter Apostrophe bittet der Sprecher die Geliebte um ihre Huld. Er fordert sie auf, selbst den Treuesten ihrer Diener auszuwählen, alle anderen Nebenbuhler aber wegzuschicken – weil er hofft, dann der Erwählte zu sein. Es folgt eine lange litaneiartige Preisreihe (283–343), in der er in anaphorischen Kurzversen benennt, was sie ihm bedeute (z.B. 287–290: Mîn meigen rîs, | Mîn paradîs, | Mîn zarter engel, | Mîn rôsen sprengel). Er verwendet dabei größtenteils konventionelle höfische und geistliche Formeln des Frauenpreises, gelegentlich aber auch ausgesuchte und am geblümten Stil orientierte Gleichungen: eine ›Übertugend aller Ehre‹ (286), eine ›fruchtige Frucht‹ des Olivenbaums (314), Mîn guldînez boimel | Du edelîcher soimel (321f.). Es folgt eine erneute Bekräftigung seiner brennenden Liebe und die Drohung, bei Nichterhörung vor Liebesleid zu sterben. Der Sprecher befiehlt der Geliebten seine Seele und schließt mit einem Segenswunsch an Gott für die Geliebte (mit Neujahrswunsch 363: Tûsint mal dir gûtir jâr) und der Hoffnung auf Erlösung von seinem Leid.

(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 39-41)