Die Klage (Hartmann von Aue) (B48)

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Die Klage (B48); Zweites Büchlein

AutorIn Hartmann von Aue
Entstehungszeit 1180-1200
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Wien, Österreichische Nationalbibliothek: Ser. n. 2663, 22rc-26va
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 80-86

Inhalt

A Prolog (1–31):

Die Exordialsentenz, die den Sieg der Liebe über alle Menschen postuliert (›Amor vincit omnia‹), wird an einem jungelinc (7) exemplifiziert, der zum Diener der Minne geworden sei. Die von ihm geliebte Frau habe seine Werbung jedoch abgelehnt, worauf er, um Verschwiegenheit bemüht, seinen Kummer bei sich behalten habe (24f.: er klagete sine swære | niwan in simem muote). Dieser junge Mann sei Hartmann von Aue, der auch dirre klage (30, hieraus bezieht die Forschung den Titel des Textes) gemacht habe.– Eingeleitet durch eine Inquit-Formel folgt die Wiedergabe eines Gesprächs zwischen Herz und Körper.

B Erste Rede des Körpers (32–484):

Der Körper erhebt schwere Vorwürfe gegen das Herz und will es ermorden. Er sei völlig in der Gewalt des Herzens und doch unterstütze es ihn nicht (Rechts- und Bündnisterminologie: 56: untriuwe; Herz angesprochen als friunt in 59, 121 und öfter). Vielmehr raube es ihm alle Freude. Der Körper droht mit einem Selbstmord: 69–71: daz ich […] ein mezzer in dich stiche | und belibe mit dir tot. Präziser beschuldigt er das Herz, ihn betrügerisch zur Liebe einer Frau gebracht zu haben (81f.: Mich hiezen dine sinne | ir dienen umbe minne), indem es ihre Vorzüge gepriesen und ihm Aussichten auf Erhörung gemacht habe. Nun, da sie seine Liebe erkannt habe, wolle die Frau nichts mehr von ihm wissen, was dem Dienst-Lohn-Schema widerspreche (113: mit übel giltet si mir guot) und juristisch zu beklagen sei (114: da ist daz reht niht wol behuot). Unter dem Vorbehalt, er dürfe die überall Gelobte nicht schelten, nennt der Körper die Frau dennoch die Schlechteste von allen und fordert mit Verweis auf (höfische) Verhaltensregeln (130: als guotem wibe gezæme) die Aufnahme in ihren Dienst. Er betont seine Freiheit, die von ihr unerwünschte Minne in Gedanken auszuleben (Gedankenminne; 137f.: wan swaz mit werken mac ergan, | daz han ich mit gedanke getan, aber nur Ehrenhaftes). In Gesellschaft, da rede von guoten wiben ist (152), schweige er zu ihrem Lob; auch wenn er wünsche, dass man schlecht über sie rede, geschehe das nicht. Stattdessen werde sein Leid durch ihren Preis gemehrt. Er könne selbst nichts Schlechtes an ihr finden außer ihrer Haltung ihm gegenüber. Er sei ratlos, wie er den Rat des Herzens, ihr zu dienen, umsetzen solle, da sie seine Liebe nicht erwidere. Er fordert das Herz auf, Abhilfe zu schaffen. Zwar ist er davon überzeugt, dass die Frau es ihm gewiss dankte, wüsste sie nur, wie treu er ihr ergeben sei. Er gesteht jedoch zu, dass die Frauen aus guten Gründen und schlechten Erfahrungen an männlichen Treueversicherungen zweifelten; 241–264: Verdammung betrügerischer Männer, die durch boshafte Ruhmsucht statt durch wahre Minne motiviert seien; sie sähen am jüngsten Gericht ihrer gerechten Strafe entgegen. Besonders verdammt sollten die sein, die mit der site (267) angefangen hätten, die Frauen mit Lügen zu betrügen, und anderen ein schlechtes Vorbild gäben. Der durch Betrug gesäte Zweifel schade nämlich treu dienenden Männern wie ihm. Er wünscht sich erneut den Tod (Apostrophe 292: nu kom, tot, ez ist nit ze fruo): All seine Freude sei erloschen, er bleibe wie vom Donner gerührt und sprachlos zurück, und könne (und wolle) auch seinen Nächsten keinen Grund für sein schmerzendes Herz nennen (Verschwiegenheit) – was ihn aber um gute Ratschläge bringe. Die ertastete regelmäßige Herzensbewegung deutet der Körper als freudiges Hüpfen (323–325: wan so verest du dar inne | […] | vor vreuden als ein vogellin) und damit wiederum als Verrat, was ihn zu einer lauten Klage veranlasst. Er sei freudlos, unfähig zu Scherzen und Ablenkung. Vergleich mit Meeresströmung (351–376): So wie trotz Windstille das Meer vom Grund her bewegt werde (360f.: und hebet sich uf von grunde ein wint; | daz heizent si selpwege) und gefährlich hohe Wellen verursache, so müsse auch er wegen der verborgenen Sorgen seufzen; wenn es nicht ›unmännlich‹  wäre, würde er sogar weinen. Er fliehe daher auch die menschliche Gesellschaft. Der Körper beklagt sein Liebesleid als eine unverdiente Strafe, die selbst für einen Mörder zu hoch wäre und der der Tod vorzuziehen sei. Er fragt das Herz, warum er so leide, verweist darauf, dass sein Tod auch dem Herzen Schaden zufüge und betont seine Bündnisbereitschaft im Interesse einer für beide Seiten günstigen Lösung. Er vermutet, dass auch das Herz von seinem Schmerz affiziert werde, da sie beide ja zusammengehörten (450: ich mag uns wol zesamen zalen); er plausibilisiert das mit zwei Vergleichen: 1. Schale und Kern: Widriges auf die Nussschale einwirkendes Wetter schadet auch dem Kern, und das gute nützt ihm; 2. Wasserkessel: Auf den Kessel einwirkende Wärme erhitzt auch das in ihm befindliche Wasser.

C Erste Rede des Herzens (485–972):

Das Herz beklagt, dass zu seinem (vom Körper verursachten) Minneleid nun auch noch das Leid der ungerechtfertigten Anschuldigung trete; 497f.: Sprichwort ›den Spott zum Schaden haben‹. Es bestreitet, Macht über den Körper zu haben (wörtliche Aufnahme der Anklagepunkte 523f. und 535), es sehe und wisse doch nur etwas durch Vermittlung des Körpers – besonders der zum Körper gehörenden Augen. Zudem habe es ihm stets nur zum Guten geraten. Zwar habe es den Körper, wie vorgeworfen, zu der einen Dame gedrängt. Dass sie aber die beste sei, habe es durch die Augen des Körpers wahrgenommen. Das Herz betont, dass den Körper bei erfolgreichem Minnedienst das höchste Glück erwarte – jedoch sei das nicht leicht: jane ist ez niht ein kindespil (604) – und formuliert anschließend eine allgemeine Belehrung (607–640) über die Anforderungen der Minne an den Adepten (609: swer ir lere rehte wil phlegen; 621: swer ir ingesinde wesen wil); genannt werden: ständige Anstrengung, Ruhelosigkeit, Dienstbereitschaft, Treue, Freigebigkeit, Mannesmut, körperliche Gepflegtheit, Kühnheit, Einsatz von Seele und Leben. – Das Herz verbittet sich die Vorwürfe und betont, dass es ihm schlechter gehe als dem Körper, denn der Körper erquicke sich nachts im Schlaf (678: daz heize ich daz halbe jar) und lenke sich durch höfische Vergnügungen ab (Aufzählung von Zwillingsformeln 681–685: singen unde sagen, beizen unde jagen, spilen unde schiezen, tanzen unde springen). Das Herz aber denke Tag und Nacht darüber nach, wie sich die Frau, von der es nicht loskomme, gewinnen ließe; Traumtheorie (704–709): Dass die Frau dem Körper im Traum erscheine, sei Produkt dieser Herzensbewegung. Im Interesse der Ehre, die Körper und Herz gemeinsam hätten, klage es nicht (725; ähnlicher Verweis auf die gemeinsame Ehre 667). Einer an Gott gerichteten Bitte um Heil und Rat folgt eine Handlungsanweisung: Der Körper solle entschlossen handeln; Jagdallegorie (745–754): Der zaghafte Jäger ist erfolglos. Zwar gehe es in der Welt scheinbar ungerecht zu: Der Ehrlose habe Glück, der Tugendhafte bleibe unentlohnt; in Wahrheit aber könne der, der nur durch Freundeshilfe oder Besitz zum Ziel komme, sich sein Glück nicht als eigenes Verdienst zuschreiben. Daher rate das Herz dem Körper zu entschlossenem Handeln und frohem Gottvertrauen (808: jane verliez got den sinen nie), er solle sich das Moos (811: mies) von den Augen wischen (redensartlich?). Das Herz nennt ihn seiner Verstocktheit wegen einen rechten ›Schleicher‹ (814). Vergleich mit Blume unterm Schnee: Anders als diese könne das Herz nicht auf sichere Hilfe und Erlösung durch die Mittagssonne und durch den Mai / Sommer hoffen. Es beschimpft den Körper als unklug und faul. Der Möglichkeit, ebenfalls faul zu sein, stellt es seine unbedingte Beständigkeit entgegen. Da es bessere ›Sinne‹ habe, rät das Herz dem Körper, ihm Gehorsam zu leisten; sonst würde es ein ewiger strit (900). Das Herz problematisiert die Uneinigkeit, deren Konsequenz eigentlich die Trennung wäre. Es folgen Klagen über die eigene Machtlosigkeit (916f.: ichne han gewaltes wan den muot | und den frien gedanc), über die Missachtung der Ratschläge des Herzens durch den Körper und die dennoch erfolgende Mithaftung (934f: daz er [der die Untaten des Körpers betrachtet] sa zehant giht | daz ez ein valschez herze tuo) sowie über seine sich daraus ergebende schwache Rechtsposition: Niemand glaube ihm, man halte ihn stets für den Wolf in der Fabel (951: der wolf an dem spelle), ein Räuber sei rechtlich besser gestellt. Der Körper solle den Willen des Herzens vollstrecken, damit sie beide zum Ziel kämen (968: wir enden swaz wir wellen).

D Zweite Rede des Körpers (973–1125):

Die Einlassungen des Herzens seien für eine Kommunikation unter Freunden unangemessen. Selbst ein Meister würde seine Lehre höflich (983: mit zühten) vortragen, das Herz aber strafe ihn wie einen ›Knecht‹  (985). Statt mit Drohen und Schelten sollten Freunde mit Bitten und freundlichem Rat den anderen kritisieren. Der Körper macht nun ein Friedensangebot, indem er bemerkt, dass jemand, der dieses Streitgespräch vernähme, es für einen Spaß (1019: spot) halten würde. Außerdem stellten sie doch eine Einheit dar (1022: wir beide sin ein man), der entsprechende Einigkeit anstehe, auch im Hinblick auf die ihnen beiden von Gott anvertraute Seele (1034f.: got der hat uns beiden | eine sele gegeben). Bei guter Pflege der Seele erwarte sie himmlischer Lohn. Widersetzten sie sich aus freiem Willen dem göttlichen Auftrag, erwarte sie dagegen die Hölle. Er ermahnt daher das Herz, ihm einen guten Rat zu geben, versichert seine Dienstfertigkeit und betont, auch bei ausbleibendem Erfolg weiter der Dame zu dienen. Denn der Minnedienst veredle ihn (1085: dass [ich] valsches durch si ane bin). Er wolle mit ›Werken‹ die ›Worte‹ beweisen (1095); so habe er nämlich trotz ausbleibendem Lohn durch die Dame den Nutzen, dass die Welt seine Werke honoriere und ihn deste gerner hat (1102; klassische Minneideologie). Dieses Ansehen sei ihm allerdings weniger wichtig als die mögliche Freude, die er für sich aus der Minne zu erlangen hoffe. Er wolle den Rat des Herzens daher vollständig befolgen, es sei denn, er beinhalte Zauberei oder Mord oder verletze die Treue.

E Zweite Rede des Herzens (1126–1167):

Es zeigt sich erfreut über die Worte des Körpers, die es als Wandlung hin zum Guten deutet. Befolge er seinen Rat, so könne ausgeglichen werden, was die Trägheit des Körpers vorher an Schaden angerichtet habe.

F Stichomythie (1168–1268):

In einem raschen Wechsel von Rede und Gegenrede (meist innerhalb von einem Reimpaarvers) stellen Körper und Herz noch einmal fest, dass sie der selben Sache wegen leiden (das Herz stellt sich zunächst unwissend und tut so, als missverstünde es die Aussagen des Körpers, was einen komischen Effekt hat). Das Herz fordert den Körper erneut dazu auf, durch beständigen Minnedienst und tugendhaftes Verhalten, unterstützt durch Verstand und Glück, zum Ziel zu gelangen. Es tadelt mangelnden Einsatz, Selbstgefälligkeit und Unwissenheit sowie die Beschränkung auf Wünsche ohne eigene Taten (1259: wünschen was unmanlich ie). Der Körper begibt sich in die Rolle des willigen Schülers (1252: nu lere mich, ich bin din kint).

G Dritte Rede des Herzens / Kräuterzauber (1269–1375):

Das Herz fordert den Körper auf, dass er das Gelübde, jeden Zauber im Minnedienst abzulehnen (siehe oben, Ende des Abschnitts D), breche, denn es lehre ihn nun eine ausführliche zouberlist (1275), die es aus Frankreich (1280: von Karlingen) mitgebracht habe. Man benötige zu diesem Zauber drei Kräuter, die man in keinem Garten und auch nicht zu kaufen finde; nur bei Gott (1296: dem würzære) finde man sie: milte, zuht, diemuot (1303), dazu weiterhin die Beimischung der Kräuter triwe unde stæte (1311), kiuscheit unde schame (1315) sowie gewislichiu manheit (1317). Alles solle in einem Herzen als Gefäß angemischt werden. Das Herz will sich selbst als Gefäß zur Verfügung stellen und fordert den Körper auf, sich nun auf die Suche nach den anderen Zutaten zu machen. Wende man ihn in reiner Haltung an, könne man sich mit dem Zauber göttliches und weltliches Heil sichern. Das Herz warnt zugleich vor anderen Formen der Magie, durch die man sein Seelenheil verliere.

H Dritte Rede des Körpers (1376–1535):

Der Körper verspricht, die Lehre umzusetzen, und bekräftigt, dass die Erhörung durch die Dame dabei sein einziges Ziel sei. Ihre Gleichgültigkeit gegenüber seinem Minneleid versucht er damit zu erklären, dass die Dame seine wahre Gesinnung nicht kennen könne und aufgrund allgemeiner Erfahrung (1406: wan den wiben ist so vil gelogen) gegenüber seinen Beteuerungen zurückhaltend sein müsse. Er beklagt aber, dass selbst das Herz daran zweifle, dass es ihm ernst sei. Er beschwört daher in einem förmlichen ›Eid‹ (1422) seine Aufrichtigkeit. Anschließend folgen ohne stringente Argumentationslogik verschiedene Aspekte: Ausdruck seiner Hoffnung, Erschrecken über die eigenen Worte, Vergleich der Geliebten mit einem Engel (mit Anspielungen auf den Engelssturz, z.B. 1469: si zæm wol an eins engels stat), die Beteuerung der eigenen Unerfahrenheit, das Lob seines Verstandes, ihm zu dieser Frau geraten zu haben, der Preis der Tugenden der Dame (Vergleich mit Karfunkel) und die Klage, er werde ob seines Lobes schon für verrückt gehalten – es sei ihm aber recht, wenn die Geliebte von niemand anderem beachtet würde; letzteres aber habe er nur im Scherz gesagt (denn was solle ihm das, was niemand wolle). Er schließt mit einer Bekräftigung seiner absoluten Hingabe.

I Abschließender Dialog (1536–1592):

Das Herz lobt die nun erreichte gemeinsame Verständigungsbasis und fordert den Körper noch einmal zu beherzter Tat auf, mahnt aber zu Besonnenheit und Geduld (1551: Unrehtez gahen sumet dich), da sich die Frauen tadelnswerter Weise meist sehr lange zurückhielten. Der Körper (1593– 1612) erhebt Einspruch und verteidigt die Frauen vor diesem seiner Meinung nach zu harten Urteil (1607f.: Ja bist du ze richtære | in vil unmaere). Er bittet das Herz, ihm stattdessen weitere Lehren zu geben. Das Herz (1613–1643) legt ihm daraufhin das Exempel, dass steter Tropfen den Stein höhle (Sprichwort), als Bestätigung für den Wert der Beständigkeit aus. Sein Dienst werde Lohn erhalten (1631: ist si denne ein guot wip | sich, so lonet si dir, lip). Dem Vorschlag des Herzens, dass der Körper als Sprecher (1643: fürspreche) ihrer gemeinsamen Sache der Dame entgegentreten solle, stimmt dieser freudig zu.

J Kreuzgereimte, strophische Werbung (1645–1914):

Der formal hochkomplexe Schlussteil hebt sich deutlich vom vorhergehenden Text ab. Er besteht aus 15 strophenhaften Abschnitten, in denen jeweils nur ein einziger Kreuzreim wiederholt wird (abababab…; cdcdcdcd…), z.T. auch zusätzlich als grammatischer Reim (z.B. in der 6. Strophe, 1785–1806: […] armuot | […] armüete | […] unbehuot | […] behüete etc.). Im Umfang verringern sich die Strophen jeweils um ein Verspaar (d.h. von 32 auf vier Verse). – Auch inhaltlich scheint ein Bruch vorzuliegen: Die Werbung – die ja logisch als Rede des Körpers im Auftrag des Herzens anzuschließen wäre – lässt sich weder dem Körper noch dem Herzen zuschreiben, da das hier redende ›Ich‹ auf min lip (1679, 1903) sowie min[em] herze[n] (1656, 1667, 1740, 1829, 1907) bzw. mines herzen zorn (1893) rekurriert (allenfalls lässt sich beobachten, dass ›mein Leib‹ und ›mein Herz‹ nie in derselben Strophe benutzt werden und in den Strophen 1 und 2 sowie 12, 13, 14 und 15 Ansätze zu einem Sprecherwechsel zwischen Körper und Herz vorliegen). Inhaltlich ergibt sich nur eine lose Verbindung zwischen den einzelnen Strophen, in denen der Sprecher meist ohne größere diskursive Kohärenz sein Liebesleid klagt und die Dame in direkter Apostrophe um Erhörung bittet. 1. (1645–1676): Klage, Erhörungsbitte und Bekräftigung seiner Dienstbereitschaft; 2. (1677–1706): Hilferuf an die Dame, Verweis auf ihre Tugend und die Heilkraft ihrer Gnade, die sich schon in der Berührung ihrer Kleidung oder ihrer Hand auf den Sprecher übertrage; 3. (1707–1734): Klage über mangelnde Freude, was sich auch auf die Kunstausübung des Sprechers auswirke (1713: des habe ich selten gelfen sanc). Einzig die Hoffnung auf eine Umarmung durch ihre nackten Hände rette ihn vor dem Ertrinken im Meer des Hasses. Versicherung seiner Beständigkeit; 4. (1735– 1760): Betonung der Exklusivität seiner Liebe und hoffnungsvolle Bitte um Vergeltung seines Dienstes; 5. (1761–1784): Klage über das Paradox, dass ihm das schade, was ihm nützen sollte. Verdammung ihrer Hartherzigkeit, ihn unerlöst zu lassen; 6. (1785–1806): Nicht die Sommerblüte, erst ihre Begnadung rette den Sprecher von seinem Unglück (Jahreszeitentopos), unter dem er sehr leidet; 7. (1807–1826): Kein noch so teurer Arzt könne seine Verwundung heilen, wohl aber der rote Mund der Dame; 8. (1827–1844): Schwanken zwischen Hoffnung, die ihn kühn macht, und vernichtendem Zweifel. Dienstbekräftigung und Vergöttlichung der Dame (1844: wan du bist min gotinne); 9. (1845–1860): Erinnerung der Dame an seine Treue und Klage über schlechte Minnende; 10. (1861–1874): Hoffnung auf Gnade, analog der göttlichen Gnade, die auf den Gottesdienst folge. Betonung der ewigen Trauer bei ausbleibender Begnadung; 11. (1875–1886): Anklage der Dame wegen unterlassner Begnadung; 12. (1887–1896): Bekräftigung seiner Dienstbereitschaft (Worte in Werke umsetzen), an der er im Auftrag seines Herzens festhalte; 13. (1897–1904): Bitte, die Güte der Dame solle in seiner Begnadung ihrem Namen Ehre machen; Versicherung, dass sein Körper ihr eigen sei, so wie es auch sein Herz wolle (1904: nach getriwes herzen lere); 14. (1905–1910): Mögliche Ergebnisse des ›geteilten Spiels‹ (1905) der Frau seien Freude oder Tod aus Liebesleid (1910: Frage, ob die Dame letzteres wirklich wolle); 15. (1911–1914): Bekräftigung der völligen und exklusiven Hingabe von Seele und Körper an die Dame.

(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 81-86)