Gespräch zwischen Herz und Mund (B51)

Aus Brevitas Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gespräch zwischen Herz und Mund (B51); Krieg zwischen Herz und Mund

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überliefert um 1480
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Gießen, Universitätsbibliothek: Hs. 1264, 8r-11v
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Gespräch zwischen Herz und Mund; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 91f.; Von Schüching, Heinz: Studien zu einer kritischen Ausgabe der Dichtungen von Heinz Rosenplüt, S. 515f.

Inhalt

A Fragmentarisch erhaltener Beginn (1–68):

Aus den vier erhaltenen Worten der ersten drei Verse kann man auf eine knappe Einleitung (1–3) schließen, in der ein Ich-Sprecher das Folgende als Wiedergabe eines belauschten Gesprächs zwischen Mund und Herz kennzeichnet (dazu passt auch der Schluss C). Das Streitgespräch beginnt bereits in Vers 4. Mit Hilfe der (z.T. ergänzbaren) formelhaften Sprecherangaben Der munt sprach (4, 20, 64) bzw. Das hertz das sprach (8, 30) lässt sich der Inhalt der ersten Wortwechsel in Ansätzen rekonstruieren: Das Herz bezichtigt den Mund im Zusammenhang mit der Liebe zu einer Dame, die es empfinde, der zaghait (18). Dieser weigert sich, weitere Hilfe zu leisten (28: Vor meinem werben bistu frey) und empfiehlt dem Herz ein seinem Stand gemäßeres Liebesobjekt (27: die dir genossen sey). Das Herz bekräftigt die Unbedingtheit seiner Liebe.

B Streitgespräch (69–255):

Die ungestörte Überlieferung setzt ein in einer Rede des Mundes: Das Herz solle von seinen unrealistischen Hoffnungen (71: Das nit mag gesein vnd nymer geschehen) ablassen. Das Herz widerspricht, da seine Wünsche von der Dame leicht zu erfüllen seien. Es will bis an sein Ende nach ihrer Gunst streben und im Fall, dass es die Dame überlebt, schwarz tragen. Darauf tadelt der Mund erneut mangelhaftes Benehmen und Torheit des Herzens (89: Wan du machst dich zu ainem affen). Das Herz klagt den Mund wiederum als Feigling an (98: Sag wie bistu so ain man), da er sich nicht traue, der Dame die Liebe des Herzens zu offenbaren. Das Herz streicht dann die Tugendhaftigkeit der Dame heraus, die ihm Freude bringe, die es aber auch binde. Lohnverlangen; Wunsch, die Lieblingskleidung der Geliebten herauszufinden. Das Herz beschreibt sich als der Geliebten unwürdig, was sich auch durch eine Verbesserung seines sozialen Status’ oder Vermögens (Variation des Kaisertopos) nicht ändern würde. Dennoch wolle es von seiner Werbung nicht ablassen. Der Mund verspricht, sich bei anderen Leuten danach zu erkundigen, wie der Dame dieser Dienst gefalle (?). Das Herz solle damit fortfahren, denn es könne ja gegebenenfalls auch Erfolg haben. Das Herz bekräftigt seine Treue und antwortet auf die Frage des Mundes, wie es zur Wahl dieser Geliebten kam, mit einem Frauenpreis: Die Tugend der Dame stünde unerreicht und sei allgemein anerkannt. Obwohl es dem Vergleich mit ihr nicht standhalte, wünsche es der Dame, ewig nur das Beste: Sie besäße auf ewig sein Herz (196: das hertze mein – eine für die Rede des personifizierten Herzens bemerkenswerte Aussage!). Der Mund pflichtet dem Herzen bei und verspricht, die Liebe des Herzens der Dame zu offenbaren, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergeben sollte. Er hofft aber auch, dass sich das Herz im Folgenden entsprechend benehme, damit dieser Dienst nicht negativ auf ihn zurückfalle. Das Herz versichert dem Mund in mehrfachen Eidesformeln, in Zukunft der Dame beständig und exklusiv ergeben zu sein. Der Mund möge ihm Glück wünschen. Ganz allgemein solle man Ehre, Treue und Beständigkeit der Frauen, an denen alles Glück hänge, preisen, wodurch man selbst geehrt würde. Nach einem ersten Segenswunsch (236f.) nimmt das Herz Abschied vom Mund und bittet ihn abschließend noch einmal um seine Unterstützung (252: Wirb meinen nutz vnd doch dein er), da all seine Freude von der Begnadung durch die Dame abhänge.

C Schluss (256–272):

Der Sprecher ist verwundert darüber, dass Herz und Mund nicht als Einheit auftreten. Er beurteilt das Streitgespräch als eher freundlich (258: an grossen has), wisse aber nicht, ob der Mund die Bitte des Herzens hernach erfüllt habe und ob er deswegen zurechtgewiesen worden sei (offener Schluss). Er wünscht beiden in einer abschließenden Segensformel, dass ihnen Trost durch die Dame zuteil werden möge, so wie er das für sich selbst ebenfalls wünsche.

(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 91f.)