Liebesklage (B41)

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Liebesklage (B41); Liebesklage II

AutorIn Anon.
Entstehungszeit Überlieferung um 1530
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Berlin, Staatsbibliothek: Ms. germ. fol. 488, 372v-380v
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Klingner, Jacob: Liebesklage II; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 69-71

Inhalt

A Winterklage (1–32):

Der Sprecher verabschiedet den Sommer (1: Far hin dw werde summerzeitt) und damit Sorgenfreiheit und Glück, das er in schöner Landschaft (Heide und Wald, Sonnenschein, Blumen und Vogelgesang) und in Einheit mit der fröhlichen Kreatur (20f.: Die nachtigall der lieben clage | Thett dichtenn Inn gesanges weis) genossen habe. Der Winter habe die Freude nun in ihr Gegenteil verkehrt.

B Klage über eigenes Unvermögen (33–134):

Der Sprecher berichtet von seinem Kummer wegen seiner Geliebten – für den er aber explizit nicht diese (36, 46) verantwortlich macht, sondern seine eigene Unfähigkeit, ihr seine Liebe zu bekennen. Es folgt eine ausführliche Beschreibung der situativen Manifestation seiner Gehemmtheit und seines minnebedingten Schweigens (48–134): Bei ihrem Anblick überfielen ihn Zittern und Sprachlosigkeit. Von ihr angesprochen, fühle er sein Herz brechen; den Pfeil trage er noch im Herzen. Er fürchte, dass ihr seine Worte missfallen könnten, und traue sich daher nicht zu reden – wo er sonst vor keiner ritterlichen Herausforderung zurückschrecke. Wie Pfeile seien ihre Worte. Zugleich wisse er, dass er nur Erfolg haben könne, wenn er sich ihr eröffne. Von ihr getrennt, sei er ruhelos, in ihrer Nähe breche ihm der Angstschweiß aus (96: Von engsten ich erschschwietz). Nur ihr Anstand verhindere, dass sie sein Verhalten nicht zum Anlass für Spott (94: affen spill) nehme. Auch zur Plauderei mit ihr (97f.: So fragt sie mich als Neuer mer | Was geschehenn sey hin vnd here) sei er nicht in der Lage, aus Furcht vor einem falschen Wort. Ihre besorgten Nachfragen, ob er krank sei, und Aufmunterungen könne er auch deshalb nie beantworten, weil er sich als nicht gleichwertig sehe und fürchte, sie könne ihm übel nehmen, ihr seine Liebe anzutragen.

C Liebesbekenntnis (135–209):

Im Folgenden reflektiert der Sprecher auf seine Liebe und mögliche Lösungsansätze der beschriebenen Probleme: Er wünscht, sie möge ihn ohne Worte verstehen und seine Liebe erkennen, die ehrenvoll (146f.: Er wolle lieber außer Landes als sie in Schande zu bringen) und unerschütterlich sei: Er gäbe sie nicht für Alles des frantzoßen golt | Vnd der von nediger (Venediger?) reich (152f.); niemand könne sie trennen; er könne ihr nicht zürnen; ihr Name sei ewig in sein Herz eingeschrieben; er wolle sie lieben, auch wenn sie ihn verschmähe. Könnte sie in sein Herz sehen, so würde sie ihn aufgrund seiner Gesinnung und trotz seines geringen Standes lieben. Seine Liebesverstrickung (182: der lieben angel) beschreibt er unter Bezug auf antike Mythologie und Literatur: Frau Venus habe ihn gefesselt, Capia (189, vermutl. für Cupido) seine Macht an ihm erwiesen. Selig sei der Redebegabte zu preisen (wohl in den Namensformen verderbter Verweis auf Odysseus, Kalypso und Kirke 199–201: Als allipso etwan wust | Zw dem hett Calyoso lust | Vnnd Ciro die gottin reich), ihm dagegen fehle es an der Ausdrucksfähigkeit (205f.: Ich habs offt Im hertzenn wers In mundt | Villeicht hett ich vor Jammer gesundt). Eine Versicherung, sie fände an ihm die größte Treue, mündet in einen Preis der Geliebten.

D Preis nach dem Hohelied (210–269):

Der Preis der Geliebten besteht zum großen Teil aus Paraphrasen des Hohelieds (mehrfache Quellenangabe: 222: Sie ist vonn der geschrieben stat; 240: Als salamon etwan sprach; vgl. auch 256). Identifizieren lassen sich verschiedene Apostrophen und Attribuierungen der Geliebten, die vor allem ihre körperliche Schönheit hervorheben (teilweise mehrfach, Cant 4,3; 1,2; 4,11; 1,3, 4,10;) und in ihrer Anordnung in Ansätzen der Systematik des konventionellen Schönheitslobs entsprechen (vgl. 257–263, wo Wangen, Hals und Gesicht unter Bezug auf Cant 3,11; 1,15; 4,1 bzw. 5,12 beschrieben werden).

E Bitte und Hoffnung (270–375):

In einer weiteren Apostrophe der Geliebten (270– 301) preist der Sprecher bildreich ihre Schönheit (kurze Schönheitsbeschreibung: Mund, Augen, Haar, Zähne, Hals, Wangen) und beklagt die Verwundung seines Herzens durch ihre Augen. Er nennt sie den Garten der Liebe und den Quell (284: brun) der Freigebigkeit (miltigkeit) und bittet – unter Verweis auf sein Brennen in der Liebe – um Kuss, Rede und Umarmung. Er sei seiner Liebeskrankheit ausgeliefert: So seien nicht nur seine Gedanken, sondern auch sein Herz nicht mehr bei ihm, und er fürchte, bei dieser Spaltung des Selbst zu sterben (312: Da ich ytza bin da bin ich nit; und 316: Das ich mich teyll bey gantzem leybe). Er bekräftigt die Entschlossenheit, sich ihr zu offenbaren, ahnt aber sein erneutes Verstummen und die daraus resultierende Ablehnung durch die Geliebte, denn: Frauen wollen unterhalten werden (334: wollenn habenn schimpff) und verabscheuen zu großen Ernst (337: Zw vil ernst misfelt denn weyben). Er wolle es dennoch wagen, vielleicht habe er ja Glück (Sprichwort 344: Man spricht die liebe ist beschertt [wird geschenkt]). Er imaginiert ein Streitgespräch (348–362), in dem er ihrer möglichen Ablehnung mit verschiedenen Argumenten (ihre Verweigerung bedeute den Verlust gesellschaftlicher Freude; seine Absichten seien ehrenvoll; sie solle es sich noch einmal überlegen) begegnen würde. Er schließt mit der erneuten Bekräftigung seiner Entschlossenheit und in der Hoffnung auf den Glück und Freude bringenden Frühling.

Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, S. 70f.