Schnupperkurs Kritische Fabeledition (Dokumentation Lehrkonzept)
Rahmendaten
- Projektform: Proseminar Theorie und Praxis: Methoden der Literaturwissenschaft des Lehrstuhls für Germanistische Mediävistik der Universität Bayreuth
- Projektzeitraum: Wintersemester 2024/2025
- Projektleitung: PD Dr. Silvan Wagner
Didaktische Skizze

Das Proseminar "Theorie und Praxis: Methoden der Literaturwissenschaft" ist ganz auf die (kritische) Editionswissenschaft ausgerichtet als strenggenommen einzige eigenständig entwickelte Theorie der Germanistischen Mediävistik. Der Kurs erfolgt tendenziell im Konzept "flipped classroom": Die Studierenden erlernen anhand automatisierter, virtueller Lehrgänge (H5P) im Heimstudium die Grundlagen der Editionsphilologie und wenden sie in den Präsenzsitzungen auf einen konkreten Gegenstand an. Als solcher wurde das Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein) bestimmt, da diese Fabelsammlung sich aus drei Gründen für diese Verwendung anbietet:
- Die Fabelsammlung besteht aus gut abgrenzbaren Einzeltexten, die es erlauben, kleine Volltexteditionsprojekte mit Studierenden durchzuführen.
- Die Fabelsammlung ist bislang unediert, was es ermöglicht, dass Studierende im Kursverlauf selbst Transkription, Kommentar und Apparat zu einzelnen Fabeln anfertigen.
- Es existiert mit Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein eine umfassende Vorbereitung zu einer Edition, mit der Heuristik, Handschriftenbeschreibung, Kollation und Filiation bereits kritisch erarbeitet vorliegen.
Diese Grundlage bietet einerseits die Möglichkeit, dass die Studierenden diejenigen Arbeitsschritte einer kritischen Edition, die das Niveau eines Proseminares sprengen würden, lediglich in Vorgehen und Ergebnis nachvollziehen müssen, wodurch das Buch der natürlichen Weisheit zum exemplarischen Editionsfall wird, anhand dessen die abstrakten Lerninhalte des Heimstudiums in der Seminardiskussion konkretisiert werden; andererseits aber können die Studierenden mit Transkriptionen, Annotationen im Apparat und Kommentierungen selbst Grundlagenarbeit der Editionsphilologie praktisch erproben. Im Seminar selbst wurde dies zunächst dadurch umgesetzt, dass eine Fabel der Sammlung in der (am leichtesten lesbaren) Druckfassung gemeinsam transkribiert, annotiert und kommentiert wurde, um die Grundlagen praktischer Editionsarbeit kennen zu lernen; anschließend transkribierten studentische Arbeitsgruppen über einen Zeitraum von drei Wochen hinweg je eine handschriftliche Version derselben Fabel, was den Vorteil hat, dass diese inhaltlich bereits bekannt ist und bei Leseschwierigkeiten auch die gemeinsame Transkription der Druckfassung zu Rate gezogen werden kann. Die Hausarbeiten bestanden darin, dass Studierende bzw. Kleingruppen je eine Transkription, Annotation und Kommentierung einer neuen Fabel anfertigen sollten, wobei die gemeinsam erarbeiteten Methoden die Bewertungsgrundlage stellte.
Entscheidend ist dabei die direkte Veröffentlichung aller studentischen Arbeitsschritte auf Brevitas Wiki: Die editionsphilologisch unabdingbare Exaktheit der Datenerfassung und -aufbereitung ist durch eine direkte Onlineveröffentlichung aller Werkstücke signifikant besser motiviert, als wenn entsprechende Übungen nur zwischen Studierenden und Dozierenden kommuniziert würden. Nichtsdestotrotz kommt es bei der studentischen Dateneingabe erwartbarerweise zu vielen Ungenauigkeiten, Redundanzen im Kommentar, Lesefehlern und unüblicher Diskursverwendung; die Onlineveröffentlichung motiviert dabei nicht nur zur Bereitschaft auf studentischer Seite, (angeleitet) einige Überarbeitungsgänge einzuziehen (und damit die Überarbeitung selbst als notwendigen Arbeitsschritt in die eigene Praxis zu übernehmen), sondern motiviert auch den hohen Betreuungsaufwand auf Dozierendenseite: Ergebnis des "Schnupperkurses Kritische Fabeledition" sind auch (künftig beliebig ergänzbare) Bausteine zu einer Gesamtedition einer bislang unedierten Fabelsammlung.