Schott, Clausdieter: ‚Wer da kauft, der luog, wie es lauft‘
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Zitation
Schott, Clausdieter: ‚Wer da kauft, der luog, wie es lauft‘. Kaufrecht und Moral in Johannes Paulis ‚Schimpf und Ernst‘. In: Alemannisches Jahrbuch 1973/75 (1976), S. 244-269
Beschreibung
Der Aufsatz untersucht den Rechtsdiskurs in Schimpf und Ernst (Johannes Pauli) vor dem rechtshistorischen Umbruch von einem Laienrecht hin zu einem Gelehrtenrecht im 16. Jahrhundert.
Inhalt
- Pauli hat mit Schimpf und Ernst auch enzyklopädischen Anspruch, was auch die Sphäre des Rechts einbezieht. (244f.)
- Gruppierung rechtserheblicher Schilderung in der Literatur:
- Richtige Information: Der Darstellungsablauf ist historisch oder wahrscheinlich. (246)
- Verdrehtes Recht: Um der literarischen Darstellung willen wird richtiges Recht verdreht dargestellt. (246)
- Rechtsszenerien ohne Informationswert: Rechtssachverhalt wird dargestellt, ohne dass das wirkliche Rechtsleben den Erfahrungshintergrund bildet. Stattdessen wird oft auf exotisches Recht verwiesen. (246f.)
- Erfundenes Recht: Die Geschehensabläufe fundieren nicht auf historisches Recht, sondern sind Phantasieschöpfungen des Verfassers. (247)
- Partielle Information: Neben eigenschöpferischen werden auch historisch richtige Begebnisse überliefert. (247)
- Pauli wirkt am Oberrhein, wo sich im 15. Jahrhundert ein humanistischer Rechtsdiskurs entfaltet, der allerdings zunächst von Laien ausgeübt wurde. (249f.)
- Im Umbruch zum 16. Jahrhundert wird das Laienwesen im Recht durch eine Rechtsprechung durch gelehrte Fachjurisprudenz abgelöst. (250)
- Pauli schreibt in der Zeit des Umbruchs: „Neben die ‚erbern lüt‘ treten die ‚gelerten lüt‘, denen der Schwankdichter hohe Wertschätzung entgegenbringt, wenn er auch deren menschliche Schwächen nicht mit seinem Spott verschont.“ (251)
- Pauli liefert auch einen Roßtäuscherschwank (vom Schimpf das 112), der Stellung zu einer kaufrechtlichen Frage nimmt (252).
- Der Schwank ist (ohne die rechtlich Einkleidung, die Pauli gibt) zuvor dreifach überliefert: In Facetae (Heinrich Bebel) und in den Sammlungen Mensa Philosophica und Scala Celi. (254)
- Pauli plausibilisiert die überlieferte Geschichte, indem er das Geschehen in den Markt integriert, kürzt und als Rechtsfall konturiert. (256f.)
- Indem Pauli in der Geschichte auf juristische Laien, auf Juristen und auf Theologen verweist, bietet er „die gesamte Rechtsüberzeugung seiner Zeit auf“. (258)
- Pauli bringt auch sprichwörtliche Redensarten im Schwank unter: „Wer da kauft, der lůg, wie es lauft“, „Fraus nulli debet patrocinari – Beschiß und falscheit sol niemans zůhilf kumen“ und sinngemäß „Was du nicht willst, das man dir tu, das für auch keinem andern zu“: „Deutschrechtliches Sprichwort, gelehrter Rechtssatz und das Wort der Bibel stehen für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung“. (258-260)
- Pauli spricht das Problem der Sachmängelhaftung an, dem seit Beginn des 16. Jahrhunderts besondere juristische Aufmerksamkeit zukommt: (261)
- Deutsches Recht: Der Käufer kauft immer wie besehen, trägt also im Zweifelsfall den Schaden bei nach dem Kauf entdeckten Mängeln. Bei verborgenen Mängeln, insbesondere beim Viehkauf, wird ein Rücktausch eingeräumt. (262f.)
- Römisches Recht: Der Käufer hat Rechtsschutz bei Mängeln. (263-265)
- Kanonisches Recht: Der Verkäufer hat Offenbarungspflicht und haftet für Mängel. (266f.)
- Pauli kennzeichnet den Handel in seinem Schwank als Betrug, auch wenn der Rosstäuscher nicht dezidiert lügt. Er nutzt aber arglistig die Mehrdeutigkeit von Sprache. (267)
- Im Ergebnis decken sich dabei alle drei rechtshistorischen Rechtsformen: Der Käufer kann Ersatz verlangen und ist nicht haftbar für den rabulistisch verborgenen Mangel des Pferdes. Pauli betont freilich die moraltheologische Perspektive. (267-269)