Das Schneekind (Erzählstoff): Unterschied zwischen den Versionen

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| namen              = Das Schneekind; Modus Liebinc; Glacies Ißschmarr hieß das Kind
| namen              = Das Schneekind; Modus Liebinc; Glacies Ißschmarr hieß das Kind
| regest            = Ein Kaufmann wird bei seiner Rückkehr nach einer Reise von seiner Frau mit einem jungen Kind empfangen. Sie behauptet, dass das Kind entstanden sei, nachdem sie in Sehnsucht nach ihrem Mann Schnee im Garten gegessen habe. Der Mann lässt dem Kind eine gute Erziehung angedeihen, verkauft es bei einer weiteren Reise aber an Händler (an Heiden). Seiner Frau erklärt er, dass das „Schneekind“ im Sturm zu Wasser geworden sei (im Wüstensand unter der Sonne zerschmolzen sei).
| regest            = Ein Kaufmann wird bei seiner Rückkehr nach einer Reise von seiner Frau mit einem jungen Kind empfangen. Sie behauptet, dass das Kind entstanden sei, nachdem sie in Sehnsucht nach ihrem Mann Schnee im Garten gegessen habe. Der Mann lässt dem Kind eine gute Erziehung angedeihen, verkauft es bei einer weiteren Reise aber an Händler (an Heiden). Seiner Frau erklärt er, dass das „Schneekind“ im Sturm zu Wasser geworden sei (im Wüstensand unter der Sonne zerschmolzen sei).
| fassungen          = [[Das Schneekind A]]<br />[[Das Schneekind B]]<br />[[Schimpf und Ernst (Johannes Pauli)]], Nr. 208
| fassungen          = [[Das Schneekind A]]<br />[[Das Schneekind B]]<br />[[Schimpf und Ernst (Johannes Pauli)]], Nr. 208<br />[[Der eyszapf (Hans Sachs)]]<br />[[Esopus (Burkhard Waldis)]], 2. Teil, 4. Buch, Nr. 71<br />[[Von dem Laster dess Ehebruchs (Caspar Brunmüller)]], 17b<br />[[Proverbiorum Copia (Eucharius Eyring)]], 3. Teil, S. 484-487
| forschung          = [[Schupp, Volker: Modus Liebinc]]
| forschung          = [[Kirchberger, Luca: Über Grenzen und Wetter in der Schneekind-Tradition]]; [[Laude, Corinna: Das Schneekind]]; [[Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart]], Band 1, S. 294-299; [[Schupp, Volker: Das Schneekind]]; [[Schupp, Volker: Modus Liebinc]]
}}
}}


== Lateinische Version ==
== Lateinische Version ==


Die deutschen Fassungen basieren auf einer seit dem 11. Jhd. belegten lateinischen Erzählung (Modus Liebinc).  
Die deutschen Fassungen basieren auf einer seit dem 11. Jhd. belegten lateinischen Erzählung (Modus Liebinc).  


'''Modus Liebinc:'''<ref>Zitiert nach Strecker, Karl: Die Cambridger Lieder: Carmina Cantabrigiensia. Berlin 1926, Nr. 14,  S. 41-44.
'''Modus Liebinc:'''<ref>Zitiert nach Strecker, Karl: Die Cambridger Lieder: Carmina Cantabrigiensia. Berlin 1926, Nr. 14,  S. 41-44.</ref>


'''1a'''
'''1a'''
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'''3a'''
'''3a'''
<blockquote>''Duobus<br />volutis annis<br />exul dictus<br />revertitur.<br />Occurrit<br />infida coniux<br />secum trahens<br />puerulum.<br />Datis osculis<br />maritus illi<br />ʺDe quoʺ, inquit, ʺpuerum<br />istum  
<blockquote>''Duobus<br />volutis annis<br />exul dictus<br />revertitur.<br />Occurrit<br />infida coniux<br />secum trahens<br />puerulum.<br />Datis osculis<br />maritus illi<br />"De quo", inquit, "puerum<br />istum habeas,<br />dic, aut extrema<br />patieris."</blockquote>
habeas,<br />dic, aut extrema<br />patieris.ʺ</blockquote>


'''3b'''
'''3b'''
<blockquote>''At illa<br />maritum timens<br />dolos versat<br />in omnia.<br />ʺMiʺ, tandem,<br />ʺmi coniuxʺ, inquit<br /ʺuna vice<br />in Alpibus<br />nive sitiens<br />extinxi sitim.<br />Inde ergo gravida<br />istum puerum<br />damnoso foetu,<br />heu gignebam.ʺ</blockquote>
<blockquote>''At illa<br />maritum timens<br />dolos versat<br />in omnia.<br />ʺMiʺ, tandem,<br />ʺmi coniuxʺ, inquit<br />ʺuna vice<br />in Alpibus<br />nive sitiens<br />extinxi sitim.<br />Inde ergo gravida<br />istum puerum<br />damnoso foetu,<br />heu gignebam.ʺ</blockquote>


'''4a'''
'''4a'''
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'''4b'''
'''4b'''
<bllockquote>''Transfretato mari<br />producebat natum<br />et pro arrabone<br />mercatori tradens<br />centum libras accipit<br />atque vendito<br />infante dives<br />revertitur.</blockquote>
<blockquote>''Transfretato mari<br />producebat natum<br />et pro arrabone<br />mercatori tradens<br />centum libras accipit<br />atque vendito<br />infante dives<br />revertitur.</blockquote>


'''5a'''  
'''5a'''  
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'''6'''
'''6'''
<blockquote>''Sic perfidam<br />Suevus coniugem<br />deluserat;<br />sic fraus fraudem vicerat:<br />nam quem genuit<br />nix, recte hunc sol<br />liquefecit.<(blockquote>
<blockquote>''Sic perfidam<br />Suevus coniugem<br />deluserat;<br />sic fraus fraudem vicerat:<br />nam quem genuit<br />nix, recte hunc sol<br />liquefecit.</blockquote>
 
== Synopse deutscher Versionen ==
 
 
{| class="wikitable" style="width: 150em"
|-
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Das Schneekind A]] (vor 1280)<ref>Zitiert nach [[Grubmüller, Klaus (Hg.): Novellistik des Mittelalters]], S. 82-93</ref>
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Das Schneekind B]] (Ende 14. Jhd.?)<ref>Zitiert nach [[Grubmüller, Klaus (Hg.): Novellistik des Mittelalters]], S. 82-93</ref>
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Schimpf und Ernst (Johannes Pauli)]], 208 (1522)<ref>Zitiert nach [[Bolte, Johannes (Hg:): Johannes Pauli: Schimpf und Ernst]], Band 1, Nr. 208</ref>
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Der eyszapf (Hans Sachs)]] (1536)<ref>Zitiert nach [[Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart]], Band 1, S. 210f.</ref>
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Esopus (Burkhard Waldis)]], 2. Teil, 4. Buch, Nr. 71 (1548)<ref>Zitiert nach [[Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart]], Band 1, S. 211f.</ref>
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Von dem Laster dess Ehebruchs (Caspar Brunmüller)]], 17b (1560)<ref>Zitiert nach [[Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart]], Band 1, S. 212f.; Abbreviaturen aufgelöst.</ref>
|style="border-width: 1px 1px 5px 1px"|[[Proverbiorum Copia (Eucharius Eyring)]], 3. Teil, S. 484-487 (1604)<ref>Zitiert nach [[Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart]], Band 1, S. 213-215; Abbreviaturen aufgelöst.</ref>
 
|-
|style="white-space: pre; vertical-align:top;"|Des snêwes sun
Ez het ein koufman ein wip,<br />diu was im liep als der lip.<br />er waer ir liep, des jah ouch sie,<br />iedoch gewan ir herze nie<br />die warheit darinne:<br />daz waren valsche minne.<br />ez geschach bi einen ziten,<br />niht langer wold er biten,<br />von sinem hus fuor er<br />mit koufe durch gewinnes ger.<br />er huop sich uf dez meres fluot,<br />als noch manic koufman tuot.<br />do kom er in ein fremedez lant,<br />da er guoten kouf inne vant.<br />er beleip durh gewinne<br />driu jar darinne,<br />daz er nie wider heime quam,<br />unz daz vierde jar ende nam.<br />sin wip in minneclichen enphienc,<br />ein kindelin mit samt ir gienc.<br />do vragt er der maere,<br />wes daz kint waere.<br />si sprach: "herre, mich geluste din,<br />do gie ich in min gertelin.<br />des snewes warf ich in den munt,<br />do wurden mir din minne kunt,<br />do gewan ich ditze kindelin.<br />ze minen triuwen, ez ist din."<br />"ja maht du vil wol war han,<br />wir suln ez ziehen", sprach der man.<br />er braht si des niht inne,<br />daz er valscher minne<br />an ir was worden gewar<br />unz dar nah wol über zehen jar.<br />er lert daz kint under stunden<br />mit haebechen unt mit hunden,<br />mit schachzabel unt mit vederspil<br />maniger hant freude vil,<br />mit zuhte sprechen unt swigen,<br />herpfen, rotten unt gigen<br />unt allerhande saitenspil<br />unt ander kurzewile vil.<br />nu hiez er aber die knehte<br />diu schef bereiten rehte<br />mit spise nah dem alten site.<br />des snewes sun fuort er mite.<br />er huop sich uf daz wilde mer,<br />die unde sluogen in entwer.<br />sie sluogen in in ein schoene lant,<br />da er einen richen koufman vant.<br />der vragt in sa der maere,<br />wa sin koufschatz waere.<br />des snewes sun wart dafür gestalt,<br />mit drinhundert marken er in galt:<br />daz was ein grozer rihtuom.<br />ouch het er des vil grozen ruom,<br />daz er daran niht was betrogen,<br />daz er daz gouchelin het gezogen,<br />der schatz braht im in sinen gwalt,<br />daz im zwir als vil galt.<br />nu beleip er niht langer da,<br />mit fröuden fuor er heim sa.<br />sin husvrowe gegen im gienc,<br />trurecliche si in enphienc.<br />su vragt in: "wa ist daz kint?"<br />er sprach: "mich sluoc der wint<br />beidiu hin unt her<br />uf dem wilden mer entwer.<br />do wart daz kint naz al da<br />unt wart ze wazzer iesa,<br />wan ich het von dir vernomen,<br />daz er von snewe waer bekomen.<br />ist aber daz war, daz ich hoere sagen,<br />sone darft du in nimmer geklagen.<br />dehein wazzer vlieze so sere,<br />ez hab die widerkere<br />innerthalbe jares frist<br />ze dem urspringe dannan ez komen ist.<br />so solt ouch du gelouben mir,<br />ez fliuzet schiere wider zu dir."<br />sus het er widernullet,<br />daz er was betrullet.<br />swelh man sich des bedenket,<br />ob in sin wip bekrenket,<br />daz er den schranc wider stürzet<br />unt mit listen liste lürzet:<br />daz ist ein michel wisheit,<br />wan diu wip habent mit karcheit<br />vil manigen man überkomen,<br />als ir e dicke habt vernomen.
 
|style="white-space: pre; vertical-align:top;"|Daz mer von ainem snepallen
Kain laster er gesat,<br />der untrü wider gat.<br />der ist ouch ain wiser man,<br />der stat wol gebiten kan.<br />ain man hett ain schön wib,<br />dú im waz lieb sam sin lib,<br />dez er hart türe swür.<br />do er sins koffez für<br />daz er bejagte gut,<br />als noch vil manger tut,<br />bi ainen andern man<br />si ain kint gewan.<br />wan wirtes frömdi schaden birt.<br />do daz vernam der wirt<br />do fragt er si der märe,<br />waer dez kindes vatter wäre.<br />si sprach: "hertzlieber man,<br />grossen jamer ich gewan.<br />mich begund nach dir belangen<br />und kam allain gangen<br />in unsern wurtzgarten,<br />da ich din wolt warten,<br />wann mir waz nach dir we.<br />do lag ein ungefüger sne,<br />dez lait ich in den munt.<br />do ward ich swanger ze stunt<br />von der bruenschlichen gir,<br />die ich hett do zu dir."<br />der man antwürt also:<br />"dez bin ich hertzlichen fro,<br />das got uns gab disen sun<br />gar lieplich züchte dün.<br />er wirt, wil got, ain werder man,<br />ist daz im got dez leben gan.<br />er ist mir innicklichen zart."<br />do daz kint ze knaben wart,<br />do sprach er dem wibe zu:<br />"hertz trüt, ez ist ze frü,<br />daz ich uz für disen knaben.<br />man musz in dest lieber haben,<br />gelernt er wol gebaren<br />von kintlichen jaren.<br />was man bi zit hebet an,<br />wol man daz gelernen kan.<br />hey, wol ain man wirt daz kint."<br />si sprach: "dü dich sin underwint<br />mit unverwenckten trüwen,<br />wan ich stirb von rüwen,<br />ob im geschaech arges icht."<br />sus nam er in sin phlicht<br />den schoenen sneknaben<br />und begund sich uz haben.<br />er swür vast dem wib<br />bi got und sinem lip,<br />er pflaeg sin, so er beste könd,<br />als er im libes günd.<br />wenn er vor nie gebarte,<br />daz er sin nit warte,<br />so wol könd er gebaren<br />und siner lün varen.<br />er bracht in in ain lant,<br />da waz der sitt so gewant,<br />daz man kint koft.<br />ez waz ain diet ungetoft.<br />da verkoft er daz kint<br />ze hant an underbint.<br />er do mit dem güt für.<br />der frowen er vil tür swür,<br />do er kam in egipte lant,<br />da zerflosz er in dem sant<br />von der sunnen hitz.<br />er sprach: "ez waz vnwitz,<br />daz ich nit gedacht e,<br />daz er smiltz alz der sne,<br />sid er waz von sne komen."<br />ir list mochte si nit frümen,<br />er wär ir wol verhert.<br />als si jm daz messer bot,<br />bisses halb gab er irs wider.<br />dez fiel ir alle fröd nider.<br />etlich belib stät,<br />der in noch also tät.<br />doch son wir hie bi mercken,<br />wer kan sin laster decken<br />und ouch sin hertzlait,<br />biß im sin stat wirt berait,<br />daz er mag wol erwenden<br />allenthalb an den enden,<br />der ist gar ain wiser man,<br />der lüg mit lüg gelten kan.
 
|style="vertical-align:top;"|Glacies Ißschmarr hieß das Kind.
 
Es was ein Kaufman zů Venedig, der fůr etwan uß und bleib ein Jar oder drü uß, als da man in die Heidenschafft fert. Und uff einmal was er so lang ußgewesen; da er widerumb kam, da fand er ein hübsch Kneblin in seinem Huß lauffen, das het ein weiß Härlin. Der Man sprach: ›Wes ist das Kneblin? Das ist doch warlich ein hübschs Kindlin.‹ Die Frau sprach: ›Hußwirt, es ist mein. Sol ich dir nit grose Ding sagen, wie es mir mit dem Kind ist ergangen? In dem Winter bin ich in den Garten gangen und hab an dich gedacht also mit groser Begird, das ich bei dir bin gewesen, und hab ein Yßschmarren von dem Dach da herabgenumen und hab in gessen, und ist das Kind daruß worden. Das zů einem Zeichen so heißt es Glacies Yßschmarren.‹ Der gůt Man schweig stil und wolt nit vil daruß machen; wan wen ein Man sein Eefrawen schent, so ist er vor geschent. Er gedacht auch: ›Werestu bei ir gewesen, so wer semlichs nit geschehen. Hastu anderßwa fremde Heffelin zerbrochen, so hat sie daheim Krüg zerbrochen.‹ Der Yßschmarren wůchs also uff und ward groß.
Der Vatter sprach einmal zů seiner Frawen: ›Wie rietestu, wan ich unsern Glacies Yßschmarren einmal mit mir nem, das er auch etwas lert?‹ Die Frawe sprach: ›Du můst aber Sorg zů im haben.‹ Der Man fürt in mit im hinweg und verkaufft es uff dem Mer. Und nach langem, da er widerumb heimkam, da kam das Kind nit. Die Frau sprach: ›Ach, wa hastu den Yßschmarren hingethon, unser Kind?‹ Der Man sprach: ›Es ist mir seltzam mit dem Kind Yßschmarren ergangen. Es ist uff einen Tag über die Maß heiß gewesen, da wir uff dem Mer sein gefaren. Und ich hab im verbotten, das er nit barhaupt in dem Schiff solt sitzen, und es hat es nit gethon, und hat in die Sonn so heiß gestochen uff sein Haupt, das es zerschmoltzen ist und ist in das Mer geflossen. Und wie es von dem Wasser ist kumen, also ist es widerumb zů Wasser worden.‹
Also betriegen die Eelüt einander in der Ee.
|style="white-space: pre; vertical-align:top;"|Der eyszapf
In dem lieben ton Caspar Singers


'''1.'''<br />Zw Venedig ein kawfman sas,<br />Der vber mer gefaren was<br />Nach kawffmanschaft, als ich es las;<br />Im virden jar<br />Kam er mit reicher habe.<br />Als er kam in das hawse sein,<br />Sach er lawffen im sal allein<br />Ein zwijeriges kneblein clein<br />In weisem har,<br />Er sprach: "Wes ist der knabe?"<br />Die fraw sprach: "Hoer! in einer nacht<br />Lag ich vnd war gancz muonder,<br />Vnd so herczlich an dich gedacht,<br />Ein eiszapfen heruonder<br />Aß ich vom tach; von des natuor<br />Ich schwanger wuor.<br />Ist das nicht ein gros wuonder?


== Synopse deutscher Versionen ==
'''2.'''<br />Schaw an, mein man, von diesem eis<br />Gepar ich dieses kneblein weis.<br />Der man vermerckt den list mit fleis<br />Vnd wol verstant,<br />Das sie ir e het prochen.<br />Der doch, als nem er sein nicht war.<br />Als der knab als war virze jar,<br />Sprach er: "Mein weib, sich an, ich far<br />In frembde lant<br />Drey jar vnd etlich wochen.<br />Den knaben wil ich nemen mit,<br />Das er mein handel lere."<br />Dem weib gefiel der anschlag nit,<br />Vnd weret dem man sere.<br />Zw widerpringen er verhies;<br />Da si in lies,<br />Da fuerens vber mere.
 
'''3'''<br />Da verkawft er den knaben frey<br />Einem kawfman in die Duoeckey,<br />Fuer wider heim. Die fraw die schrey:<br />"Wo hast mein kint<br />Gelasen auof der reise?"<br />Er antwort: "Da wir furen hin,<br />Die suon so vberhiczig schin<br />Auf deinen suon vnd hat auch in<br />Zerschmelczet schwint<br />Zw wasser wie ein eyse."<br />Die fraw den list gar wol verstünd,<br />Dacht an ir falsch fuerstapfen;<br />Stilschweigent sie die wort verschlünd,<br />Recht wie ein huont ein krapfen. -<br />Daruomb wer weit ausrais, der schaw,<br />Das im sein fraw<br />Die weil eß kain eyszapfen.
 
|style="white-space: pre; vertical-align:top;"|Von einem Kauffman vnd seinem Weibe
Ein Kauffman seinen gewerben nach<br />Weit hin in frembde Lande zoch;<br />War wol zwey Jar von seinem Weib,<br />Das er jr nie kein Brieflin schreib.<br />Darnach er wider heim hin kuompt,<br />Ein kleines Kindlin da vernimpt.<br />Er sprach: "woher kompt dir das Kindt?<br />In meiner rechenschafft nit find,<br />Das du hetst Kinder one Mann:<br />Es muß ein seltzam deutung han;<br />Denn wie mich dunckt, ist kaum halb jerig."<br />Sie sprach: "ich war ewr sehr begerig,<br />Das ich mich selb nit massen kundt,<br />vnd het kein Artzt zu solcher Wund;<br />Vnd war gleich in der Mitternacht.<br />Ich lieff in Hof, daselben macht<br />Ein kleines Kind von frischem Schnee.<br />Das aß ich auff; da ward mir wehe<br />Im Leib vnd kriegt dis Kindt dauon:<br />Drumb habt der halben kein argwon.<br />So hat mirs vnser Herrgott bschert,<br />Vnd hab kein andern Mann begert."<br />Der Mann ließ solchs also geschehen,<br />Thet mit jr durch die Finger sehen,<br />Vnd wolt sie offentlich nit schelten,<br />Oder solchs vor jrn Freunden melden.<br />Schwieg also still, gedacht seins fugs,<br />Biß das das Kindt zum theil erwuchß,<br />Vnd war hin vmb die sieben Jar.<br />Er sprach zum Weib: "ich muß hinfahrn<br />Meins handels halb hinab zun Schiffen,<br />Die ligen dniden in der tieffen,<br />Mit grossem gut her kommen weit."<br />Nun wars im mitten Sommer zeit.<br />Er nam mit jm denselben Knaben,<br />Sprach: "das ich moeg Gesellschafft haben."<br />Wie er nauß kam, verkaufft zuhandt<br />Den Knaben weit in frembde Landt<br />Eim Kauffman, das ern mit sich nem,<br />Auff das er nimmer wider kem.<br />Wie er heim kam in selben tagen,<br />Die Fraw thet jn gantz fleissig fragen,<br />Wo er den Knaben het gelossen?<br />Er sprach: "er ist mir gar zerflossen.<br />Wie er denn war von Schnee gemacht,<br />Baldt ich jn in die Sonne bracht,<br />Vor grosser hitz er gar verschmaltz,<br />Gleich wie im Wasser thut das Saltz."<br />Mancher dem andern offt vorleugt,<br />Vnd doch sich selb damit betreugt.<br />Es lert erfahrnheit vnd die Schrifft:<br />Vntrew jrn eigen Herren trifft.
 
|style="vertical-align:top;"|Gleichsfalss sagt auch Syrach am drey vn(d) zwentzigsten capitel: Ein schandtlichn gedechtnuss wirt die Ehebrecherin hinder ir lassen / vnnd ihr schmach vnd schand wirt nimmer mehr abgetilckt. Ihre kinder werden nicht wurtzlen / vnnd ihre est werden kein frucht bringen / Welches dann einer frawen zu Venedig begegnet / wie im Buch Schimpff vnd Ernst verzeichnet wirdt / die einen Kauffmann hatt / Diser war auff ein zeyt sehr lang auss gewäsen (als sie etwan wo sie in die Heydenschafft reisen / ein yar oder drey aussen bleyben). So er aber widerumb heim kam / da fandt er ein hüpschs Knäblin in seinem Hauss lauffen / das hett ein weyss härlen / Der Man(n) sprach: Liebe Haussfrauw wess ist das hüpsch Knäble: Es ist warlich ein hüpschs schöns lustigs vnnd mallechtigs Knäble. Die Fraw sprach: Ach Hausswirt es ist mein / sol ich dir nit gross ding sagen / wie es mir mit dem Kind ist gangen: Im Winter bin ich in Garten gangen / vn(d) hab an dich gedacht mit also grosser begird / dass ich bin bey dir gewesen / vnd hab ein Eysszapffen vom Dach herab genommen vnd ihn gessen / darauss ist das Kind worden / vnnd zu einem zeichen so heisst es Glacies/Eyssschmar. Der gut Mann schwig stil / wolt nit vil darauss machen / dan(n) wenn ein Mann sein Ehefraw schendt / so ist er vor gschendt. Er gedacht auch / werestu bey ihr gewesen / so were villeicht solchs nit geschehen. Hastu andersswo frembd Häfele verfelt so hat sie daheim Krüg zerbroche(n). Der Eyssschmar wuchss auff vn(d) war gross / Der Mann sprach ein mal zu seiner Frauwen: Wie riehtist du / wann ich vnsern Glaciem Eyssschmarn / mit mir neme / dass er lehrne mit mir kauffen vnnd verkauffen auff meinem handel vnd gewerb / das er auch heite oder morgen wiss was er thun vnnd lassen sol. Die Frauw aber sprach: Du musst aber sorg auff ihn haben. Der Mann füret ihn mit ihm hinweg / vnd verkauffet ihn auffs Meer. Vnd nach langem da er widerumb heim kam / do kam das kind nit. Die Fraw sprach: Ach wo hastu Eyssschmaren vnser kind hin gethan? Der Man(n) sprach: Es ist mir seltzam mit vnserm kind Eyssschmaren gangen / Es war an einem tag über die mass heiss da wir auff dem Meer furen / vn(d) ich hatt ihm verbotten das er nit barhaupt solt sitzen / aber er hats nit gethan / do hat ihn die Sonn so heiss gestochen auf seinen kopff / dass er verschmolzen ist / vnnd ist in das Meer geflossen: Vnd wie er von dem Wasser ist kom(m)en / also ist er wider zu Wasser worden.
 
|style="white-space: pre; vertical-align:top;"|Wer ehe koempt / der mahlt ehe.<br />Der erst beym Fewer / setzt sich am nechsten.<br />Wer eim Helmlein nachgehet / der verzett ein gantze schuett.<br />Wer ein frembden Hund auffzeucht /<br />Derselb mit Band vnd Ketten entfleucht.<br />An andrer Leut Kinder / vnd frembden Hunden<br />hat man das Brot verlorn.<br />Wer eim gemeine(n) Weib vertrawt /<br />Deßgleichen auff ein kalt Eiß bawt /<br />Vnnd einem Schottenpfaffen glaubt.<br />Der ist seiner fuenff Sinn beraubt.<br />In arenam aedificare.<br />Mulierum astutia.
 
Diß Sprichwort zeigt auch an so frey /<br />Was es vmb listige Weiber sey /<br />Wie ihn gar nichts sey zuuertrawen /<br />Auff ihre wort keins wegs zu bawen.<br />Sie seind voll Trug ohn vnterlan /<br />Wie viel Sprichwoertlein zeigen an /<br />Die mit Exempeln bweret sind /<br />Dergleichen man auch allhie findt:<br />Ein Kauffman zu Venedig war /<br />Der bleib eins aus ins dritte Jahr /<br />Weil er sein Handl (mich recht verstahn)<br />Fern in die Heidenschafft thet han.<br />Vnd als er wider kam zu Land /<br />Ein schoens Kneblein im Hauß er fand /<br />Fragt drauff: Weß ist diß Kindlein klar<br />In seim so schoenen weissen Haar?<br />Es ist mein / sie bald zu ihm sprach /<br />Hoer lieber Mann / was ich dir sag /<br />Wies mit dem Kindlein hat ein gstalt:<br />Als ich vorm Jahr im Winter kalt /<br />Im Garten gieng / vnd dacht an dich /<br />Aus grosser gier zu dir / daucht mich /<br />Ich wer bey dir vnd du bey mir /<br />Sach ein Eißzapffen ob der Thuer /<br />Nach dem mich also sehr geluest /<br />Brach jhn vom Dach / mein Lust mit buest /<br />Darvon ich dann bal schwanger war /<br />Vnd endlich dieses Kind gebahr /<br />Derhalben ich es nennen ließ /<br />Vnd es Glacies, Eißschmer hieß.<br />Der gut Mann schwieg / vnd dacht bey sich /<br />Wann ich sie schend / so schend ich mich /<br />Was soll ich viel wunders draus machen /<br />Sie hat doheimen Kruog zerbrochen /<br />So brich ich draussen Haefelein /<br />Die Schuld mehr theils selbst mein thut sein /<br />Warumb bleib ich stets so lang auß /<br />Mach jhr die weil zu lang im Hauß.<br />Als nun der Eißschmer groß auffkam /<br />In fremnde Land jhn mit sich nam /<br />Den jhm die Mutter hart befahl /<br />Acht auff jhn haben vberall.<br />Vnd als er jhn nun bracht auffs Meer /<br />Wol in der Heiden Laender ferr /<br />Hat er jhn allda also bald<br />Verkaufft in der Heiden gewalt /<br />Sich widerumb zu Land heim macht /<br />Den Glacies nicht mit sich bracht.<br />Gar bald die Mutter fragen thet /<br />Wo er jhn doch gelassen hett?<br />Er sprach: Wuenderlich gieng es mir<br />Mit jhm gleich wie erstlich mit dir /<br />Vnd gleich wie er erst her ist kommen /<br />Hat er ein seltzams End genommen /<br />Eins Tags wir fuhren auff dem Meer /<br />Do schien die Sonn gantz hell doher /<br />Fuhr er mit blossem Heupt herein /<br />Gantz stracks wider den willen mein /<br />Do strafft jhn Gott nach seinr Natur /<br />Das er wider zu Wasser wur /<br />Dar von er erst zusam(m) gefrorn /<br />Vnd aus eim Eißzapffen geborn /<br />Das gleub mir / wie ich dir zuvor /<br />Dann eins ist / wie das ander war.
 
|-
|}


== Anspielungen ==
== Anspielungen ==


=== Anmerkungen ===
===Geoffrey von Vinsauf===
===Claus Narr===
 
== Anmerkungen ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Quelle Schwank]]
[[Kategorie:Quelle Schwank]]
[[Kategorie:Quelle Märe/Versnovelle]]
[[Kategorie:Quelle Märe/Versnovelle]]

Aktuelle Version vom 22. August 2024, 20:36 Uhr

Das Schneekind; Modus Liebinc; Glacies Ißschmarr hieß das Kind

(Erzählstoff)

Regest Ein Kaufmann wird bei seiner Rückkehr nach einer Reise von seiner Frau mit einem jungen Kind empfangen. Sie behauptet, dass das Kind entstanden sei, nachdem sie in Sehnsucht nach ihrem Mann Schnee im Garten gegessen habe. Der Mann lässt dem Kind eine gute Erziehung angedeihen, verkauft es bei einer weiteren Reise aber an Händler (an Heiden). Seiner Frau erklärt er, dass das „Schneekind“ im Sturm zu Wasser geworden sei (im Wüstensand unter der Sonne zerschmolzen sei).
Fassungen Das Schneekind A
Das Schneekind B
Schimpf und Ernst (Johannes Pauli), Nr. 208
Der eyszapf (Hans Sachs)
Esopus (Burkhard Waldis), 2. Teil, 4. Buch, Nr. 71
Von dem Laster dess Ehebruchs (Caspar Brunmüller), 17b
Proverbiorum Copia (Eucharius Eyring), 3. Teil, S. 484-487
Forschung
(s.a. unter Fassungen)
Kirchberger, Luca: Über Grenzen und Wetter in der Schneekind-Tradition; Laude, Corinna: Das Schneekind; Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart, Band 1, S. 294-299; Schupp, Volker: Das Schneekind; Schupp, Volker: Modus Liebinc



Lateinische Version

Die deutschen Fassungen basieren auf einer seit dem 11. Jhd. belegten lateinischen Erzählung (Modus Liebinc).

Modus Liebinc:[1]

1a

Advertite,
omnes populi,
ridiculum
et audite, quomodo
Suevum mulier
et ipse illam
defraudaret.

1b

Constantiae
civis Suevulus
trans aequora
gazam portans navibus
domi coniugem
lascivam nimis
relinquebat.

2a

Vix remige
triste secat mare,
ecce subito
orta tempestate
furit pelagus,
certant flamina,
tolluntur fluctus,
post multaque exulem
vagum littore
longinquo notus
exponebat.

2b

Nec interim
domi vacat coniux;
mimi aderant,
iuvenes secuntur,
quos et immemor
viri exulis
excepit gaudens;
atque nocte proxima
pregnans filium
iniustum fudit
iusto die.

3a

Duobus
volutis annis
exul dictus
revertitur.
Occurrit
infida coniux
secum trahens
puerulum.
Datis osculis
maritus illi
"De quo", inquit, "puerum
istum habeas,
dic, aut extrema
patieris."

3b

At illa
maritum timens
dolos versat
in omnia.
ʺMiʺ, tandem,
ʺmi coniuxʺ, inquit
ʺuna vice
in Alpibus
nive sitiens
extinxi sitim.
Inde ergo gravida
istum puerum
damnoso foetu,
heu gignebam.ʺ

4a

Anni post haec quinque
transierunt aut plus,
et mercator vagus
instauravit remos;
ratem quassam reficit,
vela alligat
et nivis natum
duxit secum.

4b

Transfretato mari
producebat natum
et pro arrabone
mercatori tradens
centum libras accipit
atque vendito
infante dives
revertitur.

5a

Ingressusque domum
ad uxorem ait:
ʺConsolare, coniux,
consolare, cara:
natum tuum perdidi,
quem non ipsa tu
me magis quidem
dilexisti.

5b

Tempestate orta
nos ventosus furor
in vadosas sirtes
nimis fessos egit,
et nos omnes graviter
torret sol, at il‐
le nivis natus
liquescebat.ʺ

6

Sic perfidam
Suevus coniugem
deluserat;
sic fraus fraudem vicerat:
nam quem genuit
nix, recte hunc sol
liquefecit.

Synopse deutscher Versionen

Das Schneekind A (vor 1280)[2] Das Schneekind B (Ende 14. Jhd.?)[3] Schimpf und Ernst (Johannes Pauli), 208 (1522)[4] Der eyszapf (Hans Sachs) (1536)[5] Esopus (Burkhard Waldis), 2. Teil, 4. Buch, Nr. 71 (1548)[6] Von dem Laster dess Ehebruchs (Caspar Brunmüller), 17b (1560)[7] Proverbiorum Copia (Eucharius Eyring), 3. Teil, S. 484-487 (1604)[8]
Des snêwes sun

Ez het ein koufman ein wip,
diu was im liep als der lip.
er waer ir liep, des jah ouch sie,
iedoch gewan ir herze nie
die warheit darinne:
daz waren valsche minne.
ez geschach bi einen ziten,
niht langer wold er biten,
von sinem hus fuor er
mit koufe durch gewinnes ger.
er huop sich uf dez meres fluot,
als noch manic koufman tuot.
do kom er in ein fremedez lant,
da er guoten kouf inne vant.
er beleip durh gewinne
driu jar darinne,
daz er nie wider heime quam,
unz daz vierde jar ende nam.
sin wip in minneclichen enphienc,
ein kindelin mit samt ir gienc.
do vragt er der maere,
wes daz kint waere.
si sprach: "herre, mich geluste din,
do gie ich in min gertelin.
des snewes warf ich in den munt,
do wurden mir din minne kunt,
do gewan ich ditze kindelin.
ze minen triuwen, ez ist din."
"ja maht du vil wol war han,
wir suln ez ziehen", sprach der man.
er braht si des niht inne,
daz er valscher minne
an ir was worden gewar
unz dar nah wol über zehen jar.
er lert daz kint under stunden
mit haebechen unt mit hunden,
mit schachzabel unt mit vederspil
maniger hant freude vil,
mit zuhte sprechen unt swigen,
herpfen, rotten unt gigen
unt allerhande saitenspil
unt ander kurzewile vil.
nu hiez er aber die knehte
diu schef bereiten rehte
mit spise nah dem alten site.
des snewes sun fuort er mite.
er huop sich uf daz wilde mer,
die unde sluogen in entwer.
sie sluogen in in ein schoene lant,
da er einen richen koufman vant.
der vragt in sa der maere,
wa sin koufschatz waere.
des snewes sun wart dafür gestalt,
mit drinhundert marken er in galt:
daz was ein grozer rihtuom.
ouch het er des vil grozen ruom,
daz er daran niht was betrogen,
daz er daz gouchelin het gezogen,
der schatz braht im in sinen gwalt,
daz im zwir als vil galt.
nu beleip er niht langer da,
mit fröuden fuor er heim sa.
sin husvrowe gegen im gienc,
trurecliche si in enphienc.
su vragt in: "wa ist daz kint?"
er sprach: "mich sluoc der wint
beidiu hin unt her
uf dem wilden mer entwer.
do wart daz kint naz al da
unt wart ze wazzer iesa,
wan ich het von dir vernomen,
daz er von snewe waer bekomen.
ist aber daz war, daz ich hoere sagen,
sone darft du in nimmer geklagen.
dehein wazzer vlieze so sere,
ez hab die widerkere
innerthalbe jares frist
ze dem urspringe dannan ez komen ist.
so solt ouch du gelouben mir,
ez fliuzet schiere wider zu dir."
sus het er widernullet,
daz er was betrullet.
swelh man sich des bedenket,
ob in sin wip bekrenket,
daz er den schranc wider stürzet
unt mit listen liste lürzet:
daz ist ein michel wisheit,
wan diu wip habent mit karcheit
vil manigen man überkomen,
als ir e dicke habt vernomen.

Daz mer von ainem snepallen

Kain laster er gesat,
der untrü wider gat.
der ist ouch ain wiser man,
der stat wol gebiten kan.
ain man hett ain schön wib,
dú im waz lieb sam sin lib,
dez er hart türe swür.
do er sins koffez für
daz er bejagte gut,
als noch vil manger tut,
bi ainen andern man
si ain kint gewan.
wan wirtes frömdi schaden birt.
do daz vernam der wirt
do fragt er si der märe,
waer dez kindes vatter wäre.
si sprach: "hertzlieber man,
grossen jamer ich gewan.
mich begund nach dir belangen
und kam allain gangen
in unsern wurtzgarten,
da ich din wolt warten,
wann mir waz nach dir we.
do lag ein ungefüger sne,
dez lait ich in den munt.
do ward ich swanger ze stunt
von der bruenschlichen gir,
die ich hett do zu dir."
der man antwürt also:
"dez bin ich hertzlichen fro,
das got uns gab disen sun
gar lieplich züchte dün.
er wirt, wil got, ain werder man,
ist daz im got dez leben gan.
er ist mir innicklichen zart."
do daz kint ze knaben wart,
do sprach er dem wibe zu:
"hertz trüt, ez ist ze frü,
daz ich uz für disen knaben.
man musz in dest lieber haben,
gelernt er wol gebaren
von kintlichen jaren.
was man bi zit hebet an,
wol man daz gelernen kan.
hey, wol ain man wirt daz kint."
si sprach: "dü dich sin underwint
mit unverwenckten trüwen,
wan ich stirb von rüwen,
ob im geschaech arges icht."
sus nam er in sin phlicht
den schoenen sneknaben
und begund sich uz haben.
er swür vast dem wib
bi got und sinem lip,
er pflaeg sin, so er beste könd,
als er im libes günd.
wenn er vor nie gebarte,
daz er sin nit warte,
so wol könd er gebaren
und siner lün varen.
er bracht in in ain lant,
da waz der sitt so gewant,
daz man kint koft.
ez waz ain diet ungetoft.
da verkoft er daz kint
ze hant an underbint.
er do mit dem güt für.
der frowen er vil tür swür,
do er kam in egipte lant,
da zerflosz er in dem sant
von der sunnen hitz.
er sprach: "ez waz vnwitz,
daz ich nit gedacht e,
daz er smiltz alz der sne,
sid er waz von sne komen."
ir list mochte si nit frümen,
er wär ir wol verhert.
als si jm daz messer bot,
bisses halb gab er irs wider.
dez fiel ir alle fröd nider.
etlich belib stät,
der in noch also tät.
doch son wir hie bi mercken,
wer kan sin laster decken
und ouch sin hertzlait,
biß im sin stat wirt berait,
daz er mag wol erwenden
allenthalb an den enden,
der ist gar ain wiser man,
der lüg mit lüg gelten kan.

Glacies Ißschmarr hieß das Kind.

Es was ein Kaufman zů Venedig, der fůr etwan uß und bleib ein Jar oder drü uß, als da man in die Heidenschafft fert. Und uff einmal was er so lang ußgewesen; da er widerumb kam, da fand er ein hübsch Kneblin in seinem Huß lauffen, das het ein weiß Härlin. Der Man sprach: ›Wes ist das Kneblin? Das ist doch warlich ein hübschs Kindlin.‹ Die Frau sprach: ›Hußwirt, es ist mein. Sol ich dir nit grose Ding sagen, wie es mir mit dem Kind ist ergangen? In dem Winter bin ich in den Garten gangen und hab an dich gedacht also mit groser Begird, das ich bei dir bin gewesen, und hab ein Yßschmarren von dem Dach da herabgenumen und hab in gessen, und ist das Kind daruß worden. Das zů einem Zeichen so heißt es Glacies Yßschmarren.‹ Der gůt Man schweig stil und wolt nit vil daruß machen; wan wen ein Man sein Eefrawen schent, so ist er vor geschent. Er gedacht auch: ›Werestu bei ir gewesen, so wer semlichs nit geschehen. Hastu anderßwa fremde Heffelin zerbrochen, so hat sie daheim Krüg zerbrochen.‹ Der Yßschmarren wůchs also uff und ward groß. Der Vatter sprach einmal zů seiner Frawen: ›Wie rietestu, wan ich unsern Glacies Yßschmarren einmal mit mir nem, das er auch etwas lert?‹ Die Frawe sprach: ›Du můst aber Sorg zů im haben.‹ Der Man fürt in mit im hinweg und verkaufft es uff dem Mer. Und nach langem, da er widerumb heimkam, da kam das Kind nit. Die Frau sprach: ›Ach, wa hastu den Yßschmarren hingethon, unser Kind?‹ Der Man sprach: ›Es ist mir seltzam mit dem Kind Yßschmarren ergangen. Es ist uff einen Tag über die Maß heiß gewesen, da wir uff dem Mer sein gefaren. Und ich hab im verbotten, das er nit barhaupt in dem Schiff solt sitzen, und es hat es nit gethon, und hat in die Sonn so heiß gestochen uff sein Haupt, das es zerschmoltzen ist und ist in das Mer geflossen. Und wie es von dem Wasser ist kumen, also ist es widerumb zů Wasser worden.‹ Also betriegen die Eelüt einander in der Ee.

Der eyszapf

In dem lieben ton Caspar Singers

1.
Zw Venedig ein kawfman sas,
Der vber mer gefaren was
Nach kawffmanschaft, als ich es las;
Im virden jar
Kam er mit reicher habe.
Als er kam in das hawse sein,
Sach er lawffen im sal allein
Ein zwijeriges kneblein clein
In weisem har,
Er sprach: "Wes ist der knabe?"
Die fraw sprach: "Hoer! in einer nacht
Lag ich vnd war gancz muonder,
Vnd so herczlich an dich gedacht,
Ein eiszapfen heruonder
Aß ich vom tach; von des natuor
Ich schwanger wuor.
Ist das nicht ein gros wuonder?

2.
Schaw an, mein man, von diesem eis
Gepar ich dieses kneblein weis.
Der man vermerckt den list mit fleis
Vnd wol verstant,
Das sie ir e het prochen.
Der doch, als nem er sein nicht war.
Als der knab als war virze jar,
Sprach er: "Mein weib, sich an, ich far
In frembde lant
Drey jar vnd etlich wochen.
Den knaben wil ich nemen mit,
Das er mein handel lere."
Dem weib gefiel der anschlag nit,
Vnd weret dem man sere.
Zw widerpringen er verhies;
Da si in lies,
Da fuerens vber mere.

3
Da verkawft er den knaben frey
Einem kawfman in die Duoeckey,
Fuer wider heim. Die fraw die schrey:
"Wo hast mein kint
Gelasen auof der reise?"
Er antwort: "Da wir furen hin,
Die suon so vberhiczig schin
Auf deinen suon vnd hat auch in
Zerschmelczet schwint
Zw wasser wie ein eyse."
Die fraw den list gar wol verstünd,
Dacht an ir falsch fuerstapfen;
Stilschweigent sie die wort verschlünd,
Recht wie ein huont ein krapfen. -
Daruomb wer weit ausrais, der schaw,
Das im sein fraw
Die weil eß kain eyszapfen.

Von einem Kauffman vnd seinem Weibe

Ein Kauffman seinen gewerben nach
Weit hin in frembde Lande zoch;
War wol zwey Jar von seinem Weib,
Das er jr nie kein Brieflin schreib.
Darnach er wider heim hin kuompt,
Ein kleines Kindlin da vernimpt.
Er sprach: "woher kompt dir das Kindt?
In meiner rechenschafft nit find,
Das du hetst Kinder one Mann:
Es muß ein seltzam deutung han;
Denn wie mich dunckt, ist kaum halb jerig."
Sie sprach: "ich war ewr sehr begerig,
Das ich mich selb nit massen kundt,
vnd het kein Artzt zu solcher Wund;
Vnd war gleich in der Mitternacht.
Ich lieff in Hof, daselben macht
Ein kleines Kind von frischem Schnee.
Das aß ich auff; da ward mir wehe
Im Leib vnd kriegt dis Kindt dauon:
Drumb habt der halben kein argwon.
So hat mirs vnser Herrgott bschert,
Vnd hab kein andern Mann begert."
Der Mann ließ solchs also geschehen,
Thet mit jr durch die Finger sehen,
Vnd wolt sie offentlich nit schelten,
Oder solchs vor jrn Freunden melden.
Schwieg also still, gedacht seins fugs,
Biß das das Kindt zum theil erwuchß,
Vnd war hin vmb die sieben Jar.
Er sprach zum Weib: "ich muß hinfahrn
Meins handels halb hinab zun Schiffen,
Die ligen dniden in der tieffen,
Mit grossem gut her kommen weit."
Nun wars im mitten Sommer zeit.
Er nam mit jm denselben Knaben,
Sprach: "das ich moeg Gesellschafft haben."
Wie er nauß kam, verkaufft zuhandt
Den Knaben weit in frembde Landt
Eim Kauffman, das ern mit sich nem,
Auff das er nimmer wider kem.
Wie er heim kam in selben tagen,
Die Fraw thet jn gantz fleissig fragen,
Wo er den Knaben het gelossen?
Er sprach: "er ist mir gar zerflossen.
Wie er denn war von Schnee gemacht,
Baldt ich jn in die Sonne bracht,
Vor grosser hitz er gar verschmaltz,
Gleich wie im Wasser thut das Saltz."
Mancher dem andern offt vorleugt,
Vnd doch sich selb damit betreugt.
Es lert erfahrnheit vnd die Schrifft:
Vntrew jrn eigen Herren trifft.

Gleichsfalss sagt auch Syrach am drey vn(d) zwentzigsten capitel: Ein schandtlichn gedechtnuss wirt die Ehebrecherin hinder ir lassen / vnnd ihr schmach vnd schand wirt nimmer mehr abgetilckt. Ihre kinder werden nicht wurtzlen / vnnd ihre est werden kein frucht bringen / Welches dann einer frawen zu Venedig begegnet / wie im Buch Schimpff vnd Ernst verzeichnet wirdt / die einen Kauffmann hatt / Diser war auff ein zeyt sehr lang auss gewäsen (als sie etwan wo sie in die Heydenschafft reisen / ein yar oder drey aussen bleyben). So er aber widerumb heim kam / da fandt er ein hüpschs Knäblin in seinem Hauss lauffen / das hett ein weyss härlen / Der Man(n) sprach: Liebe Haussfrauw wess ist das hüpsch Knäble: Es ist warlich ein hüpschs schöns lustigs vnnd mallechtigs Knäble. Die Fraw sprach: Ach Hausswirt es ist mein / sol ich dir nit gross ding sagen / wie es mir mit dem Kind ist gangen: Im Winter bin ich in Garten gangen / vn(d) hab an dich gedacht mit also grosser begird / dass ich bin bey dir gewesen / vnd hab ein Eysszapffen vom Dach herab genommen vnd ihn gessen / darauss ist das Kind worden / vnnd zu einem zeichen so heisst es Glacies/Eyssschmar. Der gut Mann schwig stil / wolt nit vil darauss machen / dan(n) wenn ein Mann sein Ehefraw schendt / so ist er vor gschendt. Er gedacht auch / werestu bey ihr gewesen / so were villeicht solchs nit geschehen. Hastu andersswo frembd Häfele verfelt so hat sie daheim Krüg zerbroche(n). Der Eyssschmar wuchss auff vn(d) war gross / Der Mann sprach ein mal zu seiner Frauwen: Wie riehtist du / wann ich vnsern Glaciem Eyssschmarn / mit mir neme / dass er lehrne mit mir kauffen vnnd verkauffen auff meinem handel vnd gewerb / das er auch heite oder morgen wiss was er thun vnnd lassen sol. Die Frauw aber sprach: Du musst aber sorg auff ihn haben. Der Mann füret ihn mit ihm hinweg / vnd verkauffet ihn auffs Meer. Vnd nach langem da er widerumb heim kam / do kam das kind nit. Die Fraw sprach: Ach wo hastu Eyssschmaren vnser kind hin gethan? Der Man(n) sprach: Es ist mir seltzam mit vnserm kind Eyssschmaren gangen / Es war an einem tag über die mass heiss da wir auff dem Meer furen / vn(d) ich hatt ihm verbotten das er nit barhaupt solt sitzen / aber er hats nit gethan / do hat ihn die Sonn so heiss gestochen auf seinen kopff / dass er verschmolzen ist / vnnd ist in das Meer geflossen: Vnd wie er von dem Wasser ist kom(m)en / also ist er wider zu Wasser worden. Wer ehe koempt / der mahlt ehe.
Der erst beym Fewer / setzt sich am nechsten.
Wer eim Helmlein nachgehet / der verzett ein gantze schuett.
Wer ein frembden Hund auffzeucht /
Derselb mit Band vnd Ketten entfleucht.
An andrer Leut Kinder / vnd frembden Hunden
hat man das Brot verlorn.
Wer eim gemeine(n) Weib vertrawt /
Deßgleichen auff ein kalt Eiß bawt /
Vnnd einem Schottenpfaffen glaubt.
Der ist seiner fuenff Sinn beraubt.
In arenam aedificare.
Mulierum astutia.

Diß Sprichwort zeigt auch an so frey /
Was es vmb listige Weiber sey /
Wie ihn gar nichts sey zuuertrawen /
Auff ihre wort keins wegs zu bawen.
Sie seind voll Trug ohn vnterlan /
Wie viel Sprichwoertlein zeigen an /
Die mit Exempeln bweret sind /
Dergleichen man auch allhie findt:
Ein Kauffman zu Venedig war /
Der bleib eins aus ins dritte Jahr /
Weil er sein Handl (mich recht verstahn)
Fern in die Heidenschafft thet han.
Vnd als er wider kam zu Land /
Ein schoens Kneblein im Hauß er fand /
Fragt drauff: Weß ist diß Kindlein klar
In seim so schoenen weissen Haar?
Es ist mein / sie bald zu ihm sprach /
Hoer lieber Mann / was ich dir sag /
Wies mit dem Kindlein hat ein gstalt:
Als ich vorm Jahr im Winter kalt /
Im Garten gieng / vnd dacht an dich /
Aus grosser gier zu dir / daucht mich /
Ich wer bey dir vnd du bey mir /
Sach ein Eißzapffen ob der Thuer /
Nach dem mich also sehr geluest /
Brach jhn vom Dach / mein Lust mit buest /
Darvon ich dann bal schwanger war /
Vnd endlich dieses Kind gebahr /
Derhalben ich es nennen ließ /
Vnd es Glacies, Eißschmer hieß.
Der gut Mann schwieg / vnd dacht bey sich /
Wann ich sie schend / so schend ich mich /
Was soll ich viel wunders draus machen /
Sie hat doheimen Kruog zerbrochen /
So brich ich draussen Haefelein /
Die Schuld mehr theils selbst mein thut sein /
Warumb bleib ich stets so lang auß /
Mach jhr die weil zu lang im Hauß.
Als nun der Eißschmer groß auffkam /
In fremnde Land jhn mit sich nam /
Den jhm die Mutter hart befahl /
Acht auff jhn haben vberall.
Vnd als er jhn nun bracht auffs Meer /
Wol in der Heiden Laender ferr /
Hat er jhn allda also bald
Verkaufft in der Heiden gewalt /
Sich widerumb zu Land heim macht /
Den Glacies nicht mit sich bracht.
Gar bald die Mutter fragen thet /
Wo er jhn doch gelassen hett?
Er sprach: Wuenderlich gieng es mir
Mit jhm gleich wie erstlich mit dir /
Vnd gleich wie er erst her ist kommen /
Hat er ein seltzams End genommen /
Eins Tags wir fuhren auff dem Meer /
Do schien die Sonn gantz hell doher /
Fuhr er mit blossem Heupt herein /
Gantz stracks wider den willen mein /
Do strafft jhn Gott nach seinr Natur /
Das er wider zu Wasser wur /
Dar von er erst zusam(m) gefrorn /
Vnd aus eim Eißzapffen geborn /
Das gleub mir / wie ich dir zuvor /
Dann eins ist / wie das ander war.

Anspielungen

Geoffrey von Vinsauf

Claus Narr

Anmerkungen