Theoriekurs Editionsphilologie (Dokumentation Lehrkonzept): Unterschied zwischen den Versionen

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==Im Projekt bearbeitete Seiten==
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*[[Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein)]]
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*[[Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein]]


[[Kategorie:Dokumentation Lehrkonzept]]
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Aktuelle Version vom 28. Mai 2025, 16:08 Uhr

Rahmendaten

  • Projektform: Theorieseminar des Lehrstuhls für Germanistische Mediävistik der Universität Bayreuth
  • Projektzeitraum: Wintersemester 2024/2025
  • Projektleitung: PD Dr. Silvan Wagner

Didaktische Skizze

Miniatur aus einer Handschrift des Buchs der natürlichen Weisheit

Der Theoriekurs ist Bestandteil des Moduls "Techniken, Theorien und Methoden der Germanistischen Mediävistik" des BA-Studiengangs Germanistik der Universität Bayreuth (und Bestandteil entsprechender Module in verwandten Studiengängen). Das Seminar konzentriert sich vollständig auf die Editionsphilologie als einzige eigenständig entwickelte Theorie und Methode der Germanistischen Mediävistik, die sich ansonsten als Importwissenschaft geriert.

Grundidee des Seminars ist, dass am Beispiel Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein) editionsphilologische Grundlagen theoretisch und praktisch erarbeitet und eingeübt werden. Als Seminarleistung der Studierenden ist eine Teiledition einer Fabel der Fabelsammlung in www.wiki.brevitas.org vorgesehen (Transkription, sprachlicher Kommentar, inhaltlicher Kommentar). Die Fabelsammlung ist dafür prädestiniert, da sie bislang noch nicht ediert ist, mit Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein aber auch umfangreiche Vorarbeiten einer kritischen Edition vorliegen.

Der Seminarablauf ist in insgesamt 5 Arbeitsblöcke untergliedert:

  • Einführung in den Primärtext: In einem Vortrag erhalten die Studierenden einen Überblick über die Bedeutung, die literaturhistorische Einordnung und die Überlieferungslage des Primärtextes. In einer Theoriesitzung werden die grundsätzlichen editorischen Entscheidungen Bodemanns für ihre geplante Edition der Fabelsammlung diskutiert, nachdem die Studierenden im Heimstudium über eine H5P sich einen Überblick über die fachgeschichtliche Ausdifferenzierung der Editionsphilologie angeeignet haben. Über eine Diskussion eines Aufsatzes (Wagner, Silvan: Die komplexe Meditation einfacher Wahrheiten) erfolgt ein exemplarischer Einblick in die inhaltliche Interpretation der Fabelsammlung.
  • Kodikologie: Über eine H5P eignen sich die Studierenden im Heimstudium die Grundlagen der Kodikologie an. Auf Basis von Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein, S. 48-112, werden in einer Seminarsitzung für editorische Entscheidungen relevante Aspekte der Handschriftenbeschreibungen herausgearbeitet.
  • Transkription: Über ein H5P eignen sich die Studierenden im Heimstudium die Grundlagen der Paläografie an. In einer Seminarsitzung wird eine Fabel der Sammlung (Wissbegieriger Fuchs und Rabe) gemeinsam anhand der Druckfassung von 1490 transkribiert und in www.wiki.brevitas.org eingepflegt, wodurch die Studierenden auch die technischen Grundlagen der Onlineedition einüben. Im dreiwöchigen asynchronen Heimstudium erarbeiten die Studierenden in Kleingruppen eigene Transkriptionen derselben Fabel auf Basis exemplarischer Handschriften (vgl. Wissbegieriger Fuchs und Rabe) und pflegen diese online ein. Über Zoomsitzungen mit den einzelnen Arbeitsgruppen werden spezifische Probleme, Lesefehler und Verständnisfehler besprochen und ggf. verbessert.
  • Kommentar: In einer ersten Präsenzsitzung werden gemeinsam anhand der Druckfassung der Fabel Wissbegieriger Fuchs und Rabe sprachliche Schwierigkeiten und Leseprobleme identifiziert, entsprechende Fußnoten mit Erklärungen formuliert und online eingepflegt. In einer zweiten Präsenzsitzung werden analog dazu inhaltlich zu kommentierende Textstellen identifiziert und mit Fußnoten mit Hinweisen auf inter- und intratextuellen Verweisen eingepflegt.
  • Textkritik: Über ein H5P eignen sich die Studierenden im Heimstudium die Grundlagen der Textkritik an. Auf Basis von Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein, S. 113-148, werden in zwei Seminarsitzungen Bodemanns textkritische Entscheidungen kritisch diskutiert und Sinn und Grenzen einer textkritischen Ausgabe der Fabelsammlung herausgearbeitet.

Der Kurs erfolgt tendenziell im Konzept "flipped classroom": Die Studierenden erlernen anhand automatisierter, virtueller Lehrgänge (H5P) im Heimstudium die Grundlagen der Editionsphilologie und wenden sie in den Präsenzsitzungen auf einen konkreten Gegenstand an. Als solcher wurde das Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein) bestimmt, da diese Fabelsammlung sich aus drei Gründen für diese Verwendung anbietet:

  1. Die Fabelsammlung besteht aus gut abgrenzbaren Einzeltexten, die es erlauben, kleine Volltexteditionsprojekte mit Studierenden durchzuführen.
  2. Die Fabelsammlung ist bislang unediert, was es ermöglicht, dass Studierende im Kursverlauf selbst Transkription, Kommentar und Apparat zu einzelnen Fabeln anfertigen.
  3. Es existiert mit Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein eine umfassende Vorbereitung zu einer Edition, mit der Heuristik, Handschriftenbeschreibung, Kollation und Filiation bereits kritisch erarbeitet vorliegen.

Diese Grundlage bietet einerseits die Möglichkeit, dass die Studierenden diejenigen Arbeitsschritte einer kritischen Edition, die das Niveau eines Proseminares sprengen würden, lediglich in Vorgehen und Ergebnis nachvollziehen müssen, wodurch das Buch der natürlichen Weisheit zum exemplarischen Editionsfall wird, anhand dessen die abstrakten Lerninhalte des Heimstudiums in der Seminardiskussion konkretisiert werden; andererseits aber können die Studierenden mit Transkriptionen, Annotationen im Apparat und Kommentierungen selbst Grundlagenarbeit der Editionsphilologie praktisch erproben. Im Seminar selbst wurde dies zunächst dadurch umgesetzt, dass eine Fabel der Sammlung in der (am leichtesten lesbaren) Druckfassung gemeinsam transkribiert, annotiert und kommentiert wurde, um die Grundlagen praktischer Editionsarbeit kennen zu lernen; anschließend transkribierten studentische Arbeitsgruppen über einen Zeitraum von drei Wochen hinweg je eine handschriftliche Version derselben Fabel, was den Vorteil hat, dass diese inhaltlich bereits bekannt ist und bei Leseschwierigkeiten auch die gemeinsame Transkription der Druckfassung zu Rate gezogen werden kann. Die Hausarbeiten bestanden darin, dass Studierende bzw. Kleingruppen je eine Transkription, Annotation und Kommentierung einer neuen Fabel anfertigen sollten, wobei die gemeinsam erarbeiteten Methoden die Bewertungsgrundlage stellte.

Entscheidend ist dabei die direkte Veröffentlichung aller studentischen Arbeitsschritte auf Brevitas Wiki: Die editionsphilologisch unabdingbare Exaktheit der Datenerfassung und -aufbereitung ist durch eine direkte Onlineveröffentlichung aller Werkstücke signifikant besser motiviert, als wenn entsprechende Übungen nur zwischen Studierenden und Dozierenden kommuniziert würden. Nichtsdestotrotz kommt es bei der studentischen Dateneingabe erwartbarerweise zu vielen Ungenauigkeiten, Redundanzen im Kommentar, Lesefehlern und unüblicher Diskursverwendung; die Onlineveröffentlichung motiviert dabei nicht nur zur Bereitschaft auf studentischer Seite, (angeleitet) einige Überarbeitungsgänge einzuziehen (und damit die Überarbeitung selbst als notwendigen Arbeitsschritt in die eigene Praxis zu übernehmen), sondern motiviert auch den hohen Betreuungsaufwand auf Dozierendenseite: Ergebnis des "Schnupperkurses Kritische Fabeledition" sind auch (künftig beliebig ergänzbare) Bausteine zu einer Gesamtedition einer bislang unedierten Fabelsammlung.

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