Der Gürtel (Dietrich von der Glezze): Unterschied zwischen den Versionen
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Das Gedicht heißt 'Der Gürtel'; man soll es nur vor einem höfischen Publikum lesen. | |||
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Konrad, ein stolzer Ritter aus Schwaben, hat die schönste Frau zur Gattin. Eines Tages, während er zu einem nahen Turnier reitet, lustwandelt sie im Garten und begegnet einem fremden Ritter, der in Liebe zu ihr entbrennt. Sein Werben hat Erfolg, als er der Dame zum Entgelt für ihre Gunst Habicht, Windhunde, Ross und vor allem einen herrlichen Gürtel verheißt, der die Kraft hat, seinem Träger überall den Sieg zu verleihen. Ein Knecht belauscht das Liebespaar und entdeckt dem heimkehrenden Herrn die Treulosigkeit seiner Gattin. Dieser kehrt auf der Stelle um und begibt sich nach Brabant. Als die Frau zwei Jahre vergeblich auf ihn gewartet hat, verkleidet sie sich als Ritter und zieht mit Ross, Habicht, Windhunden und ihrem Wundergürtel an den Hof des Herzogs von Brabant, wo sie sich als Heinrich von Schwaben ausgibt. Bei einer Jagd zeichnen sich ihre Tiere besonders aus, und der Hezog versucht vergeblich, sie ihr abzukaufen. Danach gelingt ihr ein Turniersieg über einen bis dahin unbesiegten Engländer. Konrad und "Heinrich" begleiten den Herzog auf einer Heerfahrt. Auf einem Kundschaftsritt bittet Konrad seinen Gefährten, ihm Windhunde, Habicht oder Ross zu schenken. Heinrich sagt ihm Habicht und Windhunde zu, wenn er ihm, der er nur Männer liebe, zu Willen sei. Konrad geht widerstrebend darauf ein. Da gibt sich "Heinrich" als seine Frau zu erkennen und tadelt ihn, dass er sich um eines so kleinen Gewinnes willen mit unnatürlicher Liebe versündigen wolle, während sie in ihrem Bestreben, ihm den siegspendenden Gürtel zu erwerben, nur etwas Menschliches getan habe. Konrad bittet um Verzeihung, sie schenkt ihm die begehrten Gaben, und beide kehren nach Schwaben zurück. | |||
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Dietrich von der Glezze hat die Erzählung gedichtet. Er rät allen Männern, die Frauen zu ehren. Wilhelm von Weidenau hat ihn beauftragt; dem Punzinger möge eine geliebte Frau ihren Trost senden. | |||
(Zitiert nach [[Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung]], S. 451) | (Zitiert nach [[Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung]], S. 451) |
Version vom 4. Juni 2020, 19:56 Uhr
Inhalt
Promythion
Das Gedicht heißt 'Der Gürtel'; man soll es nur vor einem höfischen Publikum lesen.
Narratio
Konrad, ein stolzer Ritter aus Schwaben, hat die schönste Frau zur Gattin. Eines Tages, während er zu einem nahen Turnier reitet, lustwandelt sie im Garten und begegnet einem fremden Ritter, der in Liebe zu ihr entbrennt. Sein Werben hat Erfolg, als er der Dame zum Entgelt für ihre Gunst Habicht, Windhunde, Ross und vor allem einen herrlichen Gürtel verheißt, der die Kraft hat, seinem Träger überall den Sieg zu verleihen. Ein Knecht belauscht das Liebespaar und entdeckt dem heimkehrenden Herrn die Treulosigkeit seiner Gattin. Dieser kehrt auf der Stelle um und begibt sich nach Brabant. Als die Frau zwei Jahre vergeblich auf ihn gewartet hat, verkleidet sie sich als Ritter und zieht mit Ross, Habicht, Windhunden und ihrem Wundergürtel an den Hof des Herzogs von Brabant, wo sie sich als Heinrich von Schwaben ausgibt. Bei einer Jagd zeichnen sich ihre Tiere besonders aus, und der Hezog versucht vergeblich, sie ihr abzukaufen. Danach gelingt ihr ein Turniersieg über einen bis dahin unbesiegten Engländer. Konrad und "Heinrich" begleiten den Herzog auf einer Heerfahrt. Auf einem Kundschaftsritt bittet Konrad seinen Gefährten, ihm Windhunde, Habicht oder Ross zu schenken. Heinrich sagt ihm Habicht und Windhunde zu, wenn er ihm, der er nur Männer liebe, zu Willen sei. Konrad geht widerstrebend darauf ein. Da gibt sich "Heinrich" als seine Frau zu erkennen und tadelt ihn, dass er sich um eines so kleinen Gewinnes willen mit unnatürlicher Liebe versündigen wolle, während sie in ihrem Bestreben, ihm den siegspendenden Gürtel zu erwerben, nur etwas Menschliches getan habe. Konrad bittet um Verzeihung, sie schenkt ihm die begehrten Gaben, und beide kehren nach Schwaben zurück.
Epimythion
Dietrich von der Glezze hat die Erzählung gedichtet. Er rät allen Männern, die Frauen zu ehren. Wilhelm von Weidenau hat ihn beauftragt; dem Punzinger möge eine geliebte Frau ihren Trost senden.
(Zitiert nach Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 451)
Forschungsüberblick
In der Forschung des 19. Jahrhunderts standen Fragen nach der Autorbiographie, der literaturhistorischen Verortung der Erzählung und vor allem der formalen Gestalt der Dichtung – Metrik, Reim, Lautung – im Mittelpunkt des Interesses. Eine erste Textausgabe des Märes lieferte Friedrich Heinrich von der Hagen 1850 in seiner Märensammlung Gesammtabenteuer, wobei seine zahlreichen Konjekturen bei Brendel, Rudolf: Über das mittelhochdeutsche Gedicht Der Borte von Dietrich von der Glezze, Kralik, Dietrich von: Der Borte Dietrichs von der Glezze in ursprünglicher Gestalt, und Leitzmann, Albert: Zu von der Hagens Gesamtabenteuer und scharf kritisiert wurden. Meyer, Otto Richard: Der Borte des Dietrich von der Glesse lieferte 1915 eine kritische Neuausgabe des Textes. Unter völkischem Blickwinkel wurde diskutiert, ob der Erzählstoff des Gürtels „ursprünglich deutsch“ sein könne (negativ Von der Hagen, Friedrich Heinrich (Hg.): Gesamtabenteuer, positiv Klemenz, Paul: Die Literatur der Grafschaft Glatz; Klemenz, Paul: Die Literatur der Landes- u. Volkskunde der Grafschaft Glatz; Klemenz, Paul: Ist Dietrich von der ‚Glezze’ der älteste Dichter des Glatzer Landes?; Klemenz, Paul: Zur Herkunft des ältesten Grafschafter Dichters).
Im 20. Jahrhundert interessierten nach dem II. Weltkrieg zunächst vor allem soziohistorische Fragen nach der Moral im Märe (vgl. Pritz, Susanne: Studien zu Tugend und Laster im spätmittelalterlichen Schwank, Londner, Monika: Eheauffassung und Darstellung der Frau in der spätmittelalterlichen Märendichtung, Hoven, Heribert: Studien zur Erotik in der deutschen Märendichtung, Spreitzer, Brigitte: Die stumme Sünde, später auch Klingner, Jacob: Der Sündenfall als Glücksfall?) und Fragen nach der Baustruktur und dem Symbolismus im Märe (vgl. Hufeland, Klaus: Die deutsche Schwankdichtung des Spätmittelalters, später auch Kraß, Andreas: Geschriebene Kleider und Wagner, Silvan: Die Farben der Minne).
Seit den 1990er Jahren wurde das Märe für die Genderforschung (vgl. Ortmann, Christa/Ragotzky, Hedda: Minneherrin und Ehefrau) und Queer-Forschung (vgl. Blum, Martin: Queer Desires and the Middle High German Comic Tale, Kraß, Andreas: Das erotische Dreieck, kritisch dazu Kirchhoff, Matthias: Nu merket baz) zu einem wichtigen Untersuchungsgegenstand, wobei vor allem der Kleider- und ggf. Geschlechterwechsel der Dame zentral gesetzt wurde (vgl. Kraß, Andreas: Geschriebene Kleider, Hotchkiss, Valerie R.: Clothes Make the Man, Feistner, Edith: Manlîchiu wîp, wîpliche man).
Seit 2000 gerät das Märe vermehrt bezüglich seiner kommunikativen und performativen Strukturen in den Blick: (vgl. Wagner, Silvan: ‚Guck Dich doch mal an!’, Reichlin, Susanne: Dietrich von der Glezze, Der Borte (um 1270/1290), Wagner, Silvan: Erzählen im Raum).
Sonstiges
Das Märe ist als Hörspiel komplett auf Mittelhochdeutsch erschienen: Der Borte. Dietrich von der Glezze. Ein mittelhochdeutsches Hörspiel. vfd Hochschulverlag, Zürich 2011