Ragotzky, Hedda: Die 'Klugheit der Praxis' und ihr Nutzen: Unterschied zwischen den Versionen

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* These in [[Grubmüller, Klaus: Das Groteske im Märe als Element seiner Geschichte]]: Motivkorrespondenzen und Handlungsparallelen in Mären des Strickers, des Kaufringers und Rosenplüts können >>historische Gattungspoetik<< begründen (49-50)
* These in [[Grubmüller, Klaus: Das Groteske im Märe als Element seiner Geschichte]]: Motivkorrespondenzen und Handlungsparallelen in Mären des Strickers, des Kaufringers und Rosenplüts können >>historische Gattungspoetik<< begründen. (49-50)
** Mären des Strickers als traditionstiftende Repräsentanten der Gattung Märe
** Mären des Strickers als traditionstiftende Repräsentanten der Gattung Märe
** Mären des Stricker umkreisen ordo-Verstöße, Bestrafung und Restituition, weshalb als Gattunsgziel die Belehrung gelten kann.
** Mären des Stricker umkreisen ordo-Verstöße, Bestrafung und Restituition, weshalb als Gattunsgziel die Belehrung gelten kann.
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** Ein innerhalb der Erzählstruktur entwickelter Bewertungsmaßstab wird im Epimythion zum Maß des Urteils über das Versagen der Herren. Jedoch ist die Lehre anders als in [[Der begrabene Ehemann (Der Stricker)]] nicht linear sondern bewegt sich hin und her, sowohl sprachlich durch den Tempuswechsel als auch erzählerisch durch das Beleuchten des Handelns gegenüber ''biderben'' und ''boesen''.
** Ein innerhalb der Erzählstruktur entwickelter Bewertungsmaßstab wird im Epimythion zum Maß des Urteils über das Versagen der Herren. Jedoch ist die Lehre anders als in [[Der begrabene Ehemann (Der Stricker)]] nicht linear sondern bewegt sich hin und her, sowohl sprachlich durch den Tempuswechsel als auch erzählerisch durch das Beleuchten des Handelns gegenüber ''biderben'' und ''boesen''.


* [[Edelmann und Pferdehändler (Der Stricker)]] (57-
* [[Edelmann und Pferdehändler (Der Stricker)]] (57-58)
** In diesem mære wird das sehr lange Epimythion ähnlich der Bispel hinsichtlich Personen und deren Handlungen mit der zeitgenössischen Gesellschaft in Beziehung gesetzt ("Prozeß des ''gelîchens''). Es zeichnet sich zwar durch die ablesbare Handlunsganweisung zudem eine starke Tendenz zur Spruchdichtung ab, das Epimythion wird letztlich jedoch durch die mære-konforme Verurteilung von Torheit geschlossen.
** In diesem mære wird das sehr lange Epimythion ähnlich der Bispel hinsichtlich Personen und deren Handlungen mit der zeitgenössischen Gesellschaft in Beziehung gesetzt ("Prozeß des ''gelîchens''). Es zeichnet sich zwar durch die ablesbare Handlunsganweisung zudem eine starke Tendenz zur Spruchdichtung ab, das Epimythion wird letztlich jedoch durch die mære-konforme Verurteilung von Torheit geschlossen.


* [[Die Martinsnacht (Der Stricker)]]
* [[Die Martinsnacht (Der Stricker)]] (58-59)
** Die charakteristische Erzählstruktur der mæren des Stricker wird eingehalten.
** Die charakteristische Erzählstruktur der mæren des Stricker wird eingehalten.
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** Eine Zechrede ist durch ihre Qualität nicht einer moralischen Fazitbildung angemessen. Es zeichnet sich über die Warnung hinaus kein lehrhafter Charakter ab.


* [[Die drei Wünsche (Der Stricker)]]
* [[Die drei Wünsche (Der Stricker)]] (59-60)
** Überschneidung der Gattungen zeigt sich auch an diesem Epimythion, insbesondere in der Analyse durch [[Sowinski, Bernhard: Die drei Wünsche des Stricker]] zu sehen.
** Nach einem Rückgriff auf Handlung und zeitgenössische Gegenwart wird im Epimythion stark abstrahierend die Torheit behandelt - in einem solchen Maß abstrahiert, dass diese beinahe losgelöst von der Geschichte betrachtet wird. Dabei finden sich in der Moralisation Anlagen an Aristoteles, Freidank und Heinrich von Müdeln.
** Dieses längste Epimythion bietet anhand der Toren-Typologie auch eine ordo-Erläuterung und erinnert an einen Traktat.


== Behandelte Kleinepik ==
*[[Der Richter und der Teufel (Der Stricker)]] (60-62)
** In diesem mæren ergibt sich eine inhaltliche Lücke zwischen Geschichte und Epimythion, da der erzählerisch passiv und rechtsbewusst aufgerufene Teufel der Warnung vor dessen Verführungskünsten widerspricht.
** Ein Anspruch christlicher Lehrtradition allein kann diese Diskrepnaz nicht erklären. Vielmehr macht Ragotzky die Ironie in der Geschichte für die Diskrepanz verantwortlich.
** Das Epimythion bezieht sich somit weniegr auf den Teufel als auf die Handlungsweisen des Richters.


* Frühe iterarische Orienterungsleistung durch Widersprüche?(62-64)
** In (Schwank)mæren gibt es typusgerechte Abwandlungen der Epimythien, da sie für unterschidlich belehren sollen. Da sie zudem von außen zur Geschichte hinzu kommen, entsteht ein Spannungsverhältnis, das vom Erzähler genutzt wird.
** Im Epimythion werden zwar Handlungsaspekte selektiv aufgegriffen, aber der aufgerufene diskursive Kontext wird gebündelt und gelenkt.
** Als frühe Gattunsgvertreter erweisen sich die mæren des Strickers hinsichtlich der Abwandlungen von Moralisierungspraxis innovativ. Allerdings ist eine Annahme gattungspoetologischer Normen durch den Stricker mit Vorsicht zu behandeln.
**Sie sind zudem nicht rein didaktisch hinsichtlich der Einhaltung/Verletzung des ordos auslegbar. >>Konstitutiv für diese Geschichten ist vielmehr die Frage nach dem Wie des Handelns, nach einer Handlungsfähigkeit unter Bedingungen, angesichts derer das einfache Befolgen von ordo-Regeln gerade in die Sackgasse führt, die es nicht erlauben, ''wîsheit'' problemlos umzusetzen.<< (63)


[[Kategorie:Forschung Märe/Versnovelle]]
== Behandelte Kleinepik ==
*[[Begrabene Ehemann (Der Stricker)]]
*[[Begrabene Ehemann (Der Stricker)]]
*[[Der junge Ratgeber (Der Stricker)]]
*[[Der junge Ratgeber (Der Stricker)]]
*[[Edelmann und Pferdehändler (Der Stricker)]]
*[[Edelmann und Pferdehändler (Der Stricker)]]
*[[Die Martinsnacht (Der Stricker)]]
*[[Die Martinsnacht (Der Stricker)]]
*[[ (Der Stricker)]]
*[[Die drei Wünsche (Der Stricker)]]





Version vom 20. Januar 2021, 22:04 Uhr

Zitation

Ragotzky, Hedda: Die Klugheit der Praxis und ihr Nutzen. Zum Verhältnis von erzählter Geschichte und lehrhafter Fazitbildung in Mären des Strickers. In: Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache 123 (2001), S. 49-64

Beschreibung

Hedda Ragotzky beleuchtet, unter Fokussierung des Verhältnisses von erzählter Geschichte und Formen der Fazitbildung in den Epimythien, die Mären des Strickers als Ursprung und normative Größe einer Märengattung.

Inhalt

  • These in Grubmüller, Klaus: Das Groteske im Märe als Element seiner Geschichte: Motivkorrespondenzen und Handlungsparallelen in Mären des Strickers, des Kaufringers und Rosenplüts können >>historische Gattungspoetik<< begründen. (49-50)
    • Mären des Strickers als traditionstiftende Repräsentanten der Gattung Märe
    • Mären des Stricker umkreisen ordo-Verstöße, Bestrafung und Restituition, weshalb als Gattunsgziel die Belehrung gelten kann.
  • Der begrabene Ehemann (Der Stricker) (52-55)
    • Es zeigt sich die charakteristische narrative Struktur: normative Balance von Rollen wird durch Handlung einer Figur bedroht, Anforderung an die Rolle einer Figur wird auf die Probe gestellt, Epimythion als Urteilsspruch über Versagen.
    • Epimythion ist sprachlich kohäsiv gestaltet, indem die Zeitform beibehalten wird, aber auf Verallgemeinerung sowie auf Sentenz und Aufforderung an die Rezipienten verzichtet wird.
    • Stattdessen zeigt sich das Epimythion als knappes, handlungsbezogenes Fazit mit implizitem Verbindlichkeitsanspruch. Jedoch ist der Urteilsspruch vom Erzähler nicht wertfrei formuliert.
  • Der junge Ratgeber (Der Stricker) (55-57)
    • Dass Epimythien in abweichenen Formen vorliegen können zeigt sich in der Überlieferung des jungen Ratgebers in der >Disciplina Clericalis< des Petrus Alphonsi und der des Strickers.
    • Ein innerhalb der Erzählstruktur entwickelter Bewertungsmaßstab wird im Epimythion zum Maß des Urteils über das Versagen der Herren. Jedoch ist die Lehre anders als in Der begrabene Ehemann (Der Stricker) nicht linear sondern bewegt sich hin und her, sowohl sprachlich durch den Tempuswechsel als auch erzählerisch durch das Beleuchten des Handelns gegenüber biderben und boesen.
  • Edelmann und Pferdehändler (Der Stricker) (57-58)
    • In diesem mære wird das sehr lange Epimythion ähnlich der Bispel hinsichtlich Personen und deren Handlungen mit der zeitgenössischen Gesellschaft in Beziehung gesetzt ("Prozeß des gelîchens). Es zeichnet sich zwar durch die ablesbare Handlunsganweisung zudem eine starke Tendenz zur Spruchdichtung ab, das Epimythion wird letztlich jedoch durch die mære-konforme Verurteilung von Torheit geschlossen.
  • Die Martinsnacht (Der Stricker) (58-59)
    • Die charakteristische Erzählstruktur der mæren des Stricker wird eingehalten.
    • Eine Zechrede ist durch ihre Qualität nicht einer moralischen Fazitbildung angemessen. Es zeichnet sich über die Warnung hinaus kein lehrhafter Charakter ab.
  • Die drei Wünsche (Der Stricker) (59-60)
    • Überschneidung der Gattungen zeigt sich auch an diesem Epimythion, insbesondere in der Analyse durch Sowinski, Bernhard: Die drei Wünsche des Stricker zu sehen.
    • Nach einem Rückgriff auf Handlung und zeitgenössische Gegenwart wird im Epimythion stark abstrahierend die Torheit behandelt - in einem solchen Maß abstrahiert, dass diese beinahe losgelöst von der Geschichte betrachtet wird. Dabei finden sich in der Moralisation Anlagen an Aristoteles, Freidank und Heinrich von Müdeln.
    • Dieses längste Epimythion bietet anhand der Toren-Typologie auch eine ordo-Erläuterung und erinnert an einen Traktat.
  • Der Richter und der Teufel (Der Stricker) (60-62)
    • In diesem mæren ergibt sich eine inhaltliche Lücke zwischen Geschichte und Epimythion, da der erzählerisch passiv und rechtsbewusst aufgerufene Teufel der Warnung vor dessen Verführungskünsten widerspricht.
    • Ein Anspruch christlicher Lehrtradition allein kann diese Diskrepnaz nicht erklären. Vielmehr macht Ragotzky die Ironie in der Geschichte für die Diskrepanz verantwortlich.
    • Das Epimythion bezieht sich somit weniegr auf den Teufel als auf die Handlungsweisen des Richters.
  • Frühe iterarische Orienterungsleistung durch Widersprüche?(62-64)
    • In (Schwank)mæren gibt es typusgerechte Abwandlungen der Epimythien, da sie für unterschidlich belehren sollen. Da sie zudem von außen zur Geschichte hinzu kommen, entsteht ein Spannungsverhältnis, das vom Erzähler genutzt wird.
    • Im Epimythion werden zwar Handlungsaspekte selektiv aufgegriffen, aber der aufgerufene diskursive Kontext wird gebündelt und gelenkt.
    • Als frühe Gattunsgvertreter erweisen sich die mæren des Strickers hinsichtlich der Abwandlungen von Moralisierungspraxis innovativ. Allerdings ist eine Annahme gattungspoetologischer Normen durch den Stricker mit Vorsicht zu behandeln.
    • Sie sind zudem nicht rein didaktisch hinsichtlich der Einhaltung/Verletzung des ordos auslegbar. >>Konstitutiv für diese Geschichten ist vielmehr die Frage nach dem Wie des Handelns, nach einer Handlungsfähigkeit unter Bedingungen, angesichts derer das einfache Befolgen von ordo-Regeln gerade in die Sackgasse führt, die es nicht erlauben, wîsheit problemlos umzusetzen.<< (63)

Behandelte Kleinepik