Die Klage der Minne (Egen von Bamberg) (B28)

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Die Klage der Minne

AutorIn Egen von Bamberg
Entstehungszeit 1320-1340
Entstehungsort
AuftraggeberIn
Überlieferung Karlsruhe, Landesbibliothek: Cod. Donaueschingen 112, 170r-170v
München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 714, 161v-166v
Ausgaben
Übersetzungen
Forschung Dahm-Kruse, Margit/Felber, Timo: Lektüreangebote in der mittelalterlichen Manuskriptkultur; Klingner, Jacob: Egen von Bamberg; Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 42-44

Inhalt

A Geistliche Exposition (1–22):

Der Sprecher beginnt mit einer Beschreibung paradoxer göttlicher Geheimnisse: Dass Gott verdreifacht (2: getriplizieret) sei, ein Wesen und drei Personen (Trinität), dass er unwandelbar sei und doch aus ihm, aus der ›Anschauung seiner Ideen‹ (Ka6 10: Vsß seiner yedea jnbligk), alle Veränderung komme (›unbewegter Beweger‹). Er habe dem Menschen ein Gut, nämlich den Orden der Minne, gestiftet und begehre daher, dass wir ihn beständig und aufrichtig liebten und uns einander ebenso.

B Klage an Frau Minne (23–103):

Deshalb habe der Sprecher sich entschlossen, eine Frau zu lieben. Er beschreibt zunächst die Wirkungen dieser Liebe: Sein Inneres sei ganz ›durchblümt‹ (26: durchflorieret), das Feld seines Herzens stehe in voller Blüte, der Mai habe dort die Bäume geschwängert, sodass ihm die Freude aus dem Herzen dringe; das mache ihn zum Toren; er stehe mit offenem Mund da, werde wie ein Kind und mit sehendem Auge blind. Sein Leid werde sich verstärken, wenn die ›Huote‹  (42: prüever) von der Liebe erfahre. In einer Apostrophe an die Minne (direkte Anrede in 43 und 69) beschreibt der Sprecher nun sein Leid in stark geblümter Rede: Er sei von ihr mit Asche bestrichen, werde sich selbst fremd; sie mache sein Herz faltig und runzlig; ein Wiesel laufe durch die Höhlen seiner Gedanken und suche den Bisam und Krisam der Minne; der Abdruck ihres Siegels macht in wild; die ›Scheibe‹  (74: schibe) seiner Sinne zapple und krabble; über Hochebenen, Felsen und Dämme müsse er nach dem Edelstein der Dame klettern. Wie die Sterne mit Hilfe des Taus die Früchte der Erde hervorlocken, so locke die Dame sein Herz zu ihr; daher habe er kein Herz mehr und bedürfe ihrer Hilfe wie der Löwe das Brüllen seines Vaters; wie die Turteltaube sitze er auf dem Ast des Leides; der Strick der Minne lege ihn in die Glut des Salamanders; dort mache ihn das Blut des Pelikans rot und er brenne wie der Phönix. Mit der Symphonie der Sirenen fange seine Geliebte den Kiel seines Herzens. Wie ein Falkenterze gehe sie den Vogel seines Herzens an, sodass die Harfe seiner Freude dissonant klinge (103: dissonieret).

C Schönheitsbeschreibung (104–147):

Nicht in der Reihenfolge des A capite ad calcem-Schemas beschreibt der Sprecher ihren roten Mund; ihre weißen Zähne; ihre schwarzen Augen, die unterstützt von einem Lächeln alle Männerherzen besiegen, sodass sein Herz zugleich von Hitze gesotten werde und von Kälte roh bleibe; ihre Brüste wie Jagdvögel, die fortfliegen wollten, zwischen denen einen Straße abwärts führe, deren Anblick jeden Mann verjünge; erwähnt werden noch Nase, Haar, Kinn und Gliedmaßen. Der Hammer seiner Zunge schlage in der Kammer seines Herzens die Münze ihres Lobes. Eine Unze ihrer Schönheit wiege ein ganzes Pfund auf. D Verfluchung untreuer Frauen (148–190): Der Sprecher argumentiert nun, dass man sich sehr aufregen müsste (150: zamer sin würde wilde) und es ein großes Übel wäre, wenn man an einer solch schönen Gestalt Untreue fände. Die Natur müsste man verfluchen. Könnte ein solcher Schandfleck, so wie faules Garn in Seide, überhaupt in einem schönen Körper bestehen? Unbeständigkeit nehme Frauen ihre Ehre. Der Sprecher habe kein Mitleid, wenn untreue Frauen, die kaltes und warmes Viperngift (?) versprühten und ein Herz wie ein Skorpion hätten, unglücklich würden. Im Folgenden verflucht er diese Frauen: Sie hätten falsche Wachtelbeine und (wie die Viper) einen Krokodilsschwanz (179: kokodrillen wadel); er beschimpft sie als Hagel aller Freude, Rauhreif der grünen Heide, Mörderin liebender Gedanken usw.

E Schluss (191–218):

Der Sprecher wendet sich nun direkt an seine Geliebte und ermahnt sie aufgrund des Gesagten zu Beständigkeit und Treue. Sie, deren Körper voll Honig und Mandeln sei (195: durchhoneget und gemandelt), möge ihm gegenüber ohne Wandel sein und ihm helfen, das Minneband, das sie um sein Herz gestrickt habe, zu lösen. In einer anaphorischen Reihe nennt er sie Tempel der Freuden, Spiegel der Sinne, Exempel, brennender Stein, blühender Ast, Topas, Perle, Diamant, Chrysolith, Hyazinth u.a. Er schließt mit einem Segenswunsch und einer Treueversicherung. Am Ende Autorsignatur: Daz sag ich iu allen vür ware: | also redt meister Egen de amore (217f.).


(Klingner, Jacob/Lieb, Ludger: Handbuch Minnereden, Band 1, S. 42-44)