Fuchs und Schlange (Erzählstoff)

Aus Brevitas Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Fuchs und Schlange

(Erzählstoff)

Regest Nachdem Fuchs und Schlange sich in einem Streit gegenseitig verletzt haben, bietet der Fuchs (die Schlange) nach einiger Zeit einen Scheinfrieden an, den die Schlange (der Fuchs) aber durchschaut. (Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 246f.)
Fassungen Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 23
Buch von der Weisheit, Nr. I, 23
Navicula sive speculum fatuorum (Johannes Geiler von Kaysersberg), Turba XXXVIII
Narrenschiff (Johann Geiler von Kaisersberg/Johannes Pauli), Die XXXVIII. Schar, Bl. 85va-vb
Spiegel der wyßheit (Sebastian Münster), Nr. I, 23, Bl. 20r-21r
Hans Sachs: Nr. 4752, 5192 (in Goetze, Edmund/Drescher, Carl (Hg.): Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, Band VI, Nr. 969, S. 197f.; Band II, Nr. 209, S. 29-32
Spiegel der natürlichen weyßhait (Daniel Holzmann), Nr. 23, Bl. 88v-91r
Forschung
(s.a. unter Fassungen)
Bodemann, Ulrike: Die Cyrillusfabeln und ihre deutsche Übersetzung durch Ulrich von Pottenstein, S. 233, 240; Dicke, Gerd/Grubmüller, Klaus: Die Fabeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, S. 246f.; Günthart, Romy (Hg.): Sebastian Münster, Spiegel der wyßheit, Band 2, S. 45-47


Deutsche Versionen

Buch der natürlichen Weisheit (Ulrich von Pottenstein), Nr. I, 23 (nach Druck Augsburg, 1490)
(um 1408/16)

Hast du niemant belaidet vor dem besorg dych allzeit·
Das ·xiii· Capitel
[25va] EIn hungeriger fuchse[1] der lief in grymes hungers qual auf und nider hyn und her· und suocht mit fleiß sein speiß· Do tratt er unbesichtiklich auf ein vergifte schlange(n)[2] die in pusches vinster kroch· Do ward die schlang in zorn entzündet und piß den fuchse gar neydiklich darumb dz er sy getreten het· Zehand paiß der fuchs in grymmigem zoren hinwyder allso das sich gemein er czoren mit gifftigem peyssen beydenthalb vergieng· Darnache suochtt yeder teyl seiner empfangen wu(n)den heylwertige ercznei mit ganczem vermügen/ Darnach nach lang verganger zeit fueget sich dz sy beyde nach [25vb] einem wilde(n) gepürg gevert unbedechtlich wider einand(er) kame(n)· Zehand gedacht dye schlang d(er) alten schuld· da vernewet sich d(er) alt zorn an ir damit auch sy czuo gifftiger rach gewapnot unnd erweckt ward· Dz vermerckt d(er) listig fuchs[3] der grif i(n) dye puecher seiner maisterschaft· und v(er)parge die schalckheit seins herczen· under die gestalt eins froelichen und freüntlichen gruoß· unnd sprach mit listen zuo der listigen allso· In rechter warheit mein allerliebste Ich hab dich mit fleiß gesuocht daru(m)b das ich dein fride den ich mit meines mu(n)des piß / verlorn hab in dem kuß desselben mundes widerpraecht· Nun was mag allen toetlichen dinge(n) lieber sein dann der loblich fride Was ist allen irrdischen dingen wunsamer· was ist allen dinge(n) genaemer und hochgültiger de(n)n ein fridsames hercz· wa(n)n under dem pund des frides besteen alle ding die leben haben in ruo· Sy gruonent in frides ordnung lant und leüt plueent in iren rechten· wo guoter frid regiert und herrschet / wenn frid ist ein gemeins guot den armen und reychen den pfaffen und den layen und alle(n) dient dz wann dz fleücht under de(n) sichern fan wolbestaets frids dz v(er)antwurt die kündig natur [26ra] de(n) listigen fuchs mit weyser fürsichtikeit / wann sy wz seiner falschen tück gar maisterlich geleret / und sprach· Fürwar du sagste Echter frid ist das sterckeßt ding so es mag auf erden gesei(n) wann er getreü und warhafft ist / ist aber er falsch so ist auch er nit anders dann ein liecht dz do plaendet / od(er) ein leben das toettet od(er) ein vergüffte sueß[4] / wa(n)n es ist kein groessers übel denn toetliche veintschaft die mit falschem fride überzogen und bedeckt wirt Darumb mein fuchs dein frid d(er) sey mit dir / wann wo und we(n)n alte geltschuld bedacht werden da ist auch nun zoren· Nun begeret der zorn rach / rach bedenckt wie sy luglich und gevaerliche(n) pring zuo schwaerem vall deines herczen sihe ich nit / aber zuo meiner vernunft lauf ich· und in dem lyecht d(er) verstentnuß besahe ich auf saecz des falschen un(d) verborgen herczen / wa(n)n warer frid gedenckt nymmer weder in schimpfe noch in ernst aller widerwertikeit die sich geschlicht und gerichtet hat aber falscher frid vergißt nymmer aller d(er) ding die in übel geschehen seid wiewol die freüntlicher gruoß mit staetez die(n)ste zuo guotem end geordnet hat Darumb ist der allzeit zuo besorgen der von dir gelaydigett ist [26rb] wann verserunge hafftet in dez hercze(n) als dem laym· Sy ist ringe unnd leicht unnd verneüett sich gar bald unnd zaechlingen zuo dem zoren· un(d) tregt auch allzeit einen beraiten kocher zuo der rach· Aber zuo milter guetigkeytt ist sy traege unnd hat darzuo eynen schwaeren fuoß· Oder waißt du nicht das den edlen patriarchen Joseph[5] seine prueder in ire(m) alter vorchtlichen besorgeten de(n) sy in irer jugend unpruoderliche(n) gelaydiget hetten· Unnd mit diesen worten zerliessen sy die red / und schieden von einander·

Anmerkungen

  1. Im Physiologus erfährt man über den Fuchs, dass er ein listiges Tier ist. Wenn er an Hunger leidet und keine Beute findet, versucht er mit einer Täuschung seine Beute zu überführen.
  2. In der Bibel wird die Schlange mit Klugheit verknüpft (Mt. 10,16), allerdings auch mit der Sünde bzw. dem Teufel (1. Mose 3).
  3. Der Fuchs wird in der Bibel als listiges Tier beschrieben. Zum Beispiel wird der Fuchs in Ezechiel als Symbol der List und als Abbild der Boshaftigkeit dargestellt, da die falschen Propheten Füchse genannt werden (Ez. 13,4). Des Weiteren wird der Fuchs im Physiologus als ein Symbol der Versuchung gedeutet.
  4. Deutet auf die verbotene Frucht in der Bibel hin (ab 1. Moses 2,9)
  5. Josef, der Sohn Jakobs, und seine Halbbrüder geraten in einen Brüderkonflikt, in welchem es hauptsächlich um Neid geht (Gen. 37,2). Der Streit spitzt sich immer weiter zu und Josef wird von seinen Brüdern als Sklave nach Ägypten verkauft. Jahre später erbitten die Brüder in einer Hungersnot Hilfe bei dem ägyptischen Verweser, den sie nicht als ihren Bruder erkennen. Joseph beschuldigt seine Brüder des Diebstals und ängstigt sie, bevor er sich zu erkennen gibt und ihnen hilft.