Der zurückgegebene Minnelohn (Heinrich Kaufringer)
Inhalt
Promythion
Selig der Mann, der eine treue Frau besitzt.
Narratio
Ein junger Ritter erhält von einem alten Nachbarn die Mittel zu einer Ritterfahrt und reitet in eine Stadt, wo man ein Turnier ausgeschrieben hat. Unterwegs zwingt ihn einmal die hereinbrechende Dunkelheit, in einem Wald zu nächtigen. Während sein Knecht bei den Pferden bleibt, geht er selbst auf Abenteuer aus. Er gelangt zu einem Burggarten, in dem die Herrin umherwandert und über Zahnweh klagt, während ihr alter Gatte aus einer Tür herableuchtet. Der junge Ritter findet die Pforte offen, tritt ein und genießt im Dunkeln die Gunst der Dame, die ihrem heimlichen Liebhaber zugedacht war. Zu spät bemerkt sie die Verwechslung, ist zunächst tief bestürzt und fordert dann von ihm einen sichtbaren Beweis seines ritterlichen Standes. Da er nichts anderes bei sich hat, gibt er ihr seine sechzig Gulden Reisegeld und empfängt dafür von ihr einen Ring. Als er am Morgen, bar aller Mittel, weiterreitet, trifft er im nächsten Dorf einen alten Ritter, der ihn um seine Begleitung in die Stadt bittet und ihn dafür aushält. Beim Turnier gewinnt der junge Ritter zur Freude seines Reisegefährten den Ehrenpreis. Als sie am Abend in der Herberge beieinander sitzen und Geschichten zum besten geben, erzählt der Turniersieger sein Abenteuer mit der Dame im Burggarten, freilich sehr zum Kummer des Alten, der schnell begreift, daß von seiner eigenen Frau die Rede ist. Er läßt sich jedoch nichts anmerken und nimmt seinen jungen Freund mit zu sich auf die Burg, der beim Herannahen entsetzt erkennen muß, daß es eben jene Burg ist, auf der er sein Liebesabenteuer erlebte. Auch die Dame bekommt einen gewaltigen Schrecken, als sie den Ritter an seinem Bang erkennt. Nach einem gemeinsamen Mahl läßt der Ehemann seine verängstigte Gattin die sechzig Pfund holen und teilt sie, die ganze Geschichte mit einem Brettspiel vergleichend, in drei Teile: einen für die Gattin, die das Brett zum Spiel geliehen, den anderen für den Ritter, der die Würfel beigesteuert, und den dritten für sich, weil er zum Spiel geleuchtet habe. Auf die Bitten des jungen Mannes hin gewährt er ihm wie seiner ungetreuen Frau Verzeihung.
(Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, S. 483)