Schneider, Martin: Kampf, Streit und Konkurrenz

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Zitation

Schneider, Martin: Kampf, Streit und Konkurrenz. Wettkämpfe als Erzählformen der Pluralisierung in Mären. Göttingen 2020

Beschreibung

Monographie zu Pluralisierungsphänomenen in spätmittelalterlicher Märendichtung.

Inhalt

  1. Einleitung
    • Gegenstand: Repräsentation von Streitkulturen in spätmittelalterlicher Märendichtung, die die Pluralisierung sozialer und kultureller Ordnung verhandelt. (13)
    • These: Im Wettkampf eröffnen sich „Phänomene der Vervielfältigung“. (13)
      • Wettkampf wird als Dachbegriff für agonale Formen wie Streit, Konkurrenz und Kampf verwendet. (13)
      • Entwicklung der Gattung Märe ist ein Beispiel für Pluralisierung: Emanzipation von der exemplarisch-didaktischen Literatur. (14)
  2. Theoretische Grundlagen
    • Grundlage für die Arbeit ist die These Georg Simmels, „dass allen Formen von Streit ein sozialisierendes Element zugrunde liegt“ (19), dessen vergesellschaftende Wirkung in der Nähe der Gegner liegt. (21)
    • Die mediävistische Forschung hat bereits auf die integrative und ausschließende Kraft des Kampfes (25), das diskursöffnende Potenzial des Streits (28) und „das Moment des Verwerfens“ im Kampf (30) hingewiesen. „In allen Fällen beweist sich die produktive Kraft des Konflikts“. (32)
    • Pluralisierung – verstanden als „potenziell konflikthafte Vielfalt“ (35) – fungiert in Mären als ordnungsstiftendes Phänomen. (36)
    • Pluralisierung kann sowohl durch Inklusion wie auch durch Exklusion erfolgen (41), was sich auch in der Gattungsbildung des Märes niederschlägt (43).
  3. Modellanalysen
    • Reihummären:
    • Priapeia (Das Nonnenturnier, Der Rosendorn, Gold und Zers, Der verklagte Zwetzler (Jörg Zobel))
      • In den Priapeia werden Effekte der Synthese durch Gewalt hergestellt. (94)
      • „Immer wenn das Genital angesprochen oder von ihm erzählt wird, ist auch das entsprechend andere Geschlecht in nächster Nähe“ (112). Da dies wechselseitig der Fall ist, dürften die Geschlechter im Spätmittelalter weniger gefestigt sein als in der Moderne. (117)
    • Die Suche nach dem glücklichen Ehepaar (Heinrich Kaufringer)
      • „In der SUCHE setzt sich mithilfe einer Konkurrenz ein bürgerliches Eheideal durch, das milte in der Partnerschaft positiv besetzt“. (120)
      • Das Märe löst das Problem der Ehebeziehung durch Pluralisierung: „Die Lösung des Problems, nicht herbeigeführt durch handelndes Einschreiten, sondern durch Relativieren und Kontextualisieren, ergibt sich aus der suchenden Reise, die ein âventiure-Schema zum Verbinden der Erzählblöcke verwendet.“ (132f.)
      • Die bürgerliche Ehe wird in ein Ritterromanschema eingewoben, wobei das initiale Problem nicht durch Reifung des Protagonisten, sondern durch Kontextualisierung und Relativierung gelöst wird. (135)
      • Kaufringer inkludiert Aspekte höfischen Erzählens in das bürgerliche Milieu. (141)
    • Die Rosshaut (Heinrich der Teichner)
      • In der Rosshaut wird der ordo am Ende restituiert, indem die aufstrebende Frau durch die Gabe des Herrschers belehrt wird. (162)
      • Das Erzählschema von Schlag und Gegenschlag ist durch Inklusion der Figur des Herzogs ergänzt, mit dessen Hilfe erst die Zurechtweisung der Frau erfolgt. (163)
    • Der Hellerwert-Witz (Hermann Fressant)
      • Pluralisierung findet durch Exklusion statt: Promiskuität und Liebe sind zu Beginn des Märes vereinbar und schließen einander am Ende aus. (178)
    • Heinrich von Kempten (Konrad von Würzburg)
      • „Im Streit zwischen Heinrich und dem Truchsess spiegelt sich eine Kontroverse um die einzig richtige Bedeutung von zuht wider, die die andere Seite ausschließt. Vielfalt wird entfaltet, um Semantiken in Konkurrenz auszuspielen.“ (188)
    • Der Weinschwelg
      • Im Weinschwelg werden intertextuelle Referenzen auf Minnesang und Sangspruch in die Märendichtung inkludiert. (223)
  4. Resümee
    • In den Priapeia und im Weinschwelg verringert sich die Gewalt, „indem vorher markierte Differenzen wieder aufgelöst werden“, wobei durch Inklusion Stabilität erzeugt wird. (230)
    • Die Mären explizieren ihre Pluralisierungsphänomene kaum. (241)
    • Durch Inklusion und Exklusion werden Ordnungen pluralisiert. (248)
    • Mären ab der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts werden zunehmend selbstreferentiell. (258)