Von Edelsteinen (Der Stricker)
Von Edelsteinen | |
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AutorIn | Der Stricker |
Entstehungszeit | ca. 1220-1250 (Malm, Mike: Der Stricker, S. 369) |
Entstehungsort | Ostfränkisch/Rheinfränkisch, Österreich? (Malm, Mike: Der Stricker, S. 369) |
AuftraggeberIn | |
Überlieferung | Wien, ÖNB: Cod. 2705 (online: [1]) Heidelberg, UB: Cpg 341 (online: [2]) |
Ausgaben | Moelleken, Wolfgang Wilfried (Hg.): Die Kleindichtung des Strickers, Band 4, S. 206-214 |
Übersetzungen | |
Forschung | Heiser, Ines: Wunder und wie man sie erklärt; Margetts, John: Steine des Anstoßes; Nowakowski, Nina: Sprechen und Erzählen beim Stricker, S. 27; Scholz, Manfred Günter: Wer den Stricker totschlägt oder Die Lüge von den Edelsteinen |
Die Überlieferung wurde nach Moelleken, Wolfgang Wilfried (Hg.): Die Kleindichtung des Strickers übernommen; Seitenangaben und ggf. Neufunde fehlen noch.
Inhalt
Das Sprecher-Ich behauptet, edle Steine nach ihrem Wert unterscheiden zu können. Es möchte dafür ihre ihnen nachgesagte Kraft überprüfen, da man nichts Wertvolles unbesehen kaufe. Mauersteine sind hervorragend, aber wir wurden über Schmucksteine belogen, was mit dem Tode bestraft werden sollte. Geschichte und Farbe sind vortrefflich, wobei ein gefärbtes Glas den Augen genauso gefällt bei einem Bruchteil des Preises. Einige sind so dumm, dass sie glauben, was von der Kraft der Edelsteine erzählt wird. Nur diese Lügen machen ihren Wert aus. Nur ein Dummer kauft viele Edelsteine und hat ihren Wert nicht überprüft. Edelsteine sind schön, aber ihr hoher Preis kommt nur von den Erzählungen. In Konstantinopel wurde offensichtlich, dass Edelsteine keinen Reichtum bewahren, da Edelsteinbesitzern dort Besitz, Leben und Ehre verloren. Die römischen Könige ließen die edelsten Edelsteine in die Krone einsetzen – dennoch wurde König Philipp erschlagen und Kaiser Otto entehrt. Der Edelstein ist der falschen Frau vergleichbar: Wer sie haben will, muss viel zahlen. Nur für einen Kaufmann ist es sinnvoll, viel für Edelsteine zu zahlen, denn er findet leicht einen Dummen, der noch mehr dafür zahlt. Das Sprecher-Ich hat aber einen Stein gesehen, der die Kraft hatte einen Halm aufzuheben. Den für 10 Pfund zu kaufen wäre aber närrisch, denn was sollte man von dieser Kraft haben? Nattern und Kröten sollen Siegesteine in sich tragen, die den Träger unbesiegbar machen – doch wurde die Schlange auch erschlagen, die ihn getragen hatte. Hätte ein Jude einen Siegestein, dann würde er Jerusalem zurückerobern; besäße ihn ein Heide, würde er Juden und Christen besiegen; besäße ihn ein Christ, hätte der alle Heiden besiegt; da ihn offensichtlich niemand hat, existiert er nicht. Hahnensteinen sagt man nach, dass sie vor Durst schützen, wenn sie im Mund getragen werden. Wein würde besser helfen und wäre billiger. Der Topas soll kochendes Wasser beruhigen – das Sprecher-Ich kann dasselbe mit einem Schwall kalten Wassers. Der Saphir soll Pestbeulen zerplatzen lassen können – das Sprecher-Ich kann dasselbe mit zwei Nadeln, die ein Ei wert sind. Ein Rubin soll in der Nacht leuchten – was auch ein Stück faules Holz leistet. Wer sich mit einem Smaragd über seine schwachen Augen streicht, erblindet entweder oder bleibt für immer krank. Das konnte man in Venedig an Herzog Heinrich beobachten, der aus einem Smaragdglas trank und seine Augen damit bestrich, damit sie besser wurden, bis er ganz blind wurde. Wer die Kraft der Steine nicht sieht und sie dennoch rühmt, der ist dumm. Sie sind nicht ohne Macht, doch helfen sie dem Sprecher-Ich so gering, dass sie ihm nicht viel wert sind.