Märe/Versnovelle: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 6. November 2018, 09:13 Uhr
Definitorische Ansätze
Hanns Fischer etablierte 1968 in seinen Studien zur deutschen Märendichtung Mären als Gattung in Abgrenzung zu Geistliche Rede, Weltlich-didaktische Rede, Kurzgnomik, Spruchgedicht, Politische Rede, Preisrede, Minnerede, Streitgedicht, Persönliche Rede, Quodlibet, Parodie religiöser Texte, Zechrede, Obszönrede, Klopfan-Spruch, Priamel, Legende, Mirakelerzählung, Teufelserzählung, Fromme Welterzählung, Historisches Spruchgedicht, Fabel, Weltliches Spiel, Heldenepik, Erzählendes Lied, Roman, Bispel. Auf Basis eines Merkmalskataloges definiert Fischer:
- „Ein Märe ist eine in paarweise gereimten Viertaktern versifizierte, selbständige und eigenzweckliche Erzählung mittleren (150 – 2000 Verse) Umfangs, deren Gegenstand fiktive, diesseitig-profane und unter weltlichem Aspekt betrachtete, mit ausschließlich (oder vorwiegend) menschlichen Personal vorgestellte Vorgänge sind.“ (Fischer: Studien, S. 62f.).
Auf dieser Basis identifiziert Fischer ein Korpus von 220 Mären und 44 Grenzfällen (s.u.) und differenziert das Korpus auf Basis von Thema und Personal in die Bereiche schwankhaftes Märe, höfisch-galante Mären und moralisch-exemplarische Mären.
Parallel zu Fischer erschließt 1969 Karl-Heinz Schirmer in seinen Stil- und Motivuntersuchungen zur mittelhochdeutschen Versnovelle das Textkorpus auf rhetorischer Basis, wobei er alternativ den Begriff Versnovelle verwendet. Schirmer differenziert darin das höfisch-galante Märe, den reinen Schwank und das moralisch-exemplarische Märe als drei Hauptzweige der Märengattung (vgl. Schirmer: Motivuntersuchungen, S. II).
Ziegeler nimmt in seiner 1985 erschienen Arbeit Erzählen im Spätmittelalter Abstand von einem Gattungsbegriff und bezeichnet mit „Märe“ stattdessen eine „Form des Erzählens, die sich bemüht, sowohl im Rahmen der Erzählstrukturen, die einem Beweis dienen, durch Motivationen des Handelns der Figuren Identifikationen des Lesers zu stiften, als auch im Rahmen von Erzählschemata, die das Erzählen einer ‚Geschichte’ erleichtern, durch ‚thematische Engführung’ oder durch Konvergenz mit Schwankschemata den Leser wieder in Distanz zum Helden zu rücken“ (Ziegeler: Erzählen, S. 456]].
Ingrid Strasser stellt in ihrer 1989 erschienenen Studie Vornovellistisches Erzählen das Märe in die Tradition des französischen Fabliaux und grenzt es formal vor allem gegen das Bispel ab, dessen allegorisch oder vergleichend aufeinander bezogene zweiteilige Form dem Märe fehle.
Grundsätzlich kritisch zur Behauptung einer Gattung Märe verhalten sich Joachim Heinzle, der die fehlende Abgrenzbarkeit zum Bispel als „formale ‚crux‘ des Märenbegriffs“ bezeichnet (Heinzle: Märenbegriff, S. 99), und Walter Haug, der das Textkorpus als „Erzählen im gattungsfreien Raum“ (Haug: Theorie, S. 6) fasst.
Gemeinsamer Bezugspunkt dieser divergenten Gattungsdiskussion ist ein Gattungsbegriff, der letztlich auf Jauß: Alterität und einem statischen Merkmalsbündel aufbaut. Dies kritisiert Klaus Grubmüller in seiner Monographie Die Ordnung, der Witz und das Chaos von 1999. Er versteht die Gattung Märe als literarische Reihe, deren „aufeinander folgende[] Elemente oder Stufen sich [...] aufeinander beziehen“, so dass „Kriterien, die für den Anfang galten, am Ende nicht mehr unbedingt zu erwarten“ (Grubmüller: Ordnung, S. 200f.) seien. Den Beginn dieser dynamischen Gattung sieht Grubmüller beim Stricker, der das Exempel aus dem lateinischen Kontext löse (vgl. Grubmüller: Ordnung, S. 202).
Diesen Ansatz verfolgt Silvan Wagner im 2018 erschienenen Sammelband Mären als Grenzphänomen weiter und definiert Mären funktional als „deviante Komplementärliteratur“ im Vergleich zur übrigen höfischen bzw. später städtischen Literatur. Mären machten damit die literarische Sinngenese über die Basisunterscheidungen Ordnung/Unordnung bzw. Normalität/Abnormalität beobachtbar (vgl. Wagner: Grenzbetrachtungen).
Wichtige Editionen
- Grubmüller: Novellistik
- Niewöhner: Neues Gesamtabenteuer
- von der Hagen: Gesammtabenteuer
- von Laßberg: Liedersaal
Liste der Mären
Die Siglen in eckigen Klammern hinter den Texttiteln verweisen darauf, in welchen Textkatalogen der jeweilige Text als Märe identifiziert wird:
- F = in Fischer: Studien als Märe identifiziert
- FG = in Fischer: Studien als Grenzfall identifiziert
- Sch = in Schirmer: Motivuntersuchungen als Märe bzw. Versnovelle identifiziert
- St = in Strasser: Vornovellistisches als Märe identifiziert
- Z = in Ziegeler: Erzählen als Märe identifiziert
A
- Aberglaube
- Adam und Eva
- Alexander und Anteloie
- Das Almosen
- Die alte Mutter (Volrat)
- Aristoteles und Phyllis
- Der arme Ritter
- Das Auge
B
- Die Bärenjagd I
- Die Bärenjagd II
- Die Bärenjagd III
- Die Bauernhochzeit
- Berchta
- Der Bergmann
- Beringer
- Bestraftes Misstrauen
- Der betrogene Blinde I
- Der betrogene Blinde II
- Der blinde Hausfreund
- Blonde und graue Haare
- Die böse Adelheid
- Bruder Rausch
- Der Bussard
C
D
- Die demütige Frau
- Drei buhlerische Frauen
- Drei listige Frauen A
- Von drei Freunden
- Die drei Mönche von Kolmar (Niemand)
- Dulceflorie
E
F
- Falkner und Terzel
- Frauenerziehung (Sibote)
- Frauenlist
- Unser Frauen Ritter
- Frauentreue
- Frauentrost (Siegfried der Dorfer)
- Das Frauenturnier
- Frau Metze (Der arme Konrad)
- Frau und zwei Kaufleute
G
- Das Gänslein
- der Gärtner Hod
- Das gebratene Ei
- Vom Geiz
- Der gestohlene Schinken (Elsässischer Anonymus)
- Die Gevatterinnen
- Die gezähmte Widerspenstige
- Der Gürtel (Dietrich von der Glezze)
H
- Das Häslein
- Die halbe Birne A (Konrad von Würzburg)
- Die halbe Decke I
- Die halbe Decke A/II
- Die halbe Decke B/III
- Die halbe Decke C/IV (Der Hufferer)
- Die halbe Decke BC/V
- Harm der Hund
- Der Hasenbraten (Der Vriolsheimer)
- Hatto der Mäher (Eslässischer Anonymus)
- Die Heidin I/A
- Die Heidin II
- Die Heidin III
- Die Heidin IV/B
- Der Hellerwert-Witz (Hermann Fressant)
- Hero und Leander
- Der Herrgottschnitzer
- Der Herr mit den vier Frauen
- Der Herzog von Braunschweig (Augustijn)
- Der Heller der armen Frau
- Der hohle Baum A
- Der hohle Baum B (Hans Ehrenbloß)
- Des Hundes Not
I
J
K
- Der kahle Ritter
- Das Kerbelkraut
- Kinder soll man ziehen
- Das Kreuz
- Kobold und Eisbär
- Der König im Bad
- Die Königin von Frankreich (Schondoch)
- Die Kohlen
- Konni (Heinz der Kellner)
L
M
- Der Mann in der Lache
- Marien Rosenkranz
- Die Meierin mit der Geiß
- Das Messerlein
- Der milde König
- Minnedurst
- Der Minne Klaffer
- Der Minne Klafter (Ruschart)
- Der Minner und der Kriegsmann
- Minner und Trinker
- Der Mönch als Liebesbote A
- Des Mönches Not (Der Zwingäuer)
- Mönch Felix I
- Mönch Felix II
- Mönch Felix Roth
- Der Müller, sein Sohn und der Esel
N
O
P
- Der Pfaffe in der Reuse (Heinrich von Pforzen)
- Der Pfaffe mit der Schnur A
- Pfaffe und Ehebrecherin A
- Pfaffe und Esel
- Von dem phaffen und der pheffin (Meister Heinrich I)
- Der Pfennigwertwitz
- Der Preller
- Pyramus und Thisbe
Q
R
- Rache für die Helchensöhne
- Die rächenden Rebhühner
- Das Rädlein (Johannes von Freiberg)
- Der Reiher
- Ritter Gottfried
- Der Ritter im Hemde
- Der Ritter mit den Nüssen
- Rittertreue
- Der Ritter und der Teufel
- Der Ritter und Maria
- Der Ritter unter dem Zuber (Jacob Appet)
S
- Schampiflor
- Der Schlegel (Rüdiger von Hinkhofer)
- Das Schneekind A
- Das Schneekind B
- Der Schreiber
- Der Schüler zu Paris A
- Der Schüler zu Paris B
- Der Schüler zu Paris C
- Der schwangere Müller
- Die sieben größten Freuden
- Der Sperber
- Streitgespräch zwischen Christ und Jude
- Der Streit um Eppes Axt (Elsässischer Anonymus)
- Der Striegel
- Studentenabenteuer A
- Studentenabenteuer B (Rüdeger von Munre)
T
- Des Teufels Ächtung
- Der Teufel und der Maler
- Thomas von Kandelberg
- Tor Hunor
- Die treue Magd
- Die Treueprobe (Ruprecht von Würzburg)
- Von eime triúnken buoben
U
- Von dem üblen Weib II
- Unbestimmbares Bruchstück I
- Unbestimmbares Bruchstück II
- Der unentwegte Liebhaber
- Die undankbaren Hunde
- Das Unglück
V
W
- Wachtelmäre
- Wandelart
- Der Wechsler und der Sohn
- Das Weib und die jungen Hühner
- Weib und Geiß
- Des Weingärtners Frau und der Pfaffe
- Werbung um das Kränzlein
- Die Wette
- Der Wiener Meerfahrt (Der Freudenleere)
- Der Wirt
- Wolf und Pfaffe (Stefan Veltsperger)
- Der Württemberger